Lege artis - Das Magazin zur ärztlichen Weiterbildung 2013; 3(5): 314-319
DOI: 10.1055/s-0033-1360836
Fachwissen
Schritt für Schritt
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Schlaganfall – Wann kommt wer auf eine Stroke-Unit?

Jeffrie Hadisurya
,
Ralph Weber
Weitere Informationen

Korrespondenz

Jeffrie Hadisurya
PD Dr. med. Ralph Weber

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
12. Dezember 2013 (online)

 

Zusammenfassung

Patienten mit einem akuten Schlaganfall profitieren im Hinblick auf Mortalität und Outcome deutlich von einer akuten Schlaganfallbehandlung auf einer Stroke-Unit (SU).Hierbei handelt es sich um eine spezialisierte Station mit Monitorüberwachung, auf der ein multiprofessionelles Team (u.a. Ärzte- und Pflegeteam, Logopädie, Physiotherapie, Ergotherapie, Sozialarbeiter, Neuropsychologie) 24h/7 Tage pro Woche Schlaganfallpatienten betreut. Der folgende Beitrag dient als kurzer Leitfaden zum Umgang mit Schlaganfallpatienten in der Aufnahmesituation und auf der Stroke-Unit selbst. In komprimierter Form stellen wir dabei die Behandlung beispielhaft am Vorgehen in unserem Haus dar – von der Notaufnahme bis zur Entlassung/Verlegung von der SU nach Hause, auf Normalstation oder in die Frührehabilitation.


#


Jeffrie Hadisurya ist Assistenzarzt an der Neurologischen Klinik des Alfried Krupp Krankenhauses Essen. E-Mail: Jeffrie.Hadisurya@krupp-krankenhaus.de

Zoom Image


PD Dr. med. Ralph Weber ist Facharzt für Neurologie und Oberarzt an der Neurologischen Klinik des Alfried Krupp Krankenhauses Essen. Seine Facharztausbildung absolvierte er an der Neurologischen Universitätsklinik Essen. E-Mail: ralph.weber@krupp-krankenhaus.de

Zoom Image

Patienten mit akutem Schlaganfall profitieren im Hinblick auf Mortalität und Outcome deutlich von einer Akutbehandlung auf einer Stroke-Unit (SU). Hierbei handelt es sich um eine spezialisierte Station mit Monitorüberwachung, auf der ein multiprofessionelles Team (u. a. Ärzte- und Pflegeteam, Logopädie, Physiotherapie, Ergotherapie, Sozialarbeiter, Neuropsychologie) rund um die Uhr Schlaganfallpatienten betreut. Der folgende Beitrag dient als kurzer Leitfaden zum Umgang mit Schlaganfallpatienten in der Aufnahmesituation und auf der Stroke-Unit selbst.

Stroke-Units in Deutschland – ein junges Konzept

Die ersten SUs wurden im angelsächsischen und skandinavischen Raum entwickelt – zunächst als frührehabilitative Einrichtung. Das deutsche Stroke-Unit-Konzept, das 1994 die ersten SUs hervorbrachte, unterschied sich hiervon, indem es das multimodale Monitoring des akuten Schlaganfallpatienten und die damals zunehmende Anwendung der systemischen Thrombolysetherapie als wesentliche Punkte zum frührehabilitativen Aspekt hinzufügte [1].

  • Aktuell existieren bundesweit > 200 nach den Richtlinien der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) zertifizierte Stroke-Units [2].


#

Bedeutung der Stroke-Unit

Bisher ist die Behandlung auf einer SU neben der systemischen Thrombolyse die einzige evidenzbasierte Therapie des akuten Schlaganfalls, die das funktionelle Outcome der Patienten signifikant verbessert.

  • 2011 wurden knapp 55 % aller Schlaganfallpatienten in Deutschland auf einer SU behandelt.

Wir möchten in diesem Schritt-für-Schritt-Artikel in komprimierter Form die Behandlung von akuten Schlaganfallpatienten beispielhaft am Vorgehen in unserem Haus darstellen – von der Notaufnahme bis zur Entlassung / Verlegung von der SU nach Hause, auf Normalstation oder in die Frührehabilitation.


#

Der Schlaganfallpatient in der Notaufnahme

Wichtige Infos vor Einlieferung

Bereits vor Einlieferung des Patienten in die Notaufnahme durch den Rettungsdienst oder Notarzt sollte optimalerweise eine telefonische Kontaktaufnahme mit dem diensthabenden Neurologen erfolgen. So kann man Schlaganfallpatienten, die für eine systemische Thrombolyse oder Thrombektomie potenziell infrage kommen [Tab. 1], schon im Vorfeld identifizieren und weiterführende organisatorische Schritte in die Wege leiten. Folgende Informationen sollten dafür abgefragt werden:

  • Welche neurologischen Ausfälle liegen vor?

  • Zeitpunkt des Symptombeginns

Cave Nicht der Auffindezeitpunkt, sondern der Zeitpunkt, an dem der Patient zuletzt gesund gesehen wurde, ist als Ereigniszeitpunkt zu werten. Dies ist von besonderer Wichtigkeit bei den sog. „Wake-up-Strokes“.

  • Alter des Patienten, Vorerkrankungen, Intensivpflichtigkeit

  • funktioneller Zustand vor dem Ereignis

  • Vormedikation (v. a. Gerinnungshemmer)

Zoom Image
Tab. 1 Umstände, die für oder gegen eine systemische Thrombolyse sprechen (nach [3] [4] [5]).

#

Die dringendsten Schritte in der Notaufnahme

Nach Eintreffen des Patienten sollte man in der Notaufnahme folgende Maßnahmen möglichst schnell (Cave: time is brain!) ergreifen:

  1. Blutdruck, Puls, Blutzucker sowie Temperatur messen und ein Ruhe-EKG schreiben

  2. icheren i. v. Zugang in der Ellenbeuge legen

  3. Aufnahmelabor anfertigen, insbesondere kleines Blutbild, International Normalized Ratio (INR), partielle Thromboplastinzeit (PTT), Kreatinin, C-reaktives Protein (CRP) und Elektrolyte

    • Es handelt sich um ein Notfall-Labor mit höchster Priorität, Dauer bis zum Erhalt der Resultate max. 20 min. Bestimmen Sie den INR-Wert ggf. mittels Point-of-care-Messung [6].

  4. neurologische Anamnese und klinisch-neurologische Untersuchung inklusive Erhebung der Stroke-Scale der National Institutes of Health (NIHSS, [Tab. 2a], [Tab. 2b]) [7]

  5. schnellstmögliche Durchführung einer zerebralen Bildgebung (CCT, bei unklarem Zeitfenster und falls verfügbar: cMRT empfohlen)

    • bei Patienten, die für eine Akuttherapie mittels systemischer Lyse oder interventioneller mechanischer Thrombektomie infrage kommen: mit ergänzender Gefäßdarstellung (z. B. CT-Angiografie)

Zoom Image
Tab. 2 Die National Institutes of Health Stroke Scale (NIHSS, nach [7]). Mithilfe der darin aufgelisteten Prüfungen lässt sich die Schwere eines Schlaganfalls ermitteln. Wichtig für die Punktevergabe: Es gilt jeweils der 1. Versuch des Patienten, die Aufgabe zu bewältigen (Ausnahme bei Parameter 9) bzw. die erste Beobachtung am Patienten. Der Arzt darf keine Hilfestellung geben. Die Punkte aller 11 Items werden addiert, und die Summe kann wie folgt interpretiert werden:
Zoom Image
Tab. 2 (Fortsetzung)0 Punkte: keine Schlaganfall-Symptome1–4 Punkte: schwacher Schlaganfall5–15 Punkte: moderater Schlaganfall16–20 Punkte: moderater bis schwerer Schlaganfall21–42 Punkte:

#

Medikamentöse Lyse

Die systemische Thrombolyse mit gewebespezifischem Plasminogenaktivator (recombinant tissue-type plasminogen activator, rt-PA) ist nach wie vor die einzige kausale Therapie des akuten ischämischen Schlaganfalls bis zu einem Zeitraum von 4,5 h [8].

  • Die Thrombolyse wird gewichtsadaptiert mit einer Gesamtdosis von 0,9 mg/kg Körpergewicht verabreicht:

    • 10 % der Gesamtdosis als Bolus,

    • die restlichen 90 % im Anschluss über einen Perfusor innerhalb von 60 min.

  • Die Maximaldosis beträgt 90 mg.


#

Mechanische Lyse nur in Sonderfällen

Bei großen Gefäßverschlüssen (Arteria carotis interna, Carotis-T, Segment M1 der A. cerebri media, A. basilaris) kann man die systemische Thrombolyse mittels rt-PA auch durch eine mechanische Thrombektomie ergänzen. Dafür nutzt man ein sog. Stent-retriever-Kathetersystem [9] [10]. Bis jetzt haben randomisierte Studien aber noch keine Überlegenheit der mechanischen Thrombektomie gegenüber der alleinigen Thrombolyse gezeigt. Allerdings wurden hierbei auch noch nicht überwiegend die neuen Stent-retriever-Systeme eingesetzt.

  • Daher sollte eine mechanische Thrombektomie nur an sorgfältig selektionierten Patienten,

  • an erfahrenen Zentren und

  • nach ausführlicher Aufklärung von Patient und / oder Angehörigen über diesen individuellen Heilversuch erfolgen.


#
#

Die Entscheidung: Wer kommt auf die Stroke-Unit?

Symptombeginn vor weniger als 72 h

Meta-Analysen belegen eindeutig: Schlaganfallpatienten profitieren von der Überwachung und multimodalen Behandlung auf einer SU [11].

  • Die DSG empfiehlt, grundsätzlich alle Schlaganfallpatienten auf die SU aufzunehmen, deren Symptome bis zu 72 h zuvor aufgetreten sind.

  • Das gilt auch für Patienten mit einer transitorisch ischämischen Attacke (TIA), die von einer schnellen Abklärung und Behandlung eindeutig profitieren [12] [13] und deren Schlaganfall-Risiko in den ersten 72 h am höchsten ist.


#

Andere wichtige Indikationen

Neben dem Symptombeginn nennt die DSG noch folgende dringliche Indikationen für die Aufnahme auf einer Stroke-Unit:

  • thrombolysierte und thrombektomierte Schlaganfallpatienten

  • fluktuierender oder progredienter Verlauf der Schlaganfallsymptome

  • rezidivierende Insulte in den Monaten vor dem aktuellen Schlaganfall / der TIA

  • Schlaganfall- / TIA-Patienten mit Vorhofflimmern oder Stenosen bzw. Verschlüssen der extra- und / oder intrakraniellen hirnversorgenden Gefäße

  • Schlaganfall- / TIA-Patienten mit instabilen Vitalparametern (z. B. stark schwankende Blutdruck- oder Blutzuckerwerte)

  • vigilanzgeminderte Schlaganfallpatienten


#

Zeitpunkt der Verlegung

Bei nicht intensivpflichtigen Patienten außerhalb des Thrombolyse- / Thrombektomie-Zeitfensters erfolgt die Verlegung von der Notaufnahme auf die SU sofort nach Bildgebung, Laborabnahme und 12-Kanal-EKG. Ebenso bei Patienten, die eine Thrombolyse erhalten sollen. Diese wird auf der SU unter engmaschiger klinischer und Monitor-Überwachung des Patienten durchgeführt. Das umfasst die neurologische Verlaufsbeurteilung während der Thrombolyse alle 30 min, das Monitoring des Blutdrucks, der unter laufender Lyse systolische Werte von > 180 mmHg nicht überschreiten sollte, der Herzfrequenz und der Sättigung.


#

Bei mechanischer Lyse erst nach dem Eingriff auf die SU

Patienten, die eine mechanische Thrombektomie erhalten, werden nach Beginn einer sog. „bridging-Lyse“ mit rt-PA (bei entsprechender Indikation und fehlenden Kontraindikationen) der interventionellen Therapie durch eine neuroradiologische Klinik möglichst ohne Zeitverlust zugeführt und werden in der Regel postinterventionell auf die Stroke-Unit übernommen, wenn sie nicht mehr intubations- oder katecholaminpflichtig sind.


#

Andere Patienten auf der Stroke Unit

Prinzipiell ist die SU eine Behandlungseinheit, in der Schlaganfallpatienten behandelt werden sollten. In der Praxis ist dies aus diversen Gründen (meist aufgrund fehlender Bettenkapazität) nicht immer umsetzbar, sodass die Aufnahmeindikation auf die SU von Fall zu Fall gestellt werden muss. So kann man z. T. auch nicht intensivpflichtige Patienten mit anderen neurologischen Krankheitsbildern auf die SU übernehmen, die vom kontinuierlichen Monitoring der Vitalparameter und dem multiprofessionellen Therapieansatz profitieren. Hierzu gehören beispielsweise

  • (nicht intensivpflichtige) Patienten mit myasthener Krise,

  • Guillain-Barré-Syndrom oder

  • Krampfanfällen (Anfallsserie, Status epilepticus, postiktale Vigilanzminderung).

Auf der anderen Seite muss bei mangelnder Bettenkapazität z. B. ein subakuter, leicht betroffener Schlaganfallpatient (z. B. Symptombeginn vor mehreren Wochen oder flüchtige Symptomatik vor > 72 h) nicht zwingend eine Behandlung auf einer SU erfahren.


#
#

Was passiert auf der Stroke-Unit?

Überwachung rund um die Uhr

Nach Übernahme auf die SU wird ein apparatives 24 h-Monitoring durchgeführt, das mindestens die im folgenden genannten Parameter beinhalten sollte.


#

Blutdruck

Je nach Art des Schlaganfalls empfiehlt sich eine andere Einstellung des Blutdrucks.

  • Beim akuten ischämischen Schlaganfall sollte man den Blutdruck in der Akutphase nicht drastisch senken, da der Perfusionsdruck des Gehirns im ischämischen Areal dem arteriellen Druck entspricht.

    • Halten Sie den Blutdruck auf einem hochnormalen Niveau aufrecht. Eine Senkung ist erst bei Werten > 220/120 mmHg angezeigt.

    • Ausnahmen bilden thrombolysierte (Zielwert < 180/100 mmHg) und thrombektomierte Patienten (Zielwert in unserer Klinik < 160/100 mmHg zur Verhinderung eines Reperfusionsschadens).

  • Beim hämorrhagischen Schlaganfall senkt man ab Werten > 160/100 mmHg den systolischen Druck auf einen Zielwert von 130–140 mmHg.

Die Senkung des Blutdrucks erfolgt perfusorgesteuert mit Urapidil (Ebrantil®), Dihydralazin (Nepresol®), Clonidin (Catapresan®) oder einer Kombination dieser Substanzen (Cave: langsam eindosieren!)


#

Herzaktivität

Die Herzfrequenz sollte zwischen 60 und 100/min liegen. Zudem überwacht man die Patienten kontinuierlich per EKG mit Arrhythmiealarmierung.


#

Oxygenierung

Zum Standardmonitoring gehört auch auf der Stroke Unit die kontinuierliche Messung der O2-Sättigung. Ziel ist eine partielle O2-Sättigung > 95 %.


#

Körpertemperatur

Die Körpertemperatur sollte < 37,5 °C betragen. Bei Messungen > 38,0–38,5 °C nimmt man Blutkulturen ab, zudem empfiehlt sich die Gabe von 1 g Paracetamol i. v. zur Fiebersenkung und ggf. der Beginn einer kalkulierten Antibiose nach Fokusdiagnostik.


#

Blutzucker (BZ)

In der akuten Phase eines Schlaganfalls können auch bei Nicht-Diabetikern erhöhte BZ-Spiegel auftreten. Es ist ein Wert < 160 mg/dl anzustreben. Auf der Stroke Unit sollte i. d. R. eine subkutane Altinsulingabe nach einem Standardschema (z. B. 6-stündliche Messung des BZ) erfolgen und aufgrund der Gefahr von Hypoglykämien keine kontinuierliche intravenöse Insulingabe durchgeführt werden [14].


#

Neurologische Überwachung

Ergänzend zum apparativen Monitoring sind regelmäßige Vigilanzkontrollen (2-stündlich) und Erhebungen des neurologischen Status inkl. NIHSS (6-stündlich) durch ärztliches und / oder geschultes Pflegepersonal notwendig.

Steigt der NIHSS-Wert um ≥ 2 Punkte gegenüber der vorherigen Erhebung, sollte man an eine mögliche Verschlechterung des aktuellen Schlaganfalls oder einen erneuten Schlaganfall denken.


#

Wichtig: interdisziplinäre Zusammenarbeit

Verschlechtert sich der Zustand eines Patienten, ist durch geregelte Kooperation zwischen den einzelnen Kliniken die sofortige adäquate Reaktion möglich – z. B. eine erneute zerebrale Bildgebung, neuroradiologische / neurochirurgische Intervention, Verlegung auf Intensivstation etc. Diese Strukturen sind Voraussetzung für die Zertifizierung als Stroke-Unit [2].

Bei einem malignen raumfordernden Hirninfarkt, bei dem die Gefahr einer Einklemmung besteht, sollte möglichst innerhalb von 24 h in Absprache mit der Neurochirurgie eine dekompressive Hemikraniektomie in Erwägung gezogen werden.


#

Reha starten

Die Prognoseverbesserung des akuten Schlaganfall-Patienten durch die Stroke-Unit-Behandlung beruht neben den akuten Therapiemaßnahmen, der kontinuierlichen Überwachung und der frühzeitigen Initiierung einer Sekundärprophylaxe im wesentlichen auch auf einer möglichst früh einsetzenden Rehabilitationstherapie [1].

  • Daher sind entsprechende standardisierte Ernährungs-, Rehabilitations- und Mobilisationskonzepte essenziell.

  • Aktivierende Pflegemaßnahmen durch spezialisiertes Pflegepersonal sind obligat.


#

Ernährung

Eine frühe enterale Nahrungszufuhr ist der parenteralen vorzuziehen. Dies macht eine frühe logopädische Beurteilung mit einem standardisierten Dysphagie-Screening und ggf. ergänzender fiberendoskopischer Untersuchung zur Sicherstellung eines funktionierenden Schluckaktes und frühzeitigem Erkennen einer möglichen Aspirationsgefahr notwendig. Ist eine enterale Ernährung nicht möglich (z. B. bei Dysphagie, Vigilanzminderung etc.), sollte man frühzeitig an eine Magensonde denken.


#

Patienten mobilisieren

Bei sprachlichen Ausfällen ist ein frühzeitiges, tägliches logopädisches Training angezeigt. Zudem empfiehlt sich bei motorischen Ausfällen eine tägliche Physio- und Ergotherapie, und zwar vom Tag der Aufnahme an:

  • Patienten mit einer flüchtigen neurologischen Symptomatik (TIA) oder kleinerem ischämischem Schlaganfall ohne Raumforderung (minor stroke, NIHSS < 4 oder 5) sollten bereits am 1. Tag in Begleitung voll mobilisiert werden

  • Patienten mit großem ischämischem Schlaganfall mit raumfordernder Wirkung sollten am 1. Tag nur im Liegen behandelt, danach je nach Verlauf und täglicher ärztlicher Entscheidung so früh wie möglich mobilisiert werden.

  • Auch Patienten mit hämorrhagischem Schlaganfall behandelt man am 1. Tag nur im Liegen (RR dabei < 160 mmHg systolisch), danach erfolgt unter RR-Kontrolle die Mobilisation auf die Bettkante.

  • Patienten mit Z. n. Thrombolyse oder Thrombektomie sollte man erst nach bildgebender Kontrolle (CCT / cMRT) mobilisieren. Diese erfolgt nach etwa 20–30 h.

Wichtig ist, frühzeitig eine Anschluss-Reha einzuleiten bzw. den Patienten dafür anzumelden und an den sozialmedizinischen Dienst anzubinden.


#

Sekundärprophylaxe

Am besten leitet man bereits auf der Stroke-Unit eine sekundärprophylaktische Therapie ein. So kann man frühzeitig ab dem ersten Behandlungstag Thrombozytenfunktionshemmer verabreichen, bspw. ASS 100 mg/d, Clopidogrel 75 mg/d oder Dypiridamol + ASS 2 x 200+25 mg/d [Aggrenox®]). Ebenso eignet sich eine niedrig dosierte Heparin-Gabe zur Thromboseprophylaxe, z. B. Enoxaparin s. c. 0,4 ml/d oder Mono-Embolex® 3000 IE/d).

Hiervon ausgenommen sind Patienten, die eine Thrombolyse oder Thrombektomie erhalten haben. Sie sollten aufgrund des erhöhten Risikos für intrazerebrale Blutungen bis zur zerebralen Kontrollbildgebung nach 20–30 h keine gerinnungsaktiven Medikamente bekommen.


#

Blutdruck einstellen

Eine konsequente antihypertensive Therapie ist wesentliche Grundlage einer effektiven Sekundärprävention.

  • Hier sollte man langfristig Werte von < 140/90 mmHg anstreben.

Zu den bevorzugten antihypertensiven Substanzen bei der Schlaganfallbehandlung zählen Kalziumantagonisten und die Kombination aus ACE-Hemmer und Thiazid-Diuretikum.


#

Ursache des Schlaganfalls ermitteln

Neben den therapeutischen Maßnahmen sollte auf einer Stroke-Unit auch frühzeitig die Ätiologie des Schlaganfalls abgeklärt werden.

  • Zeitnah (optimal innerhalb von 24 h) sollte bei jedem Patienten mit einem ischämischen Insult eine duplexsonografische Darstellung der extra- und intrakraniellen Hirngefäße erfolgen.

  • Die ergänzende kardiologische Diagnostik (v. a. transösophageale Echokardiografie, Langzeit-EKG, Langzeit-RR) wird möglichst innerhalb von 48–72 h (bei Endokarditisverdacht unverzüglich!) durchgeführt,

  • die laborchemische Diagnostik (z. B. spezielle Gerinnungs-, Vaskulitis-, Liquordiagnostik) während des SU-Aufenthaltes.


#

Wie lange bleibt der Patient auf der SU?

Durchschnittlich dauert eine Akutbehandlung auf der Stroke-Unit 2–4 d. Stabile Patienten verlegt man danach in der Regel mit begonnener Sekundärprophylaxe auf eine Allgemeinstation zur weiteren Abklärung und Behandlung. Von dort aus können sie je nach bestehenden Defiziten eine neurologische Anschlussrehabilitation antreten oder nach Hause entlassen werden.

Für instabile Patienten oder Patienten mit schweren neurologischen Funktionsausfällen ist die hochfrequente multimodale Betreuung und Behandlung im Sinne einer Frührehabilitation (auch am Wochenende!) auf der Stroke Unit auch über einen deutlich längeren Zeitraum sinnvoll. Die Dauer muss man im jeweiligen Behandlungsfall individuell festlegen.

Fazit Beim Umgang mit akuten Schlaganfall-Patienten ist schnelles und möglichst standardisiertes Handeln in der Aufnahmesituation und auch auf der Stroke-Unit essenziell. Alle Schlaganfall-Patienten sollten eine multimodale Behandlung auf einer spezialisierten Stroke-Unit erhalten, da die Kombination aus apparativem Monitoring, multimodaler Behandlung und frührehabilitativen Maßnahmen das Outcome wesentlich verbessert.

Literatur online

Das vollständige Literaturverzeichnis zu diesem Beitrag finden Sie im Internet:

Abonnenten und Nichtabonnenten können unter „http://www.thieme-connect.de/ejournals“ die Seite der Lege artis aufrufen und beim jeweiligen Artikel auf „Zusatzmaterial“ klicken – hier ist die Literatur für alle frei zugänglich.

Abonnenten können alternativ über ihren persönlichen Zugang an das Literaturverzeichnis gelangen. Wie das funktioniert, lesen Sie unter: http://www.thieme-connect.de/ejournals/help#SoRegistrieren

Interessenkonflikt JH hat Reisekostenerstattung von Biogen Idec erhalten, RW Vortragshonorare von EV3 / Covidien und Boehringer Ingelheim sowie Reisekostenerstattung von Bayer Vital und Boehringer Ingelheim.

Kernaussagen

  • Eine genaue Anamneseerhebung (insbesondere Erfragung des Zeitfensters!) ist essenziell, v. a. um zu selektieren, welche Patienten für eine Thrombolyse oder Thrombektomie infrage kommen.

  • Die Thrombolyse sollte auf der Stroke Unit (SU) unter kontinuierlichem Monitoring erfolgen.

  • Bisher ist die Behandlung auf einer SU neben der systemischen Thrombolyse die einzige evidenzbasierte Therapie des akuten Schlaganfalls, die das funktionelle Outcome der Patienten signifikant verbessert.

  • Die Patienten auf einer SU profitieren vom apparativen Monitoring in der Akutphase und von frühzeitigen Reha-Maßnahmen (Ergo- und Physiotherapie, Logopädie, rasche Einleitung einer neurologischen Anschlussrehabilitation).

  • Bereits auf der SU sollte eine ätiologische Abklärung sowie frühzeitige sekundärprophylaktische Therapie erfolgen.

Beitrag online zu finden unter http://www.dx.doi.org/10.1055/s-0033-1360836


#
#
#

Ergänzendes Material

  • Literatur

  • 1 Faiss JH, Busse O, Ringelstein EB. [New developments in German stroke units]. Nervenarzt 2008; 79: 480-482
  • 2 Nabavi DG, Ringelstein EB, Faiss J et al. [Regional and national stroke units in Germany: amended certification criteria]. Nervenarzt 2012; 83: 1039-1052
  • 3 Berlit P. Klinische Neurologie. Aufl. Heidelberg: Springer; 2012. 3.
  • 4 Thomalla G, Cheng B, Ebinger M et al. DWI-FLAIR mismatch for the identification of patients with acute ischaemic stroke within 4.5 h of symptom onset (PRE-FLAIR): a multicentre observational study. Lancet neurology 2011; 10: 978-986
  • 5 Smith EE, Fonarow GC, Reeves MJ et al. Outcomes in mild or rapidly improving stroke not treated with intravenous recombinant tissue-type plasminogen activator: findings from Get With The Guidelines-Stroke. Stroke 2011; 42: 3110-3115
  • 6 Rizos T, Herweh C, Jenetzky E et al. Point-of-care international normalized ratio testing accelerates thrombolysis in patients with acute ischemic stroke using oral anticoagulants. Stroke 2009; 40: 3547-3551
  • 7 National Institutes of Health. NIH Stroke Scale. 2003. Im Internet: http://www.ninds.nih.gov/doctors/NIH_Stroke_Scale.pdf dt. Version: http://www.neurologie-wittlich.de/seiten/doku/NIHSS.pdf
  • 8 Wardlaw JM, Murray V, Berge E et al. Recombinant tissue plasminogen activator for acute ischaemic stroke: an updated systematic review and meta-analysis. Lancet 2012; 379: 2364-2372
  • 9 Saver JL, Jahan R, Levy EI et al. Solitaire flow restoration device versus the Merci Retriever in patients with acute ischaemic stroke (SWIFT): a randomised, parallel-group, non-inferiority trial. Lancet 2012; 380: 1241-1249
  • 10 Nogueira RG, Lutsep HL, Gupta R et al. Trevo versus Merci retrievers for thrombectomyrevascularisation of large vessel occlusions in acute ischaemic stroke (TREVO 2): a randomised trial. Lancet 2012; 380: 1231-1240
  • 11 Langhorne P. Organised inpatient (stroke unit) care for stroke. The Cochrane database of systematic reviews CD 000197 2007; 4
  • 12 Luengo-Fernandez R, Gray AM, Rothwell PM. Effect of urgent treatment for transient ischaemic attack and minor stroke on disability and hospital costs (EXPRESS study): a prospective population-based sequential comparison. Lancet neurology 2009; 8: 235-243
  • 13 Lavallée PC, Meseguer E, Abboud H et al. A transient ischaemic attack clinic with round-the-clock access (SOS-TIA): feasibility and effects. Lancet neurology 2007; 6: 953-960
  • 14 Rosso C, Corvol J-C, Pires C et al. Intensive versus subcutaneous insulin in patients with hyperacute stroke: results from the randomized INSULINFARCT trial. Stroke 2012; 43: 2343-2349

Korrespondenz

Jeffrie Hadisurya
PD Dr. med. Ralph Weber

  • Literatur

  • 1 Faiss JH, Busse O, Ringelstein EB. [New developments in German stroke units]. Nervenarzt 2008; 79: 480-482
  • 2 Nabavi DG, Ringelstein EB, Faiss J et al. [Regional and national stroke units in Germany: amended certification criteria]. Nervenarzt 2012; 83: 1039-1052
  • 3 Berlit P. Klinische Neurologie. Aufl. Heidelberg: Springer; 2012. 3.
  • 4 Thomalla G, Cheng B, Ebinger M et al. DWI-FLAIR mismatch for the identification of patients with acute ischaemic stroke within 4.5 h of symptom onset (PRE-FLAIR): a multicentre observational study. Lancet neurology 2011; 10: 978-986
  • 5 Smith EE, Fonarow GC, Reeves MJ et al. Outcomes in mild or rapidly improving stroke not treated with intravenous recombinant tissue-type plasminogen activator: findings from Get With The Guidelines-Stroke. Stroke 2011; 42: 3110-3115
  • 6 Rizos T, Herweh C, Jenetzky E et al. Point-of-care international normalized ratio testing accelerates thrombolysis in patients with acute ischemic stroke using oral anticoagulants. Stroke 2009; 40: 3547-3551
  • 7 National Institutes of Health. NIH Stroke Scale. 2003. Im Internet: http://www.ninds.nih.gov/doctors/NIH_Stroke_Scale.pdf dt. Version: http://www.neurologie-wittlich.de/seiten/doku/NIHSS.pdf
  • 8 Wardlaw JM, Murray V, Berge E et al. Recombinant tissue plasminogen activator for acute ischaemic stroke: an updated systematic review and meta-analysis. Lancet 2012; 379: 2364-2372
  • 9 Saver JL, Jahan R, Levy EI et al. Solitaire flow restoration device versus the Merci Retriever in patients with acute ischaemic stroke (SWIFT): a randomised, parallel-group, non-inferiority trial. Lancet 2012; 380: 1241-1249
  • 10 Nogueira RG, Lutsep HL, Gupta R et al. Trevo versus Merci retrievers for thrombectomyrevascularisation of large vessel occlusions in acute ischaemic stroke (TREVO 2): a randomised trial. Lancet 2012; 380: 1231-1240
  • 11 Langhorne P. Organised inpatient (stroke unit) care for stroke. The Cochrane database of systematic reviews CD 000197 2007; 4
  • 12 Luengo-Fernandez R, Gray AM, Rothwell PM. Effect of urgent treatment for transient ischaemic attack and minor stroke on disability and hospital costs (EXPRESS study): a prospective population-based sequential comparison. Lancet neurology 2009; 8: 235-243
  • 13 Lavallée PC, Meseguer E, Abboud H et al. A transient ischaemic attack clinic with round-the-clock access (SOS-TIA): feasibility and effects. Lancet neurology 2007; 6: 953-960
  • 14 Rosso C, Corvol J-C, Pires C et al. Intensive versus subcutaneous insulin in patients with hyperacute stroke: results from the randomized INSULINFARCT trial. Stroke 2012; 43: 2343-2349

Zoom Image
Zoom Image
Zoom Image
Tab. 1 Umstände, die für oder gegen eine systemische Thrombolyse sprechen (nach [3] [4] [5]).
Zoom Image
Tab. 2 Die National Institutes of Health Stroke Scale (NIHSS, nach [7]). Mithilfe der darin aufgelisteten Prüfungen lässt sich die Schwere eines Schlaganfalls ermitteln. Wichtig für die Punktevergabe: Es gilt jeweils der 1. Versuch des Patienten, die Aufgabe zu bewältigen (Ausnahme bei Parameter 9) bzw. die erste Beobachtung am Patienten. Der Arzt darf keine Hilfestellung geben. Die Punkte aller 11 Items werden addiert, und die Summe kann wie folgt interpretiert werden:
Zoom Image
Tab. 2 (Fortsetzung)0 Punkte: keine Schlaganfall-Symptome1–4 Punkte: schwacher Schlaganfall5–15 Punkte: moderater Schlaganfall16–20 Punkte: moderater bis schwerer Schlaganfall21–42 Punkte: