Einleitung
Wundversorgung ist zu einem häufig benutzten Schlagwort geworden. Überall entstehen
Wundzentren, ein bisher unterschiedlich definierter Begriff. Im Internet finden wir
darunter große Netzwerke von Kliniken mit interdisziplinärer Ausrichtung, die mit
Praxen, Pflegediensten, Pflegeheimen, Pathologen, Lymphtherapeuten, Apothekern, Produktherstellern
etc. assoziiert sind, aber auch Einzelanbieter, die eine besondere Expertise ausweisen
wollen. Zentrum all dieser Bemühungen ist die Behandlung der chronischen Wunde, die
nach Dissemond [2 ] definiert ist als ein über drei Monate bestehender Defekt. Nicht definiert ist häufig
die Komplexität der erforderlichen Diagnostik. Da das Ulcus cruris als chronische
Wunde wissenschaftlich am besten untersucht ist, soll an diesem Beispiel die notwendige
Kompetenz dargestellt werden. Nach Körber et al. [9 ] leiden ca. 66,1 % der Patienten mit Ulcus cruris ursächlich an einer venösen Erkrankung,
10 % an einer arteriellen Erkrankung, 8,5 % an einer Kombination von beiden. Damit
verbleibt mit 16,2 % ein sehr hoher Prozentsatz von Wunden mit einem heterogenen Gemisch
an Diagnosen, wie in [Tab. 1 ] dargestellt.
Tab. 1
Differenzialdiagnose chronischer Wunden (modifiziert nach [10 ]
[12 ]).
Wundgruppe
Definierte Krankheitsbilder
Labordiagnostik
Apparative Diagnostik
Häufige Krankheitsbilder
Ulcus cruris venosum
Ulzera bei Stammvarikosen, Seitenästen, Perforansinsuffizienzen, auf dem Boden von Thrombosen bei prokoagulatorischen Störungen1
Basisdiagnostik: keine Erweiterte Diagnostik: Thrombophiliediagnostik1 : Protein C, Protein S (beide nicht unter Marcumar! bestimmen), ATIII, APC-Resistenz
(wenn positiv, dann Faktor-V-Leiden-Mutationen), Prothrombin-Mutation[** ], Phospholipid-AK, Homozystein-AK
Phlebologische Diagnostik: Doppler, Ultraschall, D-PPG, VVP, arterieller Doppler z. A.
einer arteriellen Komponente Sonderuntersuchungen: Phlebodynamometrie, Phlebografie
Ulcus cruris arteriosum1
Basislabordiagnostik[* ]
Blutfette1
Basisuntersuchung wie bei Ulcus cruris venosum, bei erniedrigten arteriellen peripheren Druckwerten weitere arterielle Diagnostik
wie Angio-MRT o. ä.
Seltene Krankheitsbilder
Autoinflammatorisches Syndrom
Pyoderma gangränosum1 [1 ]
Akne inversa2
M. Behçet3
Basislabordiagnostik[* ]
ANA1 , Anti-CCP-Antikörper1 , Schilddrüsenwerte1
Pathergie-Test3
Histologie1, 2, 3 (für 1 und 3 nur zum Ausschluss anderer Erkrankungen) Durchuntersuchung auf chronisch entzündliche Darmerkrankungen, rheumatoiden Formenkreis,
hämoproliferative Erkrankungen1
Genetische Defekte
Hereditäre blasenbildende z. B. vernarbende oder nicht vernarbende Dermatosen1
Basislabordiagnostik[* ]
Spezifische Autoantikörper, genetische Diagnostik[** ]
Histologie1 , spezielle genetische Diagnostik1
Hämatologische Ursachen einschl. Blutgerinnungsstörungen
Gerinnungsstörungen
Thrombophiliediagnostik (siehe Ulcus cruris venosum) Livedovaskulopathie [3 ]
Anämieformen
Blutbildungsstörungen Sichelzellanämie1
Sphärozytose2
Thalassämie3
Sideroachrestische Anämie4
Myeloproliferative Erkrankungen
Polycythaemia vera5
Thrombozythämie6
Basislabordiagnostik[* ]
Differenzial-Bb1, 2, 3, 4, 5, 6 , dann Folgeuntersuchungen wie Hb-Elektrophorese, Gerinnungsfaktoren etc.
ggf. erweiterte Diagnostik wie Knochenmarksbiopsie5, 6 , Gerinnungsanalytik bei positiver Anamnese
Iatrogene Ursachen
Arzneimittel-induzierte Ulzera (Auslöser: Phenprocoumon, Hydoxyurea, Anagrelide, Leflunomid etc.)
Ggf. ANA bei medikamenteninduziertem Lupus (z. B. bei Hydralazin)
Kein spezifisches histologisches Substrat, Diagnosestellung aus zeitlichem Verlauf
einschl. Abheilung nach Absetzen des Medikamentes
Infektionen
Bakterielle Infektionen Mykosen Protozoeninfektionen Virale Infektionen
Basislabordiagnostik[* ]
Ggf. weitere spez. Infektions-Serologien
Erregernachweis ggf. Histologie Röntgen-Thorax, MRT
Metabolische Ursachen
Amyloidose1
Gicht2
Calciphylaxie3
Dystrophe Calcinose4
Porphyrien5
Basislabordiagnostik[* ]
Je nach Verdacht: Eiweiß-Elektrophorese1 , Kalzium3 , Phosphat3 , Parathormon3 , Vit. D3 , Harnsäure2 , Porphyrine5
Histologie1, 2, 3, 4, 5 , Röntgen3, 4 , Sonografie (Abklärung von Weichteilverkalkungen)3, 4
Neuropatische Ursachen
Diabetische und weitere Neuropathien Syringomyelie etc.
Basislabordiagnostik[* ]
Spezifische Diagnostik wie ggf. Vit. B12, Folsäure
Internistische und neurologische Abklärung mit Sensibilitätsprüfung etc.
Physikalische und chemische Ursachen
Verbrennung Verbrühung Friktionen Decubitus Erfrierung Verätzung
Basislabordiagnostik[* ]
Anamnese in der Regel ausreichend, ggf. Histologie
Tumoren
Basaliom1
Spinaliom2
Melanom3
Lymphome/Leukämien4
Metastasen5
Kaposi-Sarkom6 etc.
Basislabordiagnostik[* ]
Ggf. Tumormarker
Histologie1, 2, 3, 4, 5, 6
Durchuntersuchung 2, 3, 4, 5, 6 mit Lk- und Oberbauch-Sonografie, Röntgen, CT, MRT je nach Befund
HIV-Diagnostik6
Ulcus hypertonicum
Systemischer Hypertonus
Basislabordiagnostik[* ]
Orientierende Durchuntersuchung, Ausschluss weiterer Genesen
Histologie, Internistische Abklärung, Ausschlussdiagnose!
Vaskulitis
Vaskulitis bei Autoimmunerkrankungen1
Churg-Strauss-Syndrom2
Polyarteriitis nodosa3
Nodöse Vaskulitis4
Kryoglobulinämische Vaskulitis5
M. Wegener6
Basislabordiagnostik[* ], Hepatitis B/C-Serologie und ANA/ANCA1, 2, 3
Wenn ANA positiv, dann ENA und ds-DNA-Antikörper, ggf. weitere spezifische Bestimmungen
wie Kryoglobuline/Kälteagglutinine (z. B. bei positiver Hep. B/C-Serologie) etc.
Histologie, direkte Immunfluoreszenz ggf. Röntgen-Thorax und weitere Abklärung bei Systemerkrankungen wie Nierenbiopsie
bei renaler Beteiligung etc.
Die Diagnostik gliedert sich in: – Anamnese – klinisches Erscheinungsbild – spezifische und unspezifische Laboruntersuchungen (siehe [Tab. 2 ]) – Probebiopsie
* siehe [Tab. 2 ]
** Bei Gendiagnostik ist das Einverständnis des Patienten gemäß Gendiagnostikgesetz
erforderlich.
Tab. 2
Basislabordiagnostik.
Elektrolyte: Na+ , K+
Kreatinin
BSG, CRP
BSG solitär erhöht = immunologisch CRP erhöht = infektiös
ALAT, GGT, LDH
Nüchtern-Glukose
HbA1c
Ab 60. Lj., sonst gewichtsadaptiert individuell
Eiweiß
Bei Kachexie
Urinstatus
bakteriologischer Abstrich
Bei Erstuntersuchung chronischer Wunden: MRSA-Screening
Anamnese
Die Anamnese umfasst nicht nur die Entstehung der Wunde, sondern auch vor allem den
zeitlichen Verlauf, Erfassung von begleitenden Erkrankungen wie Diabetes mellitus,
Hypertonie, hämatologischen Erkrankungen, Medikation, arteriellen und venösen Durchblutungsverhältnissen
etc.
Spezifische und unspezifische Laboruntersuchungen
Wir unterscheiden eine Basislabordiagnostik und spezifische Laborparameter. Letztere
sind nicht als Routinediagnostik angezeigt, sondern sollten im Einzelfall gezielt
als erweiterte Diagnostik selektiv hinzugenommen werden.
Histologie
Probebiopsien sollten möglichst immer wieder aus frischen Effloreszenzen, am besten
spindelförmig mit Wundanteil, aus dem Wundrand und der Umgebung mit ausreichender
Gewebedicke entnommen werden. Wenn sie nur unspezifisches Granulationsgewebe enthalten
sollten, muss auch an die mehrfache Wiederholung der Entnahme gedacht werden.
Leider sind histologische Befunde nicht immer eindeutig, sondern ähnliche Befunde
können verschiedene klinische Krankheitsbilder repräsentieren. Daher ist die Zusammenführung
von histologischem und klinischem Bild dringend erforderlich, wird aber häufig unterschätzt.
Bei komplexen, ungeklärten Wundsituationen ist daher eine klinische und möglichst
auch histologische Beurteilung möglichst aus einer Hand zu fordern! Anhand von zwei Problemfällen, bei denen es z. T. zu mehrmonatigen Verzögerungen
der Diagnosestellung kam, soll die Komplexität von Wunden näher erläutert werden.
1. Kasuistik
Anamnese
Ein 72-jähriger Patient, in Indien aufgewachsen, aber schon seit Jahrzehnten in Deutschland
lebend, bemerkt sei ca. einem Jahr eine größenprogrediente Wunde im Bereich des Gesäßes
mit Betonung der linken Seite ([Abb. 1 ]). Initial beschreibt er Juckreiz, im weiteren Verlauf eher brennende Schmerzen.
Es erfolgen zahlreiche ambulante Behandlungen unter den Diagnosen einer Candidose,
eines Erysipels bzw. eines intertriginösen Ekzems ohne klinische Besserung.
Abb. 1 Flache, saubere, epithelisierte Wunde.
Aufnahmebefund
Im Bereich der linken Gesäßhälfte besteht eine großflächige, flache, saubere, mit
Granulationsgewebe und einzelnen konfluierenden Epithelinseln bedeckte Wunde. Die
Aufnahme erfolgt wegen Therapieresistenz bei gleichzeitiger Verschlechterung des Allgemeinzustandes.
Nebenbefundlich bestehen ein arterieller Hypertonus und eine atopische Diathese.
Labor
Hb 11,1 g/dl, CRP mit 26,6 mg/l leicht erhöht (N < 5), Eosinophile 11 %.
Apparative Durchuntersuchung
Kein Hinweis auf Organbeteiligung.
Histologie
Winziges Epidermisfragment mit Akanthose, Spongiose, Durchsetzung durch neutrophile
Granulozyten, aber regelrechter Schichtung. Darunter leichte pseudoepitheliomatöse
Hyperplasie. Daneben Ulkus der Haut mit umliegender, dichter, gemischtzelliger Entzündungsreaktion,
bestehend aus Lymphozyten, Histiozyten, massenhaft Plasmazellen, neutrophilen Granulozyten
und zahlreichen Riesenzellen vom Fremdkörper- und Langhanstyp. Ausgeprägte extravasale
Hämorrhagien, sarkoidale Granulome ohne zentrale Einschmelzung, fokal aber auch Nekrobiose
des Bindegewebes und palisadenförmige Anordnung von Histiozyten und mehrkernigen Riesenzellen.
Im Zentrum neutrophile Granulozyten. In der PAS-Reaktion kein Nachweis von Pilzelementen.
Direkte Immunfluoreszenz
Unauffällig.
Nativmaterial Ziehl-Neelson-Färbung
Nachweis säurefester Stäbchen.
Kultur aus Wundabstrich
Mycobacterium tuberculosis.
Elispot (Mycobacterium tuberculosis)
Positiv.
Thorax ap im Liegen: Unauffälliger kardiopulmonaler Befund ohne Nachweis frischer Infiltrate. Kein Hinweis
auf postspezifische Residuen. Deutlicher Zwerchfellhochstand rechts. Normale Herzgröße.
Grenzwertige Weite der Oberlappenvenen.
CT Abdomen mit KM: Unauffällige Darstellung der parenchymatösen Organe. Insbesondere zeigen weder die
Leber noch die Milz pathologisch kontrastmittelaufnehmende Herde oder entzündliche
Parenchymveränderungen. Die Leber ist glatt begrenzt, nicht vergrößert. Die Gallenblase
ist mäßig gefüllt mit zarter Gallenblasenwand. Keine Entzündungszeichen. Beidseits
zarte Nebennieren. Entlang der großen Bauchgefäße sind vereinzelte, kleinere, disseminiert
verteilte Lymphknoten erkennbar. Nach Form, Lage und Größe regelrechte Darstellung
der Nieren sowie der ableitenden Harnwege. Die Ureteren sind bis ins kleine Becken
gut kontrastiert verfolgbar. Keine Pathologika. An der Grenze der Größennorm liegende
Prostata mit einem Querdurchmesser von 5,2 × 3,2 cm und zentralen kleineren Verkalkungen.
Kein Ascites im kleinen Becken oder im Oberbauch. Auffallende prominente Leistenlymphknoten,
links ausgeprägter als rechts, bis 1,5 cm queroval gemessen.
Zusammenfassend lässt sich eine Organmanifestation bei oben beschriebener Hauttuberkulose
weder urogenital noch in Projektion auf das Kolon nachweisen.
Diagnose
Lupus vulgaris ulcerosus.
Therapie und Verlauf
Unter der Diagnose eines Lupus vulgaris ulcerosus erfolgte eine tuberkulostatische
Therapie nach WHO-Schema mit Isoniazid (5 mg/kg KG), Rifampicin (10 mg/kg KG), Pyrazinamid
(20 – 25 mg/kg KG) und Ethambutal (30 mg/kg KG).
Die Lokaltherapie erfolgte flüssigkeitsabsorbierend und epithelisierungsfördernd mit
Polyurethanschäumen. Hierunter trat nach kurzer Zeit eine deutliche Befundbesserung
auf.
Zur Remobilisierung und Stabilisierung des Allgemeinzustandes wurde der Patient in
ein heimatnahes geriatrisches Zentrum verlegt. Dort verstarb der Patient im Verlauf
einer unklaren Leukopenie bei Fieberschüben. Eine Obduktion erfolgte nicht.
Diskussion
Die Tuberkulose ist eine aerogene Tröpfcheninfektion durch Mycobacterium tuberculosis, seltener durch
Mycobacterium bovis oder africanum. R. Koch entdeckte 1982 die Tuberkel-Bakterien.
Im 19. Jahrhundert war sie eine der häufigsten Todesursachen in Europa. Seit 1950
bestand ein kontinuierlicher Rückgang durch potente Tuberkulostatika. Im Rahmen der
Immunsuppression bei HIV-Erkrankungen, durch immunsuppressive Therapien, z. B. Ciclosporin
und Biologicals, ist wieder ein Anstieg seit den 80er-Jahren festzustellen.
Kutane Tuberkulose
Die kutane Primärinfektion ist selten (die häufigsten Primärinfektionen sind pulmonal).
Insgesamt zeigt sich je nach Immunlage ein vielschichtiges klinisches Bild:
Kutane Tuberkulose bei Anämie mit Entwicklung eines tuberkulösen Schanker (tuberkulöser
Primärkomplex)
Kutane Tuberkulose bei Normergie (postprimäre Tbc), darunter als klinische Form das
Skrophuloderm (Tuberculosis cutis colliquativa) und Lupus vulgaris als häufigste Form
der kutanen Tuberkulose
Diagnostik: Der kulturelle Nachweis ist nach wie vor der Goldstandard in der Diagnostik, das
Ergebnis ist aber erst nach Wochen präsent. Daneben existieren der PCR-Nachweis der
Mykobakterien und der Immuno-Essay (Elispot).
Histologisch nachgewiesene tuberkuloide Granulome beweisen keine Tbc. Erst in der
Ziehl-Neelson-Färbung können sich säurefeste Stäbchen nachweisen lassen.
Der Tuberkulin-Test gibt Hinweise auf eine Immunitätslage, der Lupus vulgaris weist
klinisch häufig noch das sogenannte Diaskopie- und Sondenphänomen auf.
Die Standardempfehlung nach WHO-Schema:
Initialphase: 4er-Kombination über 2 – 4 Monate
Erhaltungsphase: 2er-Kombination (z. B. INH + Rifampicin über 4 – 8 Monate).
Epikrise
Kutane Tuberkuloseformen sind bei uns extrem seltene Ereignisse. Aufgrund der zunehmenden
Mobilität mit Einwanderung von Personen aus Ländern mit hoher Tuberkulose-Durchseuchung,
einer ausgeprägten Tourismusrate und einer erheblichen Anzahl von Patienten, die unter
HIV-bedingter Immunsuppression oder medizinisch eingeleiteter immunsuppressiver Therapie
(z. B. Einsatz von Biologica bei Psoriasis etc.) stehen, ist auch in der Wundbehandlung
an kutane Tuberkulose-Formen zu denken.
2. Kasuistik
Anamnese
Eine 73-jährige Patientin wird mit seit 8 Monaten bestehenden, großflächigen Erosionen
und Ulzerationen im Bereich von Abdomen und Oberschenkeln stationär aufgenommen. Die
Patientin beklagt Pruritus und Gewichtsabnahme. Internistische Grunderkrankungen sind
ein Hypertonus, eine pAVK und Vorhofflimmern.
Anamnestisch sind mehrere ambulante und auch stationäre Behandlungen unter der Diagnose
eines Oberschenkelerysipels frustran erfolgt.
Aufnahmebefund
Bei Aufnahme sind im Bereich des Oberschenkels Residuen von oberflächlichen Nekrosen
im Bereich älterer Venenexhairesenarben bei KHK erkennbar. Im abdominellen Bereich
bestehen oberflächliche, teilweise fibrinös schmierig belegte Erosionen mit randständigen
Nekrosen und bizarrer Konfiguration ([Abb. 2 ]).
Abb. 2 Teils ulceröse, teils erosive Wunde mit randständigen Nekrosen.
Apparative Diagnostik
Röntgen-Thorax, Abdomen-Sonografie, Knochenmarkspunktion und CT von Schädel, Hals,
Thorax und Abdomen sind sämtlich ohne pathologischen Befund.
Histologie
Epidermis unauffällig. Durch eine freie Grenzschicht von der Epidermis getrennt sieht
man in der Dermis bis in die Subkutis reichend großknotige Proliferationen monomorpher
blastischer Zellen mit großen pleomorphen Kernen und prominenten Nukleolen. Tumornekrosen
sind nicht nachweisbar. Zahlreiche Mitosefiguren, auch atypisch. Nur ganz vereinzelt
kleine Lymphozyten in der Umgebung. Die Diagnose wurde immunhistochemisch bestätigt.
Die Tumorzellen weisen eine durchgehende Reaktivität gegen CD20 auf bei einer proliferativen
Aktivität von über 90 %.
Diagnose: Primär kutanes, großzelliges B-Zell-Lymphom vom Beintyp.
Therapie und Verlauf
Unter der Diagnose eines CD20-positiven, großzelligen B-Zell-Lymphoms vom Beintyp
erfolgten 12 Zyklen Rituximab (375 mg/m2 KOF) und Gemcitabine-Gaben (1200 mg/m2 KOF). Darunter kommt es zu einer ausgeprägten Remission, nach Therapiepause Re-Staging
bei erneuter Progression. Eine Kombination mit Retuximab/Bendamustin wird bei Progredienz
des Befundes abgesetzt. Erneute Gabe von 15 Chemotherapie-Zyklen mit Retuximab und
Gemcitabine (Dosierung s. o.), hierunter jetzt weitere Tumorprogredienz. Daraufhin
Gabe von Retuximab (375 mg/m2 KOF) kombiniert mit Doxorubicin (20 mg/m2 KOF) ergibt einen vorübergehenden ausgeprägten Tumorzerfall mit therapiebedingten
tiefen Ulcerationen. Die Lokalbehandlung erfolgte mit Octenidin-Spülung, Einlage von
silberhaltigen Alginat-Kompressen, später kohlehaltigen Auflagen bei Tumorzerfall.
Im weiteren Verlauf rasche Tumorprogredienz mit Exitus letalis.
Charakteristika
Das aggressiv kutane B-Zell-Lymphom tritt fast ausschließlich im Bereich der unteren
Extremitäten auf (bis 80 %). Selten bestehen Erstmanifestationen am Stamm bei einem
Haupterkrankungsalter > 70 Jahre. Frauen sind 3 – 4 × häufiger betroffen als Männer.
Die Therapieoptionen sind systemische Chemotherapien (Gemcitabin, Doxorubicin etc.)
sowie Antikörpertherapien mit Rituximab.
Lokaltherapien werden entsprechend dem Wundstadium durchgeführt, gegebenenfalls ergänzt
durch Radiotherapie.
Prognostisch bestehen häufige Rezidive, extrakutane Manifestationen treten oft erst
nach Jahren auf. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt ca. 50 %.
Fazit
Neben der Gruppe der häufigen, ethiologisch klar definierten Wunden existiert eine
Vielfalt von weiteren möglichen, zum Teil seltenen Wundursachen. Sie nicht zu berücksichtigen
kann von einer deutlich verzögerten Diagnosestellung bis hin zu fatalen Folgen reichen.
An erster Stellung steht daher als tragende Säule die Durchführung adäquater Diagnostik
bis zur Diagnosestellung.
Im Zeitalter der modernen Wundtherapie ist die Lokal-Therapie aufgrund der Entwicklung
zahlreicher Wundprodukte zu sehr in den Vordergrund gerückt. Erschwerend kommt hinzu,
dass auch fehldiagnostizierte Wunden sich häufig in der Behandlung unter moderner
Wundtherapie deutlich bessern, d. h., dass eine fibrinös oder nekrotisch belegte Wunde
autolytisch, chirurgisch oder fibrinolytisch debridiert werden kann und dann vom Aspekt
eine deutliche Befundbesserung imitiert. Diese Befundbesserung wird aber aufgrund
einer fehlenden oder falschen Diagnose ein bestimmtes Abheilungs-Stadium nicht überschreiten
und somit eine chronische Wunde mit entsprechendem Verbrauch von materiellen und personellen
Ressourcen hervorrufen.
Wundmanager, eine sehr heterogene Berufsgruppe mit sehr unterschiedlichen Qualifikationen,
sollten engmaschig mit den zuständigen ärztlichen Fachgruppen (Dermatologen, Diabetologen,
Angiologen, Gefäßchirurgen etc.) zusammenarbeiten.
Jede nicht heilende chronische Wunde sollte daher immer wieder Anlass zur Reevaluation
der Diagnose mit histologischer Abklärung geben.
Es ist daher dringlich zu fordern, dass ärztliche und vor allem auch dermatologische
Differenzialdiagnostik einen wesentlichen Anteil an der diagnostischen Beurteilung
chronischer Wunden erhält.