Herausforderung Volumenmanagement
Die Hypervolämie ist ein wesentlicher Faktor für die hohe Sterblichkeit von Patienten
an der Dialyse. Sie geht häufig mit einem erhöhten Blutdruck einher, ist aber auch
ohne begleitende Hypertonie mit einem Anstieg der Mortalität assoziiert [
1
], was die regelmäßige, möglichst genaue Beurteilung des Volumenstatus bei diesen
Patienten erforderlich macht. Wie PD Dr. Horst-Walter Birk, Gießen, anführte, sind
die herkömmlichen Maßnahmen zur Beurteilung des Volumenstatus nicht immer valide,
insbesondere nicht bei normotonen Patienten.
Eine praktikable Lösung für die zuverlässige und ergänzende Einschätzung des Volumens
im klinischen Alltag bietet der Body Composition Monitor (BCM, Fresenius Medical Care)
– ein modernes Multifrequenzgerät, das die quantitative Überwässerung schnell und
präzise erfasst. Gemessen werden die Anteile des extrazellulären und des intrazellulären
Wassers sowie das Gesamtkörperwasser, was eine genaue Bestimmung des Harnstoffverteilungsvolumens
ermöglicht. Wie Birk empfahl, sollte die Messung optimalerweise alle 4 Wochen durchgeführt
werden, denn sie kann die Einstellung des Zielgewichts und die differenzierte Hypertonietherapie
erleichtern und somit zum Erhalt der Nierenrestfunktion beitragen und kardiovaskuläre
Risiken minimieren [
2
].
Gerade die renale Restfunktion (RRF) spielt für die Volumenkontrolle und Natriumelimination
eine wichtige Rolle, wie Prof. Dr. Marianne Haag-Weber, Straubing, ausführte. Während
durch die peritoneale Clearance nur etwa 3–5 g Natrium pro Tag ausgeschieden werden,
ist bei renaler Restfunktion unter Diuretikagabe eine Ausscheidung von 9–12 g zu erreichen.
Da die RRF mit dem Überleben der Patienten korreliert [
3
], sollte sie möglichst lange aufrechterhalten werden. Die PD bietet gegenüber der
Hämodialyse (HD) im Hinblick auf die RRF einen entscheidenden Verfahrensvorteil: Diese
bleibt unter PD länger erhalten als unter HD, selbst bei optimierten HD-Bedingungen,
wie Haag-Weber hervorhob.
Weitere Maßnahmen zum Erhalt der RRF sind die Vermeidung nephrotoxischer Substanzen,
die Optimierung der Blutdruckeinstellung, der Einsatz von ACE-Hemmern (ACE: Angiotensin
Converting Enzyme) und Angiotensin-Rezeptor-Blockern (ARB) sowie die Vermeidung von
Hypotension und Dehydration. Aber auch eine Hypervolämie sollte nicht auftreten, da
sie die Inflammation fördert, was wiederum auch zur Abnahme der RRF führt. Ein optimales
Volumenmanagement ist also auch unter dem Aspekt der RRF entscheidend!
Wie Prof. Dr. Michel Fischbach, Straßbourg (Frankreich), ausführte, ist die adaptierte
APD (A-APD) ein besonders geeignetes Verfahren, um einer Hypervolämie entgegenzuwirken.
Es handelt sich dabei um eine Glukose-, Volumen- und zeitgesteuert angepasste Cyclertherapie,
bei der zur Steigerung der Ultrafiltration zunächst kleine Volumina mit kurzen Verweilzeiten
eingefüllt werden und anschließend, um eine verbesserte Clearance zu erreichen, große
Volumina mit langen Verweilzeiten. Wie Fischbach ausführte, steigere das Verfahren
die Dialyseeffizienz maßgeblich [
4
] und führt u. a. zu einer optimierten Flüssigkeitsbalance: Die Ultrafiltration erhöht
sich um bis zu 100 ml/d und auch die Natriumelimination kann im Vergleich zur konventionellen
APD beispielhaft um 19 % ansteigen, wie in der Studie gezeigt wurde. Daher sei zu
erwägen, hypervolämische PD-Patienten auf diese Therapieoption umzustellen.
Peritonealdialyse – für wen und ab wann?
Die Peritonealdialyse ist, wie Anja Salvo, Stuttgart, hervorhob, ein Verfahren mit
nur wenigen "echten" Kontraindikationen, wie beispielsweise eine entzündliche Darmerkrankung.
Viele andere Probleme lassen sich durch eine intensive Beratung und Betreuung durch
den Nephrologen und das Fachpflegepersonal lösen. Außerdem gibt es für jene, die eine
Bauchfelldialyse nicht mehr selbst durchführen können, die Option der assistierten
PD. Wichtig für die Verfahrensentscheidung ist eine strukturierte Patientenaufklärung,
wie Salvo ausführte. Sie präsentierte Daten aus dem Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart,
denen zufolge sich 42 % aller inzidenten Dialysepatienten im Jahr 2010 nach einer
umfassenden und strukturierten Aufklärung für die PD entscheiden.
Der verbesserten prädialytischen Schulung von Patienten einen höheren Stellenwert
einzuräumen, forderte auch Prof. Dr. Joachim Fischer, Mannheim. Er ging in seinem
Vortrag der Frage nach, warum sich die PD in Deutschland nicht stärker durchsetzt.
Weitere Maßnahmen zur Erhöhung des PD-Anteils, die er anführte, waren eine rechtzeitige
Überweisung nicht dialysepflichtiger CKD-Patienten zum Nephrologen, eine stärkere
Akzentuierung der PD in der Facharztausbildung sowie auch die Schaffung von Anreizen
im Vergütungssystem.
Ein weiterer Diskussionspunkt war der optimale Zeitpunkt für den Dialysebeginn. Die
European Best Practice Guidelines sehen die Initiierung eines Nierenersatzverfahrens
bei einer GFR zwischen 6–9 ml/min/1,73 m2 indiziert. Verschiedene neuere Studien hatten gezeigt, dass Patienten auch nicht
von einem früheren Dialysebeginn profitieren [
5
] – im Gegenteil sogar eine höhere Mortalität aufwiesen. Prof. Alscher betonte aber,
dass das schlechtere Outcome bei Patienten, die bei einer höheren GFR dialysiert wurden,
nicht auf den zeitigen Dialysestart, sondern auf die Komorbiditäten und das Alter
zurückzuführen waren [
6
]. Alschers Fazit für die Praxis lautete, dass die GFR nur ein Richtwert sei und die
Dialyse initiiert werden solle, sobald erste Urämiesymptome auftreten.
PD – nach der NTx das beste Verfahren im Hinblick auf das Überleben
Die präemptive Nierentransplantation (NTx) gilt als das Nierenersatzverfahren (RRT),
von dem die Patienten am meisten im Hinblick auf das Überleben profitieren. Allerdings
haben nur die wenigsten Patienten die Möglichkeit, mit dem Erreichen der Dialysepflichtigkeit
ein Spenderorgan zu erhalten. Wie Prof. Schwenger ausführte, ist die PD bei Patienten
vor der ersten NTx – so das Ergebnis einer Observationsstudie [
7
] – hinsichtlich des späteren Patientenüberlebens das beste Verfahren. Einschränkend
fügte er aber hinzu, dass in dieser Studie nicht die RRF erhoben wurde, was zu einem
Bias geführt haben könnte. In jedem Fall sei die PD aber ein ebenso geeignetes Verfahren
wie die HD, um die Zeit bis zur NTx zu überbrücken. Die Infektionskomplikationsrate
nach NTx ist bei ehemaligen PD-Patienten nicht erhöht, auch das Transplantatüberleben
ist vergleichbar mit dem bei HD-Patienten [
8
].
Gerade auch Diabetiker können von der PD profitieren
Das Konzept "PD first" wird in der nationalen Versorgungsleitlinie für Patienten mit
Diabetes mellitus ausdrücklich empfohlen, wie Dr. Bertil Oser, Bernkastel-Kues, hervorhob.
Gerade auch bei diesen Patienten ist die PD sehr gut möglich. Die Bedenken, die man
einst wegen der zusätzlichen Glukosezufuhr hatte, wurden inzwischen durch jahrelange
Erfahrung beseitigt, so Oser. Hyperglykämien sind beim Einsatz der PD bei Diabetikern
kein ernsthaftes Problem.
Hypoglykämien dagegen sind wesentlich gefährlicher; sie zu vermeiden ist daher eines
der Hauptziele der modernen Diabetologie. Es ist bekannt, dass nicht nur hohe HbA1c-Werte mit einem schlechten Überleben einhergehen, sondern auch zu niedrige. Nicht
nur die Mortalität wird durch die Hypoglykämiehäufigkeit beeinflusst, sondern auch
die Komplikationen nehmen zu (Retinablutungen, kognitive Defizite, Herzinsuffizienz).
Eine CKD erhöht bereits ab Stadium III das Hypoglykämierisiko signifikant. Häufig
werden solche Unterzuckerungen vom Patienten überhaupt nicht bemerkt, schon gar nicht
im Schlaf. In diesem Kontext ist die Glukosezufuhr durch moderne PD-Lösungen bei vielen
diabetischen PD-Patienten im Rahmen des Ernährungsplans sogar ein therapeutischer
Vorteil. So hat es sich bewährt, erklärte Oser, den Beutelwechsel und die Mahlzeiten
gemeinsam mit einem kurzwirksamen Insulin abzudecken und bei diesen Patienten tagsüber
auf Verzögerungsinsulin ganz zu verzichten.
Studie belegt Vorteile von biokompatiblen PD-Lösungen
Mit der Entwicklung "biokompatibler", pH-neutraler PD-Lösungen in modernen Doppelkammerbeuteln
konnte der Gehalt an Glukose-Degradations-Produkten (GDPs) und Glykosilierungs-Endprodukten
(AGEs: "advanced glycation end products") minimiert werden, erklärte Prof. Dr. Achim
Jörres, Berlin. Dies reduziert die akute sowie chronische Toxizität erheblich, was
klinisch einen geringeren Einlaufschmerz bedeutet; laborchemisch sinken die zirkulierenden
AGEs und die Hyaluronsäure sowie das CA-125 steigen an. Es kommt längerfristig zu
histologischen und funktionellen Verbesserungen, wie beispielsweise der peritonealen
Membranintegrität und der Funktion der Peritonealmakrophagen. Dies trägt wiederum
dazu bei, das Infektionsrisiko zu senken und den Ultrafiltrationsverlust aufzuhalten
bzw. die Anurie hinauszuzögern.
Eine Studie [
10
] zeigte bei 91 Patienten, dass mit der pH-neutralen, biokompatiblen Balancelösung
die renale Restfunktion signifikant länger erhalten bleibt als bei der Verwendung
konventioneller Lösungen. Nach 24 Monaten betrug die GFR bei Patienten unter der biokompatiblen
Lösung 33,5 ± 30,7 gegenüber 16,3 ± 17,9 l/ Woche/1,73 m2 bei konventioneller Lösung (p = 0,021). In 2 großen Registerstudien [
11
], [
12
] wurde unter biokompatibler Lösung eine um die Hälfte niedrigere Mortalität gefunden.
Eine signifikant reduzierte Peritonitisrate wurde ebenfalls gezeigt [
13
] und auch eine signifikant bessere, fast doppelt so hohe RRF.
Die bisher größte, prospektive, randomisierte kontrollierte Open-Label-Multicenter-Studie
zu PD-Lösungen balANZ[
1
] verglich über 2 Jahre bei 185 inzidenten PD-Patienten die Balancelösung mit einer
konventionellen Lösung und zeigte 2012 [
14
], [
15
], dass mit dieser modernen "biokompatiblen", pH-neutralen PD-Lösung die Anurie länger
hinausgezögert werden konnte (p = 0,009): Im Beobachtungszeitraum wurden 30 % der
Patienten unter konventioneller Lösung anurisch, unter Balancelösung nur circa die
Hälfte (Abb. [
1
]). Die Zeit bis zur ersten Peritonitis, die Peritonitisschweregrade und die Inzidenz
waren ebenfalls geringer (0,30 vs. 0,49 Episoden pro Jahr).
Abb. 1 Kaplan-Mayer-Überlebens-Analyse für die Zeit bis zur Anurie bei balANZ-Teilnehmern
über den 2-Jahres-Studien-Zeitraum. Die Unterschiede zwischen der "biokompatiblen"
(Kohorte 1) und der "Kontrollgruppe" (Kohorte 2) waren statistisch signifikant (p
= 0,009). Die "numbers at risk" sind über der Abszisse aufgezeigt.
Zusammenfassend bieten die biokompatiblen PD-Lösungen gegenüber den in Deutschland
kaum noch eingesetzten, herkömmlichen PD-Lösungen sowohl einen signifikanten klinischen
Nutzen als auch langfristige Vorteile für den Patienten. In den pädiatrischen nephrologischen
Leitlinien wurden diese Erkenntnisse bereits aufgegriffen und in Empfehlungen umgesetzt.
Umfassende Versorgung von PD-Patienten: mehr als nur Dialyse
Die Versorgung von PD-Patienten sollte neben den dialysespezifischen Fragestellungen
auch andere urämiebedingte Probleme erfassen, die die Lebensqualität der Betroffenen
erheblich mindern. Ein Beispiel dafür ist die erektile Dysfunktion (ED), die bei Dialysepatienten
häufig auftritt. Dr. Martin Kimmel, Stuttgart, verwies auf eine Studie [
16
], der zufolge 60 % aller PD-Patienten unter ED leiden. Angesichts der engen Wechselwirkung
dieser Störung mit dem Auftreten von Depressionen appellierte Kimmel, die ED im Patientengespräch
zu thematisieren.
Ein weiteres Beispiel sind Schlafstörungen, unter denen Dialysepatienten ebenfalls
häufig leiden und auch das Überleben der Betroffenen beeinträchtigen können [
17
]. Auch das obstruktive Schlafapnoesyndrom stört den erholsamen Schlaf und ist bei
Dialysepatienten mit einem schlechteren Outcome assoziiert [
18
], [
19
]. "Auch wenn Daten für nierenkranke Patienten fehlen, würde ich in schweren Fällen
die nächtliche Therapie mit einem CPAP-Gerät (CPAP: Continuous Positive Airway Pressure)
versuchen", so die Empfehlung von Prof. Thomas Mettang, Wiesbaden.
PD bei Patienten mit Herzinsuffizienz
Dr. Stefan Meinhold, Esslingen, sprach über die Option der PD-Indikations-Erweiterung.
Bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz, vor allem bei hämodynamischer Instabilität
oder Aszites, wird die PD auch unabhängig vom Vorliegen einer Nierenfunktionseinschränkung
eingesetzt. Derzeit kann sie dann aber nur als "Neues Behandlungsverfahren/NUB" abgerechnet
werden, da die Studienlage in Bezug auf den Therapievorteil nicht eindeutig ist –
Daten von 2012 [
20
] hatten die Überlegenheit der pharmakologischen Behandlung dargelegt. Um eine eigene
EBM-Ziffer zu erhalten, ist die Nephrologie gefordert: Es seien weitere Studien notwendig,
aber auch klare Kriterien zur Indikationsstellung, zum Prozedere und zur Therapiedauer.
Dr. Bettina Albers, Dr. Martina Berthold; Weimar
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care
GmbH, Bad Homburg.
Die Beitragsinhalte stammen vom "4. Süddeutschen Peritonealdialyse-Seminar", Universitätsklinikum
Heidelberg, unterstützt von der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.
Die Autorinnen sind Mitarbeiter bei albersconcept, Weimar.