physiopraxis 2013; 11(04): 58
DOI: 10.1055/s-0033-1345295
physiospektrum
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Sind kurzfristig ausgefallene Einheiten Minusstunden?

Bossow Karsten

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Publication Date:
24 April 2013 (online)

 

Karsten Bossow

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Karsten Bossow ist seit 1999 Rechtsanwalt mit den Tätigkeitsschwerpunkten Arbeits-, Medizin- und Sozialrecht. Seit 2003 ist er Fachanwalt für Arbeitsrecht und seit 2010 Fachanwalt für Medizinrecht

Die Rechtsfrage

» Am Monatsende verrechnet meine Chefin unsere Minderstunden mit den Überstunden. Kurzfristig ausgefallene Einheiten, für die kein Ersatz gefunden werden konnte, zählen als Minusstunden. Ist das mitten in der Arbeitszeit rechtens? Diese unbesetzten Termine verbringen wir unfreiwillig mit Planen oder am Telefon, werden aber nicht dafür entlohnt. «

Physiotherapeutin aus Hessen

Die Antwort unseres Experten

Minder- und Mehrstunden sind häufig Thema bei arbeitsrechtlichen Beratungen oder Gegenstand von Rechtsstreiten. Schwierig wird es, wenn es keine vertraglichen Vereinbarungen gibt, sondern beispielsweise lediglich ein „gelebtes“ Überstundenkonto.

Ausgangspunkt möglicher Regelungen ist immer die vereinbarte Soll-Arbeitszeit. Sind zum Beispiel 25 Wochenstunden vereinbart, ist jede weitere Stunde Mehrarbeit. Kommen Patienten nicht oder zu spät, geht dies zunächst zu Lasten des Arbeitgebers. Er muss die „Wartezeit“ des Mitarbeiters bezahlen. Allerdings kann der Chef im Rahmen seines Direktionsrechts die Lage der Arbeitszeit festlegen. Meist geschieht dies anhand der Planung im Terminkalender.

Haben Sie mit Ihrer Chefin ein Arbeitszeitkonto vereinbart, können Sie Überstunden sammeln. Wann Sie diese in Freizeit ausgleichen können, entscheidet in der Regel Ihre Arbeitgeberin. Das heißt: Ihre Chefin kann Sie freistellen und Guthaben vom Arbeitszeitkonto gegenrechnen, wenn weniger Arbeit anfällt. „Freistellen“ ist hier wörtlich zu verstehen. Ein Praxisinhaber muss den Angestellten von der zu erbringenden Arbeitsverpflichtung befreien. Sie müssen also – wie bei Pausen – die freie Zeit so verbringen können, wie Sie möchten. Die Freistellung kann sich an Pausen anschließen oder die Arbeit unterbrechen. Fallen in diese Zeit Bereitschaftsdienste wie Telefondienste, Planungs- oder Reinigungsarbeiten, handelt es sich um Arbeitszeit. Ob und wann Bereitschaftsdienst zu bezahlen ist, sollte man vorher klären.

Probleme können auch auftreten, wenn das Arbeitszeitkonto kein Guthaben mehr aufweist und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht beschäftigen kann. Wurde vereinbart, dass das Arbeitszeitkonto in den Minusbereich gehen darf, kann der Chef den Mitarbeiter bezahlt freistellen. Erholt sich die Lage, muss der Angestellte die Minusstunden später nacharbeiten. Dann wird das Arbeitszeitminus mit künftigen Plusstunden verrechnet. Wechseln Sie den Arbeitgeber und weist das Arbeitszeitkonto ein Minus auf, weil der Chef den Mitarbeiter nicht beschäftigen konnte, darf der Praxisinhaber das Minus grundsätzlich nicht vom letzten Gehalt abziehen. Er trägt das „Unternehmerrisiko“. Dieses Risiko trägt er auch, wenn er kein Arbeitszeitkonto mit Minusstunden vereinbart hat. In diesem Fall könnte ein Therapeut „Minderarbeit“ am Wochenanfang durch Mehrarbeit im Laufe der Woche ausgleichen. Die Minusstunden wären jedoch nicht auf eine andere Woche übertragbar. Dies wäre bei einem Arbeitszeitkonto erlaubt.

Karsten Bossow

→ Wirft auch Ihr Berufsalltag rechtliche Fragen auf? Dann schreiben Sie an Simone.Gritsch@thieme.de.


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