Diabetes aktuell 2012; 10(07): 339-340
DOI: 10.1055/s-0032-1331333
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Typ-2-Diabetes – Patienten profitieren vom frühen Einsatz eines GLP-1-Analogons

Further Information

Publication History

Publication Date:
27 November 2012 (online)

 

Aktuelle Daten von Bain et al. machen deutlich, dass der frühe Einsatz von Liraglutid (Victoza®) die Blutzuckereinstellung am deutlichsten verbessert und mehr Patienten den HbA1c-Zielwert von 7 % erreichen als in einer späteren Krankheitsphase [ 1 ]. Die Prädiktoren für ein gutes Ansprechen auf das humane GLP-1-Analogon evaluierte eine gepoolte Analyse klinischer Phase-3-Studien: Patienten mit einem HbA1c < 8,5 %, einer kürzeren Diabetesdauer und einer Vorbehandlung mit maximal einem Antidiabetikum erreichen unter der Behandlung mit Liraglutid am wahrscheinlichsten das kombinierte Therapieziel aus HbA1c < 7 % ohne Gewichtszunahme und Hypoglykämien [ 2 ]. Die Behandlung des Typ-2-Diabetes muss dabei individuell an den Patienten angepasst sein, betonte Prof. Dr. Werner Kern, Ulm, auf einer Veranstaltung im Rahmen der Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes (EASD) [ 3 ].

Eine Metaanalyse großer Endpunktstudien zeigt, dass die Senkung des HbA1c-Wertes um 0,9 % bei Menschen mit Typ-2-Diabetes zu einer insgesamt um 17 % reduzierten Rate an Myokardinfarkten führt [ 4 ]. Bei einer differenzierten Betrachtung der Studien wird deutlich, dass insbesondere jene Patienten profitieren, bei denen zuvor noch kein kardiovaskuläres Ereignis aufgetreten ist und deren HbA1c zu Therapiebeginn unter 8 % lag [ 5 ]. Auch eine detaillierte Auswertung der VADT-Studie bestätigt, dass eine intensive glykämische Kontrolle möglichst früh im Krankheitsverlauf erfolgen sollte, erklärte Kern im Rahmen der 48. EASD-Jahrestagung in Berlin [ 6 ].

Leitlinien fordern glykämische Kontrolle ohne Hypoglykämie und Gewichtszunahme

In den aktuellen Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft wird für Menschen mit Typ-2-Diabetes eine intensive Blutzuckerkontrolle mit einem HbA1c < 6,5 % gefordert – jedoch nur dann, wenn sich das Therapieziel mit einer möglichst geringen Rate an Hypoglykämien und ohne wesentliche Gewichtszunahme erreichen lässt [ 7 ].

Diese individuelle Herangehensweise deckt sich auch mit dem aktuellen Positionspapier der American Diabetes Association (ADA) und der EASD. In diesen Empfehlungen werden bei der Festlegung eines bestimmten Therapieziels auch Faktoren wie Diabetesdauer, Begleiterkrankungen und psychosoziale Aspekte berücksichtigt. Als Therapieoptionen werden im Positionspapier nach Lebensstiländerungen und dem Versagen von Metformin 5 Substanzgruppen genannt und bewertet (Sulfonylharnstoffe, Thiazolidindione, DPP-4-Inhibitoren, GLP-1-Rezeptor-Agonisten und Insulin). Die vordringlichen Forderungen nach effektiver glykämischer Kontrolle bei niedrigem Hypoglykämierisiko und ohne Gewichtszunahme werden Kern zufolge nur von GLP-1-Rezeptor-Agonisten wie Liraglutid erfüllt [ 8 ].

Liraglutid stimuliert wie natürliches GLP-1 die Freisetzung von Insulin aus den Betazellen und unterdrückt die Glukagonsekretion aus den Alphazellen – jedoch nur bei erhöhten Blutzuckerspiegeln [ 9 ], [ 10 ]. Aufgrund dieses glukoseabhängigen Wirkmechanismus wurden bei der Anwendung von Liraglutid in Kombination mit Metformin nur sehr wenige Hypoglykämien beobachtet. [ 11 ].


#

Patienten profitieren von einer frühen Therapie besonders

Dass Menschen mit Typ-2-Diabetes besonders von der frühen Therapie mit Liraglutid profitieren, machte Kern anhand eines Posters von Bain et al. deutlich [ 1 ]. Dazu wurden die Run-in-Phase der Studie 1842 retrospektiv in Bezug auf die Vortherapie der Patienten evaluiert. Diese hatten entweder unter Metformin alleine oder unter Metformin plus Sulfonylharnstoff (SU) keine ausreichende glykämische Kontrolle mehr erzielt. Metformin-Patienten erhielten in der Run-in-Phase Liraglutid zusätzlich zu ihrer Vortherapie (= Metformin-Add-on-Gruppe), bei Patienten unter Metformin und SU wurde letzterer durch Liraglutid ersetzt (= SU-Switch-Gruppe). Der Vergleich der demografischen Daten zu Studienbeginn zeigt u. a., dass Patienten der SU-Switch-Gruppe (n = 285) im Vergleich zu Patienten der Metformin-Add-on-Gruppe (n = 532) bereits länger an Diabetes erkrankt waren (im Median 9,0 vs. 6,5 Jahre).

Nach 12 Wochen war der HbA1c-Wert bei Patienten der Metformin-Add-on-Gruppe unter der Therapie mit Liraglutid signifikant stärker gesunken als in der SU-Switch-Gruppe (–1,3 vs. –0,8 %; p = 0,0001). Und deutlich mehr Patienten der Metformin-Add-on-Gruppe erreichten das Therapieziel (HbA1c < 7 %) als der SU-Switch-Gruppe (69,7 vs. 44,6 %; Abb. [ 1 ]). Auch in Bezug auf die Nüchternblutzuckerwerte (NBZ) profitierten die weniger lang an Diabetes erkrankten Patienten stärker (–2,2 mmol/l vs. –0,8 mm/l). Nur beim Körpergewicht hatten Patienten, die von SU auf Liraglutid umgestellt wurden größere Vorteile als Patienten, die zu Studienbeginn nur Metformin erhalten hatten: Die Gewichtsabnahme unter Liraglutid betrug im Median –3,7 kg bei der Metformin-Add-on-Gruppe vs. –4,4 kg in der SU-Switch-Gruppe.

Zoom Image
Abb. 1 Von den Patienten, die Liraglutid zusätzlich zu Metformin erhielten, erreichten 69,7 % den HbA1c-Zielwert von < 7 %, bei den Patienten, bei denen Liraglutid den Sulfonylharnstoff ersetzte, waren es nur 44,6 %.

"Der frühe Einsatz von Liraglutid verbessert die Blutzuckereinstellung am deutlichsten und mehr Patienten erreichen den HbA1c-Zielwert von 7 %", so die Schlussfolgerung von Kern aus den aktuellen Daten.


#

Prädiktoren für das Erreichen des kombinierten Endpunkts

Eine gepoolte Analyse 7 klinischer Phase-3-Studien evaluierte bei 1530 Menschen mit Typ-2-Diabetes die Prädiktoren für den größten therapeutischen Nutzen unter Liraglutid [ 2 ]. Die Auswertung zeigte, dass insgesamt 34 % der Patienten, die mit Liraglutid 1,8 mg behandelt wurden, den präspezifizierten kombinierten Endpunkt der retrospektiven Analyse erreichten. Dabei war jedoch der Anteil an Patienten höher, deren HbA1c zu Studienbeginn unter 8,5 % lag im Vergleich zu Patienten mit einem höheren HbA1c (46 bzw. 19 % Responder; p < 0,0001). Dies galt auch für Patienten mit einem HbA1c < 8,5 % zu Studienbeginn, die zuvor nur ein antidiabetisches Medikament oder eine diätetische Therapie erhalten hatten, im Vergleich zu jenen, die zuvor bereits eine Kombinationstherapie erhalten hatten (56 bzw. 36 % Responder; p < 0,0001). Auch weibliches Geschlecht war mit einem besseren Ansprechen assoziiert.

Insgesamt am stärksten profitieren Patienten von der Liraglutid-Therapie bei noch moderater Stoffwechselentgleisung (HbA1c < 8,5 %), die bislang diätetisch oder mit einer Monotherapie therapiert wurden und die sich in der frühen Phase der Diabeteserkrankung (< 4,9 Jahre) befanden (Abb. [ 2 ]).

Zoom Image
Abb. 2 Am wahrscheinlichsten war das Ansprechen auf Liraglutid bei Patienten, die zu Therapiebeginn einen HbA1c-Wert von < 8,5 % hatten, die zuvor mit maximal einem Antidiabetikum behandelt wurden, die weiblich waren und eine Diabetesdauer von weniger als 4,9 Jahren aufwiesen.

"Diese neuen Ergebnisse zeigen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, das therapeutische Ziel – den kombinierten Endpunkt aus glykämischer Kontrolle (HbA1c < 7 %) ohne Gewichtszunahme und Hypoglykämien – zu erreichen, wenn Liraglutid früher im Management des Typ-2-Diabetes eingesetzt wird," sagte Dr. Vanita Aroda, Hyattsville, Maryland, USA, bei der Präsentation des Posters [ 13 ].


#
Fazit

"Das individuelle Therapieziel sollte mit dem Patienten anhand seiner Gesamtsituation festgelegt werden. Dabei reduziert eine gute Blutzuckereinstellung in der frühen Phase der Diabeteserkrankung am effektivsten das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Und mit einer frühzeitigen antidiabetischen Therapie – wie zum Beispiel Liraglutid in Kombination mit Metformin – bei noch moderater Stoffwechselentgleisung, erreichen mehr Patienten die Therapieziele", so das Resümee von Kern für die Praxis.

Monika Walter, München

Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung durch Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz.


#

Victoza® 6 mg/ml Injektionslösung in einem Fertigpen. Wirkstoff: Liraglutid. Zusammensetzung: Arzneilich wirksamer Bestandteil: 6 mg/ml Liraglutid. Analogon zu humanem Glucagon-like peptide-1 (GLP-1), hergestellt durch rekombinante DNS-Technologie in Saccharomyces cerevisiae. Sonstige Bestandteile: Natriummonohydrogenphosphat-Dihydrat, Propylenglykol, Phenol, Wasser für Injektionszwecke. Anwendungsgebiete: Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 bei Erwachsenen in Kombination mit Metformin und/oder einem Sulfonylharnstoff oder in Kombination mit Metformin und einem Thiazolidindion, wenn trotz maximal verträglicher Dosis bei der Metformin- oder Sulfonylharnstoff-Monotherapie oder trotz Therapie mit 2 oralen Antidiabetika keine ausreichende Blutzuckerkontrolle erreicht werden kann. Art der Anwendung: Der Pen wurde für die Verwendung mit NovoFine® oder NovoTwist® Einweg-Injektionsnadeln entwickelt. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile, bestehende oder geplante Schwangerschaft, Stillzeit, Typ 1 Diabetes, diabetische Ketoazidose, Patienten unter 18 Jahren. Die Anwendung von Victoza® wird bei mittelschwerer und schwerer Nierenfunktionsstörung einschließlich terminaler Niereninsuffizienz, Leberfunktionsstörung, entzündlichen Darmkrankheiten und diabetischer Gastroparese, Patienten mit bereits bestehender Insulintherapie nicht empfohlen. Bei Verdacht auf eine Pankreatitis ist Victoza® abzusetzen. Nebenwirkungen: Sehr häufig: Kopfschmerzen, vorübergehende Übelkeit u. Durchfall (mit Gefahr der Dehydrierung). Häufig: Hypoglykämie, Erbrechen, Verstopfung, abdominale Beschwerden (z. B. Schmerzen und Spannungsgefühl), Dyspepsie, Nasopharyngitis, Bronchitis, Anorexie, verminderter Appetit, Schwindel, Gastritis, virale Gastroenteritis, Blähungen, gastroösophageale Refluxkrankheit, Zahnschmerzen, Erschöpfung, Fieber, Antikörperbildung, Reaktionen an der Injektionsstelle, Ausschlag. Gelegentlich: Pankreatitis, Neoplasmen der Schilddrüse, Erhöhung der Calcitonin-Konzentration im Blut, Struma, Urtikaria, Unwohlsein, Dehydrierung mit Verschlechterung der Nierenfunktion, akutes Nierenversagen, Juckreiz. Selten: Angioödem, anaphylakt. Reaktion. Verschreibungspflichtig. Novo Nordisk A/S, Novo Allé, 2880 Bagsvaerd, Dänemark. Stand: Oktober 2012


  • Quellen

  • 1 Bain SC et al. Diabetologia 2012; 55 (Suppl. 01) S330-S331
  • 2 Ratner R et al. Diabetologia 2012; 55 (Suppl. 01) S332
  • 3 Meet the expert: "Was? Wann? Wer? – Worauf es beim erfolgreichen Einsatz des humanen-GLP-1 Analogons ankommt", 3. Oktober 2012, Berlin. Veranstalter: Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz
  • 4 Ray K et al. Lancet 2009; 373: 1765-1772
  • 5 ACCORD Study Group. N Engl J Med 2008; 358: 2545-2559
  • 6 Duckworth W et al. NEJM 2009; 360: 129-139
  • 7 Matthaei S et al. Diabetologie und Stoffwechsel 2009; 4: 32-64
  • 8 Inzucchi SE et al. Diabetes Care 2012; 35: 1364-1379
  • 9 Degn KB et al. Diabetes 2004; 53 (Suppl. 05) 1187-1194
  • 10 Nauck MA et al. Diabetes 2003; 52 (Suppl. 01) A128
  • 11 Nauck MA et al. Diab Care 2009; 32: 84-90
  • 12 De Vriers JH et al. Diab Care 2012; 35: 1446-1454
  • 13 Global Media Briefing Novo Nordisk, Berlin, 3. Oktober 2012

  • Quellen

  • 1 Bain SC et al. Diabetologia 2012; 55 (Suppl. 01) S330-S331
  • 2 Ratner R et al. Diabetologia 2012; 55 (Suppl. 01) S332
  • 3 Meet the expert: "Was? Wann? Wer? – Worauf es beim erfolgreichen Einsatz des humanen-GLP-1 Analogons ankommt", 3. Oktober 2012, Berlin. Veranstalter: Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz
  • 4 Ray K et al. Lancet 2009; 373: 1765-1772
  • 5 ACCORD Study Group. N Engl J Med 2008; 358: 2545-2559
  • 6 Duckworth W et al. NEJM 2009; 360: 129-139
  • 7 Matthaei S et al. Diabetologie und Stoffwechsel 2009; 4: 32-64
  • 8 Inzucchi SE et al. Diabetes Care 2012; 35: 1364-1379
  • 9 Degn KB et al. Diabetes 2004; 53 (Suppl. 05) 1187-1194
  • 10 Nauck MA et al. Diabetes 2003; 52 (Suppl. 01) A128
  • 11 Nauck MA et al. Diab Care 2009; 32: 84-90
  • 12 De Vriers JH et al. Diab Care 2012; 35: 1446-1454
  • 13 Global Media Briefing Novo Nordisk, Berlin, 3. Oktober 2012

Zoom Image
Abb. 1 Von den Patienten, die Liraglutid zusätzlich zu Metformin erhielten, erreichten 69,7 % den HbA1c-Zielwert von < 7 %, bei den Patienten, bei denen Liraglutid den Sulfonylharnstoff ersetzte, waren es nur 44,6 %.
Zoom Image
Abb. 2 Am wahrscheinlichsten war das Ansprechen auf Liraglutid bei Patienten, die zu Therapiebeginn einen HbA1c-Wert von < 8,5 % hatten, die zuvor mit maximal einem Antidiabetikum behandelt wurden, die weiblich waren und eine Diabetesdauer von weniger als 4,9 Jahren aufwiesen.