Pneumologie 2013; 67(12): 682
DOI: 10.1055/s-0033-1353666
Buchbesprechung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Auf der Suche nach der verlorenen Kunst des Heilens

Contributor(s):
S. Ewig
Hontschik B, Bertram W, Geigges W.
Auf der Suche nach der verlorenen Kunst des Heilens. Bausteine einer Integrierten Medizin.

Stuttgart: Schattauer Verlag; 2013. 361 S., 29,99 €
ISBN: 978-3-7945-2893-6
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Publication History

Publication Date:
09 December 2013 (online)

 

    Einstmals, in Ulm, gab es ein besonderes Experiment: eine psychosomatische Medizin, die sich als „integrierte Medizin“ verstand, also sozusagen als höchste Stufe der Medizin, in und durch alle Disziplinen. Geistiger Vater und Lehrstuhlinhaber war Thure von Uexküll. Diese „Integrierte Medizin“ hat heute noch eine Handvoll Verfechter. In einer Schriftenreihe geben sie Texte heraus, die Bausteine einer umfassenden Theorie der Humanmedizin ergeben sollen. Einer dieser Texte ist dieses Werk.

    Auf den ersten etwa 100 Seiten kommt Uexküll selbst zu Wort und präsentiert seine Theorie der Semiotik und Semiose. Die folgenden Kapitel explizieren diese Theorie durch andere Autoren. Eingeschlossen findet sich eine Kritik der „Evidenz-basierten“ Medizin sowie ein positives Gegenbild des guten Arztes aus der Perspektive der integrierten Medizin. Der abschließende Praxisteil präzisiert diese Sicht in den Disziplinen der Chirurgie (Hontschik), internistischen Onkologie (Kappauf) und Hausarztpraxis (Volck und Kalitzkus).

    Die aufgezeigten Perspektiven sind beeindruckend, aber auch schwere Kost. Selbst philosophisch geschulte Leser müssen sich erst einmal in das Theoriegebäude Uexkülls einfinden, das Elemente aus Biologie, Soziologie und Philosophie zusammenfügt. Unabweisbar haftet den Texten etwas Sektiererisches an. Denn Uexkülls Theorie ist eine Gelehrtenposition geblieben, der es erkennbar an Pragmatik mangelt. In ihrer jetzigen Gestalt ist sie chancenlos, sich nennenswert realisieren zu können. Es fragt sich auch, ob der theoretische Anspruch, der biologistischen Medizin eine „Humanmedizin“ entgegenzustellen, tatsächlich verwirklicht ist. Denn vom Menschen als Person ist weniger die Rede in der Wissenschaft der Zeichen in biologisch-psychologisch-soziologischem Gewand.

    So bleiben die Texte in erster Linie für den auf dem Gebiet erfahrenen Leser eine Fundgrube für so manche interessante Gedanken und Erfahrungen von Ärzten, die sich weigern, sich biologistisch zu verstehen. Eine Anleitung zur „Suche nach der Kunst des verlorenen Heilens“ findet man hier allerdings weniger.

    Prof. Dr. med. Santiago Ewig, Bochum


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