Aktuelle Urol 2013; 44(06): 428-429
DOI: 10.1055/s-0033-1363049
Referiert und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Perkutane Nephrolithotomie – Tranexamsäure vermindert Blutverlust

Contributor(s):
Elke Ruchalla

J Urol 2013;
189: 1757-1761
Further Information

Publication History

Publication Date:
26 November 2013 (online)

 
 

Die perkutane Nephrolithotomie (PCNL) kann zur Behandlung von großen Steinen im oberen Harntrakt eingesetzt werden. Im Vergleich zu anderen Verfahren, z. B. der extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie, kann mit der PCNL eine bessere Stein- Clearance erreicht werden, darüber hinaus kann sie deutlich kosteneffizienter sein. Demgegenüber steht eine höhere periprozedurale Komplikationsrate wie Fieber, Harnwegsinfektionen und teilweise starken Blutungen. Inwieweit Letztere sich vermeiden lassen, hat nun eine indische Gruppe in einer prospektiven Studie untersucht.
J Urol 2013; 189: 1757–1761

mit Kommentar

Bei der PCNL kann die Gabe von Tranexamsäure das Blutungsrisiko deutlich senken. Zu diesem Ergebnis kommen Santosh Kumar und Kollegen, die insgesamt 200 Patienten, bei denen eine PCNL anstand, in ihre prospektive, randomisierte Studie aufgenommen hatten. 100 Teilnehmer erhielten mit Beginn des Eingriffs 1 g Tranexamsäure und anschließend 3-mal 500 mg in Abständen von jeweils 8 Stunden. Die 100 Patienten der Kontrollgruppe wurden ohne die Gabe von Tanexamäure operiert. Beurteilt wurden der Abfall der Hämoglobinkonzentration (primärer Endpunkt) sowie der Einfluss von Tranexamsäure auf weitere Komplikation und die Sicherheit des Medikaments (sekundäre Endpunkte).

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Durch die Gabe von Tranexamsäure wird der Blutverlust bei einer PCNL vermindert. (© M. Walensi / Thieme Verlagsgruppe)

Abnahme der Hämoglobinkonzentration geringer

Demografische und klinische Parameter waren zwischen den beiden Gruppen ähnlich verteilt. Die mittlere Abnahme der Hämoglobinkonzentration lag in der Gruppe mit Tranexamsäure-Gabe mit 1,39 g / dl deutlich niedriger als in der Vergleichsgruppe mit 2,31 g / dl (p < 0,0001). Dementsprechend war bei diesen Patienten seltener eine Bluttransfusion notwendig (2 vs. 11 %; p = 0,018). Auch die generelle Komplikationsrate war nach der Gabe von Tranexamsäure geringer (33 vs. 59 %). Allerdings kam es bei 2 Patienten der Studiengruppe mit einer funktionellen Einzelniere zu einer Anurie aufgrund einer Blockade des Ureters durch Blutkoagel, was die Einlage eines Double-JStents erforderlich machte. Weitere Komplikationen durch Tranexamsäure wurden über eine Nachbeobachtungszeit von mindestens einem Monat nicht beobachtet. Die mittlere Zeitdauer des Eingriffs betrug 48,3 min in der Interventionsgruppe und 70,8 min in der Kontrollgruppe (p < 0,0001), der Behandlungserfolg (Steinfreiheit) war in den beiden Gruppen vergleichbar (91 vs. 82 % der Patienten).

Fazit

Die Autoren schlussfolgern, dass die Gabe des Antifibrinolytikums Tranexamsäure den Blutverlust bei einer PCNL vermindern kann, sodass Bluttransfusionen seltener erforderlich werden. Ebenso ließ sich die Eingriffsdauer verkürzen, möglicherweise aufgrund der besseren Übersicht im OP-Gebiet aufgrund der geringeren Blutung. Die Befürchtung, dass Tranexamsäure aufgrund ihres Wirkmechanismus zu einer erhöhten Rate von tiefen Beinvenenthrombosen und Lungenembolien führen könnte, hat sich in dieser Patientengruppe nicht bestätigt.


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Kommentar

Medikamente statt besserer Technik?

In der Literatur sind Blutungskomplikationen bei der perkutanen Steinbehandlung weiterhin ein relevantes Problem und es gibt publizierte Serien mit einer Transfusionsrate von bis zu 18 % [ 1 ]. Aufgrund dieser Tatsache ist die Weiterentwicklung der perkutanen Steintherapie zur Steigerung der Sicherheit für die Patienten und der Effizienz des Verfahrens von größter Bedeutung

Das prospektive Studiendesign und die Randomisierung der Patienten in Verbindung mit der Verblindung der Randomisierung gegenüber dem Operateur stellt den höchsten Qualitätsstandard in der Durchführung klinischer Studien zur Untersuchung operativer Verfahren dar. Als wesentliche Schwäche der Arbeit ist zu sehen, dass die Indikationsstellung zur Bluttransfusion nicht definiert ist. Dadurch kann die klinische Relevanz des statistisch signifikanten Unterschieds beim gemessenen Hb-Abfall nicht bewertet werden. Des Weiteren wurde keine Subgruppenanalyse durchgeführt, um zu untersuchen, ob bereits bekannte Risikofaktoren, wie z. B. die Anlage mehrerer Arbeitskanäle, Einfluss auf das Studienergebnis hatten.

Hohe Transfusionsrate

Die Autoren konnten in ihrer Arbeit eine signifikante Reduktion des Blutverlusts bei der perkutanen Steinbehandlung nachweisen. Es fällt auf, dass im Vergleich zu anderen großen Serien die Rate an signifikanten Blutungen wesentlich größer zu sein scheint, da sie in einer Transfusionsrate von immerhin 11 % mündet [ 2 ]–[ 4 ]. Zum einen ist die Beurteilung der signifikanten Blutungen nicht möglich, da von den Autoren kein Grenzwert beim Hb-Abfall definiert wurde. Zum anderen beschrieben die Autoren ihre Punktionstechnik bei der Durchführung der PCNL lediglich als "durchleuchtungsgesteuert", ohne genauer darauf einzugehen. Es ist bekannt, dass die Etablierung eines exakten perkutanen Zugangs den wesentlichen Faktor zur Reduktion von Blutungskomplikationen darstellt, wobei nur unter Durchleuchtung durchgeführte Punktionen ohne die Unterstützung durch andere Techniken (Ultraschall, präoperative 3DPlanung, CT-gesteuerte Punktionen) unterlegen sind [ 5 ].

Korrekte Punktionstechnik besonders wichtig

Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass insbesondere auf die Punktionstechnik bei der Durchführung des Eingriffs größter Wert gelegt werden sollte. Für Kollegen, denen entweder nicht die technische Ausstattung mit Ultraschallgeräten im Eingriffsraum zur Verfügung steht oder die nicht über die entsprechende Ausbildung verfügen, kann durch die Gabe von Tranexamsäure das Risiko perioperativer Blutungen möglicherweise reduziert werden. Der Fokus sollte jedoch eher auf der Beseitigung der beiden o. g. Missstände liegen, als auf einer erweiterten medikamentösen Therapie mit dem hohen Risiko zumindest an gastrointestinalen Nebenwirkungen. Zusätzlich ist die Gabe von Tranexamsäure bei relevanten Blutungen im Harntrakt bislang kontraindiziert, da es durch Blutkoagel im Harnleiter zu Koliken und relevantem Harnstau kommen kann, was im Rahmen der Studie zumindest 2-mal auftrat. Ein interessanter Ansatz für weiterführende Studien zu diesem Thema wäre die Untersuchung, ob sich die postoperative Transfusionsrate durch die gezielte intra- oder postoperative Gabe von Tranexamsäure bei relevanten Blutungen mit einem fest definierten Hb-Abfall ebenfalls positiv beeinflussen lässt, da eine Prämedikation aller Patienten vor perkutaner Steintherapie mit Tranexamsäure durch die bestehenden Daten sicher nicht gerechtfertigt ist.

PD Dr. Manuel Ritter und Prof. Maurice Stephan Michel, Mannheim


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PD Dr. Manuel Ritter


ist Oberarzt an der Urologischen Klinik der Universitätsmedizin Mannheim

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Prof. Maurice Stephan Michel


ist Direktor der Urologischen Klinik der Universitätsmedizin Mannheim

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Durch die Gabe von Tranexamsäure wird der Blutverlust bei einer PCNL vermindert. (© M. Walensi / Thieme Verlagsgruppe)