Ende des letzten Jahres kam es im Indischen Ozean gleich 2-mal zu zum Teil tödlichen
Vergiftungen nach dem Verzehr von Schildkrötenfleisch. Zunächst hatten Anfang November
43 Menschen auf der zu Thailand gehörenden Doppelinsel Koh Lanta (Provinz Krabi, Südregion)
nach dem Verzehr einer Echten Karettschildkröte Vergiftungserscheinungen. Ein Mann
verstarb hier im Verlauf des Ausbruchs. Allerdings ist ungewiss, ob die Vergiftung
die Ursache für den Tod war, da der Mann auch unter anderen gesundheitlichen Problemen
litt.
Anderthalb Monate später erkrankten dann auf den Komoren mehr als 30 Menschen nach
dem Konsum von Schildkrötenfleisch. Hier verstarben 2 Kinder an den Folgen der Vergiftung.
Eine Frau erlitt eine Fehlgeburt.
Bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden aus den tropischen und subtropischen
Regionen des Atlantiks und des Indopazifiks sporadisch immer wieder größere Ausbrüche
von Lebensmittelvergiftungen nach dem Verzehr von Meeresschildkröten gemeldet. Todesfälle
waren und sind dabei keine Seltenheit. Vermutlich treten solche Fälle sogar öfter
auf, als offiziell bekannt ist: Bereits seit den 1970er Jahren sind Meeresschildkröten
unter anderem durch das Washingtoner Artenschutzübereinkommen CITES geschützt. Erkrankte,
die illegal Schildkröten erlegt haben, suchen aus Furcht vor Bestrafung oft keine
ärztliche Hilfe auf. Hinzu kommt, dass viele betroffene Küstenregionen so abgelegen
sind, dass höchstens eine rudimentäre medizinische Versorgung gegeben ist. Ausbrüche
unter den Einheimischen in solchen Regionen werden oft von offizieller Stelle gar
nicht registriert.
Schildkrötenfleisch war unter Seefahrern und Küstenbewohnern in den (Sub-)Tropen schon
immer eine beliebte Nahrungsquelle und gilt auch heute noch als Delikatesse. Celonitoxinvergiftungen
sind geografisch relativ weit verbreitet und die Ausbrüche haben zum Teil Letalitätsraten
von 28 %. Trotzdem ist interessanterweise noch immer sehr wenig über die genauen Mechanismen
der Vergiftung bekannt. Man weiß weder mit Sicherheit, welche Giftstoffe für die Erkrankungen
verantwortlich sind, noch was sie im Körper der Betroffenen bewirken oder wie und
unter welchen Umständen sie sich in einzelnen Schildkröten bilden oder akkumulieren.
Meist wird vermutet, dass die Vergiftungen durch Toxine hervorgerufen werden, die
bei Algenblüten entstanden sind und sich dann in den Schildkröten angereichert haben.
Aber die Meerestiere können während ihres langen Lebens auch zahlreiche andere Toxine
wie etwa Schwermetalle oder verschiedene Pestizide in ihrem Fleisch ansammeln.
Wann und wo giftige Individuen auftreten können, lässt sich bis heute nicht vorhersagen.
Die betroffenen Tiere haben auch keine offensichtlichen Merkmale, die erkennen lassen,
ob ihr Fleisch giftig ist oder nicht. In Neuguinea verfüttern die Einheimischen daher
oft zunächst ein Fleischstück an Hunde oder Katzen. Zeigen diese nach 24 Stunden keine
Symptome, kann das restliche Fleisch von den Menschen verzehrt werden. Eine andere
Methode, von der berichtet wird, ist, dass Fischer die Leber der Schildkröten den
Krähen zum Fraß vorwerfen – verschmähen die Vögel die Mahlzeit, essen auch die Menschen
die Schildkröte nicht.
Vergiftungen mit Chelonitoxin wurden bisher mit mindestens 5 verschiedenen Meeresschildkrötenarten
in Verbindung gebracht. Am häufigsten scheint das Fleisch der Echten Karettschildkröte
(Eretmochelys imbricata) die Ursache der Vergiftung zu sein.
Quelle: Corel Stock
Die ersten Symptome einer Vergiftung treten in der Regel innerhalb weniger Stunden
nach dem Verzehr der Schildkröte auf. Es wurden jedoch auch Fälle gemeldet, bei denen
es erst nach einigen Wochen zu Erkrankungen kam. Die Betroffenen leiden zunächst unter
Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Tachykardie, Schwindelanfällen, Oberbauchschmerzen,
Blässe, Schweißausbrüchen und einem Kältegefühl an den Extremitäten. In einigen Fällen
berichten die Erkrankten von einem Brennen an den Lippen und im Mundraum. Die Zunge
bekommt einen weißen Belag und wird schließlich von Bläschen bedeckt. In schweren
Fällen tritt eine Somnolenz auf, aus der die Patienten in ein Koma fallen können.
Nach Eintritt des Komas kommt es in der Regel bereits nach kurzer Zeit zum Tod durch
Atemstillstand. Kinder scheinen stärker unter den Auswirkungen des Giftes zu leiden
als Erwachsene. Es wurden auch Fälle gemeldet, in denen gestillte Babys verstarben,
ihre Mütter aber symptomlos blieben. Die Behandlung erfolgt symptomatisch. Ein Gegengift
ist derzeit nicht bekannt.
Dr. Raymund Lösch und Dipl. Biol. Unn Klare,
Bad Doberan
Quellen: promed; Silas EG, Fernando AB.
Turtle Poisoning. CMFRI Bulletin 1984; 35: 62–75