1 Einführung
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (chronic obstructive pulmonary disease,
abgekürzt: COPD) ist eine der weltweit führenden Todesursachen [1 ]. Das Rauchen ist die mit Abstand häufigste Ursache der COPD. Der Verzicht auf Tabakrauchen
ist deswegen die effektivste Einzelmaßnahme und zentraler Aspekt der Prävention der
COPD. Zum Thema COPD sind mehrere Leitlinien publiziert [1 ]
[2 ]
[3 ], die bereits zu Prävention, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation Stellung nehmen.
Um eine Standardisierung und Etablierung der Tabakentwöhnung flächendeckend in Deutschland
zu gewährleisten, wurde im Jahr 2008 aufgrund der Komplexität des Themas eine eigene
Leitlinie zur Tabakentwöhnung bei COPD entwickelt. Die vorliegende Fassung ist ein
Update dieser Leitlinie Tabakentwöhnung bei COPD unter Berücksichtigung aktueller
Erkenntnisse und Forschungsergebnisse. Aufgabe der Leitlinie ist es, die Tabakentwöhnung
bei Patienten mit COPD als zentralen Aspekt der Therapie ausführlich abzubilden.
Die Leitlinie Tabakentwöhnung bei COPD wendet sich an alle Ärzte und Psychologen und
andere Berufsgruppen, die rauchende Patienten behandeln, an betroffene Patienten und
ihr persönliches Umfeld (z. B. Eltern, Partner), an die Kooperationspartner der Ärzteschaft
(z. B. Apotheker, Fachberufe im Gesundheitswesen, Kostenträger), an die Herausgeber
von Strukturierten Behandlungsprogrammen sowie an die Öffentlichkeit und die Entscheidungsträger
im öffentlichen Gesundheitswesen.
2 Hintergrund und Methoden
2 Hintergrund und Methoden
2.1 Präambel und Ziele der Leitlinie
Ziel dieser Leitlinie ist es, nationale Standards zur Diagnostik und Therapie des
Tabakrauchens bei Patienten mit COPD zu etablieren und somit die flächendeckende Implementierung
der erfolgreichen Tabakentwöhnung bei COPD zu unterstützen.
2.2 Struktur des Leitlinienprozesses
Die Aktualisierung dieser Leitlinie, die 2008 erstmalig publiziert wurde, erfolgte
nach den Kriterien der AWMF, um evidenzbasierte Empfehlungen für den Nutzer zur Verfügung
zu stellen. Zuerst wurde eine Literaturrecherche in PubMed mithilfe des vom Institut
für Lungenforschung GmbH zur Verfügung gestellten Scientific Guideline Managers durchgeführt
und auf deutsch- und englischsprachige Originalartikel für den Zeitraum vom 01.01.2007
bis zum 30.06.2011 begrenzt. Zusätzlich wurden die Literaturverzeichnisse von systematischen
Reviews, Metaanalysen und Originalarbeiten durchsucht. Insgesamt wurden 1312 Einträge
gefunden, die zuerst in der Vorselektion nach den Abstracts gesichtet wurden. Letztlich
wurden 168 potenziell relevante Arbeiten identifiziert und analysiert.
Danach wurden die einzelnen Kapitel einschließlich der dazugehörigen Statements (S)
oder Empfehlungen (E) durch die Arbeitsgruppen bearbeitet und die Literaturstellen
im Text sowie die Evidenzdarlegung für die Empfehlungen aktualisiert. Für die Statements
oder Empfehlungen, bei denen in den letzten drei Jahren neue Erkenntnisse aufgetreten
sind, wurden Evidenztabellen erstellt. Das aus diesem Prozess entstandene Manuskript
und die Evidenztabellen wurden mit Zugang zu der zitierten Literatur an alle Autoren
versandt. Auf der Konsensuskonferenz unter Leitung eines unabhängigen Moderators wurden
die Empfehlungen und Statements sowie das Manuskript ausführlich unter Einbeziehung
von Sachverständigen aus weiteren Fachgesellschaften und Organisationen mit Expertise
auf dem Gebiet der Tabakentwöhnung diskutiert und überarbeitet. Die Änderungen und
Ergänzungen wurden danach mit allen beteiligten Autoren überarbeitet und anschließend
im Delphi-Verfahren angenommen.
Die Evidenzbewertung orientierte sich an den Vorgaben des Oxford Centre for Evidence-based
Medicine [4 ]. Die Empfehlungsgradierung orientierte sich an der Nationalen Versorgungs-Leitlinien(NVL)-Methodik.
Empfehlungen wurden mit Pfeilen (↑↑ starke Empfehlung; ↑ schwache Empfehlung; ↔ keine
Empfehlung) graduiert [3 ]. Neben dem Evidenzgrad orientiert sich der Empfehlungsgrad an weiteren Kriterien,
die in das formale Konsensverfahren einfließen. Dabei werden z. B. die ethischen Verpflichtungen,
die klinische Relevanz, die pathophysiologischen und klinischen Plausibilitäten sowie
die Umsetzbarkeit im ärztlichen Alltag berücksichtigt. Zu weiteren Informationen siehe
den Leitlinienreport dieser Leitlinie (www.awmf-leitlinien.de ).
Tab. 1
Datenbewertungsgrundlage in Anlehnung an das Oxford Centre for Evidence-based Medicine
[4 ].
Evidenzgrad
Therapeutische Studien
Epidemiologische Studien
1
Systematische Übersicht randomisierter Studien oder randomisierte Studie
Systematische Übersicht von prospektiven Kohortenstudien oder prospektive Kohortenstudie
2
Systematische Übersicht von Kohortenstudien oder Kohortenstudie
Systematische Übersicht retrospektiver Kohortenstudien bzw. eine retrospektive Studie
mit schlechtem Follow-up
3
Systematische Übersicht von Fall-Kontrollstudien oder Fall-Kontrollstudie
Querschnittsstudien
4
Fallserien
Fallserien
3 Epidemiologie des Zigarettenrauchens
3 Epidemiologie des Zigarettenrauchens
Tabakrauch-assoziierte Erkrankungen und Todesursachen gehören zu den häufigsten und
vermeidbaren Gesundheitsproblemen in den Industrieländern. Nach den in Deutschland
durchgeführten Mikrozensus-Umfragen raucht noch fast 1/3 der Bevölkerung, wobei 24 %
im Jahr 2009 angaben, mehr als 20 Zigaretten täglich zu rauchen ([Abb. 1 ]). Der Anteil dieser starken Raucher ( > 20 Zigaretten/Tag) ist bei den Männern höher
als bei den Frauen [5 ].
Abb. 1 Entwicklung des Anteils der Raucher und Raucherinnen (Selbstangabe) an der 25- bis
69-jährigen Bevölkerung Deutschlands 1990 – 2009 [6 ].
Einer Untersuchung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zufolge
rauchten im Jahr 2011 14 % aller männlichen und 12 % aller weiblichen Jugendlichen
(Alter: 12 – 17 Jahre). Das Durchschnittsalter, in dem zum ersten Mal regelmäßig geraucht
wurde, wird zwischen dem 13. und 14. Lebensjahr angegeben. In der Europäischen Union
ist Deutschland unter den Ländern mit dem höchsten Tabakkonsum [7 ]. Bei Tabakkontrollmaßnahmen ist Deutschland in Europa unter den Schlusslichtern
[8 ].
4 Tabakkonsum und Tabakabhängigkeit
4 Tabakkonsum und Tabakabhängigkeit
Der Beginn des Tabakkonsums liegt in den meisten Fällen im Jugendalter. Neugier, soziale
Verstärker (Integration in die Peer-group), Attribute des Rauchens (Ausdruck für Wertschätzung,
Opposition gegen Normen), Verfügbarkeit und Kosten sind Einflussfaktoren für einen
Probierkonsum. Die Ausprägung des gewohnheitsmäßigen Konsums wird durch soziale Faktoren,
insbesondere aber auch durch psychische bzw. neurobiologische Wirkungen begünstigt
[9 ]. Bei vielen Rauchern tritt ein Konsummuster auf, das mit einer Einschränkung der
freien Willensbildung bezüglich Zeitpunkt und Umfang des Konsums verbunden ist. Weitere
Merkmale der Abhängigkeit des Rauchers sind die Unfähigkeit zur anhaltenden Abstinenz,
die Entstehung von Entzugssymptomen, Craving und fortgesetzter Konsum trotz gesundheitlicher
Schäden.
Die klassischen Symptome einer Abhängigkeitserkrankung sind mit diesen Kriterien erfüllt.
Da die Beschränkung auf einen einzelnen Inhaltsstoff dem komplexen Zusammenspiel biologischer
und psychologischer Faktoren beim abhängigen Rauchen nicht gerecht wird, wird im ICD-10
der Begriff „Tabakabhängigkeit“ statt „Nikotinabhängigkeit“ verwendet.
4.1 Grundlagen der Abhängigkeitsentwicklung
Lernprozesse durch automatisierte Reiz-Reaktionskoppelung (klassische Konditionierung)
sowie durch Verstärkung und Belohnung (operante Konditionierung) sind entscheidend
für Entstehung und Aufrechterhaltung abhängigen Verhaltens. Nikotin besitzt zudem
die pharmakologischen Eigenschaften einer psychotropen Substanz und beeinflusst u. a.
serotonerge, noradrenerge, cholinerge und dopaminerge Transmittersysteme. Belege für
das Abhängigkeitspotential von Nikotin bzw. Tabak ergeben sich aus der experimentellen
Forschung zur neurobiologischen Wirkung von Nikotin [10 ]. Der entscheidende Wirkort für die Verstärkerfunktion des Nikotins ist das mesolimbische
dopaminerge „Belohnungszentrum“ des Gehirns, insbesondere der Nucleus accumbens (NAc).
Nikotin führt hier (wie z. B. Amphetamin, Kokain, Opioide und Alkohol) zu einer erhöhten
synaptischen Konzentration von Dopamin [10 ]
[11 ]
[12 ]. Neuronale Adaptionsprozesse führen bei wiederholter Zuführung von Nikotin-Boli
außerdem zu einer Vermehrung der zerebralen nikotinergen Bindungskapazitäten (alpha4beta2-Acetylcholinrezeptoren)
[13 ].
Nach längerer Zeit der regelmäßigen Nikotinaufnahme führt ein Verzicht auf Nikotin
zu Entzugssymptomen wie z. B. Dysphorie, Schlafstörungen, psychischer und motorischer
Unruhe, Angstzuständen, Appetitsteigerung oder Konzentrationsstörungen [14 ]
[15 ]. Bei einigen Rauchern kann die Beendigung des Rauchens zu schweren depressiven Syndromen
führen, das Risiko für eine suizidale Gefährdung wird allerdings als eher gering eingestuft
[16 ]. Pathophysiologisch sind Nikotinentzugssymptome assoziiert mit Veränderungen im
EEG, den Schlafstadien sowie der Katecholamin- und Kortisolausschüttung. Ursächlich
wird diese Symptomatik auf eine veränderte Neurotransmission und die vorangegangene
Erhöhung der Nikotinrezeptordichte zurückgeführt [9 ]
[10 ]
[17 ]
[18 ]
[19 ].
Untersuchungen zur Relevanz und Permanenz der biologischen Alterationen des zentralen
Belohnungssystems zeigen, dass bereits das Rauchen einer einzigen Zigarette im Alter
von 11 Jahren auch noch nach drei Jahren mit einer Verdopplung des adjustierten relativen
Risikos, einen regelmäßigen Tabakkonsum zu beginnen, assoziiert ist [20 ].
Über Tabakrauch aufgenommenes Nikotin besitzt die Eigenschaften einer psychotropen
Substanz mit hohem Abhängigkeitspotenzial [14 ]
[21 ]
[22 ]. Evidenzgrad 1
4.2 Aufhörmotivation
Die überwältigende Mehrheit der Raucher (über 70 %) will prinzipiell mit dem Rauchen
aufhören [23 ]
[24 ]. Demgegenüber unternehmen lediglich etwa 30 % innerhalb eines 12-Monats-Zeitraumes
mindestens einen ernsthaften Rauchstoppversuch. Die Aufhörmotivation wird durch die
zunehmende kognitive Dissonanz (Stadienmodell nach Prochaska und DiClemente [25 ]), aber auch durch spontane Entschlussbildungen („Catastrophic pathways“, [26 ]) geprägt.
5 Tabakrauchen verursacht eine Vielzahl von Lungenerkrankungen
5 Tabakrauchen verursacht eine Vielzahl von Lungenerkrankungen
Tabakrauch enthält über 4000 unterschiedliche Substanzen, die irritative Effekte,
verstärkte Sekretbildung, verminderte Zilienfunktion, toxische Effekte auf Lungenzellen
einschließlich der Induktion von Apoptose und Nekrose sowie immunmodulierende Effekte
bis hin zur Mutagenese und Karzinogenese verursachen. Über 50 Substanzen des Tabakrauches
sind als kanzerogen bekannt (z. B. Polonium 210, Benzol, Formaldehyd, Cadmium). Insgesamt
führt Zigarettenrauch zu einer komplexen Veränderung der zellulären und humoralen
Immunantwort, wodurch letztlich das Auftreten respiratorischer und systemischer Infektionen
sowie die Karzinogenese begünstigt wird. Daher ist es plausibel, dass Tabakrauch ein
wichtiger Risikofaktor für fast alle pneumologischen Erkrankungen ist ([Tab. 2 ]) [27 ]
[28 ].
Tab. 2
Erkrankungen der Atemwege und der Lunge, die durch Tabakrauchen verursacht oder ungünstig
beeinflusst werden [27 ]
[28 ].
6 Tabakrauchen als Ursache der COPD
6 Tabakrauchen als Ursache der COPD
Die Prävalenz der COPD zeigt augenblicklich weltweit eine stark steigende Tendenz
– so wird erwartet, dass die COPD im Jahr 2030 weltweit bereits die dritthäufigste
Todesursache sein wird [1 ]
[29 ]
[30 ]. Etwa 8 – 13 % der erwachsenen Bevölkerung in Europa und Nordamerika leiden Studien
mit spirometrischen Messungen zufolge an einer COPD [31 ]
[32 ]
[33 ]
[34 ]
[35 ] mit zunehmender Prävalenz im höheren Alter [35 ]
[36 ]. Bei über 80 % der an einer COPD Erkrankten ist nach einer englischen Untersuchung
die COPD nicht diagnostiziert und die Betroffenen sind sich ihrer Erkrankung nicht
bewusst. Selbst bei Patienten mit schwerer COPD trifft dies noch für über 40 % der
Patienten zu [31 ]. Ähnliche Daten werden aus anderen europäischen Ländern berichtet [37 ]
[38 ].
Tabakrauch ist mit einem relativen Risiko von 13 der wesentliche Risikofaktor für
die Entstehung einer COPD [39 ]
[40 ]
[41 ]. Bis zu 50 % der älteren Raucher entwickeln eine COPD [37 ]
[42 ]. Je nach Umweltbelastung werden 80 – 90 % der COPD-Morbidität durch das Tabakrauchen
verursacht [43 ]. Das Risiko, eine COPD zu entwickeln, wird durch den kumulativen Zigarettenkonsum
(Packungsjahre bzw. Pack Years) bestimmt [31 ]
[32 ]. Ein Packungsjahr bedeutet, dass ein Raucher über den Zeitraum von einem Jahr durchschnittlich
täglich eine Packung Zigaretten geraucht hat.
Geschlechtsspezifische Unterschiede: Frauen sind gegenüber den gesundheitsschädlichen Effekten des Tabakrauches empfindlicher
als Männer und entwickeln bei gleicher Exposition häufiger eine COPD [44 ]
[45 ]
[46 ]. In der Copenhagen City Heart Studie lag z. B. der zusätzliche Verlust an Einsekundenkapazität
(FEV1 ) pro Packungsjahr bei Frauen mit 7,4 mL höher als bei Männern mit 6,3 mL [44 ]. Rauchende Frauen haben außerdem ein erhöhtes Exazerbations-Risiko. Allerdings ist
in der EU die COPD-Mortalität bei Männern etwa zwei- bis dreimal höher als bei Frauen
[7 ]
[39 ].
Genetik: COPD ist eine Erkrankung, die durch ein komplexes Zusammenspiel von genetischen und
Umweltfaktoren verursacht wird [47 ]. Eine familiäre Häufung der COPD ist beschrieben. Die Bedeutung der Genetik wird
dadurch unterstrichen, dass nicht jeder Raucher eine COPD bekommt [42 ]
[48 ]. Der seltene Alpha-1-Antitrypsin Mangel ist eng mit der Entwicklung eines ausgeprägten
Lungenemphysems assoziiert [49 ]. Bei rauchenden Trägern der homozygoten Erbanlage wird regelhaft eine schwere COPD
mit Lungenemphysem beobachtet. Die heterozygote Erbanlage führt bei Rauchern gehäuft
zur COPD.
COPD als systemische Erkrankung: Die COPD führt nicht nur zu Veränderungen der Lunge, sondern unter anderem auch zu
kardialen, muskulären, ossären, nutritiven, psychischen und sozialen Krankheitsfolgen
[50 ]. Da Komorbiditäten den Verlauf der COPD wesentlich beeinflussen, wurde in der aktuellsten
Auflage des GOLD Reports 2011 der Stellenwert der Diagnostik und Therapie der Begleiterkrankungen
deutlich gestärkt [1 ]. Verdeutlicht wird dies beispielsweise dadurch, dass in der Lung Health Study, in
die 5887 Patienten mit leichter bis mäßiger COPD eingeschlossen wurden, mehr Patienten
an kardiovaskulären Erkrankungen als an der COPD verstarben [51 ]. Zudem ist ein reduzierter FEV1 -Wert ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität
[52 ]. Diese Zusammenhänge werden wahrscheinlich durch die bei der COPD ausgeprägte systemische
Inflammation und neurohumorale Aktivierung vermittelt [1 ]
[29 ]
[30 ]
[53 ]. Tabakrauchen führt ebenfalls sowohl zu einer systemischen Inflammation als auch
zu einer neurohumoralen Aktivierung [53 ]
[54 ]. Tabakrauchen verstärkt somit die o. g. systemischen Folgen der COPD. Klinisch relevant
wird dieser Zusammenhang auch durch die Begünstigung der Gewichtsabnahme bei Rauchern;
ein insbesondere bei kachektischen COPD-Patienten ungünstiger Effekt.
Husten und Auswurf: Unabhängig von der Diagnose einer COPD wurden in epidemiologischen Studien die Symptome
Husten und Auswurf bei Rauchern wesentlich häufiger als bei Nichtrauchern beschrieben
[55 ]
[56 ], wobei diese Beschwerden durch eine Tabakabstinenz reduziert werden können.
Rauchen und Lungenfunktion: In einer Vielzahl von großen epidemiologischen Querschnitt- und Längsschnittuntersuchungen
konnte eindeutig nachgewiesen werden, dass Rauchen zu einer Verschlechterung der Lungenfunktion
führt [57 ]
[58 ]. Durch Rauchen in der Adoleszenz verlangsamt sich die Entwicklung der Lungenfunktion
[59 ]. Zudem kommt es zu einer verfrühten Abnahme des FEV1 -Werts, sodass die Plateauphase, in der die Lungenfunktion während des Erwachsenenlebens
konstant bleibt, verkürzt ist [60 ]. Darüber hinaus führt das Rauchen zu einem rascheren jährlichen Abfall des FEV1 -Wertes, insbesondere im Alter [57 ]
[61 ]
[62 ]
[63 ]
[64 ]. Hierbei besteht eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen der Anzahl der gerauchten
Zigaretten und dem Abfall des FEV1 -Werts. Nach Beendigung des Rauchens hingegen war in Längsschnittuntersuchungen die
jährliche Abnahme des FEV1 -Werts gleich derjenigen von Nichtrauchern [58 ]
[65 ]. Nach Beendigung des Rauchens kann es initial sogar zu einer Zunahme des FEV1-Werts
kommen [60 ]
[65 ]. Neueste Daten betonen den wesentlichen Effekt eines frühen Rauchstopps [66 ].
Langzeitsauerstofftherapie und Tabakkonsum: Patienten mit fortgeschrittener COPD haben oft einen erniedrigten Sauerstoffpartialdruck
im Blut (respiratorische Partialinsuffizienz bzw. Hypoxie). Die Langzeitsauerstofftherapie
ist heute bei hypoxischen Lungenerkrankungen, insbesondere der COPD, Standard [50 ]
[67 ]
[68 ]. Sauerstoff selbst ist zwar nicht entflammbar, beschleunigt jedoch Verbrennungsvorgänge.
Mithin kommt es immer wieder bei mit Sauerstoff versorgten rauchenden Patienten zu
lebensgefährlichen oder gar tödlichen Verbrennungen [69 ]. Bei Patienten, die rauchen, sollten daher die Vorteile einer Sauerstofftherapie
im Kontext mit den genannten Gefahren diskutiert und bei der Verordnung kritisch gewürdigt
werden. Der professionellen Tabakentwöhnung sollte in diesem Zusammenhang Priorität
zugewiesen werden [69 ].
Tabakrauchen ist der wichtigste Risikofaktor für die COPD [1 ]
[2 ]
[41 ]. Evidenzgrad 1
7 Passivrauchen als Ursache der COPD
7 Passivrauchen als Ursache der COPD
Passivrauchen ist ein bekannter Risikofaktor für die Entwicklung einer COPD bei Nierauchern
[70 ] mit einem relativen Risiko von 1,4 für die Entstehung einer COPD bei Passivrauchexposition
[71 ]. Dabei scheint es eine Beziehung zwischen Expositionsdosis und der Entwicklung von
Atemwegserkrankungen zu geben [72 ]. Verschiedene Arbeitsgruppen kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass in Deutschland
jährlich 3000 bis 4000 Nichtraucher an den Folgen einer Passivrauchexposition versterben
[73 ]
[74 ]. Davon sterben allein über 900 Patienten an einer durch Passivrauchen verursachten
COPD [74 ]. Insbesondere Kinder rauchender Eltern sind gefährdet, durch den Passivrauch im
späteren Leben ein Lungenemphysem zu entwickeln. Kinder mit Exposition gegenüber Passivrauch
leiden zudem häufiger unter respiratorischen Infekten und weisen ein erhöhtes Risiko
auf, an Asthma bronchiale oder anderen Atemwegserkrankungen zu erkranken [75 ]
[76 ]. Daneben aggraviert Passivrauchen – auch bei aktiven Rauchern – die Symptomatik
der COPD, führt zu einer erhöhten Exazerbationsrate und vermehrten Arztkontakten [77 ].
Passivrauchexposition ist ein Risikofaktor für die COPD [1 ]
[71 ]
[78 ]. Evidenzgrad 1
8 Tabakrauchen bei Patienten mit COPD
8 Tabakrauchen bei Patienten mit COPD
Bei COPD-Patienten findet sich ein höherer Anteil aktiver Raucher als in der Allgemeinbevölkerung.
So lag die Raucherquote in den seit 2007 publizierten drei großen Interventionsstudien
zur COPD zwischen 30 % [79 ] und 40 % [80 ]
[81 ]. Bei Patienten mit sehr schwerer COPD findet sich sogar ein höherer Anteil aktiver
Raucher als bei Patienten mit leichterer COPD [31 ]. Ursächlich hierfür ist eine stärkere Tabakabhängigkeit bei Rauchern mit COPD im
Vergleich zu Rauchern ohne COPD [82 ]
[83 ]
[84 ]. Dieser Zusammenhang ist bei Frauen besonders stark ausgeprägt [85 ].
Der hohe Abhängigkeitsgrad spiegelt sich auch im Inhalationsmuster von Rauchern mit
COPD wider: Raucher mit nachgewiesener Obstruktion inhalieren tiefer und schneller
als Raucher ohne spirometrische Auffälligkeiten [86 ]
[87 ]. Der Überblähung liegt das Lungenemphysem zu Grunde. Das Emphysem begünstigt die
Ablagerung von Partikeln im Bronchialbaum sowie die Aufnahme von Kohlenmonoxid [88 ]. Zudem wurde diskutiert, dass die durch Inhalativa bewirkte Bronchodilatation die
Deposition von Rauchpartikeln in den tiefen Atemwegen begünstigt. Insofern könnte
fortgesetztes Rauchen bei optimaler inhalativer Therapie der COPD besonders schädlich
sein [89 ].
8.1 COPD, Depression und Rauchen
Das Vorliegen einer chronischen Atemwegserkrankung erhöht das Risiko einer Depression
[90 ]
[91 ]
[92 ]. Insbesondere bei Frauen besteht beim Vorliegen einer COPD eine schlechtere Lebensqualität;
die Erkrankung wird als Behinderung wahrgenommen [93 ]
[94 ]
[95 ]. In einer Studie aus England fand sich bei Frauen (nicht aber bei Männern) mit COPD
ein gegenüber Frauen ohne COPD verdreifachtes Suizid-Risiko; dieser Zusammenhang war
durch das Vorliegen einer klinisch relevanten Depression erklärbar [96 ]. Depressive Symptome sind bei COPD-Patienten ein unabhängiger Prädiktor für eine
erhöhte Mortalität, längere Krankenhausaufenthalte und persistierenden Tabakkonsum
[97 ].
Starke Raucher haben im Vergleich zu Nierauchern ein bis zu dreifach erhöhtes Risiko,
an einer Major-Depression zu erkranken [98 ]
[99 ]. Aufgrund der oben dargestellten intrazerebralen Wirkungen der Tabak-Inhaltsstoffe
kann das Rauchen bei latent und manifest depressiven Patienten den Charakter einer
Selbstmedikation annehmen [100 ]
[101 ]. Auch kann eine depressive Episode während eines Abstinenzversuchs einen Rückfall
in die Tabakabhängigkeit auslösen [102 ]. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Ätiologie des Rauchens und der Depression
[103 ]
[104 ]. In einem älteren Patientenkollektiv fand sich z. B. eine besonders hohe Mortalität
bei gleichzeitigem Vorliegen einer Depression und einer Tabakabhängigkeit [105 ]. Einer aktuelleren Meta-Analyse zufolge erhöht das Rauchen auch bei Jugendlichen
das Risiko für eine Depression um 73 % [106 ]. Insgesamt besteht eine komplexe und zirkuläre Interaktion zwischen Rauchen, COPD
und Depression [107 ], die die Entwöhnung in dieser Patientengruppe schwierig gestaltet [90 ]
[97 ]
[108 ].
Rauchende Patienten mit COPD weisen eine besonders hohe Tabakabhängigkeit auf ([Tab. 9 ]). Evidenzgrad 2
9 Anamnese
Voraussetzung für die Unterstützung und die Motivation bei der Tabakentwöhnung von
COPD-Patienten ist die vollständige Tabakanamnese. Die Erfassung der Anamnese führt
bereits zu einer Erhöhung der Anzahl erfolgreich entwöhnter Patienten [109 ]. Bereits die Erhebung und Dokumentation des Rauchstatus erhöht die Wahrscheinlichkeit
für eine spätere Abstinenz [109 ]. Patientinnen und Patienten sollten schon bei der Tabakanamnese damit vertraut gemacht
werden, dass Tabakabstinenz die entscheidende und wirksamste Maßnahme zur Erhaltung
der verbliebenen ventilatorischen Funktion ist [63 ]. In der Regel sind die Anamneseparameter innerhalb von 2 – 3 Minuten zu erfassen.
Eine strukturierte Erfassung ist sinnvoll.
Abb. 2 Vorschlag für Anamnese.
9.1 Anamneseintervall
Die Tabakanamnese/Raucheranamnese soll bei jeder Kontroll-Vorstellung des Patienten
wiederholt bzw. ergänzt werden. Voraussetzung hierfür ist eine Dokumentation der Raucher-Erstanamnese
an leicht zugänglicher und schnell einsehbarer Stelle der (elektronischen) Krankenakte.
Jeweils zu ergänzen sind Änderungen der Tabakkonsum-Menge bzw. -Art (Wechsel auf Zigaretten
mit reduziertem Nikotin und Teergehalt) und zwischenzeitliche Abstinenzversuche. Bei
jeder Vorstellung ist die Motivation für die Tabakentwöhnung neu zu erfassen und zu
dokumentieren (siehe Algorithmus).
Der Tabakkonsum soll regelmäßig erfragt und dokumentiert werden [3 ]
[21 ]. ↑↑
10 Diagnostik/Fragebogen
Zur Bestimmung des Ausmaßes der Abhängigkeit hat sich international der Fagerström-Test for Nicotine Dependence – FTND, der sechs Items umfasst [110 ], durchgesetzt ([Abb. 4 ]). Der FTND korreliert mit wichtigen biochemischen Werten (CO-Gehalt der Ausatemluft,
Cotininspiegel) und stellt einen aussagekräftigen Prädiktor zur Vorhersage der kurz-
und langfristigen Abstinenz nach einem Rauchstopp dar [21 ]. Der Testscore ermöglicht eine Aussage zur Schwere der Nikotinabhängigkeit [110 ]. Aktuell wird eine Umbenennung des Fragebogens in Fagerström Test for Cigarette
Dependence (FTCD) vorgeschlagen [111 ].
Die strukturierte Erfassung einer eventuellen depressiven Stimmungslage/Disposition
[102 ]
[112 ]
[113 ] ist sinnvoll. Als Screening-Instrument für psychische Komorbidität ist der Patient
Health Questionnaire (PHQ) ([Tab. 3 ]) [114 ] geeignet. Der 4-seitige Kurzfragebogen, der speziell für die Anwendung in der Arztpraxis
entwickelt wurde [115 ], besitzt gute psychometrische Eigenschaften [116 ]
[117 ] und stellt ein praktikables Screening-Instrument für die am weitesten verbreiteten
psychischen Störungen (Depressive Störungen, Angststörungen, Somatoforme Störungen,
Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit, Essstörungen) dar. Es liegt eine 1-seitige Kurzfassung
des PHQ für Depressionen und Angststörungen vor, die für die Zwecke der Identifikation
einer Major Depression oder (latenter) Depressivität bzw. depressiver Exazerbation
in der Phase des Entzugs während einer Tabakentwöhnung ausreicht [118 ] (siehe auch Kapitel 15).
Zur systematischen Erfassung des konkreten Konsumverhaltens eignet sich der Einsatz
von Rauchtagebüchern sowie standardisierten Fragebögen zum Rauchverhalten ([Abb. 2 ]) [119 ]
[120 ].
Tab. 3
In der Tabakentwöhnung empfehlenswerte Fragebögen.
10.1 Objektive Messung des Tabakkonsums
Aufgrund der prinzipiell eingeschränkten Validität von Selbstauskünften zum Rauchverhalten
und zur Tabakabstinenz nach einem Rauchstopp kann der Einsatz objektiver Messverfahren
sinnvoll sein. Da bei der pneumologischen Diagnostik oft eine kapilläre Blutgasanalyse
durchgeführt wird, kann mit minimalem Aufwand das Kohlenmonoxid (CO) im Hämoglobin
bestimmt werden. Schnell und einfach ist auch die Bestimmung der CO-Konzentration
in der Ausatemluft mit Geräten, die zwischen 300 und 1000 € kosten. Ein CO-Wert ≥ 10 ppm
gilt als Indikator für Tabakrauchen [121 ].
Nikotin und sein Metabolit Cotinin können in Blut, Speichel und Urin gemessen werden.
Als biochemische Marker für diesen Zweck stehen die Messung der Nikotin-Plasma-Konzentration,
der Thiozyanat-Konzentration (mit allerdings geringer Spezifität bei niedrigem Tabakkonsum)
sowie des Cotinin-Spiegels im Serum, Speichel und Urin zur Verfügung.
11 Motivierende Beratung
Über 70 % der rauchenden COPD-Patienten wollen aufhören zu rauchen [23 ]
[24 ]
[31 ]. COPD-Patienten sind einer ärztlichen Empfehlung zum Rauchstopp gegenüber aufgeschlossen
[122 ]. Diese Empfehlung ist insbesondere wirksam, wenn Symptome der COPD oder pathologische
medizinische Befunde in Zusammenhang mit dem Tabakkonsum thematisiert werden [122 ]
[123 ]
[124 ]
[125 ]. Die Beratung muss im Zusammenhang mit der Tabakanamnese wiederholt durchgeführt
werden ([Abb. 3 ], [Tab. 4 ]).
Abb. 3 Flussdiagramm für das Management rauchender Patienten/innen mit COPD.
Tab. 4
Inhaltliche Strukturierung des Ablaufs der Beratung nach den 5 A [126 ].
Insbesondere wenn der Raucher initial nicht bereit ist, einen Rauchstopp zu vereinbaren,
soll ein Gespräch nach dem Muster der sog. 5 R zum Einsatz kommen ([Tab. 5 ]).
Tab. 5
Die 5 Rs zur Strukturierung der Gesprächsführung bei nicht entwöhnungswilligen Rauchern
[126 ].
Relevanz aufzeigen: Knüpfen Sie die Motivation des Rauchers an seinen körperlichen Zustand, seine familiäre
und soziale Situation, an gesundheitliche Bedenken, Alter, Geschlecht und andere Merkmale
wie frühere Ausstiegsversuche.
Risiken benennen:
kurzfristig: Kurzatmigkeit, Impotenz und Unfruchtbarkeit, erhöhte CO-Konzentration im Serum, erhöhte
Herzfrequenz und erhöhte Blutdruckwerte.
langfristig: erhöhte Infektanfälligkeit, chronische obstruktive Atemwegserkrankungen (chronische
Bronchitis und Emphysem), Herzinfarkt und Schlaganfall, Lungenkrebs und andere Krebsarten
etc.
Reize und Vorteile des Rauchstopps verdeutlichen: Fragen Sie den Patienten, welche Vorteile
das Aufhören hat, und betonen Sie diejenigen, welche die höchste emotionale Bedeutsamkeit
haben.
Riegel (Hindernisse und Schwierigkeiten) vor Rauchstopp ansprechen: Entzugssymptome, Angst
zu scheitern, Gewichtszunahme, fehlende Unterstützung, Depression, Freude am Rauchen.
Eine wirkungsvolle Gesprächstechnik ist das motivierende Interview. Das motivierende Interview ist eine Technik zur Änderung von abhängigem Verhalten,
die initial erfolgreich bei der Motivierung zur Veränderung des schädlichen Alkoholkonsums
eingesetzt wurde [127 ]. Das Konzept des motivierenden Interviews basiert auf einem non-direktiven, klientenzentrierten
Ansatz der Gesprächsführung, in dem der Raucher nicht von außen zum Rauchstopp motiviert
oder gedrängt wird, sondern im gemeinsamen Gespräch mittels wertfreier und zieloffener
Abwägung der Vor- und Nachteile des Rauchens selber zunehmende Änderungsmotivation
entwickelt. Im Einzelnen umfasst die motivierende Gesprächsführung folgende Interventionskomponenten
[128 ]:
offene Fragen stellen
aktiv zuhören (Empathie)
das Verhalten des Gegenübers würdigen (Respekt)
Gesagtes zusammenfassen
Ambivalenzen herausarbeiten (Diskrepanzen entwickeln zwischen Rauchverhalten und Lebenszielen)
flexibel mit Widerstand umgehen
Veränderungszuversicht stärken und „selbstmotivierende“ Äußerungen induzieren
Die Wirksamkeit des motivierenden Interviews durch nichtärztliche Mitarbeiter im Gesundheitssystem
wurde in einem Systematischen Review der Cochrane Gesellschaft mit über 14 randomisierten-kontrollierten
klinischen Studien (randomised controlled trial, RCT) (> 1000 Raucher) bestätigt [129 ]. Danach ist die durchschnittliche Erfolgsrate mittels motivierenden Interviews bezüglich
des strengen Kriteriums der kontinuierlichen Abstinenz signifikant höher als die der
Kurzintervention bzw. der Standardversorgung (RR 1,27; 95 % Konfidenzintervall (KI)
1,14 – 1,42) und erreicht 12-Monats-Abstinenzraten zwischen 3 % und 35 % (im Stichproben-gewichteten
Mittel: 15 %) bei nicht-selektionierten Rauchern. Deutlich effektiver war das Verfahren,
wenn es von Hausärzten durchgeführt wurde (RR 3,49; 95 % KI 1,53 – 7,94). COPD-spezifische
RCTs zur Wirksamkeit des motivierenden Interviews in der Tabakentwöhnung liegen bislang
nicht vor.
COPD-Patienten, die noch rauchen, sollen unabhängig vom Alter klar, deutlich und mit
persönlichem Bezug dazu motiviert werden, den Tabakkonsum zu beenden [1 ]
[3 ]
[130 ]. ↑↑
Eine Reihe von Studien konnte zeigen, dass die Besprechung eines eingeschränkten Lungenfunktionstestergebnisses
mit den Patienten den langfristigen Erfolg der Tabakentwöhnung verbessert [131 ]
[132 ]. Dies kann schlicht durch Darlegung des errechneten „Lungenalters“ der Patienten
erfolgen. In einer randomisiert kontrollierten Studie mit 561 Rauchern konnte durch
diese einfache Intervention die Abstinenzrate über 12 Monate von 6,4 auf 13,6 % (p = 0,005)
verbessert werden [133 ]. In einer Längsschnittuntersuchung an 513 Rauchern (77 mit COPD) wurde die Frage
zum Aufhörwunsch vor, kurz nach und drei Monate nach Durchführung einer Lungenfunktionsprüfung
gestellt: Initial planten 57 % der Patienten mit COPD und 52 % derer mit normaler
Spirometrie keinen Rauchstopp; im kurz- sowie mittelfristigen Verlauf nach der Lungenfunktionsprüfung
waren nur noch 9 % bzw. 28 % (COPD) und 38 % bzw. 48 % nicht aufhörwillig; die Abstinenzrate
nach drei Monaten betrug 30 % (COPD) und 14 % bei den Studienteilnehmern mit normaler
Lungenfunktion [134 ].
Im Rahmen von Studien zum Lungenkarzinomscreening werden wiederholt Computertomografien
durchgeführt. Die Mitteilung der Ergebnisse dieser Computertomografien kann als Moment
der Belehrbarkeit („teachable moment“) zur Tabakentwöhnung genutzt werden [135 ]
[136 ].
Die Besprechung einer eingeschränkten Lungenfunktion hat einen positiven Einfluss
auf den Erfolg der Tabakentwöhnung ([Tab. 10 ]). Evidenzgrad 1
12 Effekte der Tabakentwöhnung
12 Effekte der Tabakentwöhnung
12.1 Lungenfunktion
Die Auswirkungen einer Tabakentwöhnung auf den Verlauf der leichten bis mittelschweren
COPD (FEV1 -Wert 50 bis 80 %) wurden in der Lung Health Study eingehend untersucht [137 ]. Hier führte die Aufgabe des Rauchens zu einer Halbierung des jährlichen FEV1 -Verlustes, im ersten Jahr nach der Beendigung des Tabak-Konsums wurde sogar eine
Zunahme des FEV1 -Werts um ca. 2 % verzeichnet [65 ]. Selbst nach 11 Jahren lag die jährliche FEV1 -Abnahme in der Gruppe der erfolgreich entwöhnten Raucher deutlich unter derjenigen
in der Gruppe der kontinuierlichen Raucher [63 ].
Bei einem von drei Rauchern mit leichter bis mittelgradiger COPD kann in den drei
folgenden Jahren eine schwere oder sehr schwere COPD durch die Aufgabe des Rauchens
verhindert werden [31 ]. Jüngere Raucher mit hohem täglichem Konsum profitierten bezüglich des FEV1 -Werts am meisten von einer Entwöhnung [31 ]
[138 ].
Frauen zeigen nach einer Entwöhnungsmaßnahme schlechtere Langzeit-Abstinenzraten als
Männer [44 ]
[59 ]
[61 ]
[139 ]. Allerdings wirkt sich die Tabakentwöhnung bei Frauen im Vergleich zu Männern positiver
auf den Verlauf der Lungenfunktion aus [65 ].
12.2 Sterblichkeit
In der erwähnten Lung Health Study zeigte die Evaluation 14,5 Jahre nach Studienbeginn,
dass die Patienten, die initial in die Tabakentwöhnung randomisiert wurden, eine niedrigere
Mortalität aufwiesen als die Patienten, die in die Kontrollgruppe randomisiert wurden
(8,8 vs. 10,4/1000 Personen-Jahre; p = 0,03) [51 ]. Hier ist zu beachten, dass nur ca. 20 % der Studienteilnehmer/innen in der Interventionsgruppe
auch tatsächlich kontinuierlich abstinent geblieben sind. Auch in einer dänischen
Populationsstudie mit knapp 20 000 Teilnehmern und einem Follow-up von 14 Jahren ließ
sich die Anzahl der COPD-assoziierten Krankenhaus-Einweisungen durch die Aufgabe des
Rauchens signifikant senken [140 ]. Staatliche Tabakkontrollmaßnahmen senken die COPD-bedingte Sterblichkeit, insbesondere
in der Altersgruppe der unter 65-Jährigen [141 ].
12.3 Exazerbationen und Infekte
In der Lung Health Study traten Infekte der unteren Atemwege in der Gruppe der erfolgreich
entwöhnten Studienteilnehmer nicht nur seltener auf, sondern wirkten sich auch nicht
so nachhaltig auf den FEV1 -Wert aus wie in der Gruppe der Raucher [142 ]. Die Aufgabe des Tabakrauchens geht mit einer verminderten Exazerbationsrate der
COPD [143 ] sowie einer Abnahme respiratorischer Symptome einher [138 ]
[144 ] und hat einen positiven Einfluss auf die Atemwegs-Hyperreagibilität ([Tab. 6 ]) [145 ]. Querschnitts-Studien ergaben darüber hinaus, dass sich das Ausmaß der Becherzell-Hyperplasie
in den Atemwegen durch eine Entwöhnung senken lässt; zudem gibt es Hinweise auf einen
Anstieg der anti-inflammatorischen Aktivität im Blut von COPD-Patienten, die das Rauchen
aufgeben [145 ].
Tab. 6
Die Tabakentwöhnung hat einen positiven Effekt auf (nach [27 ]
[28 ]):
12.4 Gewicht
Gewichtszunahme nach Tabakentwöhnung tritt bei etwa 80 % der ehemaligen Raucher auf.
Im Durchschnitt sind dies etwa 3 kg bei Männern und 4 kg bei Frauen [146 ]
[147 ]. Als Ursache kommt die Konvergenz des Ess- und Rauchverhaltens im Nucleus accumbens
in Betracht [148 ]. Eine Gewichtszunahme ist bei fortgeschrittener COPD mit pulmonaler Kachexie erwünscht.
Die Angst vor Gewichtszunahme ist bei Rauchern geringer als bei Nichtrauchern und
bei Männern geringer als bei Frauen [149 ]. Das Thema sollte bei entwöhnungswilligen Rauchern, insbesondere bei Frauen, angesprochen
werden [150 ]. Pharmakologische Unterstützung der Tabakentwöhnung [150 ]
[151 ] und gesteigerte körperliche Aktivität [152 ] können die Gewichtszunahme mindern [153 ]. In jedem Fall ist entwöhnungswilligen Rauchern von einer gleichzeitigen strikten
Diät abzuraten, da die Rückfallgefahr sonst deutlich ansteigt [154 ].
Die Tabakentwöhnung zeigt positive Effekte auf die Symptomatik, den Verlauf der Lungenfunktion
und die Mortalität bei Patienten mit COPD [1 ]
[28 ]
[51 ]
[155 ]. Evidenzgrad 1
13 Rauchreduktion ist keine Alternative zum Rauchstopp
13 Rauchreduktion ist keine Alternative zum Rauchstopp
Ein systematisches Review von 25 Studien zeigt, dass eine Rauchreduktion im Gegensatz
zum Rauchstopp in Hinblick auf Veränderungen der Lungenfunktion keine effektive Strategie
darstellt (siehe Evidenztabelle 2). Für den fehlenden positiven Effekt der Rauchreduktion
werden insbesondere Kompensationsmechanismen verantwortlich gemacht, bei denen ein
verändertes Rauchverhalten (tiefere und längere Inhalation) den Effekt der geringeren
Anzahl an inhalierten Zigaretten aufwiegt [65 ]
[142 ]
[156 ].
Wenn es einem rauchenden COPD-Patienten nicht gelingt, mittels Schlusspunktmethode
das Rauchen sofort aufzugeben, kann als Zwischenlösung bis zum Erreichen der kompletten
Abstinenz zunächst eine Reduktion des Konsums erwogen werden. Ziel ist jedoch die
vollständige Tabakentwöhnung.
Eine Verbesserung der Lungenfunktion ist nicht zu erwarten, wenn der Tabakkonsum lediglich
reduziert wird ([Tab. 11 ]). Evidenzgrad 2
14 Integrierter Ansatz, Tabakentwöhnungsprogramm
14 Integrierter Ansatz, Tabakentwöhnungsprogramm
Die Vielzahl der Einflussfaktoren auf die langfristige Abstinenz erfordert strukturierte
Tabakentwöhnungsprogramme [157 ], die sowohl medikamentöse als auch nichtmedikamentöse Intervention umfassen, da
für Patienten/innen mit COPD keine ausreichenden Daten zur Effektivität unimodaler
Konzepte vorliegen [158 ]
[159 ]. Da symptomatische Raucher insbesondere dann eine höhere Motivation zum Rauchstopp
aufweisen, wenn sie ihre Symptome in erster Linie auf das Rauchen selbst zurückführen
[160 ]
[161 ], sollten in einem multimodalen Entwöhnungskonzept neben kognitiven und Suchtaspekten
auch die subjektiven respiratorischen Beschwerden des Patienten berücksichtigt werden.
Im Rahmen eines solchen integrierten Ansatzes dient die kognitiv-verhaltenstherapeutische
Intervention (zumeist in der Gruppe) der Modifikation des Verhaltens sowie der Rückfall-Prophylaxe,
während die begleitende medikamentöse Therapie auf die oben beschriebene Beeinflussung
der biologischen Vorgänge zielt.
Ein Cochrane-Review bilanziert die Datenlage zur Tabakentwöhnung von COPD-Patienten
[159 ]. Drei kontrollierte Studien von befriedigender und zwei von hoher Qualität wurden
bewertet. Die mit Abstand größte dieser Studien war die Lung Health Study [62 ]
[63 ]
[137 ]
[139 ]
[162 ], deren Intention-to-treat-Analyse einen Überlebensvorteil für Patienten in der Interventionsgruppe
ergab, obwohl die kontinuierliche Abstinenz während der ersten fünf Jahre nur 21,7 %
(versus 5,4 % in der Kontrollgruppe) betrug [51 ].
Entsprechend kam auch eine Meta-Analyse von sechs Interventionsstudien [163 ]
[164 ]
[165 ]
[166 ]
[167 ]
[168 ] zu dem Schluss, dass die Kombination aus einer Beratung und Nikotinersatztherapie
die Chancen einer erfolgreichen Entwöhnung verfünffacht (OR 5,0; 95 %-KI 4,32 – 5,97);
die Kombination aus einer Beratung und einer antidepressiv wirkenden Medikation war
weniger effektiv (OR 3,32; 95 %-KI 1,53 – 7) [155 ]. Eine alleinige Verhaltensintervention hatte hiernach keinen signifikanten Effekt
(OR 1,82; 95 %-KI 0,96 – 3,44)[155 ]. In den meisten Studien wurden sehr intensive Entwöhnungsmaßnahmen angeboten; bei
geringerer Intensität ist nach 12 Monaten eine kontinuierliche Abstinenzquote um 10 %
zu erwarten [169 ]. Das Deutsche Krebsforschungszentrum stellt in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung im Internet eine Übersicht über verfügbare Entwöhnungsprogramme
in Deutschland bereit [170 ].
Ein Entwöhnungskonzept, das sowohl medikamentöse Unterstützung als auch psychosoziale
Unterstützung umfasst, hat sich für COPD-Patienten als effektiv erwiesen [28 ]
[51 ]
[155 ]
[159 ]
[171 ]. Evidenzgrad 1
Allen COPD-Patienten, die ihren Tabakkonsum beenden wollen, soll eine Tabakentwöhnung
mit medikamentöser und psychosozialer Unterstützung angeboten werden ([Tab. 12 ]). ↑↑
Die Tabakentwöhnung sollte sowohl im ambulanten, stationären als auch im Rehabilitationssektor
durchgeführt werden. Es ist gut belegt, dass die Tabakentwöhnung durch Hausärzte [127 ], Pneumologen [172 ], Ambulanzen [157 ], im betrieblichen Bereich durch Werksärzte [173 ], im Krankenhaus und in Rehabilitationskliniken [174 ] effektiv ist. Bei Major Depression oder einer anderen affektiven Störung (auch remittiert)
besteht während der Tabakentwöhnung ein Risiko für eine Exazerbation der depressiven
Symptomatik und ein geringes Risiko für erhöhte Suizidalität. Deswegen sollten hier
im Zweifelsfall besondere Vorsichtsmaßnahmen (z. B. engmaschige Patientenkontakte,
konsiliarische psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung) getroffen werden
(siehe auch 9.1 und 11).
15 Medikamentöse Behandlung
15 Medikamentöse Behandlung
Die Ergänzung psychosozialer Behandlungsformen durch eine medikamentöse Unterstützung
erhöht die Abstinenzaussichten bei Patienten mit einer COPD (siehe oben unter 14).
Neben Bupropion und der Nikotinersatztherapie steht seit 2007 Vareniclin für die Tabakentwöhnung
in Deutschland zur Verfügung. Weitere Substanzen, die in der Tabakentwöhnung eingesetzt
werden können, in Deutschland jedoch keine Arzneimittel-Zulassung hierfür besitzen,
sind Cytisin [175 ], Clonidin und Nortriptylin [100 ]. Elektronische Zigaretten können aufgrund eines fehlenden Wirksamkeitsnachweises
für eine Entwöhnungsbehandlung und gleichzeitig bestehender Sicherheitsbedenken nicht
empfohlen werden [176 ]. Medikamente zur Tabakentwöhnung sind in Deutschland augenblicklich noch nicht erstattungsfähig.
15.1 Nikotinersatztherapie
Die Nikotinersatztherapie zielt auf eine Milderung der Entzugssymptomatik und des
Rauchverlangens durch eine vorübergehende, gesteuerte Nikotingabe über ein schadstofffreies
Trägermedium. Die verfügbaren Nikotinersatzprodukte sind apothekenpflichtig, jedoch
nicht verschreibungspflichtig (Ausnahme: Nikotinnasenspray ist in Deutschland verschreibungspflichtig
und nur über die internationale Apotheke zu beziehen) ([Tab. 7 ]).
Tab. 7
Anwendungen der Nikotinersatztherapie (Empfehlung: mindestens acht Wochen) [179 ]
[180 ].
Nikotinpflaster
Konsum von wenigstens 10 Zigaretten pro Tag vorzugsweise bei Rauchern mit einem regelmäßig
über den Tag verteilten Tabakkonsum. Die Eindosierung sollte im Regelfall (Konsum
von ca. 20 Zigaretten pro Tag) mit der höchsten Pflasterstärke erfolgen, nach vier
Wochen kann eine erste Reduktion, nach weiteren zwei Wochen die nächste Reduktion
der Pflasterstärke erfolgen, nach weiteren zwei Wochen kann das Pflaster abgesetzt
werden.
Kombinationsbehandlungen
Insbesondere bei starker Tabakabhängigkeit ( > 6 Punkte im FTND) und hohem Tageszigarettenkonsum
( > 30 Zigaretten/die) können Nikotinpflaster mit Nikotin-Kaugummis, -Tabletten, -Inhalern
und Nasenspray kombiniert werden.
Zur Nikotinersatztherapie bei Patienten mit COPD liegen insbesondere mit Kaugummi
[51 ] gute Erfahrungen vor (siehe unter 14). In einer Studie mit sechsmonatigem Follow-up
erwies sich in dieser Patientengruppe auch das Pflaster als effektiv (kontinuierliche
Abstinenzquote 38,2 %) [177 ]. Gegenüber den anderen zur Verfügung stehenden Wirkstoffen zeigte die Nikotinersatztherapie
hier das günstigste Nebenwirkungsprofil.
Die relative Wirksamkeit der Nikotinersatztherapie in einem allgemeinen Raucherkollektiv
wurde von der Cochrane Tobacco Addiction Study Group [178 ] mit einem RR von 1,6 (95 % KI: 1,5 – 1,7) berechnet. Die höchste Effektivität wurde
für die Applikation von Nikotinnasenspray nachgewiesen (RR 2,0; 95 % KI 1,5 – 3,7),
die geringste für Nikotinkaugummi (RR 1,4; 95 % KI: 1,3 – 1,5).
15.1.1 Praktische Hinweise zur Nikotinersatztherapie
Während das Nikotinpflaster eine lang anhaltende, weitgehend konstante Nikotinfreigabe
bewirkt, kommt es beim Nikotinkaugummi und bei den Nikotintabletten nach wenigen Minuten
zu einer – allerdings deutlich kürzeren – Nikotinfreigabe ([Tab. 8 ]). Am schnellsten wirkt der Inhaler, er kann daher am schnellsten akute Entzugssymptome
kupieren. Aufgrund dieser pharmakologischen Eigenschaften ist es oft sinnvoll – insbesondere
bei starker Nikotinabhängigkeit – Pflaster und Kaugummi/Tablette bzw. Inhaler zu kombinieren.
Auch sollten Patienten darüber informiert werden, dass beim Rauchen trotz laufender
Nikotinersatztherapie gefährliche Intoxikationssymptome nicht zu erwarten sind.
Tab. 8
Pharmakotherapie bei Tabakentwöhnung.
Wirkstoff
Applikationsform
Dosierungen
Besonderheiten
Nikotin
Pflaster
3 Stärken (unterschiedlich je nach Hersteller) über 16 oder 24 Stunden anwendbar
Kombinationstherapie mit anderen Nikotinersatzpräparaten möglich.
UAW: Hautreaktion
Kaugummi
2 mg, 4 mg
maximal 25 Stück (2 mg) bzw. 15 Stück (4 mg)/Tag
problematisch bei Zahnprothesen-Trägern
4 mg: insbesondere zur Verhinderung einer Gewichts-zunahme und bei starken Rauchern
(> 20/Tag).
UAW: Sodbrennen, Mundreizung
Sublingualtablette
2 mg
maximal 30 Stück / Tag
UAW: Mundreizung
Lutschtablette
1 mg, 2 mg, 4 mg
max. 30 Stück / Tag (2 mg Tbl.)
UAW: Mundreizung
Inhaler
Patrone mit 10 mg
6–maximal 12 Patronen tgl.
UAW: Reizung Atemwege
Vareniclin
Tablette
0,5 mg 1 × tgl. für 3 Tage
0,5 mg 2 × tgl. für 4 Tage
danach Rauchstop
danach 1 mg 2 × tgl. für mindestens 11 Wochen
UAW: Übelkeit, lebhafte Träume
evtl. erhöhte Depressivität, erhöhte Suizidalität, evtl. erhöhtes kardiovaskuläres
Risiko
Bupropion
Tablette
150 mg 1 × tgl. für 7 Tage, danach Rauchstop, danach 150 mg 2 × tgl. Gesamt-Behandlungsdauer:
8 Wochen
UAW: zerebrale Krampfanfälle (Häufigkeit 1:1000), Übelkeit, Schlafstörungen
UAW: unerwünschte Arzneimittelwirkung. Anmerkung: Nikotin-Nasenspray ist in Deutschland
nur über die internationale Apotheke erhältlich. Trotz bestehender Arzneimittel-Zulassung
wurde es vom Hersteller aufgrund zu geringer Umsätze vom Markt genommen.
Alle Nikotinersatztherapeutika weisen eine gute Verträglichkeit bei einzelnen produktspezifischen
Nebenwirkungen auf (Pflaster: Hautirritationen, Pflasterallergien; Kaugummi und Tablette:
Reizungen der Mundschleimhaut, Zunge, Rachen, Speiseröhre und Magen in Form von Brennen,
Schmerzen, Ulzerationen und Schluckauf; Inhaler: Reizungen der Atemwege).
15.2 Vareniclin
Vareniclin wurde im März 2007 in Deutschland für die Behandlung der Tabakabhängigkeit
zugelassen. Der Wirkstoff ist ein partieller Nikotin-Agonist am α4β2-Nikotin-Rezeptor.
Das Präparat ist apothekenpflichtig und verschreibungspflichtig, aber nicht erstattungsfähig.
Für die Tabakentwöhnung bei COPD-Patienten wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von
Vareniclin durch eine randomisierte Studie nachgewiesen [181 ]. Aufgrund einer sehr geringen Abstinenzquote in der Plazebogruppe wurde hier für
die kontinuierliche 12-Monats-Abstinenz eine OR von 4,04 (95 % KI 2,13 – 7,67) verzeichnet.
Die Wirksamkeit von Vareniclin in einem allgemeinen Raucherkollektiv wurde bislang
in zahlreichen präklinischen und klinischen Studien, u. a. im Vergleich zu Plazebo
und zu Bupropion untersucht [182 ]
[183 ]
[184 ]
[185 ]
[186 ]. Die Effektivität gegenüber Plazebo wurde mit einer RR von 2,31 (95 % KI: 2,01 – 2,66),
gegenüber NET mit einer RR von 1,13 (95 % KI: 0,94 – 1,35) und gegenüber Bupropion
mit einer RR von 1,52 (95 % KI: 1,22 – 1,88) berechnet [187 ]. Eine Metaanalyse mit 146 Studien, die in umfassender Weise Plazebo, Nikotinersatztherapie
einzeln und kombiniert sowie Vareniclin und Bupropion untereinander verglich, ergab
eine klare Überlegenheit medikamentöser Unterstützung gegenüber Plazebo. Unter den
verglichenen Medikationen zeigte sich Vareniclin als die wirksamste Substanz [188 ].
Als Nebenwirkungen werden Schwindel, Übelkeit, lebhafte Träume, Kopfschmerzen, Erbrechen,
Schlaflosigkeit und Flatulenz genannt. In den publizierten randomisierten Studien
wurden keine Hinweise auf schwerwiegende Nebenwirkungen gewonnen. Allerdings ergaben
verschiedene Post-hoc-Analysen, dass die Einnahme von Vareniclin möglicherweise mit
der Zunahme psychiatrischer (u. a. Depressivität und Suizidalität [189 ]) und kardiovaskulärer (u. a. Angina pectoris [190 ]) Symptome verbunden ist. Allerdings zeigte eine Metaanalyse keine erhöhten kardiovaskulären
Ereignisse unter Vareniclin [191 ].
Die Behandlung sieht eine einwöchige Aufdosierungsphase (Zieldosis 2 × 1 mg/die) bei
gleichzeitiger Fortsetzung des Zigarettenkonsums vor. Nach dem Rauchstopp innerhalb
der ersten 10 Tage (in Studien wurde der Rauchstopp am 8. Tag begonnen) soll die Medikation
weitere 11 Wochen fortgesetzt werden. Eine Fortsetzung um weitere 12 Wochen ist möglich.
15.3 Bupropion
Bupropion ist ein Antidepressivum, das jedoch auch am nikotinischen Azetylcholinrezeptor
wirkt. Der exakte Wirkmechanismus in der Tabakentwöhnung ist bislang nicht aufgeklärt
[192 ]
[193 ]. Bupropion ist verschreibungspflichtig. Zu Patienten mit COPD gibt es drei Studien
mit dem Nachweis einer Wirksamkeit nach 6 Monaten [165 ]
[171 ]
[177 ], jedoch nicht nach 12 Monaten [159 ]. Die Wirksamkeit von Bupropion im Vergleich zu Plazebo in einem allgemeinen Raucherkollektiv
wird mittlerweile auf der Basis von 36 Studien beurteilt (RR 1,7; 95 % KI: 1,5 – 1,9)
[194 ]. Während einer Behandlung mit Bupropion treten v. a. Nebenwirkungen wie Schlafstörungen,
Übelkeit und Mundtrockenheit auf. Das Risiko für epileptische Anfälle ist erhöht.
Vor Beginn einer Behandlung mit Bupropion sollten Risiken für ein epileptisches Ereignis,
psychische Erkrankungen wie eine bipolare Störung, ein erhöhtes Risiko für eine Suizidalität,
eine Anorexie oder Bulimie sowie körperliche Erkrankungen wie eine schwere Leberzirrhose
ausgeschlossen sein. Die gleichzeitige Gabe von MAO-Hemmern ist kontraindiziert.
16 Prävention und gesundheitsökonomische Aspekte
16 Prävention und gesundheitsökonomische Aspekte
16.1 Prävention
Präventive Maßnahmen wie die Tabakentwöhnung sind gesetzlich verankert [195 ]: Dies gilt sowohl für die Primärprävention (Vermeidung des Raucheinstiegs), Sekundärprävention
(Frühzeitige Intervention) als auch Tertiärprävention (Rückfallvermeidung). Somit
hat diese Leitlinie nicht nur zum Ziel, rauchende COPD-Patienten vom Tabakkonsum zu
entwöhnen, sondern soll damit auch einen primären Präventionseffekt durch Minderung
der Passivrauchexposition ermöglichen. Die Exposition in utero sowie die Passivrauchexposition
im Säuglings- und Kindesalter ist nicht nur mit einem niedrigeren Geburtsgewicht mit
verlangsamtem Lungenwachstum [196 ], sondern auch mit einer erhöhten Inzidenz von Asthma [76 ], chronischen Bronchitiden und COPD assoziiert (siehe auch 8. Passivrauchen).
16.2 Gesundheitsökonomische Aspekte
Bei Annahme einer COPD-Prävalenz von 5 % ergaben sich in einer Studie für die Bundesrepublik
Deutschland volkswirtschaftliche Gesamtkosten von 12–17 Milliarden Euro pro Jahr,
wenn alle Patienten diagnostiziert und behandelt werden würden [197 ]. Die Kosten für Patienten mit COPD hängen vom Schweregrad der Erkrankung ab. Deutsche
Quellen nennen 6585 € pro Jahr bei schwerer COPD [34 ]
[198 ]. Eine Studie, die allerdings nur die direkten medizinischen Kosten betrachtete,
kam in zwei bevölkerungsbezogenen epidemiologischen Ansätzen in Süddeutschland auf
Kosten in Höhe von 2812 € pro Patient und Jahr (Schweregrad ≥ 2 nach GOLD) [199 ]. Rauchen ist ein erheblicher Risikofaktor für Frühberentung unter der Diagnose „COPD“
(OR 22,0; 95 % KI 10,0 – 48,5) [200 ].
Für die Beendigung des Rauchens vor Manifestation einer COPD ergibt sich folgende
Abschätzung: Wäre das Rauchen unter konservativen Annahmen nur bei 70 % der Raucher
alleinige Ursache der COPD, wären durch einen generellen Tabakverzicht immerhin noch
7,7 Milliarden Euro pro Jahr einzusparen. Bei dieser Berechnung blieben sowohl die
Kosten der Komplikationen der COPD wie Depressionen und Osteoporose als auch der ungünstige
Einfluss der COPD auf Begleiterkrankungen wie die Koronare Herzkrankheit unberücksichtigt.
Bezüglich der Beendigung des Rauchens bei bereits manifester COPD ergeben sich allein
für die Krankenhauskosten (die ja nur 26 % der Gesamtkosten für COPD betragen) Einsparungen
zwischen 0,27 bis 0,78 Milliarden Euro pro Jahr.
Dies sind lediglich die der COPD zuzuordnenden Kosten. Da Tabakrauchen u. a. eng mit
dem Lungenkarzinom und kardiovaskulären Erkrankungen assoziiert ist, entstehen noch
weit höhere Kosten. Insgesamt werden in Deutschland jährlich mindestens 35,2 Milliarden
Euro für tabakbedingte Gesundheitsschäden ausgegeben [197 ].
Unter Berücksichtigung bereits publizierter Erfahrungen [41 ]
[201 ]
[202 ] errechnen sich für die Tabakentwöhnung in einem allgemeinen Raucher-Kollektiv nach
dem Intention-to-treat-Ansatz Kosten von etwa 300–1200 € pro gewonnenem Lebensjahr
[43 ]. Die Kosten pro gewonnenem Lebensjahr betragen z. B. für die Hämodialyse bei chronischer
Niereninsuffizienz etwa 60 000 €, für die operative Myokardrevaskularisation 20 000 €
und für die medikamentöse Therapie des arteriellen Hypertonus 50 000 € [43 ]
[203 ].
Bei COPD-Patienten errechneten Lock und Koautoren [204 ] in einer gegen Plazebo randomisierten, kontrollierten medikamentösen (Vareniclin-)Entwöhnungs-Therapiestudie
inkrementelle Kosten von 1021 €/Person für im Mittel 0,24 gewonnene Lebensjahre (0,17
QALYs = Lebensqualitäts-adjustierte Lebensjahre). Hieraus resultiert eine inkrementelle
Kosteneffektivitäts-Relation (ICER) von 5566 €. Lang (2009) [205 ] simulierte mit Hilfe eines Markov-Modells den natürlichen Verlauf der COPD-Erkrankung
bei Patienten im Alter von 45 Jahren über 55 Jahre hinweg, um den Effekt einer Tabakentwöhnung
mit Nikotinersatztherapie gegen eine Entwöhnung ohne Nikotinersatztherapie abbilden
zu können. Ein mit Nikotinersatztherapie entwöhnter COPD-Patient verursachte in der
untersuchten Zeitspanne von 55 Jahren Kosten in Höhe von 26 207 € (diskontiert) und
gewann 17,06 Lebensjahre (diskontiert). Ohne Nikotinersatztherapie entwöhnte Patienten
hingegen generierten Kosten in Höhe von 28 302 € (diskontiert) und gewannen 16,65
Lebensjahre (diskontiert). Eine Tabakentwöhnung mit Nikotinersatztherapie verursacht
somit 2095 € weniger Kosten und geht mit einem Gewinn an 0,61 Lebensjahren einher.
Hoogendorn et al. [206 ] führten ein systematisches Literatur-Review zur Frage der langzeitigen Kosten-Effektivität
von Raucherentwöhnungsmaßnahmen bei Patienten mit COPD durch. Neun Studien wurden
ausgewählt. Die mittleren kontinuierlichen 12-Monats-Abstinenzraten betrugen 1,4 %
bei „usual care“, 2,6 % bei minimaler Beratung, 6,0 % bei intensiver Beratung und
12,3 % bei Pharmakotherapie. Im Vergleich zu „usual care“ lagen die Kosten für ein
gewonnenes Lebensqualitäts-adjustiertes Lebensjahr (QALY) bei minimaler Intervention,
intensiver Beratung und Pharmakotherapie bei 16 900 €, 8200 € beziehungsweise 2400 €.
Insgesamt ist die Tabakentwöhnung unzweifelhaft eine der effektivsten medizinischen
Interventionen. Trotzdem ist der Stellenwert der Tabakentwöhnung im Deutschen Gesundheitssystem
unzureichend berücksichtigt. Die Einordnung medikamentöser Entwöhnungshilfen als nicht
erstattungsfähige Lifestyle-Präparate in § 34 Sozialgesetzbuch V und der Arzneimittelrichtlinie
wird den Notwendigkeiten der evidenzbasierten Behandlung nicht gerecht. Zusammengefasst
wird in Deutschland im Widerspruch zur internationalen Datenlage und Erfahrung die
Tabakentwöhnung marginalisiert.
Die Tabakentwöhnung ist die wirksamste und kosteneffektivste Einzelmaßnahme, um das
Risiko der COPD-Entstehung herabzusetzen und das Voranschreiten der Erkrankung zu
stoppen [43 ]
[206 ]
[207 ]. Evidenzgrad 1
Daher soll die Tabakentwöhnung nachhaltig auf allen Versorgungsebenen gefördert werden.
↑↑
17 Qualitätsindikatoren
Die Nationale Versorgungsleitlinie COPD [3 ] schlägt als Qualitätsindikator vor:
Anteil der COPD-Patienten, bei denen der Raucherstatus dokumentiert wurde
Anteil der rauchenden COPD-Patienten, bei denen eine Empfehlung zum Tabakverzicht
gegeben wurde
Anteil der rauchenden COPD-Patienten
Bisher können die dazu notwendigen Daten nicht aus der elektronischen Routinedokumentation
ausgelesen werden, weil Nichtrauchen oder Empfehlung zum Tabakverzicht nicht verschlüsselt
werden können. Die Dokumentation im Rahmen des Disease Management Programms COPD erfasst
Raucherstatus und Empfehlung zum Tabakverzicht in regelmäßigen Intervallen. Der Indikator
„Anteil der rauchenden COPD-Patienten“ ist zur Qualitätsmessung nur eingeschränkt
geeignet, da er von den Ärzten nicht unmittelbar beeinflusst werden kann und die Tabakentwöhnung
bisher keine kassenärztliche Leistung ist. Damit fehlt die Bereitstellung von Ressourcen
für die Erreichung dieses Qualitätsziels.
Anhang
Abb. 4 Fagerström-Test for Nicotine Dependence (FTND); auch genannt Fagerström-Test for
Cigarette Dependence (FTCD) [110 ]
[111 ].
Hilfreiche Internetadressen:
AOK: www.ich-werde-nichtraucher.de
BZgA: www.rauchfrei-info.de
DAK: www.dak-rauchstopp.de .
Für Jugendliche: www.justbesmokefree.de
Nichtrauchertelefon:
01805/31 31 31 BzgA – Telefonberatung zur Rauchentwöhnung, Köln
06221/42 42 00 Rauchertelefon, DKFZ Heidelberg
06221/42 42 24 Rauchertelefon für Krebspatienten, DKFZ Heidelberg
01805/0 99 555 Raucherberatungstelefon für Schwangere, Dresden
0800/141 81 41 Helpline – Bayern wird rauchfrei
07071/2987346 Arbeitskreis Raucherentwöhnung, Tübingen
Tab. 9
Rauchende Patienten mit COPD weisen eine besonders hohe Nikotinabhängigkeit auf.
Erster Autor
Titel (gekürzt)
EG
Studientyp
Intervention
N
Effekt
AE
Qualität
Finanzierung
Kommentar
Vozoris NT, 2011 [85 ]
Smoking prevalence, behaviours, and cessation among individuals with COPD or asthma.
2b
Kohortenstudie
keine
134 072
After adjusting for sociodemographic and smoking behaviour confounders, among current
smokers, greater odds of high or very high nicotine addiction were observed among
women with versus without COPD (OR = 2.49, 95 % CI = 1.41 – 4.39), and among women
with versus without asthma (OR = 1.74, 95 % CI = 1.01 – 2.99), but no associations
were seen among men.
keine
wirkt gut
unbekannt
Sehr große Kohortenstudie: Nationally representative Canadian Community Health Survey.
Eine repräsentative Kohorte, sodass diesbezüglich kein Bias vorhanden ist. Die fehlende
Signifikanz bei Männern ist schwer zu erklären.
Kim DK, 2011 [208 ]
Epidemiology, radiology, and genetics of nicotine dependence in COPD.
2b
Kohortenstudie
keine
842 Raucher/innen, davon 335 mit COPD GOLD > 1
Ziel der Analyse war der Zusammenhang zwischen Nikotinabhängigkeit und Lungenemphysem,
wobei nur 335 der 842 Studienteilnehmer eine COPD im Stadium GOLD > 1 hatten. Die
für Aussage E4 entscheidenden Zahlen sind in Tab. 1. Zwischen Rauchern mit und ohne
COPD fand sich bezüglich des FTND kein signifikanter Unterschied (4,7 +/– 2,4 versus
4.6 +/– 2,5; p = 0,49). Die weiteren Studienergebnisse beziehen sich nicht auf die
Aussage E4.
können für diese Studie nicht angegeben werden
gut
National Institutes of Health grants U01HL089856
Gut definierte Kohorte (COPD Gene Study). Abhängigkeit mit FTND reliabel erfasst.
CT Ergebnisse zu Emphysem durch erhöhte Dichte im CT in Folge von Rauchen erschwert.
Goodwin RD, 2011 [107 ]
Depression, anxiety, and COPD: the unexamined role of nicotine dependence.
2b
Querschnittserhebung
keine
5692 (No COPD, n = 5572
COPD, n = 147)
“The odds of COPD among those with nicotine dependence were elevated (adjusted OR = 6.10
[4.30 – 8.77]), even after adjusting for demographic differences. The odds of COPD
associated with nicotine dependence were significantly greater than that associated
with cigarette smoking.
Adjusting for nicotine dependence).”
lässt sich für diese Studie nicht angeben
COPD lediglich über Anamnese definiert. National Comorbidity Survey Replication als
representative Gruppe.
National Institutes of Health grant #DA-20892
Verglichen wurden zwischen Patienten mit und ohne COPD. Die Diagnose einer COPD war
die abhängige Variable in einer logistischen Regression. Als unabhängige Variablen
gingen demografische Daten ein.
Tab. 10
Die Besprechung einer eingeschränkten Lungenfunktion hat einen positiven Einfluss
auf den Erfolg der Tabakentwöhnung.
Erster Autor
Titel (gekürzt)
EG
Studientyp
Intervention
N
Effekt
AE
Qualität
Finanzierung
Kommentar
Kotz D, 2011 [131 ]
Smoking cessation and development of respiratory health in smokers screened with normal
spirometry.
3b
Längsschnittuntersuchung, Nachbeobachtung 2,4 Jahre.
Bei Rauchern mit normaler Lungenfunktion wurde eine Lufu durchgeführt.
255
bei normaler Lufu keine Reduktion der Quit-Rate
nein
keine Intervention, lediglich Beobachtung
öffentlich
Non-smoking was validated by carbon monoxide. Long follow-up. Allerdings keine Intervention,
daher auch keine Randomisierung.
Toljamo T, 2010 [213 ]
Early detection of COPD combined with individualized counselling for smoking cessation:
a two-year prospective study.
3b
Bei Rauchern wurde TE (motivational Interviewing) und Lufu durchgeführt. Lufu wurde
allerdings nicht erläutert.
Bei „gesunden“ Rauchern mit > 20 PY wurde eine Lufu durchgeführt.
584
in multivariater Analyse war Obstruktion in Lufu nicht prädiktiv für quitting, Pharmakotherapie
sehr
nein
mäßig, da Lufu nicht als Intervention
öffentlich
Lufu nicht besprochen. Kein RCT.
Sundblad BM, 2010 [134 ]
Lung function testing influences the attitude toward smoking cessation.
2b
Längschnittuntersuchung, 3 Monate. Fragen zum Aufhörwunsch vor und nach Lufu.
Smokers, of whom 77 had COPD, answered a questionnaire before, shortly after, and
3 months after performing a lufu.
513
nach Lufu mehr Aufhörwillige (52 % vs 9 %; p < 0.0001). Quit rate nach 3 Monaten (30
vs 14 %; p = 0,02)
nein
gut, random sample, aber nicht randomisiert
öffentlich
prospektiv, Vergleichsgruppe, allerdings keine Randomisation.
Kotz D, 2009 [132 ]
Efficacy of confronting smokers with airflow limitation for smoking cessation.
1b
RCT, Effekt der Intervention nach 1 Jahr untersucht.
Raucher mit Obstruktion in Lufu wurde randomisiert in control oder confronting with
Lufu.
296
The OR for abstinence rate was 1,8 (p = 0,08) in the experimental group compared with
control.
nein
gut aber sample size mäßig. RCT
öffentlich
RCT mit guter Methodik. Durch Follow-up von 1 Jahr Ergebnisse klinisch relevant. Jedoch
Verlust von Power.
van der Aalst CM, 2010 [135 ]
Lung cancer screening and smoking abstinence: 2-year follow-up data from the Dutch-Belgian
randomised controlled lung cancer screening trial.
2b
historischer Vergleich, RCT
CT screening
1284
16,6 % der Studienteilnehmer haben aufgehört zu rauchen (historischer Vergleich 3 – 7 %).
kein
gut, großer RCT
öffentlich
CT-screening wird in der o. g. Empfehlung nicht (mehr) abgebildet.
Schook RM, 2010 [214 ]
The finding of premalignant lesions is not associated with smoking cessation in chemoprevention
study volunteers.
2b
retrospektive Auswertung einer Chemopräventionsstudie.
188 current smoker
Univariate regression demonstrated that smoking cessation was only associated with
male gender.
nein
lediglich Regressionsanalyse
Parkes G, 2008 [133 ]
Effect on smoking quit rate of telling patients their lung age: the Step2quit randomised
controlled trial.
1b
RCT with 5 GP in UK
Lung age vs FEV1
561
13.6 % and 6.4 % (difference 7.2 %, P = 0.005, 95 % confidence interval 2.2 % to 12.1 %;
number needed to treat = 14
nein
sehr gut, 12 Monate Nachbeobachtung
öffentlich
Exzellenter britischer RCT. Objektiv verifizierter Endpunkt. Intervention war besonders
effektiv bei denen mit schlechter Lufu.
Bize R, 2007 [215 ]
Effectiveness of biomedical risk assessment as an aid for smoking cessation: a systematic
review.
3a
Metaanalyse von 2007 mit Lit. bis 2004
8 Studien z. T. schlechter Qualität
für einzelne Interventionen wie CO-Bestimmung oder Lufu keine Signifikanz
gut, aber älter (von 2007) und hat daher wichtige Studien nicht erfasst
Aktuelle RCT nicht in Metaanalyse erfasst.
Carpenter MJ, 2007 [216 ]
Does genetic testing result in behavioral health change? Changes in smoking behavior
following testing for alpha-1 antitrypsin deficiency.
2b
nicht randomisierte prospektive Intervention
Testen auf alpha-AT-Mangel bei Rauchern
n = 199
Smokers who tested severely AAT deficient were significantly more likely to report
a 24-hr quit rate
Alpha 1 foundation
Besprechung der Lufu war hier nicht die Intervention.
Taylor KL, 2007 [217 ]
Lung cancer screening as a teachable moment for smoking cessation.
3b
Lung cancer screening wohl retrospektiv ausgewertet
two samples: n = 144 n = 169
At 1-month follow-up, more ready to stop smoking (p < .05). Other sample: in younger
participants
Besprechung der Lufu war hier nicht die Intervention.
van der Aalst, 2011 [136 ]
The impact of a lung cancer computed tomography screening result on smoking abstinence.
1b
RCT
CT screening
990
prolonged abstinence rate in smokers receiving a negative test (46[(8.9 %] out of
519 subjects)
kein
gut
öffentlich
Besprechung der Lufu war hier nicht die Intervention.
Tab. 11
Eine Verbesserung der Lungenfunktion ist nicht zu erwarten, wenn der Tabakkonsum lediglich
reduziert wird.
Erster Autor
Titel (gekürzt)
EG
Studientyp
Intervention
N
Effekt
AE
Qualität
Finanzierung
Kommentar
Pisinger C, 2008 [209 ]
Smoking reduction and cessation reduce chronic cough in a general population: the
Inter99 study.
4
Kohortenstudie
Rauchreduktion >/= 50 %
2408
Reduktion von Husten und Auswurf
keine
mäßig, da keine Randomisierung
öffentlich
Geeignet; SR hat geringeren Effekt auf Hustenreduktion und keinen signifikanten Effekt
auf Sistieren von Auswurf im Vergleich zu Rauchstopp.
Lapperre TS, 2007 [210 ]
Smoking cessation and bronchial epithelial remodelling in COPD: a cross-sectional
study.
4
Querschnitt
Vergleich Raucher und Ex-Raucher
114
Airwayremodelling in der Histologie
NA
mäßig
öffentlich und Industrie
Studie trägt zur Frage, welchen Effekt die Rauchreduktion hat, nicht bei, weil nur
Raucher und Exraucher verglichen wurden und die Rauchreduktion nicht untersucht wurde.
Pisinger C, 2007 [211 ]
Is there a health benefit of reduced tobacco consumption? A systematic review.
2a
Systematischer Review von hoher Qualität mit allerdings unterschiedlichen, nicht randomisierten
Studien
Rauchreduktion >/= 50 %
31 Studien
Rauchreduktion hat keinen Effekt auf Lufu, reduziert aber CV-Risk
keine
gut
öffentlich
Geeignet; zeigt unzureichenden Effekt der Rauchreduktion hinsichtlich Lufu. 31 Studien
wurden nach a priori definierten Kriterien ausgewertet, davon bezogen sich 11 auf
Lungenerkrankungen/COPD. Andere Studien bezogen sich auf Herzerkrankungen.
Tab. 12
Ein Entwöhnungskonzept, das sowohl medikamentöse als auch psychosoziale Unterstützung
umfass, hat sich für COPD-Patienten als effektiv erwiesen.
Erster Autor
Titel (gekürzt)
EG
Studientyp
Intervention
N
Effekt
AE
Qualität
Finanzierung
Kommentar
Tashkin DP, 2011 [181 ]
Effects of varenicline on smoking cessation in patients with mild to moderate COPD:
a randomized controlled trial.
1b
RCT
varenicline vs placebo in smokers with mild to moderate COPD
504 mild-moderate COPD
success rate 18.6 % vs 5.6 %. (OR, 8.40; 95 % CI, 4.99 – 14.14; P < .0001).
no differences
high, 1 year FU
Pfizer
hohe Evidenz, gute Randomisierung, methodisch bedingt exzellente Plazebokontrolle.
Beide Gruppen hatte (geringe) psychosoziale Intervention. OR hoch und klinisch relevant.
Hilberink SR, 2011 [212 ]
General practice counseling for patients with COPD to quit smoking: impact after 1
year of two complex interventions.
2b
RCT
usual care vs cessation program + pharmacotherapy
667
success rate (14.5 %) compared to usual care (7.4 %); odds ratio = 2.1, 95 % confidence
interval = 1.1 – 1.4
no difference
high, but selfreported success rates. Similar results but missing significance with
biochemically verified quit rates
public
Cluster randomized controlled trial including 68 GP.
Norrhall MF, 2009 [166 ]
A feasible lifestyle program for early intervention in patients with COPD: a pilot
study in primary care.
3b
RCT
smoking cessation program and counseling programs
19
47 % stopped smoking
nein
FU 1 Jahr
k. A.
geringe Fallzahl
Strassmann R, 2009 [155 ]
Smoking cessation interventions in COPD: a network meta-analysis of randomised trials.
1a
Systematic Review
smoking cessation counseling; pharmacotherapy; NRT
7372
Counseling + pharmacotherapy is effective (OR = 5,1; p < 0,0001) while counseling
alone is not (OR = 1,8; p ns)
hoch
public
exzellente, aktuelle Metaanalyse zur Empfehlung. Methodisch aufwendig durch „Network
Metaanalyse“.
Paone G, 2008 [174 ]
The combination of a smoking cessation programme with rehabilitation increases stop-smoking
rate.
2c
RCT
smoking cessation + Reha vs, smoking cessation without reha
203
Reha has additional effects, 12 months 68 vs 32 % Quitter
JA
hoch
k. A.
Godtfredsen NS, 2008 [168 ]
COPD-related morbidity and mortality after smoking cessation: status of the evidence.
3a
Systematic Review
smoking cessation in COPD
17 studies (morbidity + 24 studies (mortality)
Die meisten Studien zeigen eine Reduktion der Mortalität nach Tabakentwöhnung. Es
wurde aber kein gemittelter (o. ä.) Effekt angegeben.
ja
niedrig
k. A.
inhomogene Studien, z. T. aus China. Inhomogene Kollektive mit stark unterschiedlicher
Mortalität
Sundblad BM, 2008 [163 ]
High rate of smoking abstinence in COPD patients: Smoking cessation by hospitalization.
1b
RCT
1-year smoking cessation programme vs. TAU
247
7 % vs 51 %; p < 0,0001
hoch
Krankenversicherung
Follow-ups 1 and 3 years
Christenhusz L, 2007 [169 ]
Prospective determinants of smoking cessation in COPD patients within a high intensity
or a brief counseling intervention.
1b
RCT
„SmokeStopTherapy
(SST) compared with minimal intervention strategy (LMIS). The SST consists of group
counseling, individual
counseling and telephone contacts, supported by the use of
Bupropion (Zyban1). The total counseling time of the SST is 595 min.“
225
„One-year cotinine-validated continuous abstinence rates were 9 % for the minimal
intervention strategy for lung patients (LMIS) and 19 % for the SmokeStopTherapy (SST).“
ja
multimodale Diagnostik, Kotinin, 6 – und 12 M-Follow
öffentlich; Zyban von GSK kostenlos
Brief counseling nur bei positiver Einstellung zum Rauchstopp wirksam.
Wilson JS, 2008 [167 ]
Does additional support by nurses enhance the effect of a brief smoking cessation
intervention in moderate to severe COPD?
2b
RCT
Effectiveness of brief advice alone or accompanied by individual nurse support or
group support facilitated by nurses.
91
p = 0,7 (initial keine Fallzahlberechnung)
ja
COPD spezifisch, hoch
k. A.
Fallzahl, kein Effekt, geringe Erfolgsrate (0 vs 6 vs 10 %)
Cahill K, 2011 [187 ]
Nicotine receptor partial agonists for smoking cessation.
1a
Cochrane Systematic review mit aufwendiger Methodik
Efficacy of nicotine receptor partial agonists, including varenicline and cytisine,
for smoking cessation.
16 Studien
Varenicline at standard dosage (1.0 mg twice a day) increased the chances of successful
long-term quit rates.
ja
high
public
Review überwiegend zu Vareniclin. COPD nicht gesondert ausgewertet.