Insulin degludec ist ein neues Basalinsulin mit einem stabilen Zeit-Wirkungsprofil,
einer niedrigen intraindividuellen Variabilität und einem langen blutzuckersenkenden
Effekt, der über 42 Stunden anhält [
1
]-[
3
]. In klinischen Studien zeigte Insulin degludec (Tresiba®) im Vergleich zu Insulin glargin ein geringeres Hypoglykämierisiko bei effektiver
glykämischer Kontrolle [
4
].
Leichte Hypoglykämien bei Menschen mit Typ-2-Diabetes sind häufig: Insgesamt etwa
80 % der Patienten haben diese Situation bereits erlebt – so die Ergebnisse von GAPP2™,
einer großen Online-Erhebung, die Menschen mit Typ-2-Diabetes, die ein modernes Basalinsulin
verwenden, befragte [
5
]. GAPP2™ zeigt darüber hinaus, dass auch leichte Hypoglykämien das Leben beeinträchtigen.
Am häufigsten nannten die Patienten folgende Aktivitäten, die durch die Unterzuckerung
beeinträchtigt werden: Konzentrationsfähigkeit, Teilnahme an Sport und Bewegung, Leistungsfähigkeit
bei der Arbeit und Spontaneität [
6
]. Besondere Vorteile könnte daher ein neues modernes Basalinsulin wie Insulin degludec
haben, mit dem es wahrscheinlicher ist, eine gute glykämische Kontrolle ohne erhöhtes
Hypoglykämierisiko zu erreichen [
4
].
Metaanalyse: Niedrigeres Hypoglykämierisiko unter Insulin degludec
Das vergleichsweise niedrigere Hypoglykämierisiko unter Insulin degludec wird durch
eine Reihe klinischer Studien gezeigt. So verglich eine Metaanalyse die Anzahl an
Hypoglykämien unter Insulin degludec und Insulin glargin bei Patienten mit Typ-2-Diabetes
und einer mittelmäßigen Ausgangs-Blutzuckereinstellung (HbA1c 7,5–8,5 %). In die Analyse wurden 5 offene, randomisierte Studien mit einer Dauer
von 26 bzw. 52 Wochen eingeschlossen. Ergebnis: Unter Insulin degludec (n = 930) traten
insgesamt 20 % weniger Hypoglykämien auf als unter Insulin glargin (n = 466; p = 0,02),
die nächtlichen Unterzuckerungen waren im Vergleich zu Insulin glargin um 31 % reduziert
(p = 0,01). Die Reduktion des HbA1c-Wertes war in beiden Gruppen vergleichbar gut, der Nüchternblutzucker (NBZ) konnte
unter Insulin degludec signifikant stärker gesenkt werden als unter Insulin glargin
(p < 0,01) [
7
].
Weniger nächtliche Unterzuckerungen unter Insulin degludec bei Älteren
Das günstige Hypoglykämie-Profil von Insulin degludec konnte auch für die besonders
vulnerable Gruppe geriatrischer Patienten bestätigt werden: Diese ebenfalls zuvor
geplante Metaanalyse schloss 2 Studien zu Typ-1-Diabetes und 5 Studien zu Typ-2-Diabetes
mit 910 Patienten im Alter von ≥ 65 Jahren ein. Es zeigte sich, dass die Gesamtrate
bestätigter Hypoglykämien in diesem Patientenkollektiv unter Insulin degludec numerisch
geringer war als unter Insulin glargin (Risikoverhältnis (RR) 0,82 %, 95 %-Konfidenzintervall
0,66–1,00). Die Raten nächtlicher Hypoglykämien lagen unter Insulin degludec sogar
signifikant niedriger (–35 %) als unter Insulin glargin (RR 0,65 %, 95 %-KI: 0,46–0,93)
[
8
].
Sicherheit und Verträglichkeit von Insulin degludec
Nierenfunktion: Eine offene Parallelgruppenstudie (n = 30) zeigt, dass unterschiedlich starke Nierenfunktionsstörungen
die pharmakokinetischen Eigenschaften von Insulin degludec nicht signifikant verändern.
Auch eine Hämodialyse hatte keinen Einfluss auf die pharmakokinetischen Profile von
Insulin degludec [
12
].
Leberfunktion: Eine weitere offene Parallelgruppenstudie (n = 24) macht deutlich, dass es auch keine
Unterschiede in den pharmakokinetischen Eigenschaften von Insulin degludec zwischen
Patienten mit Leberfunktionsstörung verschiedenen Ausmaßes bzw. ohne diese Einschränkung
gibt [
13
].
Lokale Verträglichkeit: Eine Metaanalyse von 6 randomisierten, offenen, kontrollierten Phase-3a-Studien,
unterstreicht, dass lokale Reaktionen an der Injektionsstelle unter Insulin degludec
nicht häufiger als unter Insulin glargin auftreten (3,6 % bzw. 3,5 %) [
14
].
Insulin degludec vs. Insulin glargin: Kombinierter Endpunkt häufiger erreicht
Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit Daten, die beim Europäischen Diabeteskongress
(EASD) 2013 vorgestellt wurden: In einer gepoolten, retrospektiven Analyse aus 4 randomisierten,
offenen, klinischen Treat-to-Target-Studien über 26 und 52 Wochen bei Patienten mit
Typ-2-Diabetes konnten Zinman et al. zeigen, dass es unter einer BOT mit Insulin degludec
um 82 % wahrscheinlicher ist, einen NBZ < 90 mg/dl (5 mmol/l) ohne bestätigte nächtliche
Hypoglykämien zu erreichen als mit Insulin glargin (OR = 1,82; 95 %-KI: 1,49–2,22;
p < 0,05; Abb. [
1
]) [
9
].
Abb. 1 Signifikant mehr Patienten unter Insulin degludec als unter Insulin glargin erreichten
den NBZ-Zielwert ohne nächtliche Hypoglykämien – so das Ergebnis einer gepoolten Analyse
von 4 Treat-to-Target-Studien [mod. nach [
9
]].
Eine große Metaanalyse aus 7 klinischen Studien mit Insulin degludec und Insulin glargin
behandelten Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes zeigte außerdem, dass bei Insulin
degludec und Insulin glargin eine größere intraindividuelle und Von-Tag-zu-Tag-Variabilität
des NBZ mit einer höheren Rate an bestätigten Hypoglykämien bei BOT-Patienten assoziiert
ist. Eine Reduktion dieser Variabilität könnte die Hypoglykämierate der Patienten
senken, so die Autoren der Studie [
10
].
Hypoglykämien bei Typ-2-Diabetes massiv unterschätzt
Dr. Marcel Kaiser
Unterzuckerungen belasten Menschen mit Diabetes. Dr. Marcel Kaiser, niedergelassener
Diabetologe in Frankfurt, warnt deshalb davor, die Konsequenzen von Hypoglykämien
zu unterschätzen und empfiehlt bei der Auswahl einer bestimmten Therapieoption das
Hypoglykämierisiko zu berücksichtigen.
? Welche Relevanz haben Hypoglykämien in der Diabetes-Therapie?
Kaiser: Hypoglykämien sind klinisch höchst relevant. In den letzten Jahren haben wir gelernt,
dass Hypoglykämien die Patienten nicht nur akut gefährden können, sondern langfristig
eine Menge unerwünschter Begleiterscheinungen haben können – beispielsweise erhöhtes
kardiovaskuläres Risiko, EKG-Veränderungen oder Assoziationen mit Demenzen.
? Welche Bedeutung haben Hypoglykämien bei Menschen mit Typ-2-Diabetes?
Kaiser: Diese werden massiv unterschätzt unter anderem deshalb, weil viele der Patienten
ihren BZ nicht so regelmäßig messen wie Menschen mit Typ-1-Diabetes und weil sie Hypoglykämien,
die nachts auftreten, häufig nicht wahrnehmen. Viele Patienten erhöhen jedoch vorab
die Nahrungsmenge um kritische Zeiten abzupuffern, ohne sich bewusst zu machen, dass
sie dies wegen des Hypoglykämierisikos tun.
? Welche Konsequenzen hat dies für die Therapie?
Kaiser: Grundsätzlich sollten in der Diabetestherapie Hypoglykämien soweit wie möglich
vermieden und Behandlungsoptionen mit geringem Hypoglykämierisiko bevorzugt werden.
Substanzen mit einem per se hohen Hypoglykämierisiko wie z. B. Sulfonylharnstoffe
sind für eine zeitgemäße Diabetestherapie im Sinne der Hypoglykämievermeidung nicht
geeignet.
? Gibt es auch bei modernen Basalinsulinen Potenzial für Verbesserungen?
Kaiser: Moderne Basalinsuline haben ein deutlich niedrigeres Risiko für nächtliche Hypoglykämien
als NPH-Insulin. Ich halte NPH-Insulin deshalb bei einer basal geführten Insulintherapie
bei Typ-2-Diabetes heute nicht mehr für zeitgemäß, da moderne Insuline mit dem flacheren
Wirkverlauf in Bezug auf nächtliche Hypoglykämien viel vorteilhafter sind. Wünschenswert
wäre jedoch die Verfügbarkeit moderner Basalinsuline mit einem noch niedrigeren Unterzuckerungspotenzial.
! Vielen Dank für das Gespräch!
Verbesserter körperlicher Gesundheitszustand
Dass Menschen mit Diabetes von Insulin degludec auch mit einem verbesserten körperlichen
Zustand profitieren können, zeigen Daten von Rodbard et al.: In die randomisierte,
offene Treat-to-Target-Studie wurden insulinnaive Patienten mit Typ-2-Diabetes mit
Insulin degludec oder Insulin glargin in Kombination mit oralen Antidiabetika behandelt.
Nach 2 Jahren lagen bei vergleichbarem HbA1c-Wert die klinischen Hauptunterschiede zwischen beiden Basalinsulinen in der signifikant
effektiveren Reduktion des NBZ und der geringeren Anzahl bestätigter nächtlicher Hypoglykämien
(p = 0,02 bzw. p < 0,01) unter Insulin degludec. Darüber hinaus verbesserten sich
unter Insulin degludec im Vergleich zu Insulin glargin sowohl der Gesamtscore für
körperlichen Gesundheitsstatus als auch die Scores für physische Funktion und Körperschmerz
signifikant. Die Autoren weisen auf die Möglichkeit hin, dass die Verringerung bestätigter
nächtlicher Hypoglykämien zu den beobachteten Unterschieden des körperlichen Gesundheitszustands
beigetragen haben könnte [
11
].
Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung durch Novo Nordisk Pharma GmbH,
Mainz