Werden Krankenhäuser im ambulanten Bereich tätig, gilt grundsätzlich auch für Krankenhäuser
das Erfordernis des Einzugs der Praxisgebühr. Gemäß § 28 Abs. 4 des Fünften Sozialgesetzbuchs
(SGB V) leisten Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, je Kalendervierteljahr
für jede erste Inanspruchnahme eines an der ambulanten ärztlichen, zahnärztlichen
oder psychotherapeutischen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers, wenn keine
Überweisung aus demselben Kalendervierteljahr vorliegt, als Zuzahlung die Praxisgebühr
an den Leistungserbringer. Die Pflicht für den Patienten, die Praxisgebühr zu entrichten,
gilt auch, wenn er ambulante ärztliche Behandlungen in einer Notfallambulanz in Anspruch
nimmt, da die Notfallambulanz in diesem Fall an der ambulanten ärztlichen Versorgung
teilnehmender Leistungserbringer im Sinne des § 28 Abs. 4 SGB V ist. Die ambulanten
Leistungen der Notfallambulanz werden von der Kassenärztlichen Vereinigung über die
Honorarbescheide ausgezahlt. Aufgrund bundesmantelvertraglicher Regelungen (§ 18 Abs.
7a BMV-Ä für die Primärkassen bzw. § 21 Abs. 7a EKV-Ä für die Ersatzkassen) kann die
Kassenärztliche Vereinigung grundsätzlich die Differenz zwischen einzubehaltender
und einbehaltener Zuzahlungen zurückbehalten, d. h. vom Honorar abziehen, wenn sich
aus der Abrechnung ergibt, dass ein Leistungserbringer in einem Quartal in 10 % oder
einem höheren Anteil der Behandlungsfälle, in denen die Zuzahlung nach § 28 Abs. 4
SGB V zu erheben ist, die Zuzahlung nicht erhoben hat.
Der Fall
Im konkreten Fall behielt eine Kassenärztliche Vereinigung Honorarzahlungen in Höhe
von ca. 48 000,00 Euro für insgesamt 3 Quartale zurück, weil das Krankenhaus die Praxisgebühr
in einem erheblichen Umfang nicht eingezogen hatte.
Die Klägerin betreibt als Krankenhausträger unter anderem das betroffene Klinikum,
welches in einer Notfallambulanz ambulante vertragsärztliche Leistungen erbringt.
Im Rahmen der Honorarbescheide für die betreffenden Quartale machte die Kassenärztliche
Vereinigung ein Zurückbehaltungsrecht bezüglich der der Klägerin für erbrachte Notfallleistungen
in den streitigen Quartalen zustehenden Honorare in Höhe der nicht einbehaltenen Zuzahlungen
geltend und hielt insgesamt 48 000,00 Euro zurück. Die Nichteinzugs- bzw. Nichtzahlerquote
im Klinikum lag zwischen 59,55 % und 68,80 %. Gegen die Zurückbehaltung legte die
Klägerin sowohl Widerspruch als auch Klage ein. Dies jedoch ohne Erfolg. Das Landessozialgericht
hob auf die Berufung des Krankenhausträgers das Urteil des Sozialgerichts auf und
verurteilte die Kassenärztliche Vereinigung, an die Klinik den entsprechenden Betrag
nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit zurückzuzahlen. Hiergegen wandte sich nun die Kassenärztliche
Vereinigung mit der Revision zum Bundessozialgericht (BSG).
Die Entscheidung
Das Bundessozialgericht gab der Kassenärztlichen Vereinigung teilweise Recht. So entschieden
die Richter, dass das Berufungsurteil insoweit zu ändern sei, als die Beklagte zur
Auszahlung des einbehaltenen Betrages nebst Zinsen verurteilt worden sei. Die Kassenärztliche
Vereinigung sei vielmehr nur verpflichtet, über die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts
der Höhe nach unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden
(Urteil des Bundessozialgerichts vom 08.02.2012, B 6 KA 12/11 R).
Nach Auffassung des BSG ist das Zurückbehaltungsrecht durch die Kassenärztliche Vereinigung
anhand einer den rechtlichen Anforderungen entsprechenden Rechtsgrundlage durchgeführt
worden. Auch hätten die tatbestandlichen Voraussetzungen vorgelegen.
Jedoch hätte die Kassenärztliche Vereinigung das ihr zustehende Ermessen fehlerhaft
ausgeübt.
Nach Auffassung der Richter gilt die Praxisgebühr auch für die ambulante ärztliche
Behandlung, die auf der Grundlage des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V in Notfällen von „anderen
Ärzten“ – vorliegend von der Notfallambulanz eines Krankenhauses – erbracht werden,
da diese an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringer im
Sinne des § 28 Abs. 4 SGB V sind. Der Leistungserbringer hat die Praxisgebühr einzubehalten.
Sein Vergütungsanspruch gegenüber der Krankenkasse, der Kassenärztlichen Vereinigung
oder der Kassenzahnärztlichen Vereinigung verringert sich entsprechend. Die von der
Krankenkasse zu entrichtenden Vergütungen verringern sich in Höhe der Summe der von
den mit der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnenden Leistungserbringern einbehaltenen
Zuzahlungen.
Gläubiger des Anspruchs auf die Praxisgebühr ist damit die Krankenkasse, während die
Vertragsärzte (bzw. die Notfallambulanz) lediglich als Einzugs- bzw. Inkassostelle
fungieren. Ausfälle gehen somit letztlich zu Lasten der Krankenkasse. Ein Vertragsarzt
hat einen Versicherten, der die Praxisgebühr anlässlich einer ärztlichen Behandlung
nicht zahlt, lediglich schriftlich zur Nachentrichtung aufzufordern. Bleibt diese
Mahnung erfolglos, hat die Kassenärztliche Vereinigung im Auftrag der Krankenkassen
die Einziehung der Zuzahlung zu übernehmen. Da die Leistungserbringer an der Einziehung
der Praxisgebühr nicht notwendig ein eigenes wirtschaftliches Interesse hätten, haben
die Vertragspartner der Bundesmantelverträge vereinbart, dass die Kassenärztlichen
Vereinigungen unter bestimmten Voraussetzungen Teile der geschuldeten Vergütung zurückbehalten
dürfen. Die Rechtsgrundlage findet sich in § 18 Abs. 7a BMV-Ä (bzw. § 21 Abs. 7a EKV-Ä).
Diese Regelungen sind nicht allein für Vertragsärzte verbindlich, sondern gelten auch
für andere Leistungserbringer, die vertragsärztliche Leistungen erbringen. Gleichzeitig
leitet die Kassenärztliche Vereinigung in Abstimmung mit der zuständigen Krankenkasse
ein Schlichtungsverfahren ein. Im Rahmen dieses Schlichtungsverfahrens wird sodann
geklärt, inwieweit ein Schadensersatzanspruch der Krankenkassen gegen die Klinik wegen
des Nichteinzugs besteht.
Kein undifferenziertes Einbehalten
Kein undifferenziertes Einbehalten
Auch nach Auffassung des BSG lagen grundsätzlich die Voraussetzungen zum Einbehalt
vor. In der Notfallambulanz der Klinik wurden die Zuzahlungen unstrittig in weitaus
mehr als 10 % der Behandlungsfälle „nicht erhoben“. Mit „erheben“ sei hier das erfolgreiche
Einziehen im Sinne der tatsächlichen Realisierung der Praxisgebühr durch Zahlung gemeint.
Weitere Tatbestandsvoraussetzungen bestünden nicht. Der Kassenärztlichen Vereinigung
stünde bei der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts jedoch ein Ermessen zu. Dies ergibt
sich aus der Formulierung „kann… zurückbehalten“. Das heißt, es werde ihr die Freiheit
eingeräumt, zwischen mehreren als rechtmäßig angesehenen Entscheidungen zu wählen.
Das Ermessen der Kassenärztlichen Vereinigung umfasst nach Auffassung der Richter
auch die Entscheidung darüber, in welchem Umfang sie von diesem Recht Gebrauch machen.
Dies ergäbe sich aus dem Zweck der Regelung. Einer Ermessensausübung bedürfe es bereits
deshalb, weil die Rechtsfolge (Zurückbehaltung) sehr weit gefasst sei. Sie gestatte
es, die Differenz zwischen einzubehaltender und einbehaltener Zuzahlungen in vollem
Umfang zurückzubehalten. Damit erfasse das Zurückbehaltungsrecht auch Fälle, in denen
die Nichtzahlung der Praxisgebühr nicht mehr in den Verantwortungsbereich des Leistungserbringers
fällt und in denen sich – sofern auch eine Vollstreckung erfolglos bleibt – das Inkassorisiko
der Krankenkassen realisiert. Das Gesetz sehe nicht vor, dass die Leistungserbringer
die Zuzahlung „erfolgreich” einziehen müssten, sondern ihre Verpflichtung bestünde
lediglich darin, die Zuzahlung vom Versicherten einzufordern. Sie ende, wenn der Versicherte
trotz gesonderter schriftlicher Aufforderung durch den Leistungserbringer nicht zahle.
Die gesetzlichen Regelungen würden belegen, dass auch der Gesetzgeber davon ausginge, dass ein gewisser Teil der Patienten
seiner Zahlungspflicht nicht freiwillig nachkäme. Zu diesem Personenkreis gehörten
schon diejenigen Patienten, die – selbst bei pflichtgemäßen Einzugsversuchen durch
den Leistungserbringer – weder im unmittelbaren Zusammenhang mit der Behandlung noch
nach schriftlicher Aufforderung durch den Leistungserbringer zu einer Zahlung bereit
seien. Ein undifferenziert ausgeübtes Zurückbehaltungsrecht würde dazu führen, dass
Honorarzahlungen auch in Fällen zurückgehalten werden dürften, in denen (auch) einen
korrekt handelnden Leistungserbringer nach erfolgloser Mahnung keine weiteren Pflichten
träfen.
BMV-Regelungen bilden Situation in Notfallambulanzen nicht ab
BMV-Regelungen bilden Situation in Notfallambulanzen nicht ab
Hinzu käme, dass die bundesmantelvertraglichen Regelungen erkennbar auf die Leistungserbringung
bei niedergelassenen Vertragsärzten zugeschnitten seien. Sie unterstelle nämlich,
dass eine Überschreitung der 10 %-Grenze ohne Weiteres ein Zurückbehaltungsrecht rechtfertige,
weil ein Nichteinzug in dieser Höhe nur in extremen Ausnahmefällen zu erwarten sei.
Dies treffe jedoch für die Leistungserbringung in Notfallambulanzen nicht zu.
Nach Auffassung der Richter bestünde die Gefahr, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen
sich bei undifferenzierter Ausübung des Zurückbehaltungsrechts auf die Ausübung des
Zurückbehaltungsrechts beschränken und von der ihnen obliegenden Aufgabe der Einleitung
eines Verwaltungsverfahrens gegen säumige Zahler absähen. Auch die Kassenärztliche
Vereinigung im konkreten Fall hätte es offenbar dabei bewenden lassen, Honorare im
Umfang der nicht von der Klinik eingezogenen Zuzahlungen zurückzuhalten und in dieser
Höhe einen Schaden bei der Schlichtungsstelle geltend zu machen. Die Anwendung des
§ 18 Abs. 7a Satz 1 BMV-Ä dürfe jedoch die gesetzlich vorgegebene Aufgaben- und Risikoverteilung
nicht unterlaufen.
Eine Kassenärztliche Vereinigung sei daher nicht berechtigt, unter Hinweis auf einen
gegebenenfalls insuffizienten Einzug der Praxisgebühr durch den Leistungserbringer
die gesetzlich vorgegebenen Maßnahmen zu unterlassen und stattdessen ohne Weiteres
die (volle) Differenz als Schaden geltend zu machen.
Die Kassenärztliche Vereinigung habe insoweit fehlerhaft gehandelt, weil sie das ihr
auch hinsichtlich der Höhe des vorgenommenen Einbehalts zustehende Ermessen weder
erkannt noch dieses Ermessen entsprechend dem Zweck der bundesmantelvertraglichen
Regelungen ausgeübt habe. Ausgehend von der Zielsetzung des in den Bundesmantelverträgen
normierten Zurückbehaltungsrechts als Druckmittel hat die Kassenärztliche Vereinigung
im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung zu prüfen, ob und in welchem Umfang es in Bezug
auf den konkret betroffenen Leistungserbringer dieses Druckes auch tatsächlich bedarf.
Die Regelungen berechtigten die Kassenärztliche Vereinigung zur Einbehaltung von Honorar
maximal (!) in Höhe der Differenz zwischen den tatsächlich einbehaltenen Zuzahlungen
der Versicherten und der vollen Summe der angefallenen Zuzahlungen. Ob die Kassenärztliche
Vereinigung diesen Rahmen ausschöpft, läge in ihrem Ermessen, von dem sie sachgerechten
Gebrauch machen müsse. Dies habe zur Folge, dass sie sich je nach Art der Leistungserbringung
daran orientieren müsse, welche Ausfallquote tatsächlich unvermeidbar sei.
Vollständiger Einbehalt nur in Extremfällen
Vollständiger Einbehalt nur in Extremfällen
Grundsätzlich ist nach Auffassung der Richter davon auszugehen, dass ein vollständiger
Einbehalt des Differenzbetrages nur in Extremfällen in Betracht kommt. Dies sei etwa
dann der Fall, wenn der Einzug der Zuzahlung grundsätzlich verweigert werde. Dasselbe
gelte, wenn die Nichteinzugsquote auch nach Ablauf einer gewissen Eingewöhnungsfrist
nach Einführung der „Praxisgebühr” unverändert hoch bliebe, obwohl in einem Schiedsverfahren
bestandskräftig festgestellt worden sei, dass die Höhe des Nichteinbehalts ganz wesentlich
auf eine schuldhafte Verletzung der dem Leistungserbringer obliegenden Pflichten zurückzuführen
ist. Lägen jedoch derartige Fälle nicht vor, verstoße ein über das Maß des Erforderlichen
hinausgehender Einbehalt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Konkrete Umstände sind zu prüfen
Konkrete Umstände sind zu prüfen
Bei der Ermessensausübung sei zunächst in Betracht zu ziehen, dass es eine gewisse
Quote von Patienten geben wird, die bei einer Inanspruchnahme des Notfalldienstes
die Zahlung der Praxisgebühr generell verweigern und für deren Verhalten die Leistungserbringer
keine Verantwortung träfe. Hinzu kämen die Fälle, in denen eine unmittelbare Zahlung
an den Leistungserbringer an tatsächlichen Gegebenheiten scheitert. Um entscheiden
zu können, ob es bzw. – hiervon nicht zu trennen – in welchem Umfang es der Ausübung
des Druckmittels gegenüber einem Leistungserbringer bedürfe, sei daher vorab zu klären,
inwieweit die konkreten Umstände der Leistungserbringung Einfluss auf den „erfolgreichen”
Einzug der Zuzahlung durch den Leistungserbringer hätten. Da nach Auffassung der Richter
signifikante Unterschiede zwischen Arztpraxen und Notfallambulanzen von Krankenhäusern
bestünden, sei die 10 %-Grenze auf Krankenhausambulanzen nicht einfach übertragbar.
So werde – mit einer Ausnahme – in keiner von der Klinik betriebenen Notfallambulanzen
eine Zahlungsquote von 50 % erreicht. Ob dazu das Verhalten der Klinik beigetragen
habe, werde abschließend im Schlichtungsverfahren zu klären sein.
Schon die Lebenserfahrung spreche allerdings dafür, dass die Nichtzahlerquote in Arztpraxen
angesichts einer mehr oder weniger starken Arzt-Patienten-Bindung gering sei, während
sie in Notfallambulanzen aus einer Vielzahl von Gründen typischerweise größer sein
wird. Eine Arzt-Patienten-Bindung werde dort in aller Regel fehlen. Es läge weiter
nahe, dass eine größere Anzahl von Patienten „unvorbereitet” in die Notfallambulanz
komme. Dies gelte zumindest für die „echten” Notfälle. Ein gewisser Teil der Patienten
werde also gegebenenfalls keine Zahlungsmittel dabei haben. Zu berücksichtigen sei
auch, dass ein gewisser Teil der Patienten nicht ansprechbar sei und den Patienten
auch keine Angehörigen begleiten.
Bei der Prüfung, in welchem Umfang ein Einzug der Zuzahlungen auch bei der Beachtung
der gebotenen Sorgfalt überhaupt möglich bzw. realistisch sei, sei zudem zu berücksichtigen,
dass nach § 18 Abs. 3 BMV-Ä der Einzug der Praxisgebühr bei „akuter Behandlungsbedürftigkeit”
auch nachträglich – das heißt nach Behandlung bzw. Diagnosestellung – erhoben werden
kann. Mit „akuter Behandlungsbedürftigkeit” seien Konstellationen gemeint, die eine
sofortige, „von Zuzahlungsbemühungen nicht verzögerte”, Behandlung erforderlich machten.
Akute Behandlungsbedürftigkeit in diesem Sinne dürfte in Notfallambulanzen in deutlich
höherem Ausmaß gegeben sein als in den Praxen niedergelassener Ärzte, auch wenn anzunehmen
ist, dass die Notfallambulanzen der Krankenhäuser abends und am Wochenende auch von
zahlreichen Patienten aufgesucht würden, die die Voraussetzungen für einen „Notfall”
nicht erfüllen. Zwar habe die Kassenärztliche Vereinigung zutreffend darauf hingewiesen,
dass auch in Fällen akuter Behandlungsbedürftigkeit die Möglichkeit zur Einziehung
nachträglich bestehe. Jedoch dürfte sich der Druck auf den Patienten, die Praxisgebühr
zu entrichten, nach Durchführung der Behandlung deutlich vermindert haben. Dies stütze
die Annahme, dass die Zahl der Nichtzahler in Notfallambulanzen naturgemäß deutlich
höher ist als in Arztpraxen.
Ausfallquoten vergleichbarer Einrichtungen berücksichtigen
Ausfallquoten vergleichbarer Einrichtungen berücksichtigen
Es läge nach alledem nahe, dass die 10 %-Grenze in Notfallambulanzen regelhaft überschritten
werde, ohne dass dies den Leistungserbringern angelastet werden könne. Zumindest bis
ein erstes Schlichtungsverfahren bestandskräftig abgeschlossen sei, müsse sich die
Höhe der Ausfallquote, auf die eine Kassenärztliche Vereinigung ihr Zurückbehaltungsrecht
bei pflichtgemäßer Ermessensausübung erstreckt, daher an dem orientieren, was in Notfallambulanzen
von Krankenhäusern leistbar sei. Die Kassenärztliche Vereinigung müsse den Umfang
der typischerweise unvermeidbaren Nichtzahlungen nicht exakt ermitteln, aber doch
der Größenordnung nach berücksichtigen. Sie habe daher vor der Zurückbehaltung einer
bestimmten Summe die Frage zu klären, welche Ausfall- bzw. Nichteinzahlungsquoten
sich in vergleichbaren Einrichtungen ergeben. Es sei daher sachgerecht, wenn die Beklagte
ermittle, wie hoch die Ausfallquote in vertragsärztlichen Notfalleinrichtungen sei,
also bei Patienten, die einen ihnen fremden Arzt im Quartal nur wegen einer Notfallversorgung
aufgesucht hätten. Aussagekräftig könnten auch die Werte von anderen Klinikträgern
im Bereich der Beklagten sowie aus anderen Kassenärztlichen Vereinigungs-Bezirken
sein. Wenn diese Ermittlungen ergäben, dass die Nichteinzugsquote auch bei sachgerechter
Organisation generell im Notfalldienst wegen der Besonderheiten der Patientenklientel
und der Art der Behandlungen Werte von z. B. 30 % oder 35 % erreiche, dürfe die Beklagte
(jedenfalls vor bestandskräftigem Abschluss des ersten Schlichtungsverfahrens) nicht
einfach unterstellen, die Klägerin hätte eine Ausfallquote von mehr als 10 % verhindern
können und müssen.
Fazit
Das Urteil stärkt zwar vordergründig die Rechte der Krankenhausträger, pauschale Kürzungen
der Kassenärztlichen Vereinigungen in voller Höhe nicht hinnehmen zu müssen. Es ist
jedoch kein Freibrief, auf den Einzug der Praxisgebühr zu verzichten. Die Verpflichtung,
die Praxisgebühr soweit wie möglich einzuziehen, besteht derzeit noch. Spätestens
im Schlichtungsverfahren wird es erforderlich sein, dezidiert darzulegen, warum eine
gewisse Ausfall- bzw. Nichteinzugsquote vorlag und darzulegen, dass der Ausfall nicht
auf Fehlern oder Desinteresse der Klinik beruht.
Das Urteil gibt jedoch zahlreiche Anhaltspunkte im Hinblick auf die Höhe der zurückzubehaltenden
Beträge, die sich so auch im Bescheid wiederfinden sollten.