Aktuelle Daten von Bain et al. machen deutlich, dass der frühe Einsatz von Liraglutid
(Victoza®) die Blutzuckereinstellung am deutlichsten verbessert und mehr Patienten
den HbA1c-Zielwert von 7 % erreichen als in einer späteren Krankheitsphase [
1
]. Die Prädiktoren für ein gutes Ansprechen auf das humane GLP-1-Analogon evaluierte
eine gepoolte Analyse klinischer Phase-3-Studien: Patienten mit einem HbA1c < 8,5 %, einer kürzeren Diabetesdauer und einer Vorbehandlung mit maximal einem Antidiabetikum
erreichen unter der Behandlung mit Liraglutid am wahrscheinlichsten das kombinierte
Therapieziel aus HbA1c < 7 % ohne Gewichtszunahme und Hypoglykämien [
2
]. Die Behandlung des Typ-2-Diabetes muss dabei individuell an den Patienten angepasst
sein, betonte Prof. Dr. Werner Kern, Ulm, auf einer Veranstaltung im Rahmen der Jahrestagung
der European Association for the Study of Diabetes (EASD) [
3
].
Eine Metaanalyse großer Endpunktstudien zeigt, dass die Senkung des HbA1c-Wertes um 0,9 % bei Menschen mit Typ-2-Diabetes zu einer insgesamt um 17 % reduzierten
Rate an Myokardinfarkten führt [
4
]. Bei einer differenzierten Betrachtung der Studien wird deutlich, dass insbesondere
jene Patienten profitieren, bei denen zuvor noch kein kardiovaskuläres Ereignis aufgetreten
ist und deren HbA1c zu Therapiebeginn unter 8 % lag [
5
]. Auch eine detaillierte Auswertung der VADT-Studie bestätigt, dass eine intensive
glykämische Kontrolle möglichst früh im Krankheitsverlauf erfolgen sollte, erklärte
Kern im Rahmen der 48. EASD-Jahrestagung in Berlin [
6
].
Leitlinien fordern glykämische Kontrolle ohne Hypoglykämie und Gewichtszunahme
Leitlinien fordern glykämische Kontrolle ohne Hypoglykämie und Gewichtszunahme
In den aktuellen Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft wird für Menschen
mit Typ-2-Diabetes eine intensive Blutzuckerkontrolle mit einem HbA1c < 6,5 % gefordert – jedoch nur dann, wenn sich das Therapieziel mit einer möglichst
geringen Rate an Hypoglykämien und ohne wesentliche Gewichtszunahme erreichen lässt
[
7
].
Diese individuelle Herangehensweise deckt sich auch mit dem aktuellen Positionspapier
der American Diabetes Association (ADA) und der EASD. In diesen Empfehlungen werden
bei der Festlegung eines bestimmten Therapieziels auch Faktoren wie Diabetesdauer,
Begleiterkrankungen und psychosoziale Aspekte berücksichtigt. Als Therapieoptionen
werden im Positionspapier nach Lebensstiländerungen und dem Versagen von Metformin
5 Substanzgruppen genannt und bewertet (Sulfonylharnstoffe, Thiazolidindione, DPP-4-Inhibitoren,
GLP-1-Rezeptor-Agonisten und Insulin). Die vordringlichen Forderungen nach effektiver
glykämischer Kontrolle bei niedrigem Hypoglykämierisiko und ohne Gewichtszunahme werden
Kern zufolge nur von GLP-1-Rezeptor-Agonisten wie Liraglutid erfüllt [
8
].
Liraglutid stimuliert wie natürliches GLP-1 die Freisetzung von Insulin aus den Betazellen
und unterdrückt die Glukagonsekretion aus den Alphazellen – jedoch nur bei erhöhten
Blutzuckerspiegeln [
9
], [
10
]. Aufgrund dieses glukoseabhängigen Wirkmechanismus wurden bei der Anwendung von
Liraglutid in Kombination mit Metformin nur sehr wenige Hypoglykämien beobachtet.
[
11
].
Patienten profitieren von einer frühen Therapie besonders
Patienten profitieren von einer frühen Therapie besonders
Dass Menschen mit Typ-2-Diabetes besonders von der frühen Therapie mit Liraglutid
profitieren, machte Kern anhand eines Posters von Bain et al. deutlich [
1
]. Dazu wurden die Run-in-Phase der Studie 1842 retrospektiv in Bezug auf die Vortherapie
der Patienten evaluiert. Diese hatten entweder unter Metformin alleine oder unter
Metformin plus Sulfonylharnstoff (SU) keine ausreichende glykämische Kontrolle mehr
erzielt. Metformin-Patienten erhielten in der Run-in-Phase Liraglutid zusätzlich zu
ihrer Vortherapie (= Metformin-Add-on-Gruppe), bei Patienten unter Metformin und SU
wurde letzterer durch Liraglutid ersetzt (= SU-Switch-Gruppe). Der Vergleich der demografischen
Daten zu Studienbeginn zeigt u. a., dass Patienten der SU-Switch-Gruppe (n = 285)
im Vergleich zu Patienten der Metformin-Add-on-Gruppe (n = 532) bereits länger an
Diabetes erkrankt waren (im Median 9,0 vs. 6,5 Jahre).
Nach 12 Wochen war der HbA1c-Wert bei Patienten der Metformin-Add-on-Gruppe unter der Therapie mit Liraglutid
signifikant stärker gesunken als in der SU-Switch-Gruppe (–1,3 vs. –0,8 %; p = 0,0001).
Und deutlich mehr Patienten der Metformin-Add-on-Gruppe erreichten das Therapieziel
(HbA1c < 7 %) als der SU-Switch-Gruppe (69,7 vs. 44,6 %; Abb. [
1
]). Auch in Bezug auf die Nüchternblutzuckerwerte (NBZ) profitierten die weniger lang
an Diabetes erkrankten Patienten stärker (–2,2 mmol/l vs. –0,8 mm/l). Nur beim Körpergewicht
hatten Patienten, die von SU auf Liraglutid umgestellt wurden größere Vorteile als
Patienten, die zu Studienbeginn nur Metformin erhalten hatten: Die Gewichtsabnahme
unter Liraglutid betrug im Median –3,7 kg bei der Metformin-Add-on-Gruppe vs. –4,4
kg in der SU-Switch-Gruppe.
Abb. 1 Von den Patienten, die Liraglutid zusätzlich zu Metformin erhielten, erreichten 69,7
% den HbA1c-Zielwert von < 7 %, bei den Patienten, bei denen Liraglutid den Sulfonylharnstoff
ersetzte, waren es nur 44,6 %.
"Der frühe Einsatz von Liraglutid verbessert die Blutzuckereinstellung am deutlichsten
und mehr Patienten erreichen den HbA1c-Zielwert von 7 %", so die Schlussfolgerung von Kern aus den aktuellen Daten.
Prädiktoren für das Erreichen des kombinierten Endpunkts
Prädiktoren für das Erreichen des kombinierten Endpunkts
Eine gepoolte Analyse 7 klinischer Phase-3-Studien evaluierte bei 1530 Menschen mit
Typ-2-Diabetes die Prädiktoren für den größten therapeutischen Nutzen unter Liraglutid
[
2
]. Die Auswertung zeigte, dass insgesamt 34 % der Patienten, die mit Liraglutid 1,8
mg behandelt wurden, den präspezifizierten kombinierten Endpunkt der retrospektiven
Analyse erreichten. Dabei war jedoch der Anteil an Patienten höher, deren HbA1c zu Studienbeginn unter 8,5 % lag im Vergleich zu Patienten mit einem höheren HbA1c (46 bzw. 19 % Responder; p < 0,0001). Dies galt auch für Patienten mit einem HbA1c < 8,5 % zu Studienbeginn, die zuvor nur ein antidiabetisches Medikament oder eine
diätetische Therapie erhalten hatten, im Vergleich zu jenen, die zuvor bereits eine
Kombinationstherapie erhalten hatten (56 bzw. 36 % Responder; p < 0,0001). Auch weibliches
Geschlecht war mit einem besseren Ansprechen assoziiert.
Insgesamt am stärksten profitieren Patienten von der Liraglutid-Therapie bei noch
moderater Stoffwechselentgleisung (HbA1c < 8,5 %), die bislang diätetisch oder mit einer Monotherapie therapiert wurden und
die sich in der frühen Phase der Diabeteserkrankung (< 4,9 Jahre) befanden (Abb. [
2
]).
Abb. 2 Am wahrscheinlichsten war das Ansprechen auf Liraglutid bei Patienten, die zu Therapiebeginn
einen HbA1c-Wert von < 8,5 % hatten, die zuvor mit maximal einem Antidiabetikum behandelt wurden,
die weiblich waren und eine Diabetesdauer von weniger als 4,9 Jahren aufwiesen.
"Diese neuen Ergebnisse zeigen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, das therapeutische
Ziel – den kombinierten Endpunkt aus glykämischer Kontrolle (HbA1c < 7 %) ohne Gewichtszunahme und Hypoglykämien – zu erreichen, wenn Liraglutid früher
im Management des Typ-2-Diabetes eingesetzt wird," sagte Dr. Vanita Aroda, Hyattsville,
Maryland, USA, bei der Präsentation des Posters [
13
].
"Das individuelle Therapieziel sollte mit dem Patienten anhand seiner Gesamtsituation
festgelegt werden. Dabei reduziert eine gute Blutzuckereinstellung in der frühen Phase
der Diabeteserkrankung am effektivsten das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse.
Und mit einer frühzeitigen antidiabetischen Therapie – wie zum Beispiel Liraglutid
in Kombination mit Metformin – bei noch moderater Stoffwechselentgleisung, erreichen
mehr Patienten die Therapieziele", so das Resümee von Kern für die Praxis.
Monika Walter, München
Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung durch Novo Nordisk Pharma GmbH,
Mainz.