Vorbemerkung
Diese Stellungnahme und Empfehlung soll die ärztliche Öffentlichkeit in Krankenhäusern
und Praxen in Deutschland, im öffentlichen Gesundheitsdienst sowie alle weiteren Akteure
im Gesundheitswesen über den Ausbruch einer Infektion durch das Influenzavirus Typ
A(H7N9) in China informieren. Die Kenntnis über Ausbreitung, klinische Präsentation,
Komplikationen und Prognose soll eine angemessene Reaktion und koordinierte Vorgehensweise
(Erkennen eines Indexfalles, Isolier- und Hygienemaßnahmen, Diagnostik, Therapie und
Meldung an die zuständigen Behörden) sicherstellen, um adäquat auf einen möglichen
Erkrankungsfall in Deutschland reagieren zu können. Sie basiert im Wesentlichen auf
den Veröffentlichungen des Robert Koch-Institutes, der Weltgesundheitsorganisation,
der amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC), der European
Centre for Disease Control and Prevention (ECDC) sowie auf der zu diesem Thema publizierten
wissenschaftlichen Literatur.
Einleitung
Anfang März 2013 wurden die ersten Fälle einer Infektion beim Menschen durch ein Influenza
A(H7N9)-Virus in östlichen Provinzen der Volksrepublik China beschrieben. Es handelt
sich um ein neues, bisher nicht bei Menschen als Krankheitserreger aufgetretenes Vogelgrippevirus,
das in verschiedenen Provinzen im Osten der Volksrepublik China schwere respiratorische
Infektionen, zum Teil mit tödlichem Ausgang, hervorgerufen hat [1]
[2]
[3]. Mittlerweile wurden der Welt-Gesundheitsorganisation WHO bis zum 11. 8. 2013 insgesamt
135 Fälle mit akuter Influenza A(H7N9)-Infektion gemeldet, von denen 44 an der Erkrankung
verstorben sind (Todesrate 33 %) [4]. Betroffen sind alle Altersklassen, vorwiegend männliche Personen aus einem urbanen
Umfeld. In den meisten Fällen (bis auf einige Familien-Cluster) fand sich epidemiologisch
keine Verbindung zwischen den Erkrankten, in der Mehrzahl der Fälle lag ein Kontakt
mit Geflügel (Hühner oder Enten) vor [3].
Da sich die Untersuchungen der chinesischen Gesundheitsbehörden auf die schweren Fälle
von unteren Atemwegsinfektionen konzentrierten, ist eine realistische Einschätzung
der klinischen Manifestation und der wirklichen Letalität (bezogen auf alle Infizierten)
zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Der hohe Prozentsatz an Kontakten mit lebenden
Tieren könnte für eine Übertragung des Virus von augenscheinlich nicht erkrankten
Tieren auf den Menschen sprechen. Eine direkte Mensch-zu-Mensch-Übertragung kam im
Rahmen von drei Häufungen in Frage, konnte bisher jedoch noch nicht zweifelsfrei festgestellt
werden.
Es gibt Fragen zur Epidemiologie, die zur Zeit noch offen bleiben müssen, wie das
natürliche Vorkommen der Viren in der Tierwelt, die Haupt-Expositions- und Übertragungswege
bei Infektion des Menschen oder die Verbreitung in der tierischen und menschlichen
Population.
Aviäre Influenzaviren
Das natürliche Reservoir der aviären Influenzaviren sind Vögel, insbesondere Wasservögel,
wo das Virus gut angepasst ist und nur selten zu Erkrankungen führt. Bei anderen Spezies,
wie Geflügel und Säugern, ist die Pathogenität der Viren abhängig vom Virustyp und
Wirt. Neben hochpathogenen aviären Influenzaviren (H5 oder H7), die eine hohe Letalität
für infiziertes Geflügel (Hühner und Puten) besitzen, werden niedrigpathogene Vogel-Influenzaviren
unterschieden, die auch bei H5- und H7-Viren vorkommen können und im Geflügel kaum
oder nur geringe Krankheitszeichen hervorrufen. Die Übertragung von aviären Influenzaviren
auf den Menschen ist nicht sehr effektiv und wurde zum Beispiel für das Influenza
A(H5N1)-Virus in 10 Jahren bisher bei ca. 600 Personen nach (überwiegend) engem Tierkontakt
beschrieben, wobei die Letalität mit fast 60 % nach gegenwärtigem Wissenstand offensichtlich
höher ist als bei Influenza A(H7N9) [5].
Das neue Influenza A(H7N9)-Virus ist nach molekularbiologischen Untersuchungen eine
Mischform (Reassortante) aus mindestens vier unterschiedlichen aviären Influenza-Viren.
Für Geflügel ist das Virus niedrigpathogen. Damit fehlen die Erkennungszeichen einer
möglichen Infektionsgefahr für den Menschen im Umfeld von erkranktem Geflügel. Eine
Mutation im Hämagglutinin deutet darauf hin, dass die Viren eine größere Fähigkeit
besitzen, über 2,6 Sialinsäure-Rezeptoren (die auch in den oberen Luftwegen beim Menschen
vorkommen) Säugetierzellen zu infizieren [6]. Molekulargenetische Untersuchungen zeigen, dass das Oberflächenprotein Hämagglutinin
am ehesten den Gensegmenten von aviären A(H7)-Influenzaviren aus domestizierten Enten
der Provinz Zhejiang ähnelt [7]. Influenza A(H7)-Viren können selten, meist nach direktem Kontakt mit infiziertem
Geflügel, zu Infektionen bei Menschen führen, wobei diese meist mild verliefen [8]. Das für die Neuraminidase kodierende N-Gen scheint von aviären Influenzaviren des
Typs A(H11N9) zu kommen, die sporadisch aus Wildvögeln in Korea und China isoliert
wurden [6], während die übrigen Gensegmente aus aviären A(H9N2)-Viren stammen, die im gesamten
asiatischen Raum anzutreffen sind. Bis Ende Mai 2013 hat die Welttiergesundheitsorganisation
OIE den Nachweis von A(H7N9) in über 50 Proben von Geflügel oder Umgebungsproben von
Geflügelmärkten aus neun Provinzen in China bestätigt (http://www.oie.int/wahis_2 /public/wahid.php/Wahidhome/Home) [8]. Weitere Mutationen auf unterschiedlichen Gensegmenten sprechen für eine stärkere
Adaptation der Viren an Säugetierzellen. Vorhersagen über genetische Veränderungen,
die eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung ermöglichen, sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht
zu treffen. Eine zusätzliche Mutation spricht für das Vorliegen einer Resistenz gegenüber
Amantadin, was von klinischer Bedeutung sein kann. Bis auf eine Erkrankung, bei der
bei dem isolierten A(H7N9)-Virus eine Mutation nachgewiesen werden konnte, die mit
einer In-vitro-Resistenz gegenüber Neuraminidase-Inhibitoren bei einem anderen N9-Virussubtyp
assoziiert war [9], gibt es keine Hinweise auf eine Resistenz gegen Neuraminidase-Inhibitoren.
Insgesamt handelt es sich um ein patchwork-virus, was sich aus mindestens vier aviären Influenzavirustypen rekrutiert, wobei auch einzelne
Gensegmente human-ähnliche Signaturen aufweisen [10].
Klinik
Nach den bisher vorliegenden Berichten bei den schwerer erkrankten Patienten betrug
die Zeit zwischen Erkrankungsbeginn und Hospitalisierung im Durchschnitt 4,5 Tage,
bis Auftreten eines akuten respiratorischen Distress-Syndroms 8 Tage und 11 Tage bis
zum Tod. Das Spektrum des klinischen Erscheinungsbildes einer Influenza A(H7N9)-Infektion
ist gegenwärtig unbekannt. Während die klinisch schweren Verläufe gut dokumentiert
sind, ist völlig unklar, wie häufig oligo- bzw. asymptomatische Infektionen sind bzw.
wie sie sich klinisch äußern. Dies hat erhebliche epidemiologische Bedeutung für die
Erkennung und Eindämmung der Infektion.
Mittlerweile liegt eine retrospektive Analyse von 111 Patienten vor, bei denen die
Infektion durch das Influenza A(H7N9)-Virus im Labor bestätigt war (110 mittels RT-PCR)
[11]. Das Durchschnittsalter lag bei 61 Jahren (3 bis 88 Jahren) und unterschied sich
damit deutlich vom Median bei der aviären A(H1N1)-Pandemie mit 23 Jahren [12]. Auffällig war, dass 42,3 % der Betroffenen über 65 Jahren alt waren und dass Männer
überwogen (Verhältnis 2:1). Diese Unterschiede könnten eventuell Ausdruck einer unterschiedlichen
Exposition gegenüber infizierten Tieren auf Märkten und Geflügelfarmen bzw. eines
erhöhten Risikos bei Vorliegen von Begleiterkrankungen sein, die häufiger in höherem
Alter vorkommen. In der Mehrzahl der Fälle (61,3 %) lagen Begleiterkrankungen wie
koronare Herzerkrankung, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus und chronisch obstruktive
Lungenerkrankung vor. Ein aktiver Raucherstatus war mit einer höheren Letalität assoziiert
[13].
Das klinische Bild der Infektion war durch das Auftreten von Fieber (100 %), zum Teil
über 39° C, Husten (90 %) sowie körperliche Schwäche, Luftnot, Hämoptysen und gastrointestinale
Symptome (Durchfall oder Erbrechen in 13,5 %) charakterisiert. Paraklinisch imponierte
bei der Mehrzahl der Patienten eine Lymphopenie (88 %), Thrombopenie (73 %) sowie
bei fast allen Patienten eine Erhöhung der Serumkonzentration von Aspartattransferase,
Lactatdehydrogenase und Kreatinkinase. Die Entzündungsmarker C-reaktives Protein und
Procalcitonin waren bei 76 bzw. 37 % erhöht. In 108 der 111 (97,3 %) vorliegenden
Röntgenfilmaufnahmen des Thorax fanden sich Verschattungen vereinbar mit einer Pneumonie.
In einzelnen Fällen wurden Pneumothoraces und Mediastinalemphyseme festgestellt. Nosokomiale
Superinfektionen traten bei 5 Patienten (Sepsis) und 18 Patienten (Krankenhaus-erworbene
Pneumonie) auf. Die im Sputum oder endotrachealen Aspirat isolierten Erreger waren
überwiegend Enterobacteriaceae oder Nonfermenter und entsprachen damit den typischen
nosokomialen Pneumonieerregern [14].
85 Patienten wurden auf der Intensivstation behandelt, bei 79 Patienten lag ein akutes
Atemnotsyndrom, bei 29 Patienten ein Schockzustand sowie akutes Nierenversagen (n = 18)
oder eine Rhabdomyolyse (n = 11) vor. Eine künstliche Beatmung war bei 82 % der Patienten
mit ARDS notwendig, von diesen wurden 20 einer extrakorporalen Membranoxigenierung
unterzogen. Prädiktor für das Auftreten eines ARDS war das Vorliegen einer Grunderkrankung,
für Tod ausschließlich der Nachweis eines Schocks.
Im Vergleich zur saisonalen Influenzainfektion war die Influenza A(H7N9)-Virus-Infektion
durch einen schwereren klinischen Verlauf, vermehrtes Auftreten von Komplikationen,
insbesondere Pneumonie und akutes Atemnotsyndrom, gekennzeichnet. Ähnlich wie bei
A(H5N1)-Infektionen traten Schnupfen und Halsschmerzen nicht auf, jedoch unterschieden
sie sich von Infektionen durch andere A(H7)-Viren durch das Fehlen von Konjunktivitis.
Verdacht
Die folgenden Definitionen und Empfehlungen sind der Internetseite des Robert Koch-Institutes
(RKI) entnommen (http://www.rki.de/start > Infektionskrankheiten A-Z > Aviäre Influenza). Es sei darauf hingewiesen, dass
aktuelle Entwicklungen zur epidemiologischen Situation und neu angepasste Empfehlungen
auf dieser Homepage zu entnehmen sind.
Nach Angaben des RKI sollten Ärzte bei folgenden Konstellationen das Vorliegen einer
Infektion durch das neue aviäre Influenza A(H7N9)-Virus in Betracht ziehen:
Falldefinition
-
Einzelne importierte Fälle (zum Beispiel durch Reiserückkehrer aus China, die sich
dort mit Influenza A(H7N9) infiziert haben) können auch in Deutschland nicht grundsätzlich
ausgeschlossen werden. Deshalb sollten Ärzte Patienten, die sich mit einer akuten
respiratorischen Symptomatik vorstellen, nach einer Chinareise in den letzten zehn
Tagen vor Erkrankungsbeginn fragen. Vor allem der Aufenthalt in Ostchina in einer
der Provinzen, in denen humane Fälle mit Influenza A(H7N9) gemeldet wurden, sollte
Anlass zu einer genaueren Reiseanamnese geben [15]. Falls sich die betreffende Person erinnern kann, auf einem „wet market“ (wo lebende
Tiere, insbesondere auch Geflügel, verkauft werden) gewesen zu sein, würde dies die
deutsche Falldefinition für einen Verdachtsfall auf Influenza A(H7N9) erfüllen, ebenso
bei einem vorherigen Kontakt mit einem bestätigten humanen Fall mit Influenza A(H7N9)-Infektion.
In diesem Fall sollte die Erkrankung des Patienten labordiagnostisch abgeklärt werden.
Verdachtsfälle von humanen Erkrankungen mit aviärer Influenza sind dem Gesundheitsamt
nach § 1 der Aviären-Influenza-Meldepflicht-Verordnung zu melden.
-
Ohne erinnerten beziehungsweise bekannten „Kontakt“ zu Vögeln, deren Ausscheidungen
sowie rohen oder nicht ausreichend durchgegarten Geflügelprodukten in den betroffenen
Gebieten Chinas würde ein Patient mit Reiseanamnese Ostchina in den zehn Tagen vor
Erkrankungsbeginn nur dann laut Falldefinition die Kriterien für einen Verdachtsfall
erfüllen, wenn die Symptomatik dem in der Falldefinition beschriebenen klinischen
„Vollbild“ entspräche, das heißt bei einer schweren akuten respiratorischen Erkrankung
wie zum Beispiel einer radiologisch bestätigten Pneumonie (Quelle: Buda, Buchholz,
Haas, Dt. Ärzteblatt 2013). Die Falldefinition des RKI zu H7N9 ist abrufbar unter:
http://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/A/AviaereInfluenza/Falldefinition_H7N9.html.
-
Bestätigter Fall: Person mit labordiagnostischem Nachweis des Influenzavirus A(H7N9).
Schutzmaßnahmen
Da bei Verdacht auf eine aviäre Influenza A(H7N9)-Infektion eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung
zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden kann, ist eine Transmission
des Virus durch entsprechende Maßnahmen zu unterbinden. Zum Schutz des Personals sollte
eine erweiterte Basishygiene mit zusätzlichem Schutz der Atemwege durchgeführt werden.
Hierfür sollten vorzugsweise Atemschutzmasken (FFP1/FFP2) Verwendung finden. Als Behelf
kann ein Mund-Nasen-Schutz genutzt werden, dieser schützt jedoch bestimmungsgemäß
in erster Linie Mund und Nase vor Spritzern und Berührungen durch kontaminierte Hände.
Grundsätzlich ist auf den korrekten Sitz der Maske zu achten. Auch der Patient sollte
zur weiteren Erhöhung des Schutzes einen MNS tragen, es sei denn, er toleriert dies
nicht.
-
Bezüglich der Schutzmaßnahmen bei Patienten mit einer A(H7N9)-Infektion gilt der Beschluss
des Ausschusses für biologische Arbeitsstoffe (ABAS) 609 (http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Biologische-Arbeitsstoffe/TRBA/Beschluss-609.html) Der Patient sollte isoliert werden.
-
Die persönliche Schutzausrüstung sollte umfassen: (a) Schutzbrille, (b) Atemschutz
(FFP2 für Pflege, Behandlung, Untersuchung; FFP3 für Aerosol-generierende Maßnahmen,
wie Absaugen, Bronchoskopie, Intubation), (c) Schutzkittel, und (d) Einweghandschuhe.
-
Wenn es der Patient toleriert, sollte dieser beim Kontakt mit anderen, nicht infizierten
Personen eine Mund-Nasen-Maske aufsetzen.
-
Die CDC empfiehlt für das Management der Versorgungseinheit, auf der A(H7N9)-Patienten
betreut werden, eine sorgfältige Kontrolle der Beschäftigten hinsichtlich des Auftretens
von Krankheitssymptomen, die auf einen respiratorischen Infekt hindeuten könnten.
Nähere Erläuterungen sind der Publikation der CDC zu entnehmen [16].
Diagnostik
Bei Verdacht auf eine Infektion durch Influenza A(H7N9) sollte das Probenmaterial
an das Nationale Referenz-Zentrum für Influenza (NRZ) in Berlin (Adresse s. u.) versandt
werden. Dabei ist Folgendes zu beachten:
-
Vorab-Information an das NRZ für Influenza über die geplante Probenverschickung
-
Die Proben sind als „Biologischer Stoff, Kategorie B“ der UN-Nr. 3373 zuzuordnen und
entsprechend zu kennzeichnen. Der Absender mit Kontaktdaten für Rückfragen ist anzugeben.
Als geeignete Untersuchungsmaterialien sind anzusehen:
Die Materialentnahme sollte von geschultem Personal unter Beachtung der geltenden
hygienischen Vorschriften und des Arbeitsschutzes gemäß dem Beschluss des Ausschusses
für Biologische Arbeitsstoffe 609 erfolgen (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin).
Die Verpackung besteht aus drei Komponenten:
-
Probengefäß (z. B. Monovette) entspricht der Primärverpackung
-
Schutzgefäß als Sekundärverpackung (flüssigkeitsdicht verschraubtes Plastikröhrchen
mit saugfähigem Material)
-
Möglichst gefütterter Umschlag aus reißfestem Material oder einer entsprechenden kastenförmigen
Verpackung aus Pappe (Umverpackung).
Die verschlossenen Versandstücke werden an das Nationale Referenzzentrum für Influenza
(NRZ) am Robert Koch-Institut, Ansprechpartner Dr. B. Schweiger, Dr. M. Wedde, Tel.
030/18754-2456 oder -2141, Fax 030/18754-2605, versandt.
Das Robert Koch-Institut empfiehlt, bei einem negativen Testergebnis, aber weiter
bestehendem hinreichenden Verdacht auf das Vorliegen einer Influenza A(H7N9)-Virus-Infektion,
eine Wiederholung der Probenentnahme, möglichst mit Gewinnung respiratorischer Sekrete
der unteren Atemwege (z. B. bronchoalveoläre Lavage) mit erneuter PCR-Testung. Ein
weiter bestehender Verdacht begründet sich bei positiver Reiseanamnese, ungewöhnlich
schwerem klinischem Verlauf (Pneumonie oder ARDS) oder intensiver Exposition.
Darüber hinaus sollte bei allen Patienten mit schweren Pneumonien und akutem Atemnotsyndrom
eine sorgfältige virologische Diagnostik mit Berücksichtigung der saisonalen Influenzaviren
(Influenza A(H3N2)), des pandemischen Influenza A(H1N1)pdm09, aber auch anderer, zum
akuten Atemnotsyndrom führende Erreger, wie MERS-CoV (Middle East Respiratory Syndrome-Coronavirus)
erfolgen, wobei bei Ausschluss einer Infektion durch zirkulierende Influenzaviren
und fehlender ätiologischer Erklärung des Krankheitsbildes eine weiterführende Charakterisierung
von Untersuchungsmaterialien auf Influenza A(H7N9) durch das Nationale Referenzzentrum
für Influenza beim RKI zu überlegen ist.
Eine Influenza A(H7N9)-Virus-Infektion gilt als ausgeschlossen, wenn eine repräsentative
und verwertbare Untersuchungsprobe mit RT-PCR als negativ bewertet wurde und das Krankheitsbild
durch andere Befunde ätiologisch hinreichend erklärt ist bzw. wenn in zwei Serumproben
im Abstand von 2 Wochen durch einen spezifischen Test im NRZ keine Antikörper gegen
das neue Virus nachgewiesen werden konnten.
Meldung
Bei Vorliegen einer der Kategorien der Falldefinition erfolgt umgehend eine Meldung
gemäß § 1 Aviäre-Influenza-Meldepflicht-Verordnung an das zuständige Gesundheitsamt.
Dies gilt für niedergelassene und im Krankenhaus tätige Ärzte gleichermaßen. Es empfiehlt
sich, das Meldeformular des Robert Koch-Institutes hierfür zu benutzen. Die Meldung
erfolgt namentlich mit Angaben des Adressaten und Kontaktdaten. Das Meldeformular
ist abrufbar unter http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/IfSG/Meldeboegen/Arztmeldungen/Aviare-Influenza_Meldebogen_Vorschlag_des_RKI.html.
Labordiagnostischer Nachweis
Labordiagnostischer Nachweis
Der Nachweis von Influenza A(H7N9) erfolgt mittels einer Real-Time-Nukleinsäureamplifikation,
wobei im ersten Schritt über eine generische Matrixgen-Nukleinsäureamplifikation Influenza
A und anschließend in einem zweiten Schritt der Subtyp H7-Hämagglutinin und N9-Neuraminidase
mit spezifischen PCRs (Real Time RT-PCR Protocol for the Detection of Avian Influenza
A(H7N9) Virus) eingesetzt wird.
Zu beachten ist, dass Influenza-Schnelltests aufgrund der zur Zeit noch bestehenden
Unsicherheit hinsichtlich ihrer diagnostischen Spezifität und Sensitivität bei Influenza
A(H7N9) nicht eingesetzt werden sollen. Ein positiver Influenza A-Nachweis könnte
allerdings auf eine Influenza A(H7N9)-Virus-Infektion hinweisen.
Klinisches Management und Therapie
Klinisches Management und Therapie
Aufgrund der bisher beschriebenen klinischen Verläufe umfasst das Management von Patienten
mit einer Influenza A(H7N9)-Virus-Infektion eine umfassende klinisch-differenzialdiagnostische
Aufarbeitung und sorgfältige Überwachung der Patienten zum raschen Erkennen von Komplikationen.
Dies beinhaltet die Isolierung des Patienten, bei Bedarf Sauerstoffgabe unter Kontrolle
der Blutgasanalyse, ggf. die empirische Gabe von Antibiotika entsprechend den Leitlinien
für die schwere ambulant erworbene Pneumonie sowie Prophylaxe thromboembolischer Komplikationen
[17]. Bei Vorliegen eines primär schweren Verlaufes bzw. Auftreten von Komplikationen
wie akutes Atemnotsyndrom, Sepsis oder Nierenversagen stehen intensivmedizinische
Maßnahmen wie nichtinvasive Beatmung, invasive Beatmung, extrakorporale Membranoxigenierung
(ECMO), Flüssigkeitsmanagement und Vasopressorgabe im Vordergrund.
Der Stellenwert einer Behandlung mit Neuraminidase-Inhibitoren ist zum gegenwärtigen
Zeitpunkt schwer zu bestimmen. Allerdings zeigen In-vitro-Untersuchungen, dass Oseltamivir
und Zanamivir die Replikation des Influenza A(H7N9)-Virus zu hemmen vermag [18].
In Anbetracht fehlender Alternativen wird daher bei allen Formen einer Infektion die
unmittelbare Einleitung einer Behandlung mit Oseltamivir (Tamiflu©) angeraten. Die empfohlene Dosierung bei Erwachsenen beträgt 75 mg zweimal täglich
bei Nierengesunden. In den bisher vorliegenden Veröffentlichungen werden Tages-Dosierungen
von 150 mg bis 300 mg Oseltamivir angegeben, die damit laut Fachinformation jenseits
der für Deutschland zugelassenen Dosis liegen [19]. In der Publikation von Gao et al. führte die Verabreichung von Oseltamivir in den
beschriebenen Dosen innerhalb von 6 Tagen nach Beginn der Therapie zu einer Negativierung
der respiratorischen Proben mittels RT-PCR, Angaben zu Patienten ohne Behandlung mit
Neuraminidasehemmern fehlen allerdings [11]. Das in Oseltamivir-Kapseln enthaltene Pulver kann in einer Suspension aufgenommen
werden (siehe Fachinformation) und bei beatmeten Patienten über eine Magensonde appliziert
werden, allerdings sollte beachtet werden, dass infolge einer verzögerten Magenentleerung
eine ausreichende Absorption fraglich ist (http://www.who.int/influenza/resources/documents/ClinicalManagement07.pdf).
Daten zum klinischen Einsatz von Zanamivir (Relenza©) stehen bisher für A(H7N9)-Infektionen nicht zur Verfügung; der Wirkstoff, der inhalativ
verabreicht werden muss, ist prinzipiell aber genauso wirksam wie Oseltamivir. Er
ist insbesondere bei Patienten, bei denen keine enterale Applikation möglich ist,
eine Alternative. Zanamivir ist in der intravenösen Form in Deutschland nicht im Handel,
er kann bei der Herstellerfirma GlaxoSmithKline GmbH & Co KG/München angefragt werden
(Details zum Compassionate Use von Relenza unter Tel.: Tel. 0800 1011744). Es läge
damit ein Heilversuch vor, der die Aufklärung und Zustimmung des Patienten bzw. seines
gesetzlichen Vertreters erfordert. Die Zanamivir-Dosis in der zugelassenen Form als
Pulverinhalation beträgt bei Erwachsenen 2 × 2 à 5 mg pro Tag [20].
Empfehlung
Aufgrund der gut dokumentierten Wirksamkeit der Neuraminidase-Inhibitoren bei Infektionen
durch saisonale und pandemische Influenzaviren sowie bei A(H5N1)-Virus-Infektionen
und infolge der hohen Rate an sekundären Komplikationen und der hohen Sterblichkeit
bei einer A(H7N9)-Virus-Infektion wird empfohlen, alle Verdachtsfälle und nachgewiesenen
Fälle antiviral mit Neuraminidase-Inhibitoren zu behandeln [21]
[22].
-
Als Verdachtsfall gilt eine Influenza-ähnliche Erkrankung (ILI) bei einem Patienten
aus dem Risikogebiet in China (s. RKI-Falldefinition).
-
Diese Empfehlung gilt für alle Fälle, unabhängig vom Vorliegen der klassischen Risikofaktoren
für einen schweren Verlauf, wie Alter unter 2 Jahre oder über 64 Jahre, Schwangerschaft
bzw. Patienten mit chronischen Grunderkrankungen wie COPD, zerebrovaskuläre oder kardiale
Erkrankungen.
-
Die virologische Diagnostik und der Beginn der antiviralen Therapie sollten parallel
erfolgen, die Diagnostik darf den Beginn der Therapie nicht verzögern.
-
Die Therapie sollte so früh wie möglich begonnen werden, unabhängig vom Beginn der
klinischen Symptomatik (eine Begrenzung der Therapieindikation auf die ersten 48 h
nach Symptomenbeginn besteht nicht); diese Empfehlung berücksichtigt die potenziell
tödlichen Verläufe, die Erfahrung mit humanen A(H5N1)-Infektionen, die auf eine Wirksamkeit
von Neuraminidasehemmern hinweisen [23], und die Empfehlungen der CDC (http://www.cdc.gov/flu/avianflu/h7n9-antiviral-treatment.htm) sowie der WHO (http://www.who.int/influenza/human_animal_interface/influenza_h7n9/WHO_H7N9_review_31May13.pdf).
-
Die Therapiedauer beträgt bei unkomplizierten Verläufen 5 Tage.
-
Bei komplizierten Verläufen wird die ausschließliche Verabreichung von Oseltamivir
oral empfohlen, da die Wirksamkeit von inhaliertem Zanamivir unsicher ist.
-
Die Therapiedauer ist bei komplizierten und schweren Verläufen unklar. Eine Verlängerung
der Behandlung bis auf 10 Tage sollte sich nach klinischen Parametern und virologischen
Kriterien (Verlaufsuntersuchungen der Viruslast in respiratorischen Sekreten mittels
RT-PCT) orientieren.
-
Bei einem geplanten Compassionate use von Zanamivir intravenös sollte die Herstellerfirma
kontaktiert werden (s. o.).
-
In Einzelfällen sollte auch eine Erhöhung der Dosis über den zugelassenen Dosisbereich
hinaus erwogen werden. So wurden Dosierungen bis zweimal 150 mg Oseltamivir pro Tag
bei normaler Nierenfunktion und sehr schweren Verläufen beschrieben [24]. Dies ist in jedem Fall als Individualentscheidung zu protokollieren.
Ausblick
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die weitere Entwicklung des bisher noch auf China
begrenzten Ausbruchs einer aviären Influenzainfektion bei Menschen schwer vorherzusagen.
Nach übereinstimmenden Einschätzungen der WHO und der ECDC sind die momentanen Risiken
als gering einzuschätzen. Man sollte allerdings berücksichtigen, dass von drei wesentlichen
Voraussetzungen für eine Pandemie zwei durch das neue Influenza A(H7N9)-Virus erfüllt
werden [25]: 1. Fehlende Immunität in der menschlichen Population und 2. ausreichende Pathogenität
und Virulenz der Viren mit Adaptation an Säugetierzellen durch Mutationen, die zu
einer verbesserten Effektivität der Replikation in Säugetierzellen führen. Die für
die Entwicklung einer Pandemie wichtigste Eigenschaft eines Virus ist die fortgesetzte
Mensch-zu-Mensch-Übertragung. Im Rahmen von drei kleinen Häufungen ist es möglicherweise
bereits zu Mensch-zu-Mensch-Übertragungen gekommen [3]
[22], nicht jedoch zu anhaltenden Infektketten. Es ist unklar, wie rasch die Influenza
A(H7N9)-Viren die Fähigkeit entwickeln, sich an den menschlichen Organismus anzupassen
[26]. Würde dies eintreten, hätte dies erhebliche epidemiologische Konsequenzen.
Die Aufgabe besteht daher darin, die ärztliche Öffentlichkeit adäquat zu informieren,
um möglicherweise auftretende (importierte oder bereits von diesen angesteckte) Fälle
frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Eine Meldung an das örtliche Gesundheitsamt
ermöglicht eine umgehende Fall- und Kontaktpersonenuntersuchung.