Einleitung
Trotz großer Fortschritte in Forschung und Therapie in den letzten Jahren sind Lungenkarzinome
nach wie vor die häufigste tumorbedingte Todesursache (ca. 1,6 Millionen Lungenkrebsfälle,
13 % aller Krebsfälle), wobei deutlich mehr Männer als Frauen an Lungenkrebs erkranken
und sterben. In der Bundesrepublik Deutschland ist das Lungenkarzinom mit jährlich
über 40 000 Sterbefällen die vierthäufigste Todesursache und die zweithäufigste Krebstodesursache
[1 ]. Hinzu kommt, dass konträr zur leicht rückläufigen Inzidenz bei Männern die Häufigkeit
bei Frauen weiterhin kontinuierlich zunimmt. Für 2009 wurden erstmals bei Frauen unter
40 Jahren ebensoviele Lungenkrebsdiagnosen verzeichnet wie bei gleichaltrigen Männern
[2 ].
Die 5-Jahres-Überlebensrate der Patienten mit Lungenkarzinom im Stadium IIIB und IV,
trotz der Fortschritte in der Diagnostik und Therapie, liegt in europäischen und nordamerikanischen
Ländern nur in einem Bereich von 5,5 – 15,7 % [3 ]
[4 ]. Die hohe Mortalität der Erkrankung beruht im Wesentlichen auf der verspäteten Erstdiagnose
bereits fortgeschrittener Tumorstadien und der sich daraus ergebenden Limitierung
für kurative chirurgische bzw. bi- oder trimodale Therapieansätze. Sobald eine kurative
Resektion nicht mehr möglich ist, ist eine gleichermaßen effektive wie verträgliche
systemische Therapie gefordert, was angesichts der aktuell erreichbaren Ansprechraten
von verfügbaren Chemotherapiekombinationen von meist unter 30 % nur unzureichend geleistet
werden kann. Selbst Zytostatika der dritten Generation erzielen in der Monotherapie
durchschnittlich nur etwa 9 % (6 – 13 %) Remissionen [5 ]. Laut der aktuellen S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und
Beatmungsmedizin und der Deutschen Krebsgesellschaft sollen Patienten mit nicht-kleinzelligem
Lungenkarzinom (NSCLC) im Stadium IIIA4 /IIIB sowohl Radiatio als auch Chemotherapie
erhalten, im Stadium IIIB/IV eine effektive Chemotherapie, die in der Regel auf Platin
und Taxanen basiert [2 ]. Angesichts medianer Überlebenszeiten von nur 10 – 12 Monaten im Stadium IIIB/IV
und der Häufigkeit von Komorbiditäten (COPD, KHK, pAVK) ist jedoch beim metastasierten
Lungenkarzinom das verfügbare Zeitfenster für Therapieentscheidungen vergleichsweise
kurz.
Aktivierende Mutationen am Gen des Epidermal Growth Factor-Rezeptors (EGFR)
Aktivierende Mutationen am Gen des Epidermal Growth Factor-Rezeptors (EGFR)
Aufgrund der limitierten Therapieoptionen mit Chemotherapeutika ist es von entscheidender
Bedeutung, frühzeitig histopathologische Subtypen und molekulare Marker zu identifizieren,
die Auskunft geben können, ob eine spezifische Therapie eingesetzt werden kann. Eine
der teilweise molekularbiologisch definierten soliden Tumorentitäten mit den entsprechenden
Therapieoptionen sind die nicht-kleinzelligen Lungenkarzinome (NSCLC). In einer deutschen
Studie [6 ] konnte bei 310 von 3 155 eingeschlossenen Patienten (9,8 %) mit vorwiegend fortgeschrittenem
NSCLC (alle Entitäten) eine EGFR-Mutation nachgewiesen werden. Die Prävalenz für eine
EGFR-Mutation bei Adenokarzinomen lag in dieser Studie bei 12,3 %; bei nicht rauchenden
Ostasiaten steigt die Inzidenz sogar auf bis über 70 % an [7 ]. [Abb. 1 ] zeigt die Frequenz von onkologischen Treibermutationen bei Patienten mit Adenokarzinomen
der Lunge.
EGFR-TKIs zur palliativen Erstlinientherapie
EGFR-TKIs zur palliativen Erstlinientherapie
Der EGFR-Mutationsstatus hat sowohl eine prognostische Relevanz als auch eine prädiktive
Bedeutung für die Therapie mit EGFR-TKIs. Mok et al. zeigten in der IPASS-Studie eine
Verbesserung des progressionsfreien Überlebens (PFS) unbehandelter ostasiatischer
Lungenkarzinompatienten (Adenokarzinome im Stadium IIIB/IV, ≤ 10 Packungsjahre) nach
Behandlung mit Gefitinib im Vergleich zur Kombinationstherapie mit Carboplatin und
Paclitaxel bei Vorliegen einer aktivierenden EGFR-Mutation (HR = 0,48; 95 %-KI 0,36 – 0,64;
p < 0,001). Patienten mit EGFR-Wildtyp hingegen profitierten nicht von einer EGFR-basierten
Therapie (HR = 2,85; 95 %-KI = 2,05 – 3,98; p < 0,001 ([Tab. 1 ]) [8 ]
[9 ]. Mitsudomi et al. konnten diese Ergebnisse für Patienten mit molekular nachweisbaren
EGFR-Mutationen (Exon 19-Deletion oder L858R-Punktmutation) eindrucksvoll bestätigen.
Sie testeten Gefitinib vs. Cisplatin/Docetaxel bei 177 Patienten im Stadium IIIB und
IV. Es zeigte sich ein signifikant verlängertes PFS im Gefitinib-Arm (HR = 0,49; 95 %-KI
0,34 – 0,71, p < 0,0001) ([Tab. 1 ]) [10 ]. Maemondo et al. untersuchten die Effektivität und das Sicherheitsprofil von Gefitinib
im Vergleich zu chemotherapierten Patienten. Insgesamt 230 Patienten mit metastasiertem
nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom und aktivierender EGFR-Mutation wurden bezüglich
des PFS untersucht. Es ergab sich für Patienten im Gefitinib-Arm ein signifikant verlängertes
PFS (HR = 0,36; 95 %-KI 0,25 – 0,51; p < 0,001) bei ebenfalls höherer Ansprechrate
(73,7 % vs . 30,7 %, p < 0,001). Die dabei beobachteten unerwünschten Nebenwirkungen (akneformes
Exanthem bei 71 % und Transaminasenanstieg bei 55 % der Patienten) wurden im Vergleich
zum Chemotherapiearm als akzeptierbar bewertet ([Tab. 1 ]) [11 ].
Tab. 1
Behandlungserfolge bei EGFR + Patienten in der 1st line des NSCLC im direkten Vergleich zu dualer Chemotherapie.
Studie
Substanz
Chemotherapie
Ansprechrate (CR + PR)
p-Wert
PFS (TKI vs. Chemo [Monate]
HR p-Wert
OS (TKI vs. Chemo [Monate]
HR p-Wert
Ref.
IPASS:
EGFR +
EGFR-
Gefitinib
CP 6 Zyklen
71,2 % vs. 47,3 %
p < 0,001
9,5 vs. 6,3
0,48 p < 0.001
21,6 vs. 21,9
1,0 n.s.
[8 ]
[9 ]
1,1 % vs. 23,5 %
p = 0,001
keine Angabe
2,85 (p < 0,001)
11,2 vs. 12,7
1,18 n.s.
[8 ]
[9 ]
NEJ002:
Gefitinib
CP
73,7 % vs. 30,7 %
p < 0,001
10,8 vs. 5,4
0,30 p < 0,001
30,5 vs. 23,6
n.s. (0,31)
[11 ]
WJTOG3405:
Gefitinib
CD 3 – 6 Zyklen
62,1 % vs. 32,2 %
p < 0,0001
9,2 vs. 6,3
0,49 p < 0,0001
36 vs 39
1,185 n.s.
[10 ]
OPTIMAL:
Erlotinib
GC[1 ]
4 Zyklen
83 % vs. 36 %
p < 0,0001
13,1 vs. 4,6
0,16 p = 0,0001
noch nicht publiziert
[13 ]
EURTAC:
Erlotinib
GC /GC[1 ]
4 Zyklen
64 % vs. 18 %
p = 0,0001
9,7 vs. 5,2
0,37 p < 0,0001
19,3 vs. 19,5
1,04 n.s.
[12 ]
CP = Carboplatin/ Paclitaxel/, GC = Gemcitabin/ Cisplatin, GC* = Gemcitabin/Carboplatin,
CD = Cisplatin/Docetaxel
1 = Gemcitabin/Carboplatin
Die Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) Erlotinib (Tarceva® ) und Gefitinib (Iressa® ) sind bereits seit Jahren zugelassen und werden erfolgreich in der Klinik eingesetzt.
Zusätzlich befinden sich aktuell weitere vielversprechende EGFR-TKI und Inhibitoren
der gesamten Rezeptorfamile (ErbB family-Blocker) in späten Phasen der klinischen
Prüfung bzw. kurz vor der Zulassung. Den zielgerichteten Therapien gemeinsam ist,
dass die Ansprechraten ([Tab. 1 ]) ebenso wie die progressionsfreien Überlebenszeiten ([Tab. 1 ]) bei selektierten Patienten deutlich höher sind als bei nicht selektierten. Im unselektionierten
Patientengut entsprechen die Remissionsergebnisse denen der zytostatischen Monotherapie
[2 ]. Erlotinib und Gefitinib wurden zwar in keiner Studie direkt gegeneinander verglichen,
pharmakologische Eigenschaften und klinische Ergebnisse sind jedoch für die Erstlinientherapie
EGFR-mutierter Tumore so ähnlich, dass man von einer prinzipiellen Vergleichbarkeit
dieser beiden Substanzen ausgehen kann. Als reversible EGFR-TKI der ersten Generation
ist ihre Wirksamkeit in der Erstlinientherapie begrenzt auf Patienten mit einer aktivierenden
Mutation des EGFR-Gens ohne andere, primäre oder sekundäre Resistenzen wie die Punktmutation
T790 M. Ansprechraten von Gefitinib und Erlotinib lagen bei NSCLC-Patienten mit Wildtyp-EGFR
in diversen Phase-III- Studien nur im einstelligen Prozentbereich [5 ]
[6 ]
[7 ]
[8 ]
[9 ]
[10 ]
[11 ]. Im deutlichen Gegensatz dazu stehen objektive Ansprechraten (Komplettremissionen
und Teilremissionen) der EGFR-TKI von 60 bis über 70 % bei Patienten mit aktivierenden
Mutationen, welche jeweils hochsignifikant den verabreichten Chemotherapie-Doubletten
überlegen waren ([Tab. 1 ]). Dies trifft nicht nur für asiatische Patienten zu, sondern, wie für Erlotinib
gezeigt, auch für kaukasische Patienten, die deutlich weniger EGFR-mutierte Tumore
aufweisen. So konnte beispielsweise die EURTAC-Studie, die in Italien, Spanien und
Frankreich durchgeführt wurde, belegen, dass PFS und Lebensqualität im Vergleich zur
eingesetzten Platin-basierten Kombinationstherapie signifikant verlängert bzw. verbessert
waren ([Tab. 1 ]) [12 ].
Grundsätzlich bestand in allen diesen Studien die Möglichkeit, nach Progression und
Versagen der zugeteilten Medikation offen auf das andere Therapieprinzip (EGFR-TKI
bzw. Chemotherapie) zu wechseln (Cross-Over-Prinzip) und somit von einer Lebensverlängerung
durch die EGFR-TKI in der Folgelinie zu profitieren. Dies war, angesichts der guten
Wirksamkeit und längeren Progressionshemmung der EGFR-TKI, hauptsächlich bei Patienten
in den ursprünglichen Chemotherapiearmen der Fall. So nutzten in der IPASS-Studie
64 % der Chemotherapie-Patienten diese Möglichkeit, in der NEJ002-Studie sogar 95 %
der Patienten, die mit Carboplatin und Paclitaxel als Ersttherapie behandelt wurden
[9 ]
[11 ].
Dementsprechend formuliert die S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie
und Beatmungsmedizin und der Deutschen Krebsgesellschaft:
„Bei Patienten mit aktivierenden Mutationen des EGF-Rezeptors (insbesondere Deletion
auf exon 19; exon 21 L858 R) ist Gefitinib im Hinblick auf Remissionsrate und progressionsfreies
Überleben in der Erstlinienbehandlung einer Chemotherapie signifikant überlegen (Empfehlungsgrad
B). Gefitinib ist daraufhin bei positivem Mutationsstatus des EGF-Rezeptors in allen
Therapielinien als eine mögliche Behandlungsoption zugelassen worden.“ [2 ] Die entsprechende Zulassung für Erlotinib in der Erstlinientherapie erfolgte erst
nach Erstellung der Leitlinien und wurde daher noch nicht berücksichtigt.
Entwicklung neuer EGFR-TKIs zur palliativen Erstlinientherapie
Entwicklung neuer EGFR-TKIs zur palliativen Erstlinientherapie
Der Therapieerfolg der Tyrosinkinase-Inhibitoren wird jedoch durch sekundäre Resistenzentwicklung
überschattet, die bei nahezu allen initial ansprechenden Patienten auftritt [14 ]. Zusätzlich bestehen bei den EGFR-TKI der ersten Generation (Gefitinib, Erlotinib)
potenzielle Limitationen im Hinblick auf die Wirkdauer (reversible Hemmung am Rezeptor)
und das eingeschränkte Wirkspektrum (nur der Her1-Rezeptor wird geblockt), sodass
eine Notwendigkeit zur Entwicklung neuer bzw. verbesserter Medikamente besteht. Dieser
Rationale folgend wurden in den letzten Jahren EGFR-TKI der „zweiten Generation“ entwickelt,
die im Folgenden dargestellt werden.
Afatinib
Am weitesten fortgeschritten in der klinischen Prüfung ist Afatinib (BIBW 2992), das
sich von den kompetitiven TKI der ersten Generation durch eine irreversible Hemmung
der Tyrosinkinasedomäne sowie eine Hemmung der kompletten HER- oder ErbB-Familie unterscheidet
[15 ]
[16 ]. Afatinib wurde im Juli 2013 von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde (FDA)
für die Erstlinientherapie zugelassen, ebenso erfolgte die Zulassung in Taiwan. Der
Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Zulassungsbehörde (EMA) empfahl
am 25. 7. 2013, Afatinib als Monotherapie für die Behandlung von TKI-naiven Patienten
mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC mit aktivierenden EGFR-Mutationen
zuzulassen. Die Erteilung der Marktzulassung für Europa und Deutschland wird in absehbarer
Zeit erwartet.
In einer Phase-II-Studie bei Adenokarzinom-Patienten mit EGFR-Mutationen, in der sogar
18 % der Patienten Mutationen aufwiesen, die nicht den „klassischen“ Mutationen (Deletionen
im Exon 19 oder Punktmutation im Exon 21) entsprachen, erreichte Afatinib hinsichtlich
Wirksamkeit und Verträglichkeit Resultate, die denjenigen von Erlotinib und Gefitinib
vergleichbar sind (Lux-Lung-2-Studie [17 ]) ([Tab. 2 ]). In präklinischen Studien blieb zudem die Rezeptorbindung und Inaktivierung durch
Afatinib selbst in Gegenwart der Resistenzmutation T790 M erhalten [15 ]
[16 ]. Klinische Daten aus der Lux-Lung-1-Studie (Phase IIB/III) lassen außerdem die Wirksamkeit
einer oralen Dritt- bzw. Viert-Linien-Therapie mit Afatinib selbst nach Versagen von
Erlotinib oder Gefitinib vermuten. So zeigte sich gegenüber Placebo eine signifikante
Verlängerung der progressionsfreien Überlebenszeit (PFS) von 1,1 auf 3,3 Monate (HR
0,38, 95 %-KI, 0,31 – 0,48; p < 0,0001), auch wenn der primäre Endpunkt, das Gesamtüberleben
(OS), nicht signifikant verändert war [18 ]. Auch bei Afatinib wurde der Gewinn beim progressfreien Überleben nicht im Gesamtüberleben
sichtbar, da die Patienten nach Progression Afatinib erhalten konnten, ihre Gesamtüberlebensdauer
aber nach dem ITT-Prinzip dem Kontrollarm zugerechnet wurde.
Mittlerweile liegen aufgrund der Lux-Lung-3-Studie die ersten Phase-III-Direktvergleichsdaten
gegen Chemotherapie aus der Firstline mit Afatinib vor [19 ]. 345 EGFR-mutationspositive Patienten mit therapienaivem fortgeschrittenen Adenokarzinom
der Lunge (Stage IIIB/IV) erhielten randomisiert täglich oral 40 mg Afatinib (230
Patienten) oder bis zu 6 Zyklen einer Kombinationschemotherapie (75 mg/m² Cisplatin
plus 500 mg/m² Pemetrexed alle 3 Wochen; 115 Patienten). Im Vergleich zum gegenwärtigen
„Chemotherapie-Standard“ verlängerte Afatinib die progressionsfreie Überlebenszeit
um mehr als 4 Monate (11,1 Monate vs. 6,9 Monate). Besonders ausgeprägt war der Effekt
bei Patienten mit den „typischen“ Mutationen (Del19 oder L858 R), bei welchen das
PFS von 6,9 auf 13,6 Monate gesteigert werden konnte. Auch die objektiven Ansprechraten,
die sowohl von den Prüfärzten als auch von einem unabhängigen Komittee bewertet wurden,
waren der Chemotherapie eindrucksvoll überlegen (p jeweils < 0,001: Auswertung durch
Prüfärzte: 69,1 vs. 44,3 %; externe Auswertung: 56,1 % vs. 22,6 % Remissionen) ([Tab. 2 ]).
Dieser Unterschied war ebenfalls bei den Patienten mit den „typischen“ Mutationen
(del19 oder L858 R) noch stärker ausgeprägt (60,8 % vs. 22,1 %; p < 0,0001). Die mediane
Ansprechdauer der Remissionen unter Afatinib betrug 11,1 Monate und war somit im Vergleich
zu Remissionen unter Pemetrexed/Cisplatin mit einer medianen Remissionsdauer von 5,5
Monaten ebenfalls relevant verlängert.
Die Datenlage zum Ansprechen seltener Mutationen der Exone 18 – 21 auf EGFR-TKI ist
sehr limitiert. Die 49 Patienten, die im Rahmen der Lux-Lung-2- und Lux-Lung-3-Studien
mit Afatinib behandelt wurden, stellen die größte dokumentierte Population dar. Sie
zeigten zwar ein sehr heterogenes Bild, belegten aber klar, dass auch bei diesen Patienten
eine Therapie mit Afatinib wirksam sein kann.
Dacomitinib (PF299)
Dacomitinib ist ein oraler, irreversibler TKI, der neben EGFR (= HER-1), auch HER-2
und HER-4 hemmt. In-vivo- und In-vitro-Daten belegen, dass er gegen T790M-Mutationen
effektiver wirkt als Gefintinib oder Erlotinib [20 ]. Die Substanz zeigt auch Effektivität gegen Insertations-Mutationen im Exon 20.
In zwei Phase-II-Studien wurde er in der Drittlinie nach Therapie mit Chemotherapeutika
sowie einem EGFR-TKI überprüft. In der asiatischen Studie waren 40 Patienten auswertbar,
wobei 35 % der Patienten 4 Monate nach Beginn der Behandlung noch progressionsfrei
waren. Die Überlebensrate nach 6 Monaten betrug 87 % [21 ] ([Tab. 2 ]). In der zweiten amerikanischen Studie wurden zwei Gruppen nach EGFR-Mutation und
klinischer Wahrscheinlichkeit einer Mutation gebildet. In einem direkten Vergleich
wurde in einer Phase-II-Studie Dacomitinib mit Erlotinib nach Versagen von zwei Chemotherapielinien
verglichen [22 ]. Leider kam es in dieser Studie zu einem Bias bezüglich der EGFR-Mutation (20 %
im Dacomitinib-Arm, 12 % im Erlotinib-Arm), sodass die Therapieergebnisse formal nicht
miteinander vergleichbar sind, auch wenn es in allen Subgruppen einen Trend gab, der
den Dacomitinib-Arm favorisierte. Aktuelle Ergebnisse liegen für eine Phase-II-Studie
mit Dacomitinib in der Erstlinientherapie bei EGFR-Mutation oder HER2-Mutation/Amplifikation
vor [23 ]. Während die Patienten mit EGFR-Mutation (N = 45) ein medianes PFS von 17 Monaten
aufwiesen, konnte für die Patienten mit HER2-Veränderung kein Benefit beobachtet werden
(PFS 1,9 m).
Neratinib (HKI-272)
Neratinib ist ein irreversibler Pan-ErbB-TKI (EGFR, HER-2, HER-3) mit präklinischer
Aktivität bei Exon-19-Deletionen, L858R-Mutation sowie Exon-20-Insertionen und T790 M
[24 ]. In einer Phase-I-Studie an Patienten mit diversen soliden Tumoren, die eine EGFR-oder
HER2-Expression aufwiesen, konnte eine maximal tolerable Dosis von 320 mg ermittelt
werden [25 ]. Sechs von 14 Patienten mit NSCLC, die bereits auf Erlotinib oder Gefitinib progredient
waren, zeigten eine stabile Krankheitssituation (SD) über mindestens 24 Wochen. Die
Ergebnisse einer daraufhin durchgeführten Phase-II-Studie an 167 NSCLC-Patienten waren
allerdings enttäuschend [26 ] ([Tab. 2 ]). Patienten mit einer vorausgegangen Behandlung von mehr als 12 Wochen mit einem
TKI wurden in Arm A randomisiert, wenn sie eine EGFR-Mutation aufwiesen, und in Arm
B, wenn sie den EGFR-Wildtyp exprimierten. Arm C beinhaltete Patienten ohne vorherige
TKI-Therapie. Die Ansprechrate lag bei 3 % in Arm A und jeweils 0 % in den beiden
anderen Armen. Kein Patient mit einer bekannten T790M-Mutation zeigte ein Ansprechen,
jedoch hatten alle 4 Patienten mit einer Exon-18-G719X-Mutation eine Tumorkontrolle
über 40 Wochen. Es zeigte sich eine exzessiv hohe Rate an Diarrhoe, die bei der Ausgangsdosis
von 320 mg bei 50 % (CTC-Grad 3) lag, unter Dosisreduktion jedoch auf 25 % zurückgeführt
werden konnte.
Pelitinib (EKB-569)
Pelitinib ist ein irreversibler Pan-ErbB-Inhitibitor, der an HER-1, -2 und -4 bindet
[27 ]. Die maximal tolerable Dosis (MTD) lag bei 75 mg pro Tag. 24 von 56 Patienten mit
diversen soliden Tumoren zeigten in einer Phase-I-Studie eine stabile Krankheitssituation
von mehr als 8 Wochen, darunter ein Patient mit NSCLC [28 ]. Des Weiteren wurden zwei japanische Patienten mit EGFR-Mutation berichtet, die
ein Ansprechen auf Pelitinib zeigten und bereits eine Resistenz gegenüber Gefitinib
aufwiesen. Allerdings lag die Gesamtremissionsrate bei 0 % [29 ]. Derzeit wird die klinische Entwicklung von Pelitinib beim NSCLC nicht weiter verfolgt.
Canertinib (CI-1033)
Canertinib ist ein oraler irreversibler pan-ErbB-Inhibitor gegenüber HER-1, -2 und
-4 [30 ]. In einer Phase-I-Studie mit Carboplatin/Paclitaxel als Erstlinientherapie bei metastasiertem
NSCLC zeigte sich ein partielles Ansprechen bei 10 Patienten (26 %) und eine stabile
Erkrankung (SD) bei weiteren 11 Patienten (28 %) [31 ]. Das mediane Überleben lag bei 12,4 Monaten, das progressionsfreie Überleben bei
5,1 Monaten. In einer randomisierten Phase-II-Studie wurden verschiedene Dosierungen
von Canertinib (50, 150 und 450 mg/d [14 Tage Therapie, dann 7 Tage Pause]) in der
Zweitlinie nach Progress auf eine Platin-haltige Therapie bei 166 NSCLC Patienten
überprüft [32 ] ([Tab. 2 ]). Der 450-mg-Arm musste aufgrund hoher Toxizität vorzeitig geschlossen werden. Es
zeigte sich ein 1-Jahres-Überleben von 26 – 29 %, eine stabile Krankheitssituation
war bei 16 – 23 % der Patienten zu erzielen, ein objektives Tumoransprechen bei 2 – 4 %.
Eine explorative Analyse konnte einen Rash oder eine HER-2-Expression als positive
prädiktive Faktoren ausmachen.
Lapatinib (Tyverb® )
Lapatinib ist ein oraler irreversibler TKI, der gegen EGFR und HER-2 gerichtet ist.
Er ist bereits zugelassen für das HER-2 positive metastasierte Mammakarzinom. In einer
Phase-II-Studie wurden Patienten mit NSCLC, die maximal eine systemische palliative
Chemo- oder biologische Therapie erhalten hatten, in eines von zwei Dosierungsschemata
(einmal 1500 mg oder zweimal 500 mg pro Tag) randomisiert [33 ] ([Tab. 2 ]). Von 75 Patienten ohne Mutation hatten 1,3 % eine partielle Remission und 25 %
eine stabile Krankheitssituation von mehr als 24 Wochen. Ein Ansprechen auf die Therapie
wurde bei keinem der 8 Patienten mit EGFR-Mutation oder -Amplifikation beobachtet.
Außerdem wies kein Patient eine HER-2-Mutation auf, jedoch zeigte einer von 2 Patienten
mit einer HER-2-Amplifikation eine nicht bestätigte Tumorreduktion um 51 %.
Vandetanib (Caprelsa® )
Vandetanib ist ein oraler Inhbitor von EGFR, VEGFR und RET (rearranged during transfection)
[34 ]. Er ist bereits zugelassen für die Therapie von symptomatischen, nicht-resektablen,
lokal-fortgeschrittenen oder metastasierten medullären Schilddrüsenkarzinomen.
Er zeigte antitumorale Aktivität beim fortgeschrittenen NSCLC, sowohl als Monotherapie
wie auch in der Kombination mit Docetaxel [35 ]
[36 ]. In der ZODIAC-Studie, einer Phase-III-Zweitlinien-Studie beim NSCLC, konnte mit
Vandetanib in Kombination mit Docetaxel gegenüber Docetaxel-Monotherapie eine signifikante
Verbesserung des progressionsfreien Überlebens erzielt werden (HR 0,79; p < 0,0001)
[37 ]. Trotz dieser anfänglichen hoffnungsvollen Ergebnisse waren die anderen Vandetanib
basierten Studien beim NSCLC weitgehend ohne Erfolg. Vandetanib konnte das Gesamtüberleben
als primären Endpunkt in der ZEPHYR-Studie nicht verbessern, sondern lediglich das
PFS [38 ]. Auch die Studien ZEAL und ZEST, bei denen PFS das primäre Zielkriterium war, waren
negativ [39 ]
[40 ]. Jedoch war Vandetanib gegenüber Erlotinib in Bezug auf progressionsfreies und Gesamtüberleben
nicht unterlegen. Die Antrag zur Zulassung für die Indikation NSCLC wurde nach den
enttäuschenden Studienergebnissen zurückgezogen.
Tab. 2
Studiendaten zu weiteren Substanzen der zweiten Generation, die EGFR irreversibel
hemmen.
Studie
Phase
Substanz
N =
OR [%]
DCR [%]
PFS (m)
OS (m)
Patientenpopulation
Ref.
Afatinib LUX-Lung 2
2
Afatinib
129
61
83
10,1
24,8
Erst- und Zweitlinie
[17 ]
Afatinib LUX-Lung 3
3
Afatinib Prüfarztbewertung unabh. Review
230
69,1 56,1
keine Angabe
11,1
NR
Gesamtpopulation (Erstlinie, EGFR-Mutation)
[19 ]
Prüfarztbewertung unabh. Review
75,0 60,8
keine Angabe
13,6
noch nicht publiziert
nur Patienten mit del19/L858 R Mut
Neratinib
2
Neratinib
91
3,4
53,4
15,3
NR
vorausgegangene TKI-Therapie; Mutation
[25 ]
[26 ]
Neratinib
48
0
64
16,1
NR
vorausgegangene TKI-Therapie; Wildtyp
Neratinib
28
0
32
9,3
NR
TKI naiv
Canertinib
2
Canertinib 50 mg/d
60
2
18
1,9
6,4
Zweit-/Drittlinie
positive Immunhistochemie eines Her-Rezeptors
[32 ]
Canertinib 150 mg/d
60
2
25
1,9
6,5
Canertinib 450 mg/ d (14 on, 7 Tage off)
46
4
22
1,9
5,9
Lapatinib
2
Lapatinib 500 mg/zweimal tägl.
66
0
22,7
2,0
11,3
Erst-/Zweitlinie
[33 ]
Lapatinib 1.500 mg/d
65
1,5
24,6
3,4
14,5
Dacomitinib
1/2
Dacomitinib
54
15
67,5
48 % (4 m)
87 % (6 m)
Drittlinie nach Chemotherapie und TKI
[21 ]
Dacomitinib
2
Dacomitinib
66
4,6
58
19,3 Mut 11,1 WT
NR
Drittlinie nach Chemotherapie und TKI
[22 ]
Dacomitinib
2
Dacomitinib
94
17
NR
12,4
NR
Zweit-/Drittlinie, ohne TKI Vorbehandlung
[23 ]
Erlotinib
94
4
NR
8,3
NR
NR = not reported
Überlebensverlängerung und verbesserte Lebensqualität durch EGFR-TKIs
Überlebensverlängerung und verbesserte Lebensqualität durch EGFR-TKIs
Insgesamt ist die Verlängerung der Überlebenszeit neben der Symptomreduktion und der
Verbesserung bzw. Erhaltung der Lebensqualität das primäre Ziel der systemischen Therapie,
das idealer Weise bereits mit der ersten Therapielinie möglichst umfassend erreicht
werden sollte.
Eine konventionelle Chemotherapie bedeutet üblicherweise bei Patienten mit fortgeschrittenem
NSCLC eine mediane Überlebenszeit von etwa 10 – 12 Monaten [41 ]. In den Studien zum Vergleich von EGFR-TKI und Chemotherapie in der Erstlinien-Therapie
bei aktivierenden EGFR-Mutationen übertrafen die Überlebenszeiten jedoch selbst bei
Patienten, die in die Vergleichsarme mit konventioneller Chemotherapie randomisiert
worden waren und erst in der Zweitlinientherapie mit TKI behandelt wurden, mit etwa
20 – 30 Monaten diesen Richtwert deutlich ([Tab. 1 ]).
Generell erklärt das Cross-over-Prinzip, warum sich die beobachteten deutlichen Vorteile
der EGFR-TKI in Bezug auf Remissionsrate und Tumorprogressionshemmung (PFS) nicht
oder nicht signifikant auf die Gesamtüberlebenszeit auswirken, so wie man dies eigentlich
erwarten würde. Überlebenszeitgewinne durch EGFR-TKI zeigen sich auch in späteren
Therapielinien, wenn die Patienten diese nach einer Chemotherapie erhalten. Rosell
et al. haben für Erlotinib vergleichbare Überlebenszeitgewinne sowohl in der Erst-
als auch in der Zweitlinie berechnet [42 ]. Dennoch führt Maemondo den – wenn auch statistisch nicht signifikanten – Gesamt-Überlebensvorteil
von zusätzlichen sieben Monaten unter Gefitinib in der japanischen Studie NEJ002 auf
eine bessere Wirksamkeit des EGFR-TKI bei früherem Einsatz zurück, da praktisch alle
Patienten Gefitinib erhalten haben, die des ursprünglichen Chemotherapiearmes bekamen
Gefitinib jedoch frühstens als Zweitlinie [11 ]. Dieses unterstreichen auch die Daten zu Afatinib aus der Lux-Lung-2-Studie, in
der für die in der Zweitlinie behandelten Patienten nur noch ein PFS von 8 Monaten
gezeigt wurde, während in der Erstlinienbehandlung ein höheres PFS von 12 Monaten
erreicht wurde [17 ].
Einschränkend muss allerdings erwähnt werden, dass es bisher keine Daten aus prospektiven,
randomisierten Studien gibt, die eine Überlegenheit der Sequenz der EGFR-TKI-Erstlinientherapie
mit nachfolgender Polychemozweitlinientherapie im direkten Vergleich mit umgekehrter
Reihenfolge (Erstlinie Chemotherapie, Zweitlinie EGFR-TKI) gibt. Das überlegene Therapieprinzip
sollte unserer Meinung nach in der ersten Linie eingesetzt werden, da so die Vorteile
besser zum Tragen kommen, insbesondere bei einer Erkrankung, bei der sicherlich mehr
als ein Drittel keine Zweitlinientherapie mehr bekommt.
Für die Hypothese, dass die EGFR-TKI-Erstlinientherapie für die Lebensqualität der
Patienten tatsächlich das überlegene Therapieprinzip ist, gibt es überzeugende Daten
aus den vorgestellten klinischen Studien. Belastungen durch Tumorsymptomatik, allgemeine
Abnahme der Leistungsfähigkeit und insbesondere auch durch Nebenwirkungen der Therapie
bedeuten massive Einschränkungen der Lebensqualität, selbst wenn ein progressionsfreies
Überleben formal noch andauert. Beispielhaft seien hier Daten aus der IPASS-Studie
genannt. So waren die häufigsten Nebenwirkungen unter Chemotherapie mit Carboplatin
und Paclitaxel Neurotoxizitäten (69,9 %), Neutropenien (67,1 %) und Alopezie (58,4 %),
alles für den Patienten schwere bis massiv einschränkende Belastungen. In der Gefitinib-Gruppe
waren dagegen akneartige Hautausschläge (66,2 %) und Durchfälle (46,6 %) die häufigsten
Nebenwirkungen. Auch schwere Nebenwirkungen (CTC Grad 3 und 4), Behandlungsabbrüche
aufgrund von Nebenwirkungen und Dosisreduktionen waren unter Gefitinib deutlich seltener.
Die Patienten vertrugen die Therapie besser und waren weniger durch Nebenwirkungen
eingeschränkt. Die einzige Ausnahme war hierbei das Auftreten von interstitiellen
Pneumonien in einigen Fällen, die ernst zu nehmen sind und sehr sorgfältig kontrolliert
werden sollten [43 ].
Insgesamt bleibt eine gute Lebensqualität unter EGFR-TKI länger erhalten als unter
einer aggressiven Chemotherapie, wie Daten zur Lebensqualität aus den Studien IPASS
[44 ] und NEJ002 [45 ] für Gefitinib belegen. In den Lebensqualitäts-Fragebögen berichteten in IPASS mehr
Patienten mit EGFR-Mutationen Verbesserungen unter Gefitinib als unter Chemotherapie
(FACT-L: 70 % vs. 45 %; OR 3,0 [95 %- KIl 1,8 – 5,1]; p < 0,001; TOI: 70 % vs. 38 %;
OR 4,0 [2 ]
[3 ]
[4 ]
[5 ]
[6 ]
[7 ]; p < 0.001; LCS: 76 % vs. 54 %; OR 2,7 [1 ]
[6 ]; p < 0,001). Bei den Patienten mit negativem Mutationsstatus hingegen findet sich
unter Therapie mit Gefitinib keine Verbesserung der Lebensqualität im Vergleich zur
Behandlung mit Chemotherapie.
Auch in der japanischen NEJ002-Studie wurde bestätigt, dass die Lebensqualität unter
Gefitinib signifikant länger erhalten blieb. Die Hazard Ratio für die Zeitdauer ohne
Verschlechterung des Gesundheitszustandes betrug 0,34 (0,23 – 0,50; p < 0,0001). Die
Autoren folgern daraus, dass Gefitinib, selbst ohne einen konkreten Gesamtüberlebensvorteil
zu bieten, bei Patienten mit positivem Mutationsstatus generell als Erstlinientherapie
eingesetzt werden sollte. [45 ].
Die Lux-Lung-3-Studie hatte einen starken Fokus auf die Lebensqualität der Patienten.
Mit einem Fragebogenrücklauf von > 85 % (EORTC QLQ C 30 und LC 13) konnten dezidiert
die Auswirkungen der EGFR-bzw. Chemotherapie auf einzelne Hauptsymptome der Erkrankung
gezeigt werden. So hatte die Hälfte der mit Afatinib behandelten Patienten eine klinisch
bedeutsame Verbesserung der tumor-assoziierten Symptome Dyspnoe, Husten und Schmerz.
Auch war in der Afatinib-Gruppe die mittlere Zeitdauer bis zu einer klinischen Verschlechterung
bei den Leitsymptomen Husten, Atemnot und Schmerzen jeweils deutlich länger als in
der Chemotherapie-Gruppe. Die Hazard Ratio zugunsten des EGFR-TKI lag bei 0,60 (Husten),
0,68 (Atemnot) und 0,83 (Schmerzen). Bei einer therapiebedingten Abbruchrate von 8 %
für Afatinib und 12 % im Chemotherapiearm wurde die Lebensqualität gemäß EORTC-QLQ
C30 in allen Funktionsskalen zugunsten Afatinib beurteilt; dies war für den globalen
Gesundheitsstatus, die globale Lebensqualität, die physische Funktionalität, die Rollenfunktion
und die kognitive Funktion signifikant [19 ].
Abb. 1 Häufigkeit von 6 Mutationen beim NSCLC: Ergebnisse von 9911 genetischen Testungen
bei Patienten mit nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen (NSCLC) (76,1 %
Adenokarzinome) aus 28 regionalen molekulargenetischen Zentren Frankreichs. Bei 79
Testungen (0,8 %) lagen Doppelmutationen vor, am häufigsten waren KRAS und PIK3CA
doppelmutiert (n = 33, 0,3 %). Bei den 17,7 % Nichtrauchern war die Mutationsrate
mit 64,8 % deutlich höher als bei den Jemalsrauchern (Mutationsrate 43,2 %). Bei den
Nichtrauchern lagen bei 36,3 % EGFR-Mutationen, bei 9,6 % KRAS-Mutationen und bei
9,7 % EML4-ALK Translokationen vor (Barlesi F et al., Biomarkers France: Results of
routine EGFR, HER2, KRAS, BRAF, PIK3CA mutations detection and EML4-ALK gene fusion
assessment on the first 10,000 non-small cell lung cancer patients. J Clin Oncol 31,
2013 (suppl; abstr 8000)).
Die Einleitung einer zielgerichteten EGFR-TKI-Therapie ist unseres Erachtens für mutationspositive
Patienten mit Lungenkarzinomen im Stadium IIIB/IV aktuell die Therapie der ersten
Wahl. Um deren Vorzüge bezüglich verlängertem krankheitsfreiem Überleben und verbesserter
Lebensqualität möglichst umfassend auszunutzen, empfiehlt sich die Erstlinientherapie.
Nach Meinung der Autoren sollte bei jedem Patienten mit einem nicht-plattenepithelialen
nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom im Stadium IIIB/IV die Testung auf molekulare Marker
einschließlich EGFR im Rahmen der Erstdiagnose durchgeführt werden, es sei denn, klinische
und individuelle Gründe (z. B. Patientenwille) sprechen dagegen. Eine molekularpathologische
Diagnostik ([Abb. 1 ]) ist vergleichsweise einfach durchzuführen und die Resultate sollten in 3 – 5 Arbeitstagen
vorliegen. Auch unter ökonomischen Gesichtspunkten ist eine solche Diagnostik sinnvoll,
wie eine aktuelle Analyse aus Singapur belegt [46 ].
Nach Erfahrung der Autoren gibt es eine Reihe von Kollegen, die die feste Meinung
vertreten, man sollte stets eine Chemotherapie als Erstlinientherapie durchführen
und erst in der Rezidivsituation oder gar nicht molekular testen [47 ]. Wir geben zu bedenken, dass mit diesem Ansatz das Potenzial einer zielgerichteten
Erstlinientherapie verschenkt wird. Des Weiteren geben wir zu bedenken, dass Patienten,
bei denen aufgrund der erheblichen Nebenwirkungen oder einer klinischen Verschlechterung
im Rahmen einer Chemotherapie keine Zweitlinientherapie mehr erwogen wird, keiner
Mutationsanalyse mehr zugeführt werden würden. Diese Konstellation halten wir für
nicht akzeptabel [48 ]. Man sollte aufgrund der jetzigen Datenlage immer bereits in der Erstliniensituation
testen, um die Chance einer frühzeitigen EGFR-TKI-Therapie nicht zu verpassen.
Die Tyrosinkinase-Inhibitoren Erlotinib (Tarceva® ) und Gefitinib (Iressa® ) sind bereits seit Jahren zugelassen und stehen als etablierte Therapeutika zur Erstlinientherapie
bei EGFR-Mutationen zur Verfügung. Derzeit befinden sich weitere vielversprechende
EGFR-TKI und Inhibitoren der gesamten Rezeptorfamile (ErbB family Blocker) in späten
Phasen der klinischen Prüfung, wobei die Entwicklung von Afatinib am weitesten vorangeschritten
ist, die Zulassung in den USA und Taiwan ist bereits erfolgt, die Erteilung der Marktzulassung
für Europa und Deutschland wird in absehbarer Zeit erwartet.
Glossar
95 %-KI:
95 %-Konfidenzintervall
BAC:
bronchiolo-alveolärem Karzinom
COPD:
chronisch-obstruktive Lungenerkrankung
CR:
Complete response: Tumorremission auf 0
CTC:
Common Toxicity Criteria des US-Krebsbehörde NCI
DCR:
Disease Control Rate; DCR = CR + PR + SD
EGFR:
Epidermal Growth Factor Receptor
EGFR-:
mit Mutation am EGF-Rezeptor
EGFR + :
EGF-Rezeptor Wildtyp
EORTC QLQ C 30 und LC 13:
Lebensqualitätsfragebögen der European Organisation for Research and Treament of Cancer
Erb:
Erythroblastic Leukemia Viral Oncogene; Rezeptorfamilie von Tyrosinkinasen
FACT-L:
Functional Assessment of Cancer Treatment: Lung
HER:
Human Epidermal Growth Factor
HR:
Hazard Ratio (Maß für die relative Wahrscheinlicheit eines Ereignisses)
KHK:
Koronare Herzkrankheit
LCS:
Lung Cancer Subscale Fragebogen
MTD:
Maximal tolerierte Dosierung
NSCLC:
Non-small cell lung cancer: nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom
OS:
Overall Survival; Gesamtüberlebenszeit nach Randomisation
pAVK:
periphere arterielle Verschlusskrankheit
PFS:
Progressionsfreies Überleben: Zeitspanne von der Randomisation bis zum Progress oder
Exitus
PR:
Partielle Remission: Tumorreduktion um > 50 %
RET:
Rezeptor-Tyrosinkinase “rearranged during transfection”; proto-onkogen
SD:
Stable Disease: Tumorreduktion um bis zu 50 % bis Wachstum um maximal 25 %
TKI:
Tyrosin-Kinase-Inhibitor
TOI:
Treatment Outcome Index
VEGFR:
Vascular Endothelial Growth Factor Receptor