Verantwortlich für diese Rubrik: Manfred Wolfersdorf, Bayreuth; Thomas Pollmächer,
Ingolstadt
Im Jahr des 100-jährigen Bestehens des Ökumenischen Hainich Klinikums in Mühlhausen
trafen und treffen sich hier fast alle wesentlichen berufsständischen Verbände und
Organisationen für Nervenheilkunde Deutschlands; in der Regel bezogen sind die Themen
auf die Probleme, die sich aus dem neuen Entgeltsystem ergaben oder ergeben werden.
Das wissenschaftliche Thema der "Bundesdirektorenkonferenz, Verband leitender Ärztinnen
und Ärzte der deutschen Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie" (BDK) war diesmal
"Qualität stationär- psychiatrischer Versorgung – wie viel davon ist messbar?" Der Bezug zum neuen Entgeltsystem ist klar; weil Leistungen im neuen Entgeltsystem
gemessen und finanziell bewertet werden sollen, ergeben sich naturgemäß auch Fragen
nach deren Qualität. Qualität ist ein vielgebrauchter, ebenso komplexer wie oft missbrauchter
Begriff, der nicht nur in der allgemeinen Wirtschaft, sondern auch in der Medizin
insgesamt und in der Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik kontrovers und
oft subjektiv diskutiert wird.
Zur gezielten Verbesserung des Qualitätsmanagement wird versucht, die Güte ärztlicher
Behandlung zu messen. In der körperlichen (somatischen) Medizin geschieht dies z.
B. durch den Vergleich von Komplikationsraten bei bestimmten Operationen zwischen
verschiedenen Krankenhäusern. Im Bereich der Versorgung psychisch Kranker scheint
eine Objektivierung von Qualität ungleich schwieriger. Sie wird aber zunehmend vom
Gesetzgeber gefordert und ist Fundament für die Bewertung von Leistung: Welche Qualität
einer Leistung wird mit wie viel bezahlt und ist nicht die gleiche Qualität viel billiger
"machbar"?
Prof. Dr. Falkai, DGPPN, stellte die von der DGPPN an eine solche Qualitätsbeurteilung
zu stellenden Anforderungen dar und berichtete von ersten Ergebnissen nach sehr aufwendigen
Abstimmungsprozessen. Die Anforderungen sind gute Messbarkeit der Daten, hohe Aussagekraft,
geringer bürokratischer Aufwand und die Möglichkeit, den gesamten Behandlungsprozess
qualitativ zu bewerten. Am Beispiel der Schizophreniebehandlung wurden Ergebnisse
vorgestellt, die die medikamentöse Dauerbehandlung mit Antipsychotika und die Psychoedukation
als gesicherte Qualitätsindikatoren identifizierte.
Herr Stephan Bukies, Qualitätskliniken.de, stellte die Pilotphase für die "Psych"-Fächer
dar. Bei "Qualitätskliniken.de" geht es um einen Zusammenschluss führender privat-kommerzieller
Klinikträger mit gemeinnützigen Trägern. Ausgegangen wird vom allgemeinen Qualitätsmanagement
wie Beschwerde- und Fehlermanagement, Mortalitäts- und Morbiditätskonferenzen, den
Hygieneanforderungen, Verlaufskontrollen, Arzneimittelnebenwirkungsmonitoring, psychopharmakologische
Visiten und dem 4-Augenprinzip. Bezüglich der Patienten- und Angehörigenbeteiligung
werden entsprechende Befragungen angeregt und Psychoedukation abgefragt.
Der Vertreter der Krankenkassen erschien nicht. Der Betroffenenvertreter machte deutlich,
dass die historischen Antipsychiatriegedanken keineswegs ausgestorben sind; ein wichtiges
Qualitätskriterium sei u. a., dass sich die Psychiatrie selbst abschaffe. Die Angehörigenvertreterin
betonte die Notwendigkeit, die Angehörigen in allen Phasen der Behandlung einzubeziehen.
Deutlich wurde insgesamt, dass die Frage der messbaren Qualität bisher keineswegs
wissenschaftlich zufriedenstellend beantwortet werden kann und v. a. die "weichen
Faktoren" näher bestimmt und verstärkt erforscht werden müssen.
Der Bericht des Vorstandes (Prof. Dr. Pollmächer) und die Grußworte der Deutschen
Krankenhausgesellschaft (Frau Rümmelin) befassten sich u. a. mit der neuesten Entwicklung
bei der Einführung der PEPP. Nachdem alle Fachgesellschaften das von der InEK, Dr.
Heimig, vorgelegte Ergebnis als unzureichend, widersprüchlich und versorgungsverfälschend
abgelehnt haben, wird mit einer Ersatzvornahme durch das BMG gerechnet. Die BDK schlägt
zusammen mit allen anderen psychiatrischen Fachgesellschaften und Fachverbänden sowie
den Verbänden der Krankenhausträger beim Bundesministerium vor, in einer Moratoriumsphase
von 2 Jahren mit Experten, Betroffenen, Angehörigen, Krankenkassen und Krankenhäuser
dem geplanten System eine neue Struktur zu geben, die wirklich der gesetzlich geforderten
Verbesserung der Versorgungsqualität dient. Ernste Zweifel an der Machbarkeit des
neuen Entgeltsystems, das stringent in Analogie zum DRG-System entwickelt wird, wurden
laut. Für den Fall, dass die Bundesregierung gegen allen fachlichen Rat das neue System
doch zum 1. Januar 2013 einführen wird, rät die Bundesdirektorenkonferenz den Krankenhäusern,
nicht an der freiwilligen Erprobung des Systems ab 1.1.2013 teilzunehmen und auch
die Entgeltkalkulation nicht weiter zu unterstützen. Diese Zurückhaltung ist und kann
nur eine Empfehlung sein, die zudem nur dann trägt, wenn sich diese Einschätzung bundesweit
durchsetzt.
Manfred Wolfersdorf, Lothar Adler
Termine
18./19. April 2013 Frühjahrstagung der Bundesdirektorenkonferenz im ZfP Zwiefalten,
Oberschwaben
(Information: Prof. Dr. G. Längle)