Schlüsselwörter
Divertikulose - Darm - kolorektales Karzinom
Key words
diverticulosis - gastrointestinal tract - colorectal cancer
Inhaltsverzeichnis
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Seite
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Kapitel 1
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Einleitung und Methodik
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664
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1.1.
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Hintergrund
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664
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1.2.
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Ziele der Leitlinie und Gültigkeitsdauer
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664
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1.3.
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Organisatorischer Ablauf des Konsensusprozesses
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664
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1.3.1.
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Zusammensetzung der Leitliniengruppe und Beteiligung der Fachgesellschaften
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664
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1.3.2.
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Literatursuche
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664
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1.3.3.
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Finanzierung/Interessenskonflikte
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665
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1.3.4.
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Prozess der strukturierten Konsensfindung
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665
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Kapitel 2
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Anatomie, Pathologie, Pathogenese, Risikofaktoren, Komorbidität, Medikation
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665
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2.1 – 2.6
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Anatomie, Pathologie, Pathogenese
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665
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2.7 – 2.9
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Nicht beeinflussbare Risikofaktoren: Alter, Geschlecht und Genetik
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668
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2.10
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Risikofaktor Komorbidität
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671
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2.11
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Risikofaktor Medikamente
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673
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Kapitel 3
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Klinisches Erscheinungsbild (Definitionen), natürlicher Verlauf, Komplikationen, Epidemiologie
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675
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Kapitel 4
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Diagnostik und Stadieneinteilung
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677
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4.1 – 4.6
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Anamnese, Basisdiagnostik, Differenzialdiagnose
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677
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4.7 – 4.13
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Bildgebung/Schnittbildverfahren
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679
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4.14 – 4.16
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Endoskopie
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683
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4.17 – 4.21
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Besondere Situationen: Rezidivierende Divertikulitis, Divertikelblutung, Fisteln
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684
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4.22
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Klassifikationen
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686
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Kapitel 5
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Konservative Behandlung, Medikamente, Ernährung, Lifestyle
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687
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5.1
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Primärprophylaxe der Divertikulitis
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687
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5.2 – 5.3
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Therapie der akuten unkomplizierten Divertikelkrankheit/Divertikulitis (Typ 1a/Typ
1b)
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687
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5.4 – 5.5
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Therapie der komplizierten Divertikulitis (Typ 2a)
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688
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5.8
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Rechtsseitige Divertikulitis
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688
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5.9 – 5.10
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Chronische Divertikelkrankheit
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688
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Kapitel 6
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Indikationen: ambulante/stationäre Behandlung, konservative/chirurgische Behandlung
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689
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6.1
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Voraussetzungen der ambulanten Behandlung
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689
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6.2 – 6.19
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Konservatives versus operatives Prozedere
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690
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6.2 – 6.5
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Akute unkomplizierte Divertikulitis
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690
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6.6 – 6.10
|
Akute komplizierte Divertikulitis
|
691
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6.11 – 6.12
|
Chronisch-komplizierte Divertikulitis
|
692
|
6.13
|
Chronisch-rezidivierende Divertikulitis
|
693
|
6.14 – 6.17
|
Divertikelblutung (endoskopisch, radiologisch, chirurgisch)
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694
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6.18 – 6.19
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Rezidivdivertikulitis nach Sigmaresektion
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695
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Kapitel 7
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Operationsverfahren
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695
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7.1 – 7.3
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Verfahrenswahl bei der elektiven Sigmaresektion
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695
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7.4 – 7.6
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Verfahrenswahl bei der perforierten Sigmadivertikulitis (frei/gedeckt)
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695
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7.7 – 7.9
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Welches Verfahren sollte bei der Divertikelblutung verwendet werden.
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697
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7.10 – 7.14
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Ausmaß der Sigmaresektion
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698
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7.15
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Stomaprotektion
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699
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7.16 – 7.17
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Technische Aspekte der Sigmaresektion
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699
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Kapitel 1 Einleitung und Methodik
Kapitel 1 Einleitung und Methodik
1.1. Hintergrund
Die Divertikulose, das asymptomatische Vorhandensein von Pseudodivertikeln des Dickdarms,
sowie die Divertikelkrankheit, der Divertikulose mit klinisch signifikanten Symptomen,
gehören zu den häufigsten Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts. Die Prävalenz der
Divertikulose liegt zwischen 28 und 45 % in der Gesamtbevölkerung und über 60 % bei
den über 70-Jährigen [1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]. Hierbei ist in den westlichen Ländern in den letzten Jahrzehnten eine weitere Zunahme
der Hospitalisierungsrate wegen Komplikationen der Divertikelkrankheit zu beobachten,
die nun immer häufiger auch jüngere Patienten betrifft. Es können verschiedene Komplikationen
auftreten, bei denen Entscheidungskriterien notwendig sind, welcher Patient einer
stationären Behandlung bedarf und welcher im Rahmen einer ambulanten Therapie verbleiben
kann. Häufige Komplikationen sind das Auftreten einer Divertikulitis, die zu einer
gedeckten oder offenen Perforation führen kann und die mittel- bis langfristig rezidivierende
schmerzhafte Schübe, Stenosen oder Fisteln zur Folge haben kann. Weiterhin können
untere gastrointestinale Blutungen auftreten durch die Eröffnung von vasa recta, bedingt
durch Scherkräfte am Divertikelrand.
Trotz der immensen Bedeutung des Krankheitsbilds hat es in der medizinischen Wahrnehmung,
im Vergleich zu anderen Krankheitsbildern, bislang ein relatives Schattendasein geführt
mit nur übersichtlicher Anzahl von randomisierten Therapiestudien und nur vergleichsweise
wenigen Arbeiten zur Pathogenese der Erkrankung. Erst in jüngster Zeit sind zunehmende
wissenschaftliche Anstrengungen erfolgt, die althergebrachte Vorstellungen sehr kritisch
hinterfragen, wie bspw. zur bislang häufig sehr unkontrollierten Antibiotikagabe bei
der unkomplizierten Divertikulitis ohne Risikofaktoren oder zur OP-Indikation („nach
dem zweiten Schub“). Weitere Entwicklungen betreffen die gezielte Diagnostik der Divertikelkrankheit,
welche insbesondere die Bildgebung des perikolischen Raumes beinhalten muss und bei
der beispielsweise die Sonografie zunehmende Bedeutung gewonnen hat. Des Weiteren
ist festzustellen, dass die bislang vorliegenden Klassifikationen der Divertikulitis,
wie die im angloamerikanischen Raum weit verbreitete Klassifikation nach Hinchey [7] oder die im deutschsprachigen Raum verbreitete Klassifikation nach Hansen und Stock
[8] nicht allen modernen Kenntnissen über Diagnose und Krankheitsverlauf gerecht werden,
sodass die vorliegende Leitlinie einen Vorschlag einer weiterentwickelten Klassifikation
erarbeitet hat.
Zusammenfassend war es von großer Bedeutung, das aktuelle Wissen zur Divertikelkrankheit/Divertikulitis
interdisziplinär zu erarbeiten und zu bewerten und nun erstmals eine Leitlinie zu
entwickeln, die die gegenwärtigen Erkenntnisse zusammenfasst und Handlungsvorschläge
zum Umgang mit Betroffenen gibt.
1.2. Ziele der Leitlinie und Gültigkeitsdauer
Ziel der Leitlinie ist eine Zusammenfassung und Bewertung des aktuellen Erkenntnisstands
zur Divertikelkrankheit und der Aussprache von Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie
der Erkrankung. Die Empfehlungen der Leitlinie richten sich dabei an alle an der Diagnostik
und Therapie beteiligten Ärzte von Patienten mit einer Divertikelkrankheit, sowohl
im ambulanten als auch im stationären Bereich. Darüber hinaus soll sie dem Betroffenen
die Möglichkeit geben, sich über die Erkrankung zu informieren. Der behandelnde Arzt
kann im individuellen Einzelfall von den Empfehlungen abweichen. Sie hat eine Gültigkeitsdauer
von 5 Jahren. (31.12.2018)
1.3. Organisatorischer Ablauf des Konsensusprozesses
1.3.1. Zusammensetzung der Leitliniengruppe und Beteiligung der Fachgesellschaften
Die vorliegende Leitlinie wurde federführend erstellt durch die Deutsche Gesellschaft
für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) sowie die Deutsche
Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV). Die DGVS beauftragte im
Januar 2012 Herrn Prof. Dr. Wolfgang Kruis, Evangelisches Krankenhaus Kalk, Köln die
Leitlinie zu erstellen. Herr Prof. Dr. Germer, Universitätsklinik Würzburg wurde von
der DGAV benannt. Des Weiteren wurde Herr Prof. Dr. Ludger Leifeld, St. Bernward Krankenhaus,
Hildesheim als Koordinator benannt. Die Leitungsgruppe lud weitere Fachgesellschaften
sowie Patientenvertreter zur Teilnahme an der Leitlinie ein (beteiligte Fachgesellschaften
siehe [Tab. 1]).
Tab. 1
Beteiligte Fachgesellschaften.
federführende Fachgesellschaften
|
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
(DGVS)
|
Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV)
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weitere beteiligte Gesellschaften/Organisationen
|
Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE)
|
Deutsche Röntgengesellschaft
|
Deutsche Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM)
|
Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM)
|
Deutsche M Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV)
|
Die Leitungsgruppe stellte insgesamt 6 Arbeitsgruppen zusammen und benannte die Themenkomplexe
und Schlüsselfragen der Arbeitsgruppen. Sie benannte die Leiter sowie die Teilnehmer
der Arbeitsgruppen ([Tab. 2]). Die Auswahl der Mitglieder der Leitlinie erfolgte nach fachlichen Kriterien. Beteiligte
Fachgesellschaften konnten jeweils mind. einen Fachvertreter benennen. Außerdem ermöglichte
die DGVS ihren Mitgliedern sich um die Beteiligung an der Leitlinie zu bewerben. Es
wurde ein ausgewogenes Verhältnis der einzelnen Fachvertreter hergestellt und sowohl
Niedergelassene als auch Ärzte von Kliniken aller Versorgungsstufen beteiligt.
Tab. 2
Mitglieder der Leitliniengruppe.
Koordinatoren
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C. T. Germer (Würzburg), W. Kruis (Köln), L. Leifeld (Hildesheim)
|
Arbeitsgruppe 1: „Anatomie, Pathogenese“
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Leiter: S. Böhm (Essen), T. Wedel (Kiel)
|
V. Andresen (Hamburg), M. Böttner (Kiel), B. Siegmund (Berlin), W. Wellmann (Hannover)
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Arbeitsgruppe 2: Klinisches Erscheinungsbild (Definitionen), natürlicher Verlauf,
Komplikationen Epidemiologie
|
Leiter: F. L. Dumoulin (Bonn), T. Sauerbruch (Göttingen)
|
G. von Boyen (Sigmaringen), C. Elsing (Dorsten), J. C. Hoffmann (Ludwigshafen), R.
Pfützer (Döbeln)
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Arbeitsgruppe 3: Diagnostik und Stadieneinteilung
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Leiter: B. Lembcke (Gladbeck), J. P. Ritz (Schwerin)
|
M. Gross (München), O. Hansen (Wesel), A. Schreyer (Regensburg)
|
Arbeitsgruppe 4: Konservative Behandlung, Medikamente, Ernährung, Lifestyle
|
Leiter: W. Häuser (Saarbrücken), M. Reinshagen (Braunschweig)
|
H. E. Adamek (Leverkusen), C. Eckmann (Peine), V. Gross (Amberg), D. Haller (Freising-Weihenstephan),
A. Holstege (Landshut)
|
Arbeitsgruppe 5: Indikationen: ambulante/stationäre Behandlung, konservative/chirurgische
Behandlung
|
Leiter: C. T. Germer (Würzburg), J. Labenz (Siegen)
|
F. Hartmann (Frankfurt), U. Helwig (Oldenburg), D. Hüppe (Herne), G. Layer (Ludwigshafen),
S. Willis (Ludwigshafen)
|
Arbeitsgruppe 6: Operationsverfahren
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Leiter: M. E. Kreis (München), S. Post (Mannheim)
|
M. Groß (Berlin), G. Müller (Köln), B. H. A. von Rahden (Würzburg), T. Schiedeck (Ludwigsburg),
W. Schwenk (Hamburg)
|
Methodische Unterstützung:
|
P. Lynen Jansen (Berlin), J. Preiss (Berlin), T. Karge (Berlin), E. Friedrich-Würstlein
(Würzburg)
|
Mandatsträger beteiligter Fachgesellschaften
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W. Kruis (Köln) DGVS
|
C. T. Germer (Würzburg) DGAV
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G. Layer (Ludwigshafen) Dt. Röntgengesellschaft
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A. Schreyer (Regensburg) Dt. Röntgengesellschaft
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B. Lembcke (Gladbeck) DEGUM
|
T. Wedel (Kiel), V. Andresen (Hamburg) DGNM
|
M. Groß (Berlin) DCCV
|
D. Haller (Freising-Weihenstephan) DGE
|
1.3.2. Literatursuche
Es wurde eine systematische Literatursuche durchgeführt. Hierfür wurde eine PubMed-/MEDLINE-Suchstrategie
festgelegt. Der Suchzeitraum beinhaltete den Zeitraum vom 1.9.1998 bis zum Tag der
Leitlinienkonferenz am 16.3.2013. Literatur bis zum 1.9.1998 war in der EAES-Konsensuskonferenz
[9] erfasst worden und wurde hiervon übernommen.
Zusätzlich wurden alle Arbeiten berücksichtigt, die die 2012 erschienene dänische
Leitlinie ausgewählt hatte [10], mit deren Leitung bez. ihres Suchalgorithmus ebenfalls Kontakt aufgenommen worden
war.
Die vom Koordinator nach Themengebieten vorsortierte Literatur wurde allen Mitgliedern
der Leitlinie über das Portal Leitlinienentwicklung als Volltext zur Verfügung gestellt.
Zusätzlich wurde allen Mitgliedern die Möglichkeit gegeben, Volltexte weiterer Arbeiten
anzufordern und bei der Leitlinienerstellung zu berücksichtigen.
1.3.3. Finanzierung/Interessenskonflikte
Die Leitlinie wurde vollständig von der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie,
Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für
Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) finanziert. Die Erarbeitung erfolgt in redaktioneller
Unabhängigkeit von den finanzierenden Fachgesellschaften. Alle Mitglieder der Arbeitsgruppen
haben sich ehrenamtlich an der Leitlinie beteiligt. Alle Beteiligten gaben Interessenskonflikterklärungen
ab, die von der Leitungsgruppe gesichtet und als unkritisch bewertet wurden. Sie sind
im Leitlinienreport veröffentlicht, der von der Internetseite der AWMF sowie der DGVS
abrufbar ist.
1.3.4. Prozess der strukturierten Konsensfindung
Von den Arbeitsgruppen wurden auf der Grundlage der vorhandenen Literatur Empfehlungen
erstellt und kommentiert. Über die innerhalb der Arbeitsgruppen konsentierten Empfehlungen
wurde über ein internetbasiertes Portal („Portal Leitlinienentwicklung“) online von
allen Mitgliedern der Leitlinie abgestimmt (erstes Delphi-Verfahren). Alle hierin
mit starkem Konsens (> 95 %) zugestimmten Empfehlungen galten als angenommen und wurden
in der Konsensuskonferenz lediglich vorgestellt. Alle weiteren Empfehlungen wurden
im Rahmen der Konsensuskonferenz von den Arbeitsgruppen vorgestellt. Die Arbeitsgruppen
berücksichtigten hierbei online von Mitgliedern der Leitlinie im Vorfeld gegebene
Kommentare und stellten sie zur Diskussion. Ebenfalls wurde Literatur berücksichtigt,
die zwischen Abschluss des Delphi-Verfahrens und der Konsensuskonferenz erschienen
war. Alle Empfehlungen wurden von den Arbeitsgruppenleitern vorgestellt. Die Diskussion
wurde jeweils von Moderatoren geleitet, die nicht der Arbeitsgruppe angehörten. Anschließend
wurde abgestimmt. Hierfür stand ein anonymes elektronisches Abstimmungssystem (TED)
zur Verfügung. Wenige offene Punkte wurden in einem zweiten Delphi-Verfahren online
über das Leitlinienportal abgestimmt.
Detaillierte Informationen zum Zeitablauf der Leitlinienentwicklung siehe [Tab. 3]. Nochmals sind weitere Details zur Organisation und Methodik einschließlich systematischer
Literatursuche und Konsensuskonferenz im Leitlinienreport erläutert, der von der Internetseite
der AWMF sowie der DGVS abrufbar ist ([Tab. 4], [5]).
Tab. 3
Zeitablauf der Leitlinienerstellung.
Rubrik
|
Teilpunkt
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Zeitraum
|
Initiierung
|
Beauftragung der Koordinatoren
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25.1.2012
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Festlegung der Arbeitsgruppen und Themengebieten
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Febr.–März 2012
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Auswahl und Einladung der Konferenzteilnehmer
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Febr.–Mai 2012
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Einladung weiterer Fachgesellschaften
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Febr.–Mai 2012
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Genehmigung des Konzepts durch die DGVS
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31.5.2012
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Anmeldung bei der AWMF
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29.5.2012
|
Einrichtung des Leitlinienportals
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Juni 2012
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Literaturrecherche
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Erstellung der Suchstrategie
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März–Mai 2012
|
Systematische Literaturrecherche
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Mai 2012
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Auswahl und Beschaffung der Volltexte
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Juni 2012
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Einstellung ins Leitlinienportal
|
Juli 2012
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strukturierte Konsensfindung
|
Fertigstellung eines innerhalb der Gruppen konsentierten Stichwortkatalogs
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Juni–Juli 2012
|
Erstformulierung der Empfehlungen innerhalb der Arbeitsgruppen
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Juli–Dez. 2012
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1. Internetbasierte Delphi-Abstimmung
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Februar 2013
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Nachbearbeitung der Befragung und Vorbereitung der Konsensuskonferenz
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Febr.–März 2013
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Konsensuskonferenz
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in Würzburg
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16.3.2016
|
Nachbearbeitung
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Vorbereitung 2. Delphi-Befragung durch AGs
|
März–Juni 2013
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2. internetbasierte Delphi-Abstimmung
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Juni–Juli 2013
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Nachbearbeitung der Kapitel durch die AGs
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Juli–Sept 2013
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Erstellung des Gesamtmanuskripts
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Sept.–Nov. 2013
|
Durchsicht der Leitlinie durch alle Teilnehmer und den beteiligten Fachgesellschaften
|
Dez. 2013–Jan. 2014
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Veröffentlichung
|
Mai 2014
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Tab. 4
Konsensusstärken.
starker Konsens
|
Zustimmung > 95 % der Teilnehmer
|
Konsens
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Zustimmung > 75 – 95 % der Teilnehmer
|
mehrheitliche Zustimmung
|
Zustimmung > 50 – 75 % der Teilnehmer
|
kein Konsens
|
Zustimmung < 50 % der Teilnehmer
|
Tab. 5
Nomenklatur der Empfehlungsstärken.
Formulierung
|
Empfehlungsstärke
|
„soll“
|
starke Empfehlung
|
„sollte“
|
Empfehlung
|
„kann“
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offene Empfehlung
|
„sollte nicht“
|
Negativempfehlung
|
„soll nicht“
|
starke Negativempfehlung
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Kapitel 2 Anatomie, Pathologie, Pathogenese, Risikofaktoren, Komorbidität, Medikation
Kapitel 2 Anatomie, Pathologie, Pathogenese, Risikofaktoren, Komorbidität, Medikation
2.1 – 2.6 Anatomie, Pathologie, Pathogenese
Definition von Kolondivertikeln: Kolondivertikel sind erworbene Ausstülpungen der
Mukosa und Submukosa durch muskelschwache Lücken der Kolonwand.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 2.1
Die Herniation der Mukosa mit Anteilen der Submukosa erfolgt durch präformierte Schwachstellen
(„Loci minoris resistentiae“) entlang intramuraler Blutgefäße (Vasa recta) [11]
[12]
[13]
[14]. Reichen die sog. Pseudodivertikel bis in die Muskelschicht hinein, so handelt es
sich um inkomplette, intramurale Kolondivertikel [15]. Werden alle Wandschichten bis zur serosalen Darmoberfläche durchwandert, so spricht
man von kompletten, extramuralen Kolondivertikel. In westlichen Ländern entstehen
Kolondivertikel überwiegend im linksseitigen Kolon, während bei der asiatischen Bevölkerung
vorzugsweise das rechtsseitige Kolon betroffen ist [16]
[17]
[18]. Das gehäufte Auftreten von Kolondivertikeln im Sigma wird darauf zurückgeführt,
dass in diesem Darmabschnitt zahlreiche Vasa recta zu finden sind, hohe intraluminale
Drücke vorliegen und sich die peristaltischen Wellen prellbockartig vor dem Rektum
brechen.
Mikroskopische und makroskopische Pathologie: Pathologisch ist die Divertikulitis
durch einen Entzündungsprozess gekennzeichnet, der von Kolondivertikeln (Peridivertikulitis)
ausgeht, auf die Darmwand übergreifen (fokale Perikolitis) und schwere Komplikationen
(Abszess- und/oder Fistelbildung, gedeckte Perforation, offene Perforation mit Peritonitis,
Stenosierung, divertikulitischer Tumor) zur Folge haben kann. Weitere Komplikationen
der Divertikelkrankheit sind Kolondivertikelblutungen.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 2.2
Kolondivertikel sind besonders anfällig für entzündliche Veränderungen, da die durch
die Herniation mitgeführten Blutgefäße komprimiert werden und die prolabierte Schleimhaut
lokal minderversorgt ist [19]. Zusätzlich kann ein verengter Divertikelhals zur längeren Retention von keimbelasteten
Stuhl im Divertikellumen sowie zur Bildung von Kotsteinen führen, die über eine mechanische
Irritation des Divertikelrands Druckulzerationen hervorrufen können [20]. Histopathologisch zeigen sich prominente Schleimhautaufwerfungen mit gestörter
Kryptenarchitektur und Kryptitis, Ulzerationen mit lymphozytären und neutrophilen
Infiltraten, Fibrosierung der Lamina propria mucosae sowie eine Hyperplasie und Aufsplitterung
der Lamina muscularis mucosae [21]. Rezidivierende Entzündungsschübe können langfristig zur lokalen Fibrosierung, Wandverdickung
und Stenosierung führen, ggf. mit Bildung eines sog. divertikulitischen Tumors [22]. Klinisch kann es dabei zur Subileus-Symptomatik oder einem kompletten Dickdarmverschluss
kommen. Gedeckte Perforationen entstehen im Gefolge lokaler Entzündungsprozesse und
bilden den Ausgang für Abszedierungen und Fistelbildungen in benachbarte Organe. Eine
offene Divertikelruptur in die freie Bauchhöhle kann auch ohne entzündliche Veränderungen
erfolgen und ist zumeist durch eine Schwächung der dünnwandigen Divertikelkuppe bedingt
[22]. In einigen Fällen lassen sich Überlappungen mit histopathologischen Befunden beobachten,
wie sie typischerweise bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen vorliegen (z. B.
Granulome, transmurale entzündliche Infiltrate, lymphoide Aggregate, Panethzell-Metaplasie)
[23]. Weitere Differenzialdiagnosen sind verschiedenen Formen der Kolitis (lymphozytäre,
kollagene, ischämische oder infektiöse Kolitits) sowie die selten assoziiert mit der
Divertikelkrankheit auftretende Sigmoiditis, bei der die entzündlichen Veränderungen
nicht auf peridivertikuläre Areale beschränkt sind, sondern den gesamten divertikeltragenden
Darmabschnitt betreffen [24]. Die unter Spannung stehenden Blutgefäße am Divertikelhals und an der Divertikelkuppe
sind besonders anfällig für mechanisch bedingte Rupturen bzw. Arrosionen, die die
hohe Blutungsneigung bei der Divertikelkrankheit erklären und zumeist ohne entzündliche
Begleitveränderungen auftreten [25].
Veränderungen der Muskulatur: Bei der Divertikelkrankheit liegt häufig eine Verdickung
der Darmwandmuskulatur vor.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 2.3
Die Verdickung der Tunica muscularis betrifft sowohl die Ring- als auch die Längsmuskelschicht
[26]
[27]
[28]
[29]
[30]
[31]. Die Muskelverdickung wurde als häufiger Befund im divertikeltragenden Kolonsegment
beschrieben und kann auch bei reizloser Divertikulose auftreten [26]
[31]. Die Muskelverdickung korreliert zwar mit dem Ausmaß des Divertikelbefalls, nicht
jedoch mit dem Schweregrad der klinischen Symptomatik [26]. Histopathologisch wurden mehrheitlich bandartige und weniger häufig zirkumferenzielle
Muskelverdickungen beobachtet [26]
[31]. Es ließen sich fischgrätenartige und aberrant verlaufende Muskelzüge beobachten
[29]. Die als myostatisch gedeutete Muskelverdickung („Myochosis coli“) wird wahrscheinlich
weniger durch eine Hyperplasie, sondern eher durch eine Hypertrophie der kontrakten
Myozyten hervorgerufen [27]
[30]
[31]. Aufgrund des Nachweises einer vermehrten Elastineinlagerung in der Längsmuskulatur
[28]
[29]
[32] wird angenommen, dass es dadurch zu einer Kontraktion der Taenien mit Verkürzung
des Darmrohrs („Concertina-Kolon“) [29]
[30]
[31] kommt und die überschüssigen Schleimhautaufwerfungen als Pseudodivertikel durch
die Darmwand nach außen gedrückt werden.
Veränderungen des Bindegewebes: Es gibt Hinweise darauf, dass bei der Divertikelkrankheit
Veränderungen des Gehalts, der Zusammensetzung und Verknüpfung von Bindegewebsfasern
sowie ein gestörter Metabolismus der bindegewebigen Matrix vorliegen.
Konsensusstärke: Konsens
Kommentar zu Statement 2.4
Aufgrund einer altersbedingten, generellen Erschlaffung des Bindegewebes und Abnahme
des Gewebeturgors können sich die von Bindegewebe flankierten Blutgefäßdurchtritte
erweitern und damit einer Divertikelausbildung mit zunehmendem Alter Vorschub leisten.
Belege für eine pathogenetische Bedeutung von Bindegewebsveränderungen sind das gehäufte
Auftreten von Kolondivertikeln bei Patienten mit systemischen Bindegewebserkrankungen
aufgrund genetischer Defekte (z. B. Marfan- und Ehlers-Danlos-Syndrom) [33]
[34]. In einzelnen Untersuchungen wurde gezeigt, dass der Gesamtkollagengehalt [28]
[32] sowie die Verknüpfung (Cross-linking) der Kollagenfasern bei der Divertikelkrankheit
erhöht sind [35]. Es wird vermutet, dass dadurch die Anpassungsfähigkeit des Darmrohrs an die wechselnden
intraluminalen Drücke herabgesetzt ist. Darüber hinaus wurde eine Verschiebung des
Kollagentyps I zugunsten des weniger stabilen Kollagentyps III beschrieben [36]
[37], die zu einer lokalen mechanischen Schwächung der Darmwand führen könnte. Zwei Untersuchungen
wiesen darauf hin, dass die für den Bindegewebsabbau maßgeblich verantwortlichen Enzyme
bei der Divertikelkrankheit verändert sind (erniedrigte Matrix-Metalloproteinase 1,
erhöhte Gewebeinhibitoren 1 und 2 der Matrix-Metalloproteinasen) [38]
[39]. Ältere Untersuchungen zeigten einen erhöhten Gehalt an Elastinfasern innerhalb
der Tänienmuskulatur auf (Elastosis coli), die zur Längskontraktur des Darmrohrs und
damit zum Schleimhautüberschuss führen kann [28]
[29]
[32].
Veränderungen der Darminnervation: Es gibt Hinweise darauf, dass bei der Divertikelkrankheit
eine enterische Neuropathie vorliegt, die durch strukturelle Veränderungen des enterischen
Nervensystems und Störungen im enterischen Neurotransmittersystem gekennzeichnet ist.
Konsensusstärke: Konsens
Kommentar zu Statement 2.5
In mehreren Untersuchungen wurde gezeigt, dass bei der Divertikelkrankheit die intramuralen
Ganglien verkleinert sind und einen erniedrigten Nervenzellgehalt aufweisen (oligoneuronale
Hypoganglionose) [40]
[41]
[42]
[43]
[44]. In einer Studie fanden sich histopathologische Korrelate einer sog. intestinalen
neuronalen Dysplasie [45]. Darüber hinaus wurden Veränderungen sowohl von exzitatorischen (Acetylcholin, Substanz
P) und inhibitorischen (Stickoxyd, vasoaktives intestinales Polypeptid) Neurotransmittern
als auch von Neurotransmitterrezeptoren (Serotonin-Rezeptor 4, Muskarin-Rezeptor 3)
beschrieben [46]
[47]
[48]
[49]
[50]
[51]. Es wird vermutet, dass diese strukturellen und funktionellen Veränderungen der
Darminnervation zu intestinalen Motilitätsstörungen führen, die ihrerseits die Entwicklung
einer Divertikulose fördern. Belege für diese Hypothese sind zurzeit noch relativ
schwach, da lediglich in einer Studie auch Patienten mit reizloser Divertikulose vor
Auftreten einer Divertikulitis eingeschlossen wurden, wobei sich auch in diesem Kollektiv
bereits ein entsprechender Ganglienzellverlust beobachten ließ [42]. Darüber hinaus werden Störungen der Darminnervation verantwortlich gemacht für
die insbesondere bei chronischen Verläufen der Divertikelkrankheit zu beobachtende
Schmerzsymptomatik. In diesen Fällen wurden eine wahrscheinlich postinflammatorisch
bedingte Erhöhung von schmerzvermittelnden Neurotransmittern (Galanin, Neuropeptid
K) sowie eine Proliferation von schmerzleitenden Nervenfasern beobachtet, die auf
eine viszerale Hypersensitivität bei chronifizierter Divertikelkrankheit schließen
lassen – ähnlich wie beim postinfektiösen Reizdarmsyndrom [52]
[53].
Veränderungen der Darmmotilität und -sensitivität: Passend zu den histopathologischen
Veränderungen der Darmwand finden sich zumind. bei einem Teil der Patienten mit Divertikelkrankheit
Störungen der Motilität und Sensitivität des Kolons.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 2.6
Eine Reihe von älteren Studien deutete bereits auf eine veränderte Darmmotilität im
Rektosigmoidalbereich bei Patienten mit Divertikelkrankheit hin, insbesondere auf
eine gesteigerte kontraktile Aktivität sowohl in Ruhe als auch in Antwort auf eine
Mahlzeitgabe [54]
[55]
[56]
[57]
[58]. Vergleichbare Veränderungen zeigten sich auch bei rechtsseitiger Divertikelkrankheit
des Kolons [59]. Es gab jedoch auch Studien, in denen solche Veränderungen nicht nachgewiesen wurden,
sodass dieses Phänomen möglicherweise nur bei einem Teil der Divertikelpatienten relevant
ist [60]
[61]. Auch neuere Untersuchungen mittels 24-Stunden-Manometrie des gesamten Kolons deuten
auf Motilitätsveränderungen bei Divertikelpatienten hin. Hierzu zählen z. B. eine
gesteigerte kontraktile Aktivität in divertikeltragenden Darmsegmenten, eine gesteigerte
spastische Tonussteigerung nach Mahlzeitgabe und eine erhöhte Anzahl von hochamplitudigen,
propagierten Kontraktionen (HAPC), die für das manometrische Korrelat der Massenbewegungen
im Darm gehalten werden [62]
[63]. Diese HAPCs sind dabei gehäuft retrograd propagiert, was entweder als Zeichen einer
gestörten motorischen Koordination oder gar als Antwort auf eine distal liegende (spastische?)
Engstelle gedeutet werden könnte [62]
[63]
[64]. Eine sensomotorische Untersuchung des Rektums und des sigmoidalen Kolons mittels
Barostat-Technik konnte gegenüber Gesunden bei symptomatischen Divertikelträgern eine
erhöhte sensorische Empfindlichkeit gegenüber Ballondistension bei unveränderter Compliance
zeigen [65]. Diese Hypersensitivität fand sich dabei nicht nur im divertikeletragenden Sigma,
sondern auch im unbetroffenen Rektum [65].
2.7 – 2.9 Nicht beeinflussbare Risikofaktoren: Alter, Geschlecht und Genetik
Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen der Prävalenz der Divertikulose bzw. der
Divertikelkrankheit und zunehmendem Alter.
Statements 2.7.2. Genetik
Neben Umweltfaktoren spielt auch eine genetische Prädisposition eine entscheidende
Rolle in der Entstehung der Divertikulose bzw. der Divertikelkrankheit.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 2.7.1 – 2.7.2
2.7.1. Alter
Die Prävalenz der Divertikulose ist schwierig zu erfassen, nachdem die Präsenz von
Divertikeln nicht notwendigerweise Beschwerden verursacht. Auf dem Boden von Kolonkontrastuntersuchungen
und Obduktionen, die beide die Prävalenz überschätzen könnten, werden für westliche
Industrienationen folgende Prävalenzen angegeben: ca. 13 % für Personen unter 50 Jahren,
ca. 30 % für Personen zwischen 50 und 70 Jahren, ca. 50 % für Personen zwischen 70
und 85 Jahren sowie ca. 66 % für Personen älter als 85 Jahre [66]
[67]
[68]
[69].
Auch die Inzidenz der Divertikelkrankheit zeigt eine klare Altersabhängigkeit, obgleich
sich in Daten aus dem letzten Jahrzehnt ein Trend zur Zunahme bei jüngeren Patienten
abzeichnet [70]. In einer US-amerikanischen Studie, gestützt auf das landesweite Register aller
stationär behandelten Patienten, stiegen die stationären Behandlungen der Divertikelkrankheit
in dem Zeitraum von 1998 – 2005 um 26 %. Das Durchschnittsalter der Betroffenen sank
in diesem Zeitraum von 64,6 auf 61,8 Jahre. Die Inzidenz lag 1998 am höchsten mit
2447/1 000 000 (Mio.) für die über 75-Jährigen, gefolgt von 1360/Mio. für die 65 – 74-Jährigen,
659/Mio. für die 45 – 64-Jährigen und 151/Mio. für die 18 – 44-Jährigen [71]. Die Inzidenz stieg in dem Zeitraum jedoch am stärksten in der Gruppe der 18 – 44-Jährigen
(auf 251/Mio.), gefolgt von der Gruppe der 45 – 64-Jährigen (auf 777/Mio.) während
die Inzidenz in der Gruppe der 65 – 74-Jährigen stabil blieb und in der Gruppe der
über 75-Jährigen fiel [71]. In einer ähnlichen Analyse, die den Zeitraum von 2002 – 2007 umfasste, waren 29,6 %
der wegen Divertikulitis aufgenommenen Patienten jünger als 50 Jahre, 40,2 % waren
zwischen 50 und 70 Jahren und 30,2 % älter als 70 Jahre. Auch in diesem Zeitraum nahmen
die Aufnahmen in der Gruppe der über 75-Jährigen um 4,8 % ab, während sie in der Gruppe
der unter 50-Jährigen um 1,3 % und in der Gruppe der 50 – 70-Jährigen um 3,5 % zunahm
[72]. In einer neuen Arbeit wurden 2127 Personen, bei denen im Rahmen einer Koloskopie
eine Divertikulose festgestellt wurde, über im Median fast 7 Jahre beobachtet. Die
kumulative Wahrscheinlichkeit über 10,8 Jahre eine Divertikulitis zu entwickeln betrug
4,3 %, sie lag für 40-Jährige mit 11 % am höchsten und nahm mit steigendem Lebensalter
mit jeder zusätzlichen Dekade um 24 % ab [73]. Der von einigen Autoren beschriebene aggressivere Verlauf der Divertikelkrankheit
bei jüngeren Patienten [74]
[75] scheint sich in neueren Arbeiten nicht zu bestätigen [76]
[77]
[78].
Die Daten zu einer Geschlechterpräferenz bei der Divertikulose sind inhomogen [67]
[69]. Während frühe Studien ein Männerübergewicht bei Patienten mit Divertikelkrankheit
berichteten [70], fanden die US-Studien 1998/1999 einen Anteil von 60,7 % Frauen bei den divertikelkrankheitbedingten
Krankenhausaufnahmen, der bis 2007 auf 57,8 % zurückging [70]
[72].
2.7.2. Genetik
Einige seltene genetische Syndrome weisen eine starke Prädisposition zur Ausbildung
von Divertikeln des Kolons auf. Hierzu zählen das Marfan-Syndrom, das Ehlers-Danlos-Syndrom,
das Williams-Beuren-Syndrom, das Coffin-Lowry-Syndrom sowie die polyzystische Nierenerkrankung
[69]
[79]
[80]
[81]. Die Betroffenen entwickeln die Kolondivertikel bereits in einem jungen Lebensalter
[67]
[82]
[83]. Gemeinsam sind diesen Syndromen Defekte einer Komponente der extrazellulären Matrix
bzw. Bindegewebsfasern, dies legt eine Rolle dieser Strukturen auch in der Pathogenese
der spontanen Divertikulose nahe (siehe Kommentar zu Statement 4). Klinische Fallberichte
wiesen bereits bislang auf familiäre Risikofaktoren für die Entwicklung der Divertikulose/Divertikelkrankheit
in der allgemeinen Bevölkerung hin [69]. Eine Studie an 104 552 Zwillingen zeigt für die Entwicklung einer Divertikelkrankheit
nun ein klares genetisches Risiko mit einer Odds Ratio (OR) von 7,15 für den monozygoten
Ko-Zwilling und von 3,20 für den gleichgeschlechtlichen dizygoten Ko-Zwilling. Der
Einfluss der genetischen Faktoren für die Entstehung der Divertikelkrankheit wurde
auf 40 % gegenüber 60 % für Umweltfaktoren geschätzt [80].
Beeinflussbare Risikofaktoren Ernährung und Genussmittel
Risikoindikatoren für das Auftreten einer Divertikulose, Divertikulitis und Divertikelblutung
sind in [Tab. 6] gelistet:
Konsensusstärke: starker Konsens
Tab. 6
Beeinflussbare Risikofaktoren: Ernährung und Genussmittel.
|
Divertikulose
|
Divertikelkrankheit
|
Divertikelblutung
|
|
Risiko
|
Studienbasis
|
Risiko
|
Studienbasis
|
Risiko
|
Studienbasis
|
Ballaststoffe
|
+/o/-
|
FK
|
–
|
K
|
k. A.
|
|
Nüsse, Körner, Mais, Popcorn
|
k. A.
|
|
–
|
K
|
o
|
K
|
rotes Fleisch
|
O
|
FK
|
+
|
K
|
k. A.
|
|
andere Nahrungsbestandteile/Kombinationen
|
O
|
FS
|
+
|
K
|
k. A.
|
|
Rauchen
|
O
|
FS
|
+
|
K
|
o
|
FK
|
Alkohol
|
+
|
FS
|
+/o
|
K
|
o
|
FK
|
Kaffee
|
k. A.
|
|
O
|
K
|
k. A.
|
|
+ bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch den Einflussparameter
gesteigert, o bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch den Einflussparameter
nicht verändert, – bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch
den Einflussparameter reduziert, eine Kombination von Zeichen bedeutet, dass Studien
mit widersprüchlichen Aussagen vorliegen. Für die zugrunde liegende Studienbasis wurden
folgende Abkürzungen gewählt: K = Kohortenstudie(n), FK-SR = systematischer Review
von mehreren Fallkontrollstudien, FK = Fallkontrollstudie(n), FS = Fallserie(n), k. A. = keine
Angabe
Kommentar zu Statement 2.8
Ballaststoffe
Diätetischer Ballaststoffmangel ist als wichtigster Lifestyle-bedingter Risikofaktor
für die Entwicklung sowohl der Divertikulose als auch der Divertikelkrankheit seit
den Arbeiten von Painter und Burkitt in den 60er- und 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts
in der Literatur fest verankert [81]
[84]
[85]. Sie stützten ihre Hypothese auf auffällige geografische und zeitliche Unterschiede
in der Prävalenz von Divertikulose und Divertikelkrankheit. So fand sich die Divertikulose
kaum in Afrika und Asien mit traditionell ballaststoffreicher Ernährung im Gegensatz
zu westlichen Ländern. Die Prävalenz der Divertikelkrankheit war in Europa und den
USA seit der Industrialisierung stark angestiegen und afroamerikanische und japanische
Immigranten entwickelten die Divertikelkrankheit nach der Anpassung an westliche Ernährungsgewohnheiten
[84]. Unterstützt wird die Hypothese des Ballaststoffmangels als Grundlage für die Ausbildung
von Divertikeln ferner durch tierexperimentelle Daten an Ratten und Kaninchen [86]
[87].
Ein Zusammenhang zwischen Diät und Divertikulose ist wegen der langen Entstehungszeit
der Divertikel, ihrer Symptomlosigkeit und der methodisch aufwendigen Überprüfung
der Ernährungsgewohnheiten wissenschaftlich schwierig zu erfassen. Eine Arbeit fand
bei 56 Langzeitvegetariern mit 12 % eine geringere Prävalenz von Divertikeln als bei
264 Nichtvegetariern mit 33 %. Der Ballaststoffverzehr war bei den Vegetariern mit
41,5 g/Tag etwa doppelt so hoch wie bei den Nichtvegetariern mit 21,4 g/Tag [5]. Allerdings war der Ballaststoffverzehr bei divertikeltragenden und -freien Nichtvegetariern
identisch, und divertikeltragende Vegetarier verzehrten mit 33,7 g/Tag deutlich mehr
Ballaststoffe als divertikelfreie Nichtvegetarier mit 22,1 g/Tag [5]. Somit deutet diese Studie auf weitere Einflussfaktoren außer den Ballaststoffen.
Zwei Fallkontrollstudien [88]
[89] sowie 2 kürzlich erschienene Querschnittsstudien fanden entweder keinen Effekt des
Ballaststoffverzehrs oder sogar einen positiven Zusammenhang zwischen Ballaststoffmenge
und Divertikulose [90]
[91]. Allerdings lagen in der koreanischen Studie bei 85 % der Betroffenen rechtsseitige
Divertikel vor, deren Pathogenese sich von den linksseitigen unterscheiden mag. Diese
Studie verwendete ein sehr einfaches Instrument zur Erfassung der Ballaststoffzufuhr
und ließ den Zeitraum der Erfassung der Ernährungsgewohnheiten offen. In der amerikanischen
Studie wurde nach den Ernährungsgewohnheiten im letzten Jahr gefragt. Es bleibt somit
fraglich, ob die vorliegenden Studien das Ballaststoffdogma entkräften können [85]
[92].
Zur Frage des Einflusses einer ballaststoffreichen Diät auf die symptomatische, unkomplizierte
Divertikelkrankheit existieren einige unkontrollierte [93]
[94]
[95] sowie mind. 5 kleine randomisierte, kontrollierte Studien [96]
[97]
[98]
[99]
[100]. Alle bis auf eine Arbeit [96] fanden einen positiven Effekt der diätetischen Intervention auf den Symptomkomplex
oder Surrogatparameter wie reduzierte Kolonpassagezeit, höheres Stuhlgewicht oder
Normalisierung der Muskelaktivität des Sigmas. Die einzige negative Arbeit wurde wegen
der niedrigen Ballaststoffdosierung kritisiert [85]
[101]
[102]. Jüngere Übersichtsarbeiten betonen die geringe Qualität (Level 2 und 3) der vorliegenden
Studien [103]
[104].
Mehrere Studien, darunter 2 große prospektive Kohortenstudien, legen nahe, dass eine
ballaststoffreiche Ernährung zu einer Reduktion des Risikos für das Auftreten einer
Divertikulitis mit oder ohne Komplikationen (akute unkomplizierte oder komplizierte
Divertikulitis) führt. In der 48 000 Männer umfassenden Health-Professionals Follow-up-Kohorte
(HPFS) hatten Personen mit dem höchsten Ballaststoffverzehr (> 32 g/Tag) eine Risikoreduktion
um 42 % für das Auftreten einer Divertikelkrankheit gegenüber denjenigen mit der niedrigsten
Zufuhr [105]. Für den protektiven Effekt werden v. a. die unlöslichen Ballaststoffe von Früchten
und Gemüse verantwortlich gemacht [106]. Vergleichbare Daten fanden sich in einer 47 033 Männer und Frauen umfassenden Kohorte
aus England und Schottland (EPIC) [107]. Personen mit der höchsten Ballaststoffzufuhr (≥ 25,5 g/Tag für Frauen und ≥ 26,1 g/Tag
für Männer) hatten eine Risikoreduktion um 42 % für eine stationäre Aufnahme wegen
Divertikelkrankheit im Vergleich zu Personen mit der geringsten Ballaststoffzufuhr
(< 14 g/Tag für Männer und Frauen) [107]. Eine Fallkontrollstudie [108] sowie eine retrospektive Kohortenstudie [109] berichten ebenfalls einen protektiven Effekt einer ballaststoffreichen Ernährung.
Nüsse, Körner, Mais, Popcorn
Unter der Vorstellung, dass unverdaute Rückstände von Nüssen, Körnern, Mais oder Popcorn
in Divertikelhälsen stecken bleiben und zu einer Häufung von Komplikationen führen
könnten, wurden Divertikelträger und Patienten seit Langem beraten, auf diese Nahrungsmittel
zu verzichten. Eine Analyse der HPFS-Kohorte zeigte jedoch, dass der Konsum von Nüssen
und Körnerfrüchten das Risiko für das Auftreten einer Divertikulitis oder einer Divertikelblutung
nicht erhöht. Im Gegenteil resultierte der Verzehr von Nüssen oder Popcorn mind. 2x/Woche
in einer Risikoreduktion von 20 % für Nüsse und 27 % für Popcorn [110].
Rotes Fleisch
Die kürzlich publizierte koloskopiegestützte Querschnittsstudie an 2104 Teilnehmern
fand keinen Zusammenhang zwischen dem Verzehr von rotem Fleisch und der Prävalenz
der Divertikulose [91]. Eine taiwanesische Fallkontrollstudie untersuchte 86 Personen mit rechtsseitiger
Divertikulose und 106 gematchte Kontrollen. Sie fand bei Personen, die mind. einmal
pro Tag rotes Fleisch verzehren, gegenüber solchen, die weniger als einmal pro Woche
rotes Fleisch zu sich nehmen, ein 25-fach erhöhtes Risiko für das Bestehen einer Divertikulose
[89].
Eine Fallkontrollstudie sowie 2 große, prospektive Kohortenstudien weisen den häufigen
Verzehr von rotem Fleisch als Risikofaktor für das Auftreten einer Divertikelkrankheit
bzw. die Hospitalisierung wegen Divertikelkrankheit aus [105]
[107]
[108]. In der Arbeit von Manousos war das Risiko für eine stationäre Aufnahme bei mind.
2×/Woche Genuss von Rindfleisch bzw. Lammfleisch 1,89-fach bzw. 3,86-fach erhöht gegenüber
nur 1×/Woche Verzehr [108]. In der HPFS-Kohorte führte der gehäufte Verzehr von rotem Fleisch zu einem erhöhten
Risiko für das Auftreten einer Divertikelkrankheit, allerdings ohne Dosiseffekt. Genuss
von 39,4, 65,9, 97,4 oder 144,4 g/Tag rotem Fleisch resultierte gleichermaßen gegenüber
dem Verzehr von 16,0 g/Tag zu einem 1,5-fach erhöhten Risiko [105]. Wurde die Frequenz des Verzehrs von rotem Fleisch (Rind, Schwein, Lamm) als Hauptmahlzeit
(113 – 170 g) ausgewertet, fand sich für Personen mit mind. täglichem Verzehr eines
Fleischgerichts ein 3,23-fach erhöhtes Risiko gegenüber der Personengruppe mit einer
Fleischhauptmahlzeit weniger als einmal im Monat [105]. Auch in der EPIC-Kohorte hatten Personen, die rotes Fleisch verzehren, gegenüber
Vegetariern ein erhöhtes Risiko für eine Hospitalisierung wegen Divertikelkrankheit
[107].
Andere Nahrungskomponenten/Kombinationen
In einer südkoreanischen Untersuchung war eine erhöhte Fettzufuhr mit einem 1,7-fach
erhöhten Risiko für eine Divertikulose verbunden [90]. In der Arbeit von Peery et al. fand sich kein Unterschied im Fettverzehr zwischen
Divertikelträgern und divertikelfreien Personen (70,2 vs. 69,2 g/Tag) [91]. Bezüglich der symptomatischen unkomplizierten Divertikelkrankheit liegen keine
Daten vor.
Aldoori et al. fanden in der HPFS-Kohorte kein erhöhtes Risiko für die Entwicklung
einer Divertikelkrankheit in Abhängigkeit der Fettzufuhr allein. Die Kombination von
hoher Fettzufuhr (> 81 g/Tag) und niedriger Ballaststoffzufuhr (< 17 g/Tag) führte
jedoch zu einem 2,35-fach erhöhtem Risiko gegenüber niedriger Fett- (< 47 g/Tag) und
hoher Ballaststoffzufuhr (> 29 g/Tag) [105]. Die Kombination aus niedriger Ballaststoffzufuhr und Genuss von viel rotem Fleisch
(> 116,6 g/Tag) erhöhte das Risiko für die Entwicklung einer Divertikelkrankheit auf
das 3,22-Fache gegenüber einer hohen Ballaststoffzufuhr (29 g/Tag) und einer geringen
Zufuhr an rotem Fleisch (< 28,5 g/Tag) [105]. In der multivariaten Analyse zeigte sich für die Mikronährstoffe Kalium, β-Karotin,
Vitamin C und Magnesium keine Assoziation mit der Divertikelkrankheit [105].
Rauchen
In einer Querschnittsstudie fand sich für Raucher eine um 30 % höhere Wahrscheinlichkeit
für das Bestehen einer Divertikulose, der Effekt war jedoch statistisch nicht signifikant
[90]. Mehrere Fallkontrollstudien sowie große prospektive Kohortenstudien zeigen jedoch
ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Divertikelkrankheit bei Rauchern. In der
schwedischen Kohorte mit 37 000 Frauen war das Risiko einer stationären Aufnahme wegen
einer Divertikelkrankheit für Raucherinnen um 24 % erhöht [111]. Nikotinkarenz zeigte erst nach mehr als 10 Jahren einen günstigen Effekt und war
dann am stärksten für die Perforation ausgeprägt [111]. In einer Kohorte mit 7500 schwedischen Männern fand sich bei Rauchern ein um 60 %
erhöhtes Risiko für eine stationäre Aufnahme wegen Divertikelkrankheit [112], in der EPIC-Kohorte ein Dosiseffekt mit einem um 34 bzw. 86 % erhöhten Risiko für
eine Hospitalisierung bei einem Konsum von < 15 bzw. > 15 Zigaretten/Tag [107]. In der HPFS-Kohorte, die nicht nur hospitalisierte Patienten berücksichtigte, erreichte
der Effekt des Rauchens auf das Risiko für das Auftreten einer Divertikelkrankheit
keine Signifikanz mehr [113]. Verschiedene Studien legen einen besonderen Zusammenhang des Rauchens mit schweren
komplizierten Verlaufsformen der Divertikelkrankheit wie z. B. der Perforation nahe
[114]
[115]
[116]
[117]. Drei kleine Fallkontrollstudien sahen dagegen keinen Zusammenhang zwischen Rauchen
und gehäuften Divertikelblutungen [118]
[119]
[120].
Alkohol
Die südkoreanische Querschnittsstudie von Song fand, dass Alkoholkonsumenten ein 2,2-fach
erhöhtes Risiko für das Bestehen einer Divertikulose aufweisen. Allerdings stehen
Daten zu Art, Menge und Dauer des Alkoholkonsums in der Arbeit nicht zur Verfügung
[90]. In der großen, prospektiven HPFS-Kohorte fand sich für Männer mit einem Alkoholkonsum
> 30 g/Tag ein statistisch nicht signifikant erhöhtes Risiko (36 %) für die Entwicklung
einer Divertikelkrankheit gegenüber abstinenten Männern [113]. Der Effekt wurde signifikant nach Differenzierung nach Alkoholarten. So bestand
für Bier und Wein kein Zusammenhang mit der Divertikelkrankheit, der Konsum von Schnäpsen
führte jedoch zu einer Assoziation, wobei die Erhöhung des Risikos mit 50 % für einen
Konsum von 1 – 3 Schnäpsen/Monat und mit 65 % für 2 – 3 Schnäpse/Tag keine Dosisabhängigkeit
suggeriert. In der EPIC-Kohorte war ein Effekt des Alkoholkonsums auf die stationäre
Aufnahme wegen einer Divertikelkrankheit nach Korrektur gegenüber den Rauchgewohnheiten
nicht mehr signifikant [107]. Eine dänische Arbeit fand, dass Patienten, die wegen Alkoholismus stationär eingewiesen
wurden, auch 2,9-mal so häufig wegen einer Divertikulitis hospitalisiert wurden als
die generelle Bevölkerung. Die Arbeit, die einen Effekt eines schwerwiegenden Abusus
nahelegt, korrigierte allerdings nicht bez. anderer Störfaktoren [121]. Eine Arbeit mit 80 Patienten fand vergleichbaren Alkoholkonsum bei Patienten mit
leichter bzw. schwerer Verlaufsform der Divertikelkrankheit [114]. Kleine Fallkontrollstudien fanden keinen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und
gehäuften Divertikelblutungen [118]
[119]
[120].
Kaffee
In der HPFS-Kohorte fand sich kein Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und dem Auftreten
einer Divertikelkrankheit [113].
Beeinflussbare Risikofaktoren: Körpergewicht und körperliche Aktivität
Risikoindikatoren für das Auftreten einer Divertikulose, Divertikulitis und Divertikelblutung
sind in [Tab. 7] gelistet:
Konsensusstärke: starker Konsens
Tab. 7
Beeinflussbare Risikofaktoren: Körpergewicht und körperliche Aktivität.
|
Divertikulose
|
Divertikelkrankheit
|
Divertikelblutung
|
|
Risiko
|
Studienbasis
|
Risiko
|
Studienbasis
|
Risiko
|
Studienbasis
|
Übergewicht
|
+/o
|
K
|
+
|
K
|
+
|
K
|
körperliche Aktivität
|
O
|
K
|
–
|
K
|
–
|
K
|
+ bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch den Einflussparameter
gesteigert, o bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch den Einflussparameter
nicht verändert, – bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch
den Einflussparameter reduziert, eine Kombination von Zeichen bedeutet, dass Studien
mit widersprüchlichen Aussagen vorliegen. Für die zugrunde liegende Studienbasis wurden
folgende Abkürzungen gewählt: K = Kohortenstudie(n), FK-SR = systematischer Review
von mehreren Fallkontrollstudien, FK = Fallkontrollstudie(n), FS = Fallserie(n), k. A. = keine
Angabe
Kommentar zu Statement 2.9
Körpergewicht
Eine Querschnittsstudie [90] und eine prospektive Kohortenstudie [122] fanden keinen Zusammenhang zwischen BMI und der asymptomatischen Divertikulose [85]. In einer israelischen koloskopiebasierten retrospektiven Fallkontrollstudie mit
3175 Personen war Adipositas mit einem BMI > 30 jedoch mit einem 1,4-fach erhöhten
Risiko für das Bestehen einer Divertikulose assoziiert [123].
Kleinere Fallserien und Fallkontrollstudien stellen einen Zusammenhang zwischen Übergewicht,
insbesondere bei jungen Menschen, und einem gehäuften Auftreten der Divertikulitis
her [74]
[124]
[125]
[126]. Drei große prospektive Kohortenstudien bestätigen diese Assoziation: Eine schwedische
Arbeit an 7500 Männern fand ein 4-fach erhöhtes Risiko für das Auftreten einer komplizierten
Divertikelkrankheit bei Männern mit einem BMI > 30 gegenüber Männern mit einem BMI
von 20 – 22,5 [112]. Eine US-amerikanische Studie verfolgte 47 000 Männer über 18 Jahre und fand ein
um 78 % erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Divertikulitis und ein 3-fach erhöhtes
Risiko für das Auftreten einer Divertikelblutung bei Männern mit einem BMI > 30 im
Vergleich zu Männern mit einem BMI < 21 [127]. Darüber hinaus blieb nach Korrektur für den BMI die Waist-to-hip-ratio (Taillen-Hüft-Verhältnis)
ein unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten von Komplikationen; dies gibt zu Spekulationen
Anlass, dass die zentrale Fettleibigkeit durch die Freisetzung proinflammatorischer
Zytokine aus dem viszeralen Fett eine besondere Bedeutung für die Entstehung der Divertikelkrankheit
besitzt [85]
[128]. Die dritte Arbeit beobachtete 36 592 schwedische Frauen über 12 Jahre. Frauen mit
einem BMI zwischen 25 und 29,99 hatten ein 29 % erhöhtes Risiko und Frauen mit einem
BMI ≥ 30 ein 33 % erhöhtes Risiko für eine Divertikelkrankheit im Vergleich zu Frauen
mit einem BMI von 20 – 24,99. Das Risiko für einen Abszess oder eine Perforation war
bei den Frauen mit dem BMI ≥ 30 2-fach erhöht [128].
Körperliche Aktivität
Eine kürzlich publizierte Querschnittsstudie an 2104 Teilnehmern, die Diät und körperliche
Aktivität anhand von Fragebogen auswertete, fand keinen Zusammenhang zwischen Divertikulose
und körperlicher Aktivität [91]. Andererseits konnte für Männer, die mind. 52 Stunden/Woche einer sitzenden Tätigkeit
nachgehen, ein 30 % höheres Risiko für eine Divertikulose als Männer ermittelt werden,
die weniger als 16 h/Woche sitzen [127]. Mehrere große prospektive Kohortenstudien zeigen hingegen eine Risikoreduktion
für die komplizierte Divertikelkrankheit inklusive der Divertikelblutung durch körperliche
Aktivität, wobei in mehreren Studien der Effekt nur für ein hohes Aktivitätslevel,
nicht jedoch für leichte Belastung wie z. B. Gehen beobachtet wurde [127]
[128]
[129]
[130]. Der Effekt der intensiven körperlichen Aktivität führte in einer Arbeit zu einer
Reduktion des Risikos um 25 % für eine Divertikulitis und um 46 % für eine Divertikelblutung
gegenüber den Männern, die am wenigsten intensiv trainierten [127]. In der schwedischen Arbeit fand für Frauen ein um 42 % erhöhtes Risiko für die
Divertikelkrankheit bei einem Trainigsaufwand von ≤ 30 min/Tag gegenüber der Gruppe,
die > 30 min/Tag übte [128]. Eine Arbeit fand keinen Effekt der körperlichen Aktivität auf die Krankenhausaufnahme
wegen Divertikelkrankheit [112].
2.10 Risikofaktor Komorbidität
Risikoindikatoren für das Auftreten einer Divertikulose, Divertikulitis und Divertikelblutung
sind in [Tab. 8] gelistet:
Konsensusstärke: Konsens
Tab. 8
Komorbidität.
|
Divertikulose
|
Divertikelkrankheit
|
Divertikelblutung
|
|
Risiko
|
Studienbasis
|
Risiko
|
Studienbasis
|
Risiko
|
Studienbasis
|
Hypothyreose
|
+
|
FK
|
k. A.
|
|
k. A.
|
|
Diabetes mellitus
|
+/-
|
FK
|
k. A.
|
|
k. A.
|
|
arterielle Hypertonie
|
+/o
|
FK
|
+
|
K
|
+/o
|
FK
|
polyzystische und andere Nierenerkrankung
|
+/o
|
FS
|
+
|
FS
|
+
|
FK
|
Immunsuppression
|
k. A.
|
|
+
|
FK-SR
|
k. A.
|
|
allergische Prädisposition
|
k. A.
|
|
+
|
FS
|
k. A.
|
|
Hyperlipidämie
|
k. A.
|
|
k. A.
|
|
+
|
FK
|
Hyperurikämie
|
k. A.
|
|
k. A.
|
|
+
|
FS
|
koronare Herzkrankheit
|
k. A.
|
|
k. A.
|
|
+
|
FK
|
+ bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch den Einflussparameter
gesteigert, o bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch den Einflussparameter
nicht verändert, – bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch
den Einflussparameter reduziert, eine Kombination von Zeichen bedeutet, dass Studien
mit widersprüchlichen Aussagen vorliegen. Für die zugrunde liegende Studienbasis wurden
folgende Abkürzungen gewählt: K = Kohortenstudie(n), FK-SR = systematischer Review
von mehreren Fallkontrollstudien, FK = Fallkontrollstudie(n), FS = Fallserie(n), k. A. = keine
Angabe
Kommentar zu Statement 2.10
Komorbidität und Divertikulose
Hypothyreose
In einer israelischen retrospektiven Fallkontrollstudie mit 3175 Patienten wurde für
die Diagnose einer Hypothyreose in der Anamnese ein 2,4-faches Risiko für das Bestehen
einer Divertikulose beschrieben [123].
Diabetes mellitus
In jener israelischen Arbeit fand sich die Diagnose Diabetes mellitus als protektiver
Faktor für das Bestehen einer Divertikulose mit einer OR von 0,49 [123]. In einer japanischen Querschnittsstudie mit 954 Patienten war die Prävalenz des
Diabetes mellitus Typ 2 dagegen bei den Divertikelträgern (mehrheitlich rechtsseitig)
mit 21,6 vs. 14 % bei den divertikelfreien Personen statistisch signifikant erhöht
[131].
Arterielle Hypertonie
In der japanischen Arbeit fand sich die Prävalenz für die arterielle Hypertonie bei
den Divertikelträgern mit 30,9 vs. 19,8 % bei den divertikelfreien Personen statistisch
signifikant erhöht [131]. Die israelische Arbeit fand dagegen keinen Zusammenhang zwischen arterieller Hypertonie
und dem Bestehen einer Divertikulose [123].
Polyzystische Nierenerkrankung
Von 6 Fallserien, mit insgesamt 186 Patienten mit polyzystischer Nierenerkrankung
(PKD) [132]
[133]
[134]
[135]
[136]
[137], machen 3 Angaben zur Prävalenz der Divertikulose. Scheff et al. [132] fanden eine Prävalenz von 10/12 (83 %), Dominguez Fernandez et al. [134] 15/28 (53,5 %) und Sharp et al. [135] 28/59 (47 %). Scheff et al. fanden in einer Vergleichsgruppe mit Nierenversagen
ohne PKD eine Divertikelprävalenz von 10/31 (32 %) und in einer altersgematchten Vergleichsgruppe
ohne Nierenversagen eine vergleichbare Divertikelprävalenz mit 45/120 (38 %). Sharp
et al. [135] dagegen berichteten über eine Divertikelprävalenz von 35/59 (59 %) in ihrer Kontrollgruppe
ohne PKD und ohne Nierenversagen und kamen damit zu dem Ergebnis, dass Patienten mit
PKD kein höheres Risiko für eine Divertikulose bzw. Divertikelkrankheit aufweisen
als die generelle Bevölkerung.
Komorbidität und akute unkomplizierte und komplizierte Divertikelkrankheit
Arterielle Hypertonie
Eine schwedische, prospektive Kohortenstudie an 7500 Männern fand in der univariaten
Analyse ein je 1,8-fach erhöhtes Risiko für das Auftreten einer komplizierten Divertikelkrankheit
bei Männern mit einem systolischen Blutdruck (RR) von 146 – 162 mmHg bzw. > 162 mmHg
gegenüber Männern mit einem systolischen RR < 133 mmHg. Ein erhöhter diastolischer
RR > 102 mmHg war in der univariaten Analyse mit einem 2,2-fach erhöhten Risiko gegenüber
Patienten mit einem diastolischen RR < 88 mmHg vergesellschaftet. In der multivariaten
Analyse wurde nur der diastolische RR ein signifikanter Risikofaktor mit einer Hazard
Ratio von 1,02 für jeden mmHg ermittelt [112]. In dieser Arbeit sind Blutungen mitberücksichtigt, aber nicht extra ausgewiesen.
Nierenerkrankungen
Eine Studie aus dem Vereinigten Königreich erfasste retrospektiv 202 Patienten mit
perforierter Divertikelkrankheit. Die Mortalität lag bei 24,3 %. Ein Risikofaktor
für den Tod war eine präexistente Nierenerkrankung mit einer OR von 18,7 [138]. Von 6 Fallserien mit insgesamt 186 Patienten mit polyzystischen Nierenerkrankung
[132]
[133]
[134]
[135]
[136]
[137] machen 4 Angaben zur Inzidenz der Divertikelkrankheit. Scheff et al. [132], Lederman et al. [136] und Pourfarziani et al. [137] berichten mit 4/12 (33 %), 12/59 (20 %) bzw. 3/18 (17 %) hohe Inzidenzen insbesondere
für schwere Verläufe der Divertikelkrankheit. Nur in der Arbeit von Lederman et al.
wird die Inzidenz für die Divertikelkrankheit in einer Vergleichsgruppe mit Nierenversagen
ohne PKD mit 4/125 (3 %) beziffert. Dominguez Fernandez et al. fanden mit 1/28 (4 %)
selbst bei Patienten mit PKD keine erhöhte Inzidenz für das Auftreten einer Divertikelkrankheit
[134]. Für Patienten mit PKD wird kein von der Normalbevölkerung abweichendes Management
der Divertikelkrankheit empfohlen [139].
Immunsuppression
Verschiedene Arbeiten weisen auf einen schwereren Verlauf der Divertikelkrankheit
bei Patienten unter Immunssuppression hin [137]
[140]
[141]
[142]
[143].
In der Arbeit von Hwang et al. wurden im Rahmen einer Literatursuche 25 Studien zu
Divertikulitis bei immunsupprimierten Patienten identifiziert. Es handelt sich dabei
ausschließlich um retrospektive Kohortenstudien. 21 Studien betrafen Organtransplantierte,
davon 13 Nierentransplantationen und die übrigen 8 Herz-, Lungen oder kombinierte
Herz-Lungen-Transplantationen. Vier Studien betrafen Patienten mit chronischer Kortikosteroidtherapie.
Insgesamt wurden in die Studien 12 729 Patienten eingeschlossen [144]. Die Inzidenz der akuten Divertikulitis lag bei den immunsupprimierten Patienten
mit 1 % bei variablem Follow-up zwischen 1 Monat und 17,3 Jahren und damit höher als
in der allgemeinen Bevölkerung. Einen direkten Vergleich der Inzidenzen zwischen Immunsupprimierten
und genereller Bevölkerung gab nur eine Arbeit mit 0,94 vs. 0,02 % an [145]. Bei Betrachtung ausschließlich der Patienten, bei denen eine Divertikulose vor
Einleitung der Immunsuppression bekannt war, betrug die Inzidenz für eine Divertikulitis
15,1 % bei variablem Follow-up [144]. Die Mortalität aller konservativ oder chirurgisch behandelten Patienten mit Divertikulitis
lag bei 25 %, für operativ behandelte Patienten lag diese Zahl bei 23 % und damit
erheblich höher als die für die generelle Bevölkerung berichteten 1 – 5 % [71]
[146].
Zu nicht transplantierten Patienten unter Immunsuppression liegen nur sehr spärliche
Daten vor [144], die Aussagen zu Auswirkungen unterschiedlicher immunsuppressiver Regimes nicht
erlauben. Auch zu Patienten unter Chemotherapie oder mit HIV/AIDS wurden keine Studien
gefunden [144]. Sachar fasst 15 Arbeiten zur abdominellen Notfallchirurgie bei HIV-positiven Patienten
zusammen. Er folgert, dass die Divertikelkrankheit bei HIV-/AIDS-Patienten nicht gehäuft
vorkommt und keinen von der generellen Population unterschiedlichen Verlauf nimmt,
solange die CD4-Zellen nicht 50 – 200/ul unterschreiten oder die Viruslast nicht 10 000 – 30 000Kopien/ml
überschreitet [147].
Als Konsequenz aus erhöhter Inzidenz und Mortalität der Divertikelkrankheit bei Immunsupprimierten
wurde diskutiert, vor Beginn der Immunsuppression ein Screening auf Divertikulose
durchzuführen [144]. McCune berichtete hingegen, dass ein koloskopisches Screening von über 50-jährigen
Patienten bez. posttransplant Kolonkomplikationen nicht effektiv ist [133]. Ein Screening oder gar eine prophylaktische Sigma- oder Kolonresektion werden nicht
empfohlen [139]
[144].
Allergische Prädisposition
Eine Arbeitsgruppe operierte 101 konsekutive Patienten entweder wegen komplizierter
(gedeckte Perforation, freie Perforation, phlegmonöse Divertikulitis; n = 57) oder
nicht komplizierter (chronisch rekurrierende Divertikulitis, elektiv wegen Komorbiditäten;
n = 44) Divertikelkrankheit. Sie berichtete, dass 39 % der Patienten eine anamnestisch
erhobene allergische Prädisposition gegen Gräser, Pollen, Nahrungsmittel, Medikamente,
Haustiere und anderes aufwiesen. Patienten mit allergischer Prädisposition zeigten
eine OR von 3,2 für eine Operation wegen einer komplizierten Divertikulitis [148].
Komorbidität und Divertikelblutung
Arterielle Hypertonie
Vier Arbeiten beschäftigen sich mit der Rolle der arteriellen Hypertonie für die Divertikelblutung.
Yamada et al. fanden im Rahmen einer Fall-Kontroll-Studie bei 44 von 1753 Patienten
mit Divertikulose eine Divertikelblutung. Die OR für eine Divertikelblutung lag bei
Patienten mit arterieller Hypertonie bei 6,6 [120]. In einer weiteren japanischen Fallkontrollstudie fand sich von 254 Patienten mit
einer Divertikulose bei 45 Patienten eine Divertikelblutung. Die OR für die Divertikelblutung
lag für Patienten mit arterieller Hypertonie bei 2,2 [149]. Eine dritte japanische Fallkontrollstudie analysierte 51 divertikelbedingte untere
gastrointestinale Blutungen und fand ein signifikantes Risiko für Patienten < 65 Jahre
mit arterieller Hypertonie [118]. In der Arbeit von Jansen et al. wurden in einer retrospektiven Fallserie 30 Patienten
mit einer Divertikelblutung von 140 Patienten mit einer Divertikelkrankheit identifiziert.
In dieser Analyse war die arterielle Hypertonie kein unabhängiger Risikofaktor für
eine Blutung, allerdings eine Medikation mit Kalziumantagonisten, die auf die Therapie
der arteriellen Hypertonie abzielen könnte [119].
Hyperlipidämie
Die japanische Fallkontrollstudie von Tsuruoka et al. fand eine OR von 2,2 für eine
Divertikelblutung bei Patienten mit Hyperlipidämie [118].
Koronare Herzkrankheit
Die japanischen Fallkontrollstudie von Tsuruoka et al. und Niikura et al. fanden eine
OR von 1,9 bzw. 2,4 für eine Divertikelblutung bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit
[118]
[149].
Chronisches Nierenversagen
In einer japanischen Fallkontrollstudie von Niikura et al. Fand sich eine OR von 6,4
für eine Divertikelblutung bei Patienten mit chronischem Nierenversagen [149].
Hyperurikämie
In der Arbeit von Jansen et al. wurde ein erhöhtes Risiko für eine Divertikelblutung
bei Patienten mit Urikämie beschrieben. Sechs der 30 Patienten mit Divertikelblutung
(20 %) litten unter einer Hyperurikämie bzw. nahmen Allopurinol ein. Von den 110 Patienten,
die keine Blutung erlitten, wurde eine Hyperurikämie oder eine harnsäuresenkende Medikation
nur bei 8 Patienten (7,3 %) dokumentiert [119].
Komorbidität und Indikation für die elektive, prophylaktische Resektion
Folgende Komorbiditäten und Konditionen, die zumeist in Fallserien mit erhöhter Morbidität
bzw. Mortalität bei elektiven oder notfallmäßigen Eingriffen wegen einer Divertikelkrankheit
in Zusammenhang gebracht werden, wurden beschrieben: Diabetes mellitus [150]
[151], Herzinsuffizienz [152], COPD [152]
[153], Niereninsuffizienz [154], Autoimmunerkrankungen/Vaskulitis [151]
[154], Gichtarthritis [150], Immunsuppression [151]
[154], Hypalbuminämie [153], Steroideinnahme [151]
[153] und ASA-Kategorie III/IV [155]. Einige Autoren empfehlen daher, für diese Risikogruppen eine elektive, prophylaktische
Sigmaresektion zu erwägen [150]
[151]
[154]. Andererseits waren in der Arbeit von Chapman et al. bei 89,5 % der Patienten, die
an der Divertikelperforation starben, eine Divertikulose oder eine Divertikelkrankheit
anamnestisch nicht bekannt, sodass sich diese Gruppe einem prophylaktischen Zugriff
entzieht [151]. Sheer et al. kommen zum Schluss, dass die hohe Morbidität und Mortalität bei den
Risikogruppen den potenziellen Benefit der elektiven Operation überwiegen könnte [152]. Für die Formulierung von Risikogruppen, die generell eine prophylaktische, elektive
Resektion des divertikeltragenden Kolonsegmentes erhalten sollen, fehlen ausreichende
Daten [151].
2.11 Risikofaktor Medikamente
Risikoindikatoren für das Auftreten einer Divertikulitis und Divertikelblutung sind
in [Tab. 9] gelistet:
Konsensusstärke: Konsens
Tab. 9
Medikamente.
|
Divertikelkrankheit
|
Divertikelblutung
|
|
Risiko
|
Studienbasis
|
Risiko
|
Studienbasis
|
NSAIDS und Aspirin
|
+
|
K
|
+
|
K
|
low-dose Aspirin und andere Antikoagulantien
|
k. A.
|
|
+
|
FK
|
Paracetamol
|
+
|
K
|
+
|
K
|
Coxibe
|
O
|
FK
|
k. A.
|
|
Kortikosteroide
|
+
|
FK
|
+
|
FS
|
Opioide
|
+
|
K
|
k. A.
|
|
Kalziumantagonisten
|
–
|
FK
|
+
|
FS
|
Statine
|
–
|
FK
|
k. A.
|
|
+ bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch den Einflussparameter
gesteigert, o bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch den Einflussparameter
nicht verändert, – bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch
den Einflussparameter reduziert, eine Kombination von Zeichen bedeutet, dass Studien
mit widersprüchlichen Aussagen vorliegen. Für die zugrunde liegende Studienbasis wurden
folgende Abkürzungen gewählt: K = Kohortenstudie(n), FK-SR = systematischer Review
von mehreren Fallkontrollstudien, FK = Fallkontrollstudie(n), FS = Fallserie(n), k. A. = keine
Angabe
Kommentar zu Statement 2.11
Medikamente und akute unkomplizierte und komplizierte Divertikelkrankheit
NSAIDS und Aspirin
Berichte über den negativen Einfluss von NSAIDS auf den Verlauf der Divertikelkrankheit
existieren bereits seit fast 30 Jahren. Fallsammlungen bzw. Fallkontrollstudien berichten
unter der Einnahme von NSAIDS über ein bis 4,85-fach erhöhtes Risiko für das Auftreten
einer schweren, symptomatischen Divertikelkrankheit [156]
[157]
[158] bzw. über ein 1,8 – 3,56-fach erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Perforation
[159]
[160]
[161]
[162]
[163]. Morris berichtet unter Einnahme von NSAIDS ein 3,1-fach erhöhtes Risiko für den
Tod durch eine perforierte Divertikulitis [164]. Die große HPFS-Kohorte wurde zweimal prospektiv auf den Einfluss von Aspirin und
NSAIDS auf Komplikationen der Divertikelkrankheit untersucht. In der Arbeit von Aldoori
et al. aus 1998 führte die regelmäßige Einnahme von NSAIDS, nicht aber von Aspirin,
mit einem RR von 2,2 zu einer symptomatischen Divertikelkrankheit [165]. Für die zweite Auswertung standen deutlich mehr Daten zur Verfügung. Es fand sich
nun ein 1,72-fach bzw. 1,25-fach erhöhtes Risiko für regelmäßige Konsumenten von NSAIDS
bzw. Aspirin eine Divertikulitis zu entwickeln gegenüber Personen, die keines dieser
Medikamente einnahmen [166]. NSAIDS waren stärker mit einer komplizierten Divertikulitis (Hazard Ratio (HR)
2,55) als mit einer unkomplizierten Divertikulitis vergesellschaftet (HR 1,65). Für
Aspirin zeigte sich diesbezüglich kein Unterschied [166].
Bei der Bewertung des aspirinassoziierten Risikos stellen die in den meisten Arbeiten
fehlenden Angaben zu Dosis und Häufigkeit der Einnahme ein besonderes Problem dar.
Strate et al. versuchten eine Standardisierung und fanden bzgl. der eingenommenen
Menge keine streng lineare Abhängigkeit. So lag bei Personen, die 2 – 5,9 Tabletten
325 mg Aspirin pro Woche einnahmen das Risiko für eine Divertikulitis mit einer HR
von 1,26 höher als bei denjenigen die ≥ 6 Tabletten einnahmen (HR 1,11) [166]. Auf der anderen Seite brachte die tägliche Einnahme von Aspirin in unbekannter
Dosis ein höheres Risiko für eine Divertikulitis mit sich (HR 1,46) als die 4 – 6
malige Einnahme pro Woche (HR 1,24) [166]. Piekarek und Humes fanden in ihren Fallkontrollstudien mit 54 bzw. 899 Patienten
mit Divertikelperforationen kein erhöhtes Risiko durch die Einnahme von Aspirin[163]
[167]. In der Arbeit von Humes war die aktuelle Einnahme von NSAIDS mit einem nicht signifikant
erhöhten Risiko (OR 1,51), die Einnahme von NSAIDS in der Vorgeschichte jedoch mit
einem signifikanten Risiko (OR 1,62) für eine Perforation vergesellschaftet [167].
Acetaminophen
In der ersten Auswertung der HPFS-Kohorte von 1998 fand sich für Personen mit regelmäßiger
Einnahme von Acetaminophen ein 1,81-fach erhöhtes Risiko eine symptomatische Divertikelkrankheit
zu entwickeln [165].
Coxibe
Humes et al. fanden in ihrer populationsbasierten Fallkontrollstudie mit 899 Patienten
mit einer Divertikelperforation und 8980 Kontrollpersonen einen seltenen Einsatz von
Coxiben. 7,8 % der Fälle und 3 % der Kontrollen hatten jemals diese Substanzen eingenommen.
Im Vergleich hierzu berichteten 66 % der Fälle und 52 % der Kontrollen eine Einnahme
von NSAIDS in der Anamnese. Die aktuelle Einnahme eines Coxibs war nach Korrektur
von Störgrößen nicht mehr signifikant mit einem erhöhten Risiko für eine Perforation
assoziiert.
Kortikosteroide
Fallsammlungen und kleine krankenhausbasierte Fallkontrollstudien berichten seit den
70-er-Jahren über ein 13 – 32-fach erhöhtes Risiko v. a. für Divertikelperforationen
unter der Einnahme von Kortikosteroiden [156]
[162]
[163]
[164]
[168]
[169]. Die populationsbasierte Fallkontrollstudie von Humes berichtet ein 2,74-fach erhöhtes
Risiko für eine Divertikelperforation für die gegenwärtige Einnahme von Kortikosteroiden
und ein 1,69-fach erhöhtes Risiko für die Steroideinnahme in der Anamnese. Ein besonders
hohes Risiko besteht für Patienten mit fehlenden schweren Komorbiditäten (OR 6,45)
[167].
Opioide
Die krankenhausbasierten Fallkontrollstudien von Morris und Piekarek berichteten über
ein 1,8 – 4,5-fach erhöhtes Risiko für Divertikelperforationen unter der Einnahme
von Opioiden [163]
[164]. Die populationsbasierte Fallkontrollstudie von Humes fand ein 2,16-fach erhöhtes
Risiko für eine Divertikelperforation für die gegenwärtige Einnahme von Opiatanalgetika
und ein 1,88-fach erhöhtes Risiko für die Opiateinnahme in der Anamnese [167].
Kalziumantagonisten
Die krankenhausbasierten Fallkontrollstudien von Morris und Piekarek berichteten über
einen protektiven Effekt von Kalziumantagonisten gegenüber Divertikelperforationen
mit einer OR zwischen 0,14 und 0,41 [163]
[170]. Die populationsbasierte Fallkontrollstudie von Humes fand ebenfalls eine potenziell
protektive Rolle gegenüber Divertikelperforationen [167].
Statine
Die populationsbasierte Fallkontrollstudie von Humes fand eine Risikoreduktion (OR
0,44) für eine Divertikelperforation für die gegenwärtige Einnahme von Statinen, keinen
Effekt jedoch für die Statineinnahme in der Anamnese [167].
Medikamente und Divertikelblutung
NSAIDS und Aspirin
Seit dem Bericht von Langman über die mögliche Rolle von NSAIDS als Risikofaktor für
das Auftreten einer Divertikelblutung [159] berichteten 2 japanische Fallkontrollstudien über ein 7,5 – 15,6-fach erhöhtes Risiko
für eine Divertikelblutung [118]
[120]. Die erste Auswertung der großen HPFS-Kohorte durch Aldoori fand ein 4,64-fach erhöhtes
Risiko für NSAID-Konsumenten [165]. In dem Update der prospektiven Kohortenstudie durch Strate et al. war das Risiko
für eine Divertikelblutung für den regelmäßigen Konsum von NSAIDS allein 1,74-fach,
für Aspirin allein 1,70-fach und für die Kombination von NSAIDS und Aspirin 2,02fach
erhöht [166]. Es zeigt sich für Aspirin eine erstaunlicherweise fehlende lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung
mit dem höchsten Risiko für die Einnahme von 2 – 5,9 325 mg Tabletten pro Woche (HR
2,32), die Einnahme von 0,1 – 1,9 bzw. ≥ 6325 mg Tabletten weisen mit einer HR von
1,58 bzw. 1,65 ein niedrigeres Risiko in ähnlicher Größenordnung auf. Bezogen auf
die Frequenz der Einnahme von Aspirin hatte eine 4 – 6-mal wöchentliche Einnahme (HR
3,13) ein wesentlich höheres Risiko für das Auftreten einer Blutung als die tägliche
(HR 1,57) oder 2 – 3,9-mal wöchentliche Einnahme (HR 1,21) [166].
Acetaminophen
Aldoori et al. berichteten in der ersten Auswertung der HPFS-Kohorte ein 13,63-fach
erhöhtes Risiko für eine Divertikelblutung unter der Einnahme von Acetaminophen [165].
Aspirin (low-dose) und andere Antikoagulantien
Eine einzige Studie hat das Risiko für eine Divertikelblutung unter der heute weitestgehend
üblichen 100 mg Dosierung von Aspirin untersucht. Yamada et al. berichten in der krankenhausbasierten
Fallkontrollstudie über eine OR von 3,7 in der univariaten Analyse [120]. Andere Thrombozytenaggregationshemmer wie Cilostazol, Sarpogelat und Dipyridamol
erreichen in der univariaten Analyse eine OR von 2,3. In der multivariaten Analyse
wurden ASS 100 und andere Thrombozytenaggregationshemmer zusammengefasst und erzielen
eine OR von 3,0 [120]. Eine spanische, populationsbasierte Untersuchung identifizierte 2,130 Divertikelblutungen.
Von 189 Fällen wurde die Begleitmedikation erhoben. Die Studie zeigt, dass „low-dose“
Aspirin mit 21,7 % die häufigste Begleitmedikation ist, etwa gleichauf liegen NSAIDS
und Antikoagulantien mit 14,8 und 14,3 % [171].
Kortikosteroide
In der krankenhausbasierten Fallkontrollstudie von Jansen et al. wurden von 140 Patienten
mit einer Divertikelkrankheit 30 mit einer Divertikelblutung identifiziert. 4/30 (13,3 %)
Patienten mit Divertikelblutung nahmen Steroide ein gegenüber 4/110 (2,7 %) aus der
Gruppe ohne Blutung. In einer Multivariatanalyse erwies sich die Steroideinnahme als
ein unabhängiger Risikofaktor für die Divertikelblutung [119].
Kalziumantagonisten
In der Arbeit von Jansen nahmen 10/30 (33,3 %) der Patienten mit Divertikelblutung
Kalziumantagonisten gegenüber 23/110 (20,9 %) aus der Gruppe ohne Blutung ein. In
einer Multivariatanalyse erwies sich die Einnahme von Kalziumantagonisten als ein
unabhängiger Risikofaktor für die Divertikelblutung [119] ([Tab. 6], [7], [8], [9]).
Kapitel 3 Klinisches Erscheinungsbild (Definitionen), natürlicher Verlauf, Komplikationen,
Epidemiologie
Kapitel 3 Klinisches Erscheinungsbild (Definitionen), natürlicher Verlauf, Komplikationen,
Epidemiologie
Die Literatur umfasst größtenteils retrospektive Analysen und Fallserien. Die Daten
sind heterogen hinsichtlich der Definition der Krankheitsentitäten, der analysierten
Patientenpopulation und der untersuchten Parameter.
Eine „Divertikelkrankheit“ des Kolons liegt vor, wenn eine Divertikulose zu Symptomen
und/oder Komplikationen führt.
Konsensusstärke: starker Konsens
Als „symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit“ werden persistierende oder
rezidivierende, einer Divertikulose zuzuschreibenden Symptome – ohne Vorliegen einer
apparenten Divertikulitis – bezeichnet.
Konsensusstärke: Konsens
Zur akuten „Divertikulitis“ kommt es bei Entzündung der Pseudodivertikel und angrenzender
Strukturen. Eine akute, komplizierte Divertikulitis liegt bei Perforation, Fistel
oder Abszess vor.
Konsensusstärke: starker Konsens
3.4 – 3.6 Natürlicher Verlauf und Komplikationen
Die chronische Divertikulitis ist gekennzeichnet durch rezidivierende oder persistierende
Entzündungsschübe, die zu Komplikationen (Stenose, Fisteln) führen können.
Konsensusstärke: starker Konsens
Die Divertikulitis tritt vorwiegend linksseitig (C. sigmoideum) auf, kann jedoch auch
rechtsseitig (C. ascendens oder Coecum) auftreten und wird dann oft als Appendizitis
fehldiagnostiziert.
Konsensusstärke: Konsens
Eine Divertikelblutung hat eine Ruptur der Vasa recta zur Ursache. Sie äußert sich
durch Hämatochezie, in schweren Fällen mit Kreislaufreaktion (RR-Abfall und Pulsanstieg).
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 3.1 – 3.6
Die Definitionen der Divertikelkrankheit/symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit
und Divertikulitis sind in der Literatur nicht scharf, wobei v. a. die Abgrenzung
Divertikulose mit Reizdarmsyndrom versus symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit
nicht präzise möglich ist [10]
[73]
[172]
[173]
[174].
Die Prävalenz der Divertikulose in der Gesamtbevölkerung der westlichen Industrienationen
ist hoch, v. a. bei älteren Menschen.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 3.7
Die Prävalenz der Divertikulose wird in Studien mit verschiedenen Methoden (Endoskopie,
Barium Kontrasteinlauf, Autopsie) zwischen 28 % (Screening Koloskopien; [1] (6)) und 45 % (Barium Kontrasteinläufen, [2]
[3]
[4]
[5]) bis 60 % bei über 70-Jährigen (Autopsiestudien [6]) angegeben. Die Prävalenz der Divertikelkrankheit steigt mit dem Lebensalter an
(z. B. von 0,17 auf 5,74 pro 1000 in den Altersgruppe bis 15 – 44 Jahre und > 75 Jahre)
[66]
[175].
Die Hospitalisierungsrate wegen Divertikulitis nimmt mit dem Lebensalter zu. In den
westlichen Industrienationen ist eine Zunahme der Hospitalisierungsrate in den letzten
Jahrzehnten zu beobachten.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 3.8
Die „relative“ Zunahme betrifft v. a. jüngere Patienten. Daten zu Hospitalisierungsrate
wegen Divertikulitis wurden nach Analyse von Registerdaten u. a. aus den USA und England
[71]
[176]
[177]
[178]
[179]
[180] berichtet. Demnach werden jährlich 44 bis 120 Patienten/100 000 Einwohner wegen
Divertikulitis stationär behandelt. In der letzten Dekade zeigt sich hierbei v. a.
bei Patienten unter 45 Jahren eine deutliche Zunahme [71]
[176]. Daten zur Behandlungshäufigkeit aus dem ambulanten Bereich liegen nicht vor. In
einer prospektiven Beobachtungsstudie an 2127 Patienten mit dem endoskopischen Befund
einer Divertikulose, traten während einer Nachbeobachtungszeit von fast 7 Jahren bei
4,3 % Symptome einer Divertikulitis auf (unter Zugrundelegung einer computertomografische
Diagnosesicherung nur bei 1 % der Patienten). Das Risiko für eine Divertikulitis war
für Patienten im höheren Lebensalter geringer [73]. In 2 großen prospektiven Kohortenstudien aus England und den USA mit einer Nachbeobachtungszeit
von 18 bzw. 11,6 Jahren fand sich ebenfalls eine Divertikulitisinzidenz zwischen 1 – 2 %
[107]
[110].
Daten zur Häufigkeit der komplizierten (perforierten) Divertikulitis liegen populationsbezogen
aus verschiedenen Ländern vor [138]
[177]
[181]
[182]. Eine Divertikulitis unter immunsuppressiver Therapie [167] bzw. nach Organtransplantation hat einen schwereren Verlauf. Ein systematisches
Review zu dieser Thematik gibt – bei unterschiedlichen Nachbeobachtungszeiten – die
Inzidenz einer akuten Divertikulitis mit 1 % an (sofern Divertikel vorbekannt sind
sogar 8 %); die Letalität der Divertikulitis beträgt in dieser Patientengruppe bis
25 % [144].
Spontan- und Langzeitverlauf
Die Rezidivrate nach akuter Divertikulitis hängt von deren Schweregrad ab.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 3.9
Die retrospektiven Daten zu Rezidivraten nach akuter (stationär therapierter) Divertikulitis
sind heterogen. In Abhängigkeit der analysierten Patientenpopulation werden Raten
zwischen 2 % für die unkomplizierte Divertikulitis [183] und 35 % für Patienten mit schweren Verläufen berichtet, wobei in dieser Studie
26 % der Patienten notfallmäßig operiert wurden [184].
Es gibt Hinweise darauf, dass die Lebensqualität nach akuter Divertikulitis reduziert
ist.
Konsensusstärke: Konsens
Kommentar zu Statement 3.10
Mehrere Studien legen nahe, dass die Lebensqualität von Patienten nach akuter Divertikulitis
reduziert ist. Dies betrifft nicht nur gastrointestinale Symptome, sondern auch psychische
Symptome wie Angst und Depression [185]
[186]
[187].
Mortalität
Die komplizierte akute Divertikulitis hat eine relevante Letalität. Ein besonders
Risiko besteht für Patienten unter immunsuppressiver Therapie.
Konsensusstärke: starker Konsens
Die Letalität der akuten Divertikelblutung ist abhängig von der Intensität und Aktivität
sowie der Komorbidität.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 3.11, 3.12
Die Letalität der stationär therapierten akuten Divertikulitis liegt zwischen 0 und 13 %.
Sie ist bei komplizierter Divertikulitis oder bei Patienten unter immunsuppressiver
Therapie deutlich höher (8 – 24, 3 %; [144]). Eine notfallmäßige operative Intervention wird bei 2 – 62 % der Patienten erforderlich.
Die weite Spannbreite reflektiert Unterschiede der retrospektiv analysierten Patientenpopulationen.
Die Mortalität im ersten Jahr nach überstandener komplizierter Divertikulitis ist
deutlich erhöht (nach Fistel 2,5-fach; nach Perforation 4,5-fach), wobei dies den
bestehenden Komorbiditäten zugeschrieben wird [188]. Die Letalität der Divertikelblutung wird in einer größeren retrospektiven Serie
mit 2,25 % angegeben [189].
Assoziierte Erkrankungen
Eine Divertikulose kann selten mit einer segmentalen Kolitis assoziiert sein (SCAD).
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 3.13
Neben den typischen klinischen Zeichen der Divertikelkrankheit wie abdominellen Schmerzen,
Blutabgängen oder lokalem Peritonismus (s. o.) finden sich gelegentlich bei der Koloskopie
entzündliche Veränderungen im Bereich des divertikeltragenden Darmsegments, die histologisch
einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung ähneln. Das Krankheitsbild ist selten
und es liegen nur wenige Fallserien vor [190]
[191]
[192].
Eine Assoziation einer Divertikulose mit dem Auftreten chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen
kann nicht belegt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 3.14
In einem retrospektiven Vergleich war eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung mit
gleichzeitigem Vorliegen einer Divertikulose mit höherem Lebensalter, höherer Intensität
der distalen Entzündungsaktivität und extraintestinaler Krankheitssymptomatik assoziiert
[193]. Eine Divertikulose ist bei chronisch-entzündlicher Darmerkrankung seltener zu beobachten
[194]
[195]. Selbst wenn in der Biopsie Läsionen nachweisbar sind, die einer chronisch-entzündlichen
Darmerkrankung ähnlich sind, ist der Nachweis solcher Läsionen nicht mit einer erhöhten
Rate einer Kolitis assoziiert [23]
[196].
Eine erhöhte Prävalenz von kolorektalen Karzinomen bei Patienten mit Divertikulose
lässt sich nicht belegen.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 3.15
Obwohl Divertikulose und kolorektale Neoplasien epidemiologische Gemeinsamkeiten haben
(zunehmende Inzidenz mit dem Lebensalter, gleichartige Risikofaktoren) liegen zur
möglichen Korrelation widersprüchliche Daten vor, die durch unterschiedliche Analyseverfahren
zu erklären sein dürften. Bei Patientinnen mit stark ausgeprägter linksseitiger Divertikulose
fanden sich häufiger kolorektale Neoplasien im linken Kolon [197]
[198]
[199]; in anderen Studien traf dies v. a. für jüngere Patienten zu [200]
[201]. Es gibt aber auch mehrere Studien, die keine Assoziation [202]
[203] oder sogar geringere Rate von kolorektalen Karzinomen bei Patienten mit Divertikulose
berichten [204]
[205]. Die unterschiedlichen Ergebnisse dürften v. a. auf unterschiedliche Studienbedingungen
und auf einen Bias im Sinne einer durch Symptome getriggerten Diagnostik zurückzuführen
sein [206]. Diese Interpretation wird auch von einer aktuellen Arbeit gestützt, die eine 6fach
höhere Karzinominzidenz im ersten halben Jahr nach Divertikulitis berichtet [207].
Die Symptomatik der symptomatischen unkomplizierten Divertikelkrankheit zeigt eine
Überlappung zum Reizdarmsyndrom.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu 3.16
Das Beschwerdebild der symptomatischen unkomplizierten Divertikelkrankheit zeigt eine
Überlappung zum Reizdarmsyndrom [173]
[174]. In einer populationsbasierten Befragung wurden bei Patienten nach unkomplizierter
Divertikulitis im Verlauf häufiger abdominelle Beschwerden berichtet, die eine Ähnlichkeit
zum Reizdarmsyndrom aufweisen [208]. Eine symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit geht mit einer gesteigerten
viszeralen Sensibilität einher [65]. Ein kausaler Zusammenhang ist jedoch nicht belegt.
Kapitel 4 Diagnostik und Stadieneinteilung
Kapitel 4 Diagnostik und Stadieneinteilung
Vorbemerkung
Eine exakte Diagnose der Divertikelkrankheit ist Grundlage angemessener Therapie und
gleichzeitig Voraussetzung, um unzureichende oder überschießende therapeutische Optionen
zu vermeiden. Dies erscheint trivial, ist aber durchaus aktuell und praktisch bedeutsam
[142]
[209].
So wurden in einer älteren Untersuchung an 100 konsekutiven Resektaten bei elektiven
Divertikulitisoperation in 24 % histologisch keine Entzündungszeichen nachgewiesen
[210], andererseits besteht trotz unauffälliger Histologie in Biopsaten bei Patienten
mit symptomatischer Divertikulose bereits eine signifikant veränderte Expressionen
von Neuropeptiden des intestinalen Nervensystems [52] und schließlich weist die histologische Beurteilung bei Resektaten einer (im CT)
„phlegmonösen“ Divertikulitis nach antibiotischer Therapie regelhaft einen Heilungserfolg
auf, während nach antibiotischer Therapie bei gedeckter Perforation gravierende histologische
Strukturanomalien verbleiben [211].
Diagnostisch bedeutsam sind dabei nicht nur die exakte diagnostische Erfassung der
jeweils relevanten Situation im Spektrum der Divertikulitis und die differenzialdiagnostische
Abgrenzung divertikulärer Symptome (Schmerz, Entzündung, Blutung) gegenüber einer
Vielzahl anderer (extra)intestinaler Ursachen sondern – vor dem Hintergrund der Häufigkeit
einer Divertikulose – auch die Berücksichtigung einer Koinzidenz mit anderen definierten
Entitäten (z. B. mikrobieller Enteritis, kolorektales Karzinom, CED, Reizdarm).
4.1 – 4.6 Anamnese, Basisdiagnostik, Differenzialdiagnose
Anamnese und klinische Untersuchung
Die Anamnese trägt wesentlich zur Einschätzung des potenziellen Krankheitswerts einer
Divertikulose bei. Sie soll klären,
In der Anamnese soll nach Medikamenten mit schädigendem Potenzial (u. a. NSAR, Immunsuppressiva)
und Tabakkonsum gefragt werden.
Tabakkonsum
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.1
Definitionsgemäß weist die asymptomatische Divertikulose keine Beschwerden auf; ihr
kommt daher primär kein eigenständiger Krankheitswert zu. In der Klassifikation nach
Hansen und Stock stellt die asymptomatische Divertikulose das Stadium 0 dar [8].
Prognostische Bedeutung erhält die Divertikulose jedoch aufgrund eines erhöhten Perforationsrisikos
unter NSAR, Kortikosteroiden und Opiaten [167] sowie eines erhöhten Blutungsrisikos unter ASS und NSAR [166].
Raucher weisen ein erhöhtes Risiko für eine Divertikelperforation auf [111]. Der anamnestische Befund einer stattgehabten Divertikulitis kann für Komplikationen
(Perforation) unter Immunsuppression (Transplantation, CED, Autoimmunerkrankungen)
bedeutsam sein [151].
Blutungen aus Divertikeln/divertikulären Gefäßen sind i. d. R. schmerzlose, arterielle
Blutungen, die spontan auftreten.
Differenzialdiagnose
Symptome bei Patienten mit Divertikeln (Divertikelkrankheit) sind schwer vom Reizdarmsyndrom
abzugrenzen. Beides sind Erkrankungen, keine Befindlichkeitsstörungen [187]. Die Patienten weisen Beschwerden auf, Laboruntersuchungen (CRP, Leukozyten) können
pathologisch ausfallen, die Endoskopie ist unauffällig, wohingegen subtile mikromorphologische
und inflammatorische Veränderungen nachweisbar sind [212]. Laborchemisch kann Calprotectin im Stuhl bei einer Divertikelkrankheit diskret
erhöht sein [213]. Der Parameter ist jedoch unspezifisch (pathologische Befunde u. a. bei CED, NSAR-Einnahme,
Kolonkarzinomen und -adenomen) und nicht hinreichend diskriminierend.
Calprotectin sollte routinemäßig eher nicht zur Differenzialdiagnose eingesetzt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.2
Patienten mit Divertikelkrankheit äußern überwiegend Schmerzen im linken unteren Quadranten,
teils schneidend, mitunter rezidivierend, gelegentlich anhaltend, oft im Zusammenhang
mit Meteorismus und Änderungen ihres Stuhlverhaltens. Die Lokalisation im linken Unterbauch
erfährt jedoch durch die variable Lage des Sigmas und das Vorkommen von Divertikulitiden
im rechten Kolon (14 % der Divertikulitiden) eine erhebliche Relativierung, worauf
bereits frühe klinische Darstellungen hingewiesen haben [214]
[215].
Flatulenz und/oder Stuhlentleerungen führen zu einer Erleichterung. Bei der Palpation
ist das Sigma auf Druck empfindlich, gelegentlich aufgetrieben und bei der Perkussion
tympanitisch. Eine derbe Walze als palpable Resistenz findet sich ebenso wenig wie
objektive Hinweise auf eine Entzündung.
Reizdarmpatienten sind eher jünger, Patienten mit divertikuloseassoziierten Beschwerden
eher älter; im Einzelfall ist dies jedoch nicht hilfreich. Überdies sind auch beim
postinfektiösen RDS Veränderungen der enterochromaffinen Zellen und neurohumoraler
Transmittersubstanzen beschrieben [216], sodass eine mikrobiell getriggerte viszerale Hypersensitivität als gemeinsamer
Nenner angesehen werden kann.
Eine chirurgische stationäre Wiederaufnahme nach notfallmäßiger Sigmaresektion wird
im Mittel mit 6,1 % (n = 19/317; R = 0 – 48 %) beschrieben, nach primär konservativer
Therapie hingegen in 26,4 % (n = 141/534; R = 0 – 55 %) [217]. Diese in einer Subgruppe einer großen Patientenzahl erhobenen Daten (21 Studien
mit n = 31 366 Patienten) beleuchten summarisch unterschiedliche Aspekte: residuale
oder rekurrierende Befunde einerseits, die Notwendigkeit einer elektiven oder aufgeschobenen
Operation für einen Teil der konservativ behandelten Patienten andererseits. Zur Frage
z. B. der Differenzialdiagnose eines Reizdarms kann sie wenig beitragen, da diese
Patienten i. a. nicht wieder chirurgisch stationär vorstellig werden.
Eine Persistenz des Beschwerdebildes nach Sigmaresektion unter der Indikation einer
Divertikelerkrankung wird in etwa 22 – 25 % beschrieben [218]
[219]. Neben einer rekurrierenden Divertikelentwicklung mit Symptomen und Verwachsungsbeschwerden
als Operationsfolge kommt hierfür insbesondere das Vorliegen eines Reizdarmsyndroms
infrage, dessen Symptomatik die Operationsindikation begünstigt hat. Ein gelegentlich
hilfreiches Indiz, das gegen eine entzündliche Erkrankung/Divertikulitis spricht und
als ein Hinweis auf funktionelle bzw. psychosomatische Beschwerden gewertet werden
kann, ist das Schließen der Augen bei der abdominellen Palpation (closed eye sign) [220].
Entsprechend der deutschen Leitlinie zum Reizdarm beinhaltet die Diagnose eines Reizdarms
abdominelle Beschwerden (Schmerz, Blähungen), die von Arzt und Patient auf den Darm
bezogen werden, die länger als 3 Monate bestehen, die die Lebensqualität beeinträchtigen
und damit die ärztliche Untersuchung veranlasst haben und die nicht durch andere Befunde
bei symptomgeleiteter Diagnostik erklärt sind [221].
In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass die Rom-II-Kriterien eines Reizdarmsyndroms
gehäuft (OR 1,8; im Alter > 65 Jahre: OR 9,4) bei Patienten mit einer Divertikulose
(Frauen 17 %; Männer 9 %), nicht aber mit einer Divertikulitis gefunden werden [208]. Entsprechend sollte nicht von einer Divertikulitis gesprochen werden, wenn nicht
durch bildgebende Verfahren entzündliche Veränderungen der Divertikel belegt sind
[222].
Basisdiagnostik
Die Untersuchung von Patienten mit V. a. eine Divertikulitis soll die Palpation, Perkussion
und Auskultation des Abdomens, eine rektale Untersuchung, die Temperaturmessung sowie
die Bestimmung der Leukozyten, des CRP und eine Urinanalyse beinhalten.
Bei klinischem Bild einer akuten Divertikulitis soll eine zeitnahe Befundkontrolle
(Beschwerden, Abdominalbefund, Temperatur, CRP, Leukozyten) erfolgen.
Konsensusstärke: Konsens/starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung/starke
Empfehlung
Kommentar zu Statements 4.3
Akut einsetzende, lokalisierte, zunehmende Schmerzen im linken Unterbauch in Verbindung
mit pathologischen Entzündungsparametern (Temperaturerhöhung > 37,6 – 38 °C, CRP > 5 mg/100 ml,
Leukozytose > 10 – 12 000/µl) sind typische Symptome der Divertikulitis [223]. Dabei entwickeln sich die Entzündungsparameter i. d. R. erst über 1 – 2 Tage als
Diskriminierungsmerkmal eines abszedierenden/komplizierten Verlaufs, sodass die „48 Std.-Regel“ mit klinischer Beobachtung des Patienten (Palpationsbefund, Temperatur) und Laborkontrollen
(CRP) über diesen Zeitraum der diagnostischen Sicherheit dem Interesse des Patienten
dient [224].
Die ambulante Diagnose ist an die gleichen Kriterien gebunden. Dass die Erfassung
der notwendigen Daten einer kritischen Evaluation dabei u. U. nicht standhält, zeigt
eine aktuelle Untersuchung, in der bei > 50 % der Patienten die Temperaturmessung
(52,4 %) oder Leukozyten (65,5 %) nicht erfasst wurden. Bei > 75 % der ambulant als
Divertikulitis apostrophierten Befunde fehlte mindestens eines der 3 Kriterien (Schmerzen
LUQ, Fieber, Leukozytose). [209].
Das klinische Erscheinungsbild wird aufgrund der Symptomatologie gelegentlich als
„linksseitige Appendizitis“ apostrophiert. Rektaler Luftabgang, eine spontane Stuhlentleerung, Übelkeit, Obstipation
oder Diarrhoe können die Symptomatik ergänzen. Eine Pollakis-, Dys-, Pneumat- oder
sogar Hämaturie sowie Schmerzen im Genitalbereich/Dyspareunie deuten auf lokale Komplikationen
hin (Fistelung, Perforation in die Blase, Irritation des Plexus sacralis). Erbrechen
kommt im Vergleich mit unspezifischen Beschwerden (z. B. Gastroenteritis) bei der
Divertikulitis seltener vor [225]
[226], ist aber als vegetative Symptomatik gelegentlich auch Teil der Symptomatik bei
der komplizierten Divertikulitis. Bewegungsabhängigkeit des Schmerzes spricht eher
für eine Sigmadivertikulitis. Die Gewichtung der anamnestischen und klinischen Befunde
(i. e. Alter > 50 Jahre [OR 2,15], vorausgehende Episoden [OR 5,67], Druckschmerz
LUQ [OR 2,96], Verstärkung des Schmerzes bei Bewegung [OR 3,28], CRP > 50 mg/l [OR
5,18], Lokalisation der Schmerzen im li Unterbauch [OR 1,73] und das Fehlen von Erbrechen
[OR 1 vs. 0,38]) zeigt die typische Befundkonstellation der Divertikulitis auf und
ermöglichte durch multivariate Regression die Erstellung eines Nomogramms, das für
die klinische Diagnose eine Accuracy von 86 % erreicht. Die Anwendung dieses Scoresystems kann die Rate falsch negativer
klinischer Befunde möglicherweise künftig reduzieren [226].
Die Divertikulitis sollte als Differenzialdiagnose akuter Bauchschmerzen auch bei
jüngeren Patienten (< 40 Jahre) erwogen werden.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.4
Patienten mit dem Bild einer Divertikulitis sind überwiegend > 40 Jahre alt [227], das Problem der Divertikulitis bei jüngeren Patienten (18 – 44 Jahre) hat jedoch
erheblich zugenommen [71]. Bei Frauen soll durch eine gynäkologische Anamnese die Differenzialdiagnose von
Erkrankungen des inneren Genitale (z. B. Mittelschmerz, Adnexitis/Salpingitis, Endometriose,
Ovarialcyste ± Einblutung, Eileiterschwangerschaft) in Betracht gezogen und ggfs.
durch bildgebende Verfahren (US) und fachärztlich-gynäkologische Untersuchung weiter
erhellt werden.
Die Palpation deckt im Allgemeinen regelhaft eine (linksseitige) primär umschrieben
lokalisierte Druckschmerzhaftigkeit, bei peritonealer Reizung auch eine Abwehrspannung
und Loslassschmerz im Unterbauch auf (fehlt z. B. bei dorsaler, retrovesikaler Lage
des entzündeten Divertikels). Das Vorliegen eines Leistenbruchs wird durch Untersuchung
der Bruchpforten differenzialdiagnostisch ausgeschlossen. Die rektale Untersuchung
löst bei tiefem Sitz der Divertikulitis ggfs. Schmerzen aus. Das Schließen der Augen
bei der Palpation (closed eye sign) gilt als Hinweis auf funktionelle bzw. psychosomatische Beschwerden [220]. Eine Tympanie ist nicht selten, aber unspezifisch. Auf Zeichen eines bereits bestehenden
Ileus (Paralyse bei freier Perforation) ist insbesondere beim schwer kranken Patienten
zu achten; zur Verlaufsbeurteilung sollte der Auskultationsbefund aber immer erfasst
werden. Bei einer diffusen Peritonitis durch eine Perforation in die freie Bauchhöhle
besteht ein akutes Abdomen.
Die Divertikulitis soll als Differenzialdiagnose akuter Bauchschmerzen auch bei rechtsseitiger
oder suprapubischer Schmerzlokalisation erwogen werden.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: Starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.5
Nicht nur eine rechtsseitige Divertikulitis (Divertikulitis im rechten Hemikolon),
auch eine weit nach rechts ausladende Sigmaschleife kann eine rechtsseitige Symptomatik
verursachen, zudem ist eine suprapubische Lokalisation nicht selten [214].
In der Akutdiagnostik und zur Verlaufsbeurteilung ist das CRP der am besten etablierte
und validierte Laborparameter. Bei V. a. eine Divertikulitis soll daher grundsätzlich
die Bestimmung des CRP zur Diagnosestellung und als Verlaufsparameter erfolgen. Ein
Urinstatus gehört zur Basisdiagnostik.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.6
Eine Leukozytose > 10 – 12 000/µl, eine Erhöhung des C-reaktiven Proteins (CRP) > 5 mg/100 ml
(0,8 mg/100 ml) und eine beschleunigte BSG > 15 mm/Std. reflektieren das Vorliegen
einer Entzündung ebenso wie ein erhöhtes Calprotectin im Stuhl. Für die Akutdiagnostik
in einer Aufnahmeeinheit ist die Bestimmung von Calprotectin im Stuhl nicht sinnvoll;
gleiches gilt für andere Entzündungsindikatoren wie Fibrinogen, saures α1-Glykoprotein
oder Interleukin-6 und LPS (lipopolysaccharidbindendes Protein). LPS findet sich zwar
früh bei einer stenosierenden Divertikulitis erhöht, dies ist aber auch für bakterielle
Gastroenteritiden der Fall [228]
[229].
Am verlässlichsten erscheint das CRP geeignet, im klinischen Kontext eine Divertikulitis
zu objektivieren. Die Höhe des CRP korreliert dabei tendenziell mit komplizierten/perforierten
Verläufen.
Dabei spiegeln Werte > 5 mg/100 ml eine Divertikulitis wieder, während ein CRP > 20 mg/100 ml
den Verdacht auf eine Perforation erweckt (PPV 69 %). CRP-Konzentrationen < 5 mg/100 ml
beinhalten einen negativen prädiktiven Wert (NPV) für eine Perforation von 79 % [230]. Die Angabe derartiger Cut-off-Konzentrationen bedarf jedoch der Relativierung unter
Bezug auf die methodenbedingten jeweiligen Normalwerte.
Leukozyten und Temperatur differenzieren demgegenüber perforierende Verläufe nicht
von einer nicht perforierten Divertikulitis [227].
Angaben zur Häufigkeit eines positiven CRP-Befunds variieren beträchtlich; während
eine italienische Arbeitsgruppe [231] ein erhöhtes CRP in 62 % der Divertikulitispatienten findet (BSG 57 %; Leukozytose
21 %), weisen in der Publikation von Toorenvliet aus den Niederlanden 56/57 Patienten
mit der Diagnose Divertikulitis mind. einen Inflammationsbefund (Leukozyten > 12 000/µl,
CRP > 0,8 mg/100 ml, BSG > 15 mm/1 Std. oder Temp. > 38 °C) auf. Wie viele Patienten
die einzelnen genannten Parameter aufwiesen, ist hierbei jedoch nicht bekannt.
In der Untersuchung von Laurell et al. [227] wurde bei 16 % der Patienten mit der Entlassungsdiagnose Divertikulitis ein normaler
CRP-Wert erhoben; bei 25 % waren die Leukozyten normal, bei 29 % die Körpertemperatur.
Auffallend und als Einschränkung zu werten ist, dass in dieser Untersuchung bildgebende
Verfahren praktisch keine Rolle spielten: bei unkomplizierter Divertikulitis wurde
ein CT in nur 4 % durchgeführt, bei komplizierter Divertikulitis (Perforation) in
36 %. Da hier die Sonografie nicht zur Divertikulitisdiagnostik eingesetzt wurde,
bleibt offen, wie korrekt die Einstufung „Entlassungsdiagnose Divertikulitis“ als
Goldstandard tatsächlich ist.
Als Indikator einer komplizierten Divertikulitis kommt dem CRP mit 84 % in einer Serie
von 101 operierten Patienten (95 % CI 71,7 – 92,4) die höchste Sensitivität zu (Leukozyten
79 % (66,1 – 88,6), Temperatur > 37,5 °C 38,6 % Sensitivität (95 % CI 26,0 – 52,4 %);
[232].
4.7 – 4.13 Bildgebung/Schnittbildverfahren
Zur Diagnosesicherung einer Divertikulitis soll ein Schnittbildverfahren durchgeführt
werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.7
Die klinische Diagnose einer Divertikulitis (ohne bildgebende Untersuchungen) weist
in verschiedenen Untersuchungen einheitlich eine substanzielle Fehlerrate auf. Die
niederländischen Untersuchungen von Toorenvliet et al. (2010) sowie Laméris et al.
(2010) dokumentieren eine Sensitivität von 68 % und einen positiven prädiktiven Wert
von 65 % bzw. eine Sensitivität von 71 %. Laurell et al. (2007) haben hier trotz der
genannten Einschränkungen eine ähnliche Sensitivität (64 %). Schwerk et al. [233] beschreiben eine falsch-positive klinische Einschätzung (highly suspected diverticulitis)
in 9/28 Fällen und 44/68 Fällen mit weniger deutlichem klinischem Verdacht (possible
but equivocal diverticulitis) sowie eine falsch negative Einschätzung in 9/34 Fällen
(diverticulitis very unlikely).
Die Durchführung eines Urinstatus ist erforderlich, um Differenzialdiagnosen seitens
des Harnwegssystems (z. B. Zystitis, Ureterolithiasis) oder Komplikationen einer Divertikulitis
(Sigma-Blasenfistel, Begleitzystitis) zu erfassen.
Bildgebende Verfahren
Da die klinische Diagnose durch Anamnese, Untersuchungsbefund und Labor nicht hinreichend
zuverlässig ist (Sensitivität 64 – 71 %), kommt bildgebenden Verfahren (Schnittbilduntersuchungen)
für die Diagnostik der Divertikulitis eine entscheidende diagnostische und auch differenzialdiagnostische
Bedeutung zu.
Ultraschalldiagnostik (US)
Die qualifizierte abdominelle Sonografie soll als aussagefähiges Schnittbildverfahren
in der Primär- und Verlaufsdiagnostik der akuten Divertikulitis eingesetzt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.8
Die Ultraschalluntersuchung ist geeignet, die Diagnose und den Schweregrad einer Divertikulitis
abzubilden, wichtige Differenzialdiagnosen zu erkennen und das therapeutische Vorgehen
stratifiziert zu lenken.
Vor dem Hintergrund fehlender oder geringer Erfahrungen mit der abdominellen Sonografie
bei gastroenterologischen und viszeralchirurgischen Klinikern in den USA, England
und Skandinavien ist die Unsicherheit bezüglich der Rolle der Sonografie in der Diagnostik
der Divertikulitis in der englischsprachigen Literatur nachvollziehbar. In Kontinentaleuropa
ist demgegenüber i. d. R. in größerem Umfang ein höheres Maß an sonografischer Expertise
in Klinik (Gastroenterologie, Radiologie, Chirurgie) und Praxis etabliert, die eine
andere Position rechtfertigt.
Da überdies in Deutschland die Röntgenverordnung von 2011 [in § 23 (1)] vorschreibt,
dass eine Röntgenuntersuchung nur dann durchgeführt werden darf, wenn eine rechtfertigende Indikation vorliegt, wobei andere Verfahren mit gleichwertigem gesundheitlichem Nutzen, die keine …Strahlenexposition
aufweisen, bei der Abwägung zu berücksichtigen sind, ist die Ultraschalluntersuchung als breit verfügbare, zuverlässige und sehr preiswerte
Technik die Methode der ersten Wahl bei V. a. Divertikulitis.
Durchführung/Kriterien der Sonografie
Die Sonografie bei V. a. eine Divertikulitis soll mit Schallfrequenzen von ≥ 3,5 MHz
(optimal > 5 MHz) unter dosierter Kompression am Ort des Schmerzmaximums erfolgen;
dabei sollten insbesondere auch die Umgebungsstrukturen sowie das restliche Abdomen
standardisiert untersucht werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.9
Besondere technische Vorbereitungen sind zur Sonografie bei der Divertikulitis nicht
erforderlich; die akute Divertikulitis ist überdies die einfachste Ultraschalldiagnose
am Intestinaltrakt.
Die Verwendung eines hochauflösenden Schallkopfes (≥ 5 MHz) bietet eine optimale Auflösung
bei i. d. R. ausreichender Schallbarkeit unter dosierter Kompression. Vorteil der
Sonografie ist die unmittelbare und gezielte Erfassung des maximalen Schmerzpunkts
anhand der Patientenschilderung und des Palpationsbefunds, die den Ort der Divertikulitis
und ggfs. ihrer Komplikation vorgibt. Der charakteristische Befund findet sich regelhaft
an dieser Stelle; er beinhaltet neben dem exakt lokalisierbaren Druckschmerz
-
eine echoarme, zunächst asymmetrische Wandverdickung (> 5 mm) mit Aufhebung der Wandschichtung,
geringer Verformbarkeit unter Druck und einer Einengung des Lumens,
-
die (in Abhängigkeit von der Extrusion des ursächlichen Fäkolithen [234]) variabel echoarme Darstellung des entzündeten Divertikels, umgeben von
-
einer echogenen Netzkappe (perikolische entzündliche Fettgewebsreaktion) und
-
gelegentlich echoarmen Entzündungsstraßen [234]
[235]
[236].
Die hypoechogene Divertikelprotrusion mit echogenem Zentrum wurde (bei Patienten mit
rechtsseitiger Divertikulitis) auch als Dom-Zeichen bezeichnet [237]. Als sonografische Kriterien eines Abszesses gelten die echoarme bzw. echofreie
parakolische oder intramurale Herdbildung mit echogenen, Reverberationsechos bzw.
Kometenschweifartefakte hervorrufenden Luftreflexen während Luftreflexe innerhalb
echoarmer bandförmiger Strukturen Charakteristika von Fisteln sind. Leitstrukturen
einer freien Perforation sind der Nachweis freier Luft sowie freier gemischt echogener
Flüssigkeit.
Mit sehr hochauflösenden Schallfrequenzen (≥ 7,5 MHz) können die Darmwandschichten
zuverlässig dargestellt werden. Die Muskelhypertrophie und Elastosis sowie die dadurch
senkrecht durch die Sigmawand verlaufenden nutritiven Gefäße sind ein regelhafter
Befund, der prärequisitär für die (linksseitige) Divertikelbildung ist. Etwa 85 %
der endoskopisch verifizierten Divertikulosepatienten können sonografisch richtig
erkannt werden, wobei die Zahl der entdeckten Divertikel im US stets geringer ist
als bei der Koloskopie [238].
Bei der akuten Divertikulitis betragen die Sensitivität und Spezifität für die abdominelle
Sonografie bei gerichteter Fragestellung und prospektiver Evaluation in der Hand des
Erfahrenen jeweils 98 % [233]. Die direkte Darstellung des entzündeten Divertikels ist bei unkomplizierter akuter
Divertikulitis mit einer Sensitivität von 96 % möglich, bei kompliziertem Befund aber
erkennbar schwieriger (Sensitivität insgesamt 77 %, Spezifität 99 %) [236]. Während sich der Ultraschall zumeist direkt am (schmerzhaften) entzündeten Divertikel
orientiert, kommt dem Nachweis des entzündeten Divertikels in der CT-Diagnostik der
Divertikulitis bei 99 % Sensitivität, Spezifität und PPV für die Divertikulitisdiagnostik
nur geringe Sensitivität (30 %; [215]) und Interobserverübereinstimmung zu [239].
Eine frühe systematische prospektive Vergleichsuntersuchung aus Frankreich weist für
Sonografie und CT eine Accuracy von jeweils 84 % aus; die Sensitivität lag bei 85 vs. 91 %, die Spezifität bei 84
und 77 %, der PPV bei 85 vs. 81 %, NPV 84 vs. 88 %. Hinsichtlich anderer, alternativer
Diagnosen lag die Sensitivität für das CT mit 50 vs. 33 % (US) ebenso höher wie für
die Detektionsrate perikolischer Abszesse [240].
Eine retrospektive Analyse aus Spanien zeigt eine Sensitivität von 86 % bei operierten
Patienten mit einer akuten Divertikulitis, aber 94 % Sensitivität in der Gesamtgruppe
aller Patienten mit akuter Divertikulitis. Die Differenz lässt erkennen, dass insbesondere
die unkomplizierte akute Divertikulitis eine Domäne der Sonografie ist; in dieser
Untersuchung zeigte sich jedoch auch, dass 10 von 34 notfallmäßig operierten Patienten
falsch negative US-Befunde aufwiesen (Sensitivität 70 %) [241].
In einer vergleichenden prospektiven Studie aus Deutschland mit 4 erfahrenen Ultraschalluntersuchern
und den CT-Möglichkeiten einer Universitätsklinik wies die Sonografie eine Sensitivität
von 100 % (CT 98 %) auf, die Spezifität betrug für beide Verfahren 97 %. Hinsichtlich
einer ausgedehnten Peridivertikulitis und gedeckter Perforationen zeigte die CT eine
deutliche Tendenz zum Überstaging, die Sonografie dagegen eine etwas weniger ausgeprägte
Tendenz zum Understaging. Freie Perforationen oder Abszesse wurden mit keinem der
beiden Verfahren übersehen [242].
Bei besonderen Lokalisationen (Distanzabszesse weit mesenterial, tief liegende Divertikulitiden
im unteren Sigma) hat die US-Untersuchung Nachteile gegenüber der CT-immanenten Übersicht
und Detektionsrate. Dies sollte insbesondere bei der Einschätzung der Lokalsituation
bei notfallmäßiger OP-Indikation bedacht werden.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.10
Tief im unteren Sigma liegende Divertikulitiden entziehen sich auch bei erfahrenen
Untersuchern leicht dem sonografisch geführten Nachweis. Hier ermöglichen neben der
CT sowohl die endorektale wie auch bei Frauen insbesondere die transvaginale Sonografie
mit Endfire-Sonden einen deutlichen diagnostischen Gewinn [243]
[244].
Die hohe Aussagefähigkeit der abdominellen Sonografie (Sensitivität 84 %, Spezifität
93 %; PPV 93 %, NPV 84 %, Accuracy 88 %) bleibt auch dann weitgehend erhalten, wenn
nicht ein virtuoser „Spezialist“, sondern eine Vielzahl von in einem Grundkurs und
durch 3-monatigen US-Einsatz in der abdominellen Sonografie ausgebildeten Anwendern
(hier: 11 chirurgische Ärzte einer Universitätsklinik) Ultraschalluntersuchungen zur
Frage einer akuten Divertikulitis prospektiv durchführen [245].
Bei systematisch vergleichender prospektiver Evaluation im Rahmen der radiologischen
Abklärung von Bauchschmerzen ohne fokussierende Fragestellung zeigen US (90 %) und CT (89 %) einen vergleichbaren PPV (NPV 95 und 98 %) und gleiche
Spezifität (99 %) bei höherer Sensitivität für das CT (81 vs. 61 %) [246]. Die Befunde dieser Untersuchung sind partiell schwer interpretierbar. So wirft
die Feststellung, dass die finale Diagnose (Goldstandard) bei 24 % erst durch eine
Gruppendiskussion erreicht wurde ebenso Fragen auf wie die vergleichsweise sehr geringe
Sensitivität der US-Diagnose einer Cholezystitis (73 %) mit einem PPV von 37 %. Die
Teilnahme von Untersuchern mit weniger als 500 abdominellen Ultraschalluntersuchungen
zeigte sich bezüglich der Divertikulitisdiagnose als Nachteil (Sensitivität 50 %);
> 500 Untersuchungen: Sensitivität 100 %. Zum Vergleich: für die Appendizitisdiagnose
zeigten sich eine Sensitivität von 64 bzw. 76 % bei o. g. Ausbildungsstandard als
Indiz für die eingangs (3.3.1.1) getroffene Feststellung, dass die sonografische Divertikulitisdiagnostik
die einfachste US des Intestinaltrakts darstellt und relativ rasch erlernbar ist.
Und: auch für die Beurteilung einer CT-Kolonografie wird unter Radiologen eine Trainingserfahrung
von 500 Untersuchungen mit endoskopischer Kontrolle für sinnvoll erachtet [247].
Zwei Metaanalysen vergleichen die methodische Qualität der Sonografie und des CT.
Liljegren et al. [248] belegen anhand der strikten Kriterien des Centre for Evidence-Based Medicine/Oxford,
dass die diagnostische Genauigkeit des Ultraschalls für die Erfassung der akuten Divertikulitis
bei klinischem Verdacht der des CT gleichwertig ist. Die Schlussfolgerung dieser Metaanalyse
lautet: The scientific basis available to this review supports US as the method of choice
in the diagnosis of acute diverticulitis.
Ausschlaggebend dabei war in erster Linie eine höhere Studienqualität in den Publikationen zum US im Vergleich zum CT und MRT [249].
Laméris et al. [250] testeten die prospektiven Studien mittels des QUADAS-Tools, einem Test zur Evaluation
der Qualität von Studien. Die Sensitivität für US und CT war dabei vergleichbar (92 %
[CI 80 – 97 %] vs. 94 % [CI 87 – 97 %], ebenso die Spezifität mit 90 % [CI 82 – 95 %]
vs. 99 %[CI 95 – 100 %]) [251].
Röntgenologische Verfahren und Magnetresonanztomografie (MRT)
Ultraschall und/oder Computertomografie (CT) sollen als diagnostische Verfahren bei
V. a. Divertikulitis eingesetzt werden. Der Kolonkontrasteinlauf soll nicht mehr zur
Diagnose der Divertikulitis eingesetzt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.11
Die Schnittbildverfahren (US, CT) ermöglichen durch die Darstellung der extraluminalen
Strukturen eine umfassende differenzialdiagnostische Beurteilung einer Divertikulitis
bzw. ihrer Komplikationen.
Diagnostische Kriterien für eine Divertikulitis sind der direkte Nachweis von entzündeten
Divertikeln, eine Darmwandverdickung auf über 3 (5)mm und eine vermehrte Kontrastmittelaufnahme
in der CT und MRT (ggf. auch Kontrastmittelschall/CEUS [contrast enhanced ultrasound]).
Indirekte Zeichen sind die perifokale mesenteriale Injektion sowie freie abdominelle
Flüssigkeit als Ausdruck einer Entzündung. Gedeckte oder freie Perforationen sowie
der Nachweis von Abszessen sind in allen bildgebenden Verfahren Zeichen einer komplizierten
Divertikulitis.
Die CT-Untersuchung bei V. a. akute Divertikulitis ist eine praktikable und wertvolle
Untersuchung. Sie ist geeignet, die Diagnose und des Schweregrad einer Divertikulitis
abzubilden, wichtige Differenzialdiagnosen zu erkennen und das chirurgische Vorgehen
stratifiziert zu lenken.
Für die Computertomografie haben bereits ältere Studien mit noch einzeiliger Detektorkonfiguration
Sensitivitäten und Spezifitäten zwischen 87 und 100 % bzw. 90 – 100 % ausgewiesen
[215]
[252]
[253]
[254]. Dabei ist die Methode sehr gut geeignet, den Schweregrad der Erkrankung zu bestimmen
und ggf. weitere chirurgische Konsequenzen zu veranlassen [255]
[256]. Der Schweregrad der Veränderungen im CT gibt bei initial konservativ behandelten
Patienten Hinweise auf die Operationsindikation im weiteren Verlauf, allerdings war
auch bei schwerwiegenden CT-Befunden (perikolische Luft, Abszess) bei der überwiegenden
Mehrzahl der Patienten im Verlauf keine OP-Indikation gegeben [255]. Die Beurteilung von Komplikationen wie Abszessen und gedeckten oder freien Perforationen
ist in der CT mit hoher Sicherheit möglich [257]. Hier hat sich in Studien gezeigt, dass die CT der Sonografie überlegen ist [241]. Zusätzlich lässt sich radiologisch interventionell ggf. eine Abszessentlastung
anstreben, die den Verlauf der Patienten vor einem chirurgischen Eingriff verbessern
kann [258]
[259]
[260].
Die technische Durchführung der CT kann in Abhängigkeit von der klinischen Situation
modifiziert werden. Dabei soll eine geeignete Methodik gewählt und auf die Verminderung
der Strahlenexposition konsequent hingewirkt werden.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.12
Die Computertomografie wird gegenwärtig in Deutschland in den meisten Kliniken als
Untersuchung mit intravenöser und oraler positiver Kontrastierung mit verdünnten Jodhaltigen
Kontrastmitteln durchgeführt. Zusätzlich wird eine rektale Kontrastierung mit einem
Einlauf mit wasserlöslichem Kontrastmittel zur besseren Beurteilung des Rektums und
des Sigmas empfohlen. Die Untersuchung wird als reguläres Abdomen-CT in der portalvenösen
Phase mit einer Röhrenspannung von 100 – 120 kVp und einem Röhrenstrom von etwa 120 mAs
durchgeführt.
Die angegebenen Untersuchungsparameter sind eine Beschreibung des Ist-Zustands. In
den letzten Jahren wurden Studien durchgeführt, die sowohl auf die intravenöse wie
auch die orale bzw. rektale Kontrastierung verzichten; zusätzlich vermag die Verwendung
moderner Mehrzeilen-CTs, die eine Low-Dose-Technik mit 30 mAs einsetzen, zu den gleichen
diagnostischen Ergebnissen wie die reguläre CT zu kommen [239]. Dies könnte theoretisch die Strahlenexposition von durchschnittlich 10 mSv auf etwa 3 mSv reduzieren, was
die Anwendbarkeit der Untersuchung erweitern würde. Ein Vergleich zwischen der Einzeilen-
und der Mehrzeilentechnologie bei der CT existiert nicht. Da bereits in den Studien
mit Einzeilentechnik Sensitivitäten und Spezifitäten von nahezu 100 % erreicht wurden,
ist kein relevanter Benefit von der Mehrzeilendiagnostik zu erwarten. Andererseits
kommen aktuell nur mehr Mehrzeilengeräte auf den Markt, sodass eine medizinische Diskussion
hier überflüssig erscheint.
Somit kann für die CT bez. der Gerätetechnik konstatiert werden, dass alle heute eingesetzten
modernen CTs für die Diagnose ausreichend und geeignet erscheinen. Bezüglich der intravenösen
sowie der oralen und rektalen Kontrastierung gibt es vereinzelte Publikationen, die
den Verzicht auf jede Kontrastierung möglich erscheinen lassen [239]. Der Evidenzgrad dieser einzelnen Studien scheint für eine allgemeine Anwendung
noch nicht ausreichend zu sein, sodass gegenwärtig weiter die oben beschrieben Technik
bei fehlenden Kontraindikationen angewandt werden sollte. Hier wird die Literatur
der nächsten Jahre bezüglich einer evidenzbasierten Anwendung jedoch kritisch reevaluiert
werden müssen.
Der Einsatz des CT ist in der älteren chirurgisch dominierten Divertikulitisliteratur
oft das einzige und in variablem Umfang eingesetzte Schnittbildverfahren. Anlass zu
einer kritischen Betrachtung gibt in diesem Zusammenhang eine Studie aus den Niederlanden,
die die Validität der präoperativen CT-Untersuchung bei allen (n = 75) Patienten untersucht
hat, die wegen einer perforierten Divertikulitis in zwei großen Kliniken notfallmäßig
operiert wurden und innerhalb von 24 Std. zuvor ein CT erhielten. Die Beurteilung
erfolgte retrospektiv anhand der CT-Datensätze durch zwei unabhängige Radiologen ohne
Berücksichtigung der Klinik. Dabei stellte sich unerwartet die Accuracy des CT mit 71 – 92 % für unterschiedliche Stadien der Perforation deutlich geringer
dar (PPV 45 – 89 %), als allgemein angenommen. Bei 42 % der Patienten im Stadium Hinchey
3 wies das CT ein Understaging (Hinchey Stadium 1 oder 2) aus (wodurch der PPV des
CT für Hinchey Stadium 1 und 2 bei nur 61 % liegt) [249].
In einer vergleichbaren Untersuchung aus Deutschland wurde das präoperative CT mit
dem intraoperativen Befund und der Histologie bei 204 Patienten verglichen. Dabei
zeigte sich im Stadium Hansen & Stock (HS) IIa (Phlegmone) eine korrekte Detektion
bei 52 % (OP-Befund) bzw. 56 % (Histologie). Ein Understaging bestand in 12 bzw. 11 %,
ein Overstaging in 36 (33)%. Die Treffsicherheit bei den abszedierenden Stadien (HS
IIb, Hinchey I/II) lag bei 92 % (OP-Befund) bzw. 90 % (Histologie) mit einem Understaging
von 3 bzw. 0 % und einem Overstaging in 5 (10) %. Die freie Perforation (HS IIc, Hinchey
3/4) wurde in 100 % korrekt erfasst, sodass der PPV der Computertomografie für HS
IIa, HS IIb und HS IIc bei 52 (56)%, 92 (90)% und 100 (100)% lag [251]. Die Wertigkeit der radiologischen Beurteilung erscheint somit im (wichtigen) Stadium
HS IIa/IIb deutlich untersucherabhängig (Understaging in den Niederlanden, Overstaging
in Deutschland). Zur präoperativen Differenzialdiagnose der phlegmonösen Divertikulitis
(HS IIa) gegenüber perforierten Verläufen (HS IIb/IIc) ist das CT nicht einheitlich
als Goldstandard zu bewerten.
Magnetresonanztomografie (MRT)
MRT-Untersuchungen sollten eher nicht zur routinemäßigen Diagnostik der Divertikulitis
durchgeführt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Negativempfehlung
Kommentar zu Statement 4.13
Die MRT zur Beurteilung der Divertikulitis des Kolons hat bisher in der Praxis und
in Studien noch keine breite Basis gefunden. Für die praktische Durchführung finden
sich mehrere Probleme: Häufig ergeben sich durch die starken abdominellen Schmerzen
bei der lang andauernden Datenakquisition Bewegungsartefakte. Klaustrophobie verhindert
gelegentlich eine adäquate Durchführung der Untersuchung. Zusätzlich ist eine MRT
an vielen Kliniken nicht 24 Stunden für den Notfallbetrieb verfügbar und mit höheren
Kosten im Vergleich zur CT verbunden. Gerade die klinisch und therapeutisch sehr wichtige
Frage nach kleinen Luftmengen um das Kolon bei der Frage nach freier oder gedeckter
Perforation ist mit der MRT nur schwierig zu beurteilen, was die Methode bei der komplizierten
Divertikulitis sehr einschränkt. Hier gibt es keine Literatur, die systematisch die
Nachweisbarkeitsgrenze kleiner Luftmengen abdominell evaluiert hat. Die Technik wurde
nur an kleinen, meist selektionierten Patientenkollektiven evaluiert [261]
[262]
[263]
[264]. Die Ergebnisse der Studien lassen lediglich den Schluss zu, dass die MRT mit oraler
oder rektaler Kontrastierung und der intravenösen Kontrastmittelgabe ähnliche Ergebnisse
wie die CT zulässt. Einschränkend muss jedoch erwähnt werden, dass keine dedizierten
Studien bezüglich der komplizierten Divertikulitis und hinsichtlich geringer Mengen
freier Luft bei gedeckter Perforation vorliegen.
Bei fehlender Studienlage kann keine definitive Empfehlung der technischen Durchführung
der MRT Untersuchung bei Divertikulitis gegeben werden. Analog zur CT-Bildgebung sollte
gegenwärtig eine kontrastmittelgestützte MRT mit intravenöser, oraler und rektaler
Kontrastierung erfolgen. Hochauflösende T1-gewichtete 3D-Gradientenechosequenzen sowie
T2-Sequenzen zur Beurteilung von akuten entzündlichen Situationen sollten im Protokoll
enthalten sein. Die Frage der intraluminalen Kontrastierung bez. Dark-Lumen-Technik
[263] oder der T1-positiven Kontrastierung zur besseren differenzialdiagnostischen Abklärung
von Abszessen [262] ist in der Literatur noch nicht beantwortet.
Die MRT des Kolons zur Divertikulitisdiagnostik sollte daher weiter lediglich in Zentren
mit kontrollierten Studien sowie in Einzelfällen (Untersuchungen bei Schwangeren oder
pädiatrische Patienten aus Gründen der Strahlenreduktion) durchgeführt werden.
4.14 – 4.16 Endoskopie
Koloskopie in der Akutphase der Divertikulitis
Zur Diagnose einer akuten Divertikulitis sollte keine Koloskopie erfolgen.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Negativempfehlung
Kommentar zu Statement 4.14
Die Durchführung einer Koloskopie ermöglicht die Abklärung abdomineller Beschwerden
und ist Methode der Wahl bei unterer GI-Blutung sowie zum Tumorausschluss. Sie ist
geeignet zum Nachweis von Divertikeln und trägt entscheidend zur Differenzialdiagnostik
mukosal-entzündlicher bzw. polypoider Befunde gegenüber der Divertikulitis bei untypischem
Verlauf bzw. einer symptomatischen Divertikulose bei [262].
Für den Nachweis einer akuten Divertikulitis ist die Koloskopie nicht erforderlich
[265].
Entzündliche Veränderungen von Divertikeln bei der Endoskopie kommen bei etwa 0,8 %
der Koloskopien vor, ohne dass eine akute Divertikulitis vorliegt [266].
Luminale Veränderungen sind in der Pathogenese der Divertikulitis sekundär, da die
Erkrankung als bakterielle Penetration in der Tiefe eines Divertikels beginnt und
entscheidende Komplikationen (Phlegmone, Mikroperforation, Fistel, Abszess) transmural
liegen. Bei einer Darmwandverdickung auf ≥ 11 mm in der Sonografie zeigt die Koloskopie
eine spontane Eiterentleerung aus entzündeten Divertikeln [267].
Bei ausgewählten Indikationen (z. B. uncharakteristischem klinischem Bild oder Verlauf)
kann eine Koloskopie (mit wahrscheinlich gering erhöhtem Risiko für eine Perforation)
bei akuter Divertikulitis erfolgen, wenn eine gedeckte Perforation und Abszedierung
im CT ausgeschlossen ist.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.15
Die Sicherheit und Bedeutung einer Koloskopie wird dabei auch innerhalb der gleichen
Klinik unterschiedlich beurteilt.
In einer Serie bei 54 Divertikulitispatienten kam es zu einer Perforation durch die
Koloskopie (1,9 %), bei weiteren 39 Patienten, bei denen mittels CT eine gedeckte
Perforation oder ein Abszess ausgeschlossen worden waren, wurde hingegen keine Perforation
beobachtet. Insgesamt konnten 2 CT-negative Adenokarzinome und ein Knochenfragment
im entzündeten Divertikel als relevante Befunde festgestellt werden [268]. Die Koloskopien erfolgten 4 – 12 Tage nach stationärer Aufnahme (Median 5,8 Tage).
Die Rate kompletter Koloskopien (Erreichen des Coecum oder einer Tumorstenose in 81,7 %
der Fälle) war geringer als in einer elektiven Situation.
Aus der gleichen Klinik stammt eine Untersuchung zur frühen (im stat. Aufenthalt)
vs. aufgeschobenen (nach 6 Wochen) Koloskopie bei CT-gesicherter Divertikulitis. Dabei
ergaben sich weder vermehrte Perforationen noch ein diagnostischer Zugewinn [265]. Einen Nutzen erkennen die Autoren jedoch für atypische Verläufe mit persistierenden
Beschwerden nach einwöchiger Antibiotikatherapie respektive einem Rezidiv binnen 2
Monaten. In dieser Situation (23/224 Patienten) fand sich in 4/23 Fällen (17 %) eine
therapeutisch relevante Diagnose durch die Koloskopie: in 3 Fällen ein Adenokarzinom
und in einem Fall ein Hühnerknochen in einem Divertikel, der endoskopisch entfernt
werden konnte [269].
Koloskopie nach akuter unkomplizierter Divertikulitis
Die Indikation zur Koloskopie nach einer konservativ behandelten Divertikulitis sollte
großzügig gestellt werden.
Vor einer elektiven Sigmaresektion soll eine Koloskopie zum Ausschluss anderer relevanter
Pathologien durchgeführt werden.
Eine geplante Koloskopie sollte nach Ausheilung der Indexdivertikulitis (i. d. R.
nach 4 – 6 Wochen) erfolgen.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung/Starke Empfehlung/Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.16
Eine Koloskopie wurde bisher häufig a) grundsätzlich nach einer konservativ behandelten
akuten Divertikulitis und b) vor einer Sigmaresektion empfohlen. Hintergrund ist einerseits
die Differenzialdiagnose anderer Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik, andererseits
die Koinzidenz eines synchronen Karzinom- oder Adenombefundes.
Die Bedeutung und Notwendigkeit einer Koloskopie wird aktuell jedoch mit dem Hinweis
auf die Qualität bei konsequenter CT-Diagnostik der Divertikulitis (und sicher auch
vor dem Hintergrund gesundheitsökonomischer Erwägungen) durch einige Untersuchungen
in anders gelagerten Gesundheitssystemen infrage gestellt.
In einer retrospektiven Longitudinalstudie an 205 Patienten mit CT-gestützter Diagnose
einer akuten unkomplizierten Divertikulitis erbrachte die Koloskopie bei 9,3 % der
Patienten Adenome, darunter 5,4 % fortgeschrittene Neoplasien [270]. Bei je einem Patienten wurde ein Sigmakarzinom und eine chronisch-entzündliche
Darmerkrankung diagnostiziert (diese beiden Patienten berichteten jedoch Symptome,
die ohnehin eine Koloskopie zur Folge gehabt hätten). Diese Rate an Adenomen und Karzinomen
liegt eher niedriger als aufgrund der Auswertung von Daten von Vorsorgekoloskopien
statistisch zu erwarten gewesen wäre.
Die Koloskopien bei 100 Patienten 4 – 6 Wochen nach Krankenhausbehandlung wegen einer
akuten Divertikulitis (CT-gesicherte Diagnose) erbrachte in 32 % mindestens einen
Polypen, nur in einem Fall ein fortgeschrittenes Adenom und bei keinem Patienten ein
Malignom, somit bei kleiner Fallzahl nur eine geringe Anzahl (unmittelbar) relevanter
Befunde [271].
Abgesehen davon, dass auch Adenombefunde grundsätzlich prognostisch als relevante
Pathologie des Kolons gewertet werden sollten, lassen andere Untersuchungen in bedeutsamerem
Umfang eine Koinzidenz mit dem Kolonkarzinom erkennen. Oft zitiert wird eine retrospektive
Studie aus den USA, dass 5 von 73 (7 %) der Patienten, die im Zeitraum 1992 – 2001
im Universitätskrankenhaus von St. Louis an einer akuten Divertikulitis operiert wurden,
ein zuvor nicht bekanntes Kolonkarzinom aufwiesen [272].
Eine Datenbankanalyse aus Australien [273] fand ebenfalls eine mit 2,1 % gering erhöhte Kolonkarzinomrate binnen eines Jahres
nach der CT-gestützten Diagnose einer linksseitigen Divertikulitis (Auswertung von
1088 Patienten, Abgleich mit dem nationalem Krebsregister). Bei 319 Patienten war
innerhalb eines Jahres nach der Divertikulitisdiagnose eine Koloskopie durchgeführt
worden: Bei 9 dieser Patienten (2,8 %) wurde ein Kolonkarzinom festgestellt.
Eine systematische Literaturrecherche zum Nutzen der Koloskopie unter dem Aspekt des
Kolonkarzinomnachweises bis 24 Wochen nach CT-Diagnose einer Divertikulitis identifizierte
nur 10 Studien mit 771 dokumentierten Patienten [274]. Dabei lag die Rate an kolorektalen Karzinomen bei 2,1 % (95 % CI 1,2 – 3,2 %),
mithin deutlich über der erwarteten Prävalenz (0,68 %) bei US-Bürgern im Alter > 55
Jahre.
Eine Empfehlung zur vollständigen Koloskopie beim klinisch durch eine Divertikelerkrankung
auffälligen Patienten > 55 Jahre und ohne eine < 5 Jahre zurückliegende Koloskopie
erscheint daher grundsätzlich gerechtfertigt.
Dass die Koloskopie zur weiteren diagnostischen Klärung einer im CT nachgewiesenen
Verdickung der Kolonwand essenziell beiträgt, ist unstrittig [275]
[276]. Ebenso sollte grundsätzlich im Falle einer Darmstenose, d. h. auch bei rezidivierender
Divertikulitis mit OP-Indikation, eine Koloskopie zur Sicherung der Dignität der Stenose
durchgeführt werden.
4.17 – 4.21 Besondere Situationen: Rezidivierende Divertikulitis, Divertikelblutung,
Fisteln
Rezidivierende/rekurrierende Divertikulitis
Der günstige konservative Verlauf akuter unkomplizierter Divertikulitiden im perikolisch
phlegmonösen Stadium, bei Patienten mit Mikroperforationen und sogar einigen Patienten
mit luminal selbstdrainierendem perikolischem Abszess unter antibiotischer oder allein
symptomatischer Behandlung [234] verdeutlicht die Notwendigkeit individueller Therapieentscheidungen in diesen Situationen.
Während eine chronische Inflammation nach antibiotischer Behandlung bei phlegmonöser
(CT) Divertikulitis nicht mehr nachweisbar ist, verbleiben bei gedeckter Perforation
trotz antibiotischer Therapie gravierende histologische Strukturanomalien [211]. Bei chronischen Beschwerden mit Entzündungszeichen, wofür gelegentlich gern der
eher subsummierende als präzisierende Begriff Smoldering Diverticulitis verwendet wird [277] ist es eine individuelle Entscheidung, die Beschwerden des Patienten mit rezidivierend
erhöhten Entzündungsparametern, rezidivierenden Schüben von Entzündungen mit Fieber,
rezidivierendem Auftreten eines Abszesses, chronischen Schmerzen, einem Fistelnachweis
oder einer narbigen vs. entzündlichen Stenosesymptomatik klinisch symptombezogen sachgerecht
zu gewichten. Hierzu sollen die bei der akuten Divertikulitis genannten anamnestischen
Angaben, körperlichen, laborchemischen und bildgebenden Untersuchungsbefunde sinnvoll
genutzt werden.
Neben der Anzahl vorausgehender Divertikulitisschübe bzw. -episoden sind ihr klinisches
Bild und die objektive Sicherung der Diagnose in der jeweiligen Situation relevante
Größen für die klinische Einschätzung.
Hier spielt insbesondere die Differenzialdiagnose gegenüber dem Reizdarm eine bedeutsame
Rolle. Höheres Alter und die Dominanz des Reizdarmsyndroms bei Frauen sind Hinweise,
jedoch im Einzelfall keine sicheren Unterscheidungsmerkmale zwischen Divertikelkrankheit
und Reizdarm. Erhöhte Angst- und Depressionsscores sprechen eher für ein Reizdarmsyndrom
[278]. Kausale bzw. wechselseitige Beziehungen zwischen einer Divertikelkrankheit und
dem Reizdarm mit viszeraler Hypersensitivität und einer Somatisierung sind dabei noch
unzureichend verstanden [173].
Divertikelblutung
Die schmerzlose untere GI-Blutung ist überwiegend auf Divertikelblutungen (35 %) und
Angiodysplasien (21 %) zurückzuführen [279], beim älteren Patienten mit Divertikeln ist die Divertikelblutung in bis zu 50 %
Ursache einer unteren GI-Blutung [280]
[281]. Die Divertikelblutung ist dabei i. d. R. Komplikation der Divertikulose, nicht
der Divertikulitis.
Anamnese und Befund
Die Anamnese bei V. a. Divertikelblutung soll den Schweregrad der Blutung, Risikofaktoren
für prolongierte Blutungen sowie ein Rezidiv erfragen.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 4.17
Anamnestische Angaben zur Schwere der Blutung ergeben sich aus der (bedingt zuverlässigen)
Schilderung der Blutmenge. Blutdruck- und Pulsverhalten (Schockindex) zeigen die Kreislaufwirksamkeit
der Blutung an [280]. Validierte Scores wie bei der oberen GI-Blutung (Rockall, Glasgow Blatchford) sind
nicht beschrieben. Spontane Angaben zur Farbe der unteren GI-Blutung sind oft fragwürdig,
während eine Farbvergleichstafel hilfreich sein kann [282].
Rezidivblutungen werden vermehrt bei aktiver Blutung unter der Endoskopie, Nachweis
eines Gefäßstumpfs und koagelbedeckter Blutungsstelle gefunden sowie bei arterieller
Hypertonie (RR 4,2), Thrombozytenaggregationshemmung (RR 2,4) und NSAR (RR 2,6) [283].
Die Untersuchung soll neben der Beurteilung des Schockindex Anämiezeichen, kardiovaskuläre
Risikofaktoren und andere Komorbiditäten erfassen sowie die Palpation des Abdomens
und eine rektale Untersuchung beinhalten.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Endoskopie
Bei akuter peranaler Blutung muss differenzialdiagnostisch eine obere GI-Blutung berücksichtigt
werden, daher soll eine möglichst frühzeitige Ösophago-Gastro-Duodenoskopie erfolgen.
Liefert die Gastroskopie keinen erklärenden Befund, soll eine Koloskopie mit der Option
einer endoskopischen Blutstillung durchgeführt werden.
Der Verdacht auf eine Blutungsquelle im unteren GI-Trakt ist bei einer Hämatochezie
mit frischem Blut hoch. Allerdings kann sich auch eine obere GI-Blutung bei starker
Blutung und rascher Passagezeit mit peranalem Abgang von frischem Blut manifestieren.
Deshalb sollte grundsätzlich eine frühzeitige Gastroskopie durchgeführt werden [280]. Allerdings gibt es klinische Situationen, in denen eine Gastroskopie nicht kurzfristig
durchführbar ist (z. B. postprandial). Wenn es gelingt, den Patienten rasch zur Koloskopie
vorzubereiten (Darmreinigung mit Einläufen und endoskopischer Spülung) kann es sinnvoll
sein, die Koloskopie vor der Gastroskopie durchzuführen. Bei einem die Blutung erklärenden
Befund in der Koloskopie kann dann auf die Durchführung der Ösophago-Gastro-Duodenoskopie
verzichtet werden. Eine Prokto-Rektoskopie zur Klärung einer Hämorrhoidalblutung sollte
frühzeitig erfolgen, wenn die Koloskopie erst nach Darmvorbereitung eingesetzt wird.
Die Reihenfolge der endoskopischen Verfahren sollte in Abhängigkeit von der klinischen
Situation festgelegt werden.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Zeitpunkt der Koloskopie
Da eine Divertikelblutung in 90 % spontan sistiert, sind grundsätzlich eine antegrade
Koloskopievorbereitung unter supportiver Therapie sowie die notfallmäßige Koloskopie
mit Reinigung durch Einläufe und Einsatz eines Endowashers alternativ zu berücksichtigen.
Eine Koloskopie nach aktiver antegrader Koloskopievorbereitung sollte angestrebt werden.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.20
Zur Verkürzung der Zeit bis zur Koloskopie kann statt der üblichen Vorbereitung mit
oraler Einnahme einer Koloskopievorbereitungslösung der Darm mit Einläufen entleert
werden und verbliebene Stuhlreste, Blut und Koagel über das Koloskop gespült und abgesaugt
werden. Für diese dringliche Koloskopie (Definition: < 12 Std. nach Aufnahme) ist
allerdings größere Effektivität nicht belegt.
In einer Studie an 78 Patienten mit Verdacht auf Divertikelblutung wurde 0 – 59 Stunden
nach stationärer Aufnahme eine Koloskopie durchgeführt [284]. Bei 27 % der Patienten erfolgte die Koloskopie binnen 12 Stunden, bei 50 % zwischen
12 – 24 Stunden, und bei 23 % erst später als 24 Stunden nach der Krankenhausaufnahme.
Es bestand kein signifikanter Unterschied (p = 0,46, OR 0,98, 95 % CI 0,92 – 1,04)
zwischen dem Zeitpunkt der Endoskopie und dem Befund einer noch laufenden Blutung
oder dem Nachweis von sicheren Blutungsstigmata.
In einer weiteren retrospektiven Auswertung von 64 Patienten mit schwerer Divertikelblutung
war die Zeit bis zur Koloskopie in den Gruppen mit oder ohne Nachweis von Stigmata
einer kürzlich erfolgten Blutung gleich (Median 16 vs. 24 Std., mittlere Zeit 23 ± 19
Std. vs. 29 ± 16 Std, n. s.). In der Gesamtgruppe erfolgte die Koloskopie im Median
nach 24 Std. (Mittelwert 27 ± 17 Std., Streubreite 6 – 76 Std.) [285].
Bei aktiver Hämatochezie und Divertikeln ist bei früher Koloskopie (< 12 Std.) nach
antegrader Spülung in mindestens 20 % eine Divertikelblutung identifizierbar und eine
interventionelle Behandlung möglich [286].
Stigmata aktiver Blutung finden sich (in einem Kollektiv mit unterer GI-Blutung) bei
früher Koloskopie (24 Std.) in 10 %. Die diagnostische Zuverlässigkeit weist eine
Tendenz zugunsten der Koloskopie nach 12 – 48 Std. im Vergleich zu < 12 Stunden aus
[287].
Aggressive antegrade Darmlavage (4 – 6 l PEG-Lösung in 3 – 4 Std.) führte in einer
prospektiven und randomisierten Untersuchung im Vergleich zu einer initial szintigrafischen
und angiografischen Blutungsdiagnostik mit anschließend elektiver Koloskopie zu einer
häufigeren sicheren Identifikation von Blutungsläsionen (42 vs. 22 %), dieses Vorgehen
war jedoch ohne Einfluss auf prognostische und therapeutische Endpunkte. Entsprechend
wird ein Vorgehen in Abhängigkeit von der individuellen Erfahrung und lokaler Expertise
favorisiert [281].
Alternativen
CT-Angiografie und die konventionelle Angiografie (± DSA) sind bei aktiver Blutung
valide Optionen zur Lokalisation einer Divertikelblutung. Ihr Einsatz ist in praxi
jedoch selten erforderlich.
Die CT-Angiografie ermöglicht eine sichere Blutungslokalisation, wenn die Blutung
zum Zeitpunkt der Untersuchung noch ausreichend aktiv ist [288]. Das gleiche gilt für die konventionelle Angiografie, die den zusätzlichen Vorteil
einer möglichen Intervention (Blutstillung durch arterielle Embolisation: transcatheter
arterial embolization TAE) bietet.
Mittels Szintigrafie kann zwar eine gastrointestinale Blutung nachgewiesen werden,
die Blutungslokalisation ist jedoch ungenau und die Genese der Blutung kann nicht
geklärt werden, weshalb die Szintigrafie bei der unteren GI-Blutung in Deutschland
kaum Bedeutung hat.
Diagnostik bei V. a. Sigma-Blasenfistel bzw. kolovaginale Fistel
Zur Diagnostik einer Sigma-Blasenfistel sollte ein Mohnsamentest durchgeführt werden,
wenn der klinische Verdacht besteht und die Fistel nicht bereits morphologisch (US,
CT, Koloskopie) vorbeschrieben ist.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.21
Fisteln zur Harnblase oder Vagina stellen eine relevante Komplikation der Divertikulitis
dar. Etwa 90 % der Fisteln bei Divertikulitis betreffen diese beiden Entitäten während
Fisteln zum Dünndarm, zur Haut, in Uterus oder Ovarien, die Psoasmuskulatur oder in
die Hüftgelenke seltenere Befunde darstellen [289]. Die ganz überwiegende Zahl der Patienten (ca. 85 %) mit Sigma-Blasenfistel ist
männlich.
Sonografisch bzw. im CT besteht bei der Sigma-Blasenfistel oft eine fokale Wandverdickung
der (gefüllten) Harnblase; der Nachweis von Luft in der Blase belegt in dieser Situation
die Fistel. Betroffene Patienten berichten oft erst auf Befragen, dass Luftblasen
im Urin nachweisbar sind („Champagnerurin“); rezidivierende bzw. therapierefraktäre Harnwegsinfekte und Dysurie sind dagegen
charakteristisch und weisen den diagnostischen Weg. Der direkte Nachweis der Fistel
gelingt mit beiden Schnittbildverfahren nur in einem Teil der Fälle.
Während die Koloskopie residuale entzündliche Aktivität, einen Morbus Crohn als wichtige
Differenzialdiagnose und eine Stenosierung diagnostisch erfassen kann, gelingt die
endoskopische Diagnose einer Fistel nur selten (< 10 %; [289]). In gleicher Weise sind die Detektionsraten bei der Zystoskopie (10 %), Zystografie
(17 %), Kolonkontrastdarstellung mit Barium (36 %), MRT (60 %) und CT (61 %) enttäuschend.
Der qualitative Fistelnachweis wird am besten (Sensitivität 95 %) durch den sog. Mohnsamentest
geführt, bei dem 250 g natürliche Mohnsamen abends eingenommen werden und der Urin
während der nachfolgenden 48 Std. auf das Erscheinen von Mohnsamen kontrolliert wird
[290]
[291].
Inwieweit eine urologische Diagnostik vor einer Sigmaresektion und Fistelexzision
sinnvoll bzw. erforderlich ist, muss daher in Einzelfall entschieden werden und wird
dementsprechend häufiger von lokalen Faktoren geleitet werden.
In einer anderen Modifikation wurden 35 g Mohnsamen in 160 g Joghurt oder mit 340 ml
Flüssigkeit konsumiert; auch hier war der Mohnsamentest mit 100 % Sensitivität der
CT-untersuchung (70 % Sensitivität) signifikant (p = 0,03) überlegen, – bei 8,2 ‰
der Kosten [292].
Grundsätzlich eignet sich der Mohnsamentest auch zur Erfassung einer kolovaginalen
Fistel; hierbei empfiehlt sich die Einlage eines Tampons oder Wattebausches zur Detektion
nach Einnahme der Testsubstanz. Kolposkopie und vaginale resp. transrektale Endosonografie
sind im Einzelfall ergänzende Methoden zu Sonografie und CT; allgemeingültige bzw.
vergleichbare Angaben zu den jeweiligen Detektionsraten sind nicht verfügbar.
Diagnostischer Algorithmus
Den meisten klinischen Situation wird der nachfolgende Algorithmus zur Diagnostik
bei V. a. eine Divertikulitis als eine praktikable und aktuell valide Orientierung
gerecht; individuelle Ausnahmen aufgrund klinischer oder lokaler Besonderheiten sind
dabei grundsätzlich unvermeidlich und zu akzeptieren ([Abb. 1]).
Abb. 1
4.22 Klassifikationen
Empfehlungen zur Verwendung von Klassifikationen
Die Diagnose einer Divertikelkrankheit soll eine Klassifikation beinhalten.
Die Leitlinienkonferenz empfiehlt die künftige Verwendung einer neuen Klassifikation
([Tab. 10]), die den gegenwärtigen diagnostischen und therapeutischen Anforderungen einer Stratifizierung
Rechnung trägt.
Konsensusstärke: Konsens/starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung/Empfehlung
Tab. 10
Klassifikation der Divertikelkrankheit (Classification of diverticular disease) (CDD).
Klassifikation der Divertikulitis/Divertikelkrankheit
Classification of diverticular disease – CDD
|
Typ 0
|
asymptomatische Divertikulose
|
|
|
Zufallsbefund; asymptomatisch
keine Krankheit
|
Typ 1
|
akute unkomplizierte Divertikelkrankheit/Divertikulitis
|
Typ 1a
|
Divertikulitis/Divertikelkrankheit ohne Umgebungsreaktion
|
auf die Divertikel beziehbare Symptome
Entzündungszeichen (Labor): optional
Typische Schnittbildgebung
|
Typ 1b
|
Divertikulitis mit phlegmonöser Umgehungsreaktion
|
Entzündungszeichen (Labor): obligat
Schnittbildgebung: phlegmonöse Divertikulitis
|
Typ 2
|
akute komplizierte Divertikulitis wie 1b, zusätzlich:
|
Typ 2a
|
Mikroabszess
|
gedeckte Perforation, kleiner Abszess
(≤ 1 cm); minimale parakolische Luft
|
Typ 2b
|
Makroabszess
|
para- oder mesokolischer Abszess (> 1 cm)
|
Typ 2c
|
freie Perforation
|
freie Perforation, freie Luft/Flüssigkeit
generalisierte Peritonitis
|
Typ 2c1
|
eitrige Peritonitis
|
|
Typ 2c2
|
fäkale Peritonitis
|
|
Typ 3
|
chronische Divertikelkrankheit rezidivierende oder anhaltende symptomatische Divertikelkrankheit
|
Typ 3a
|
symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit (SUDD)
|
typische Klinik
Entzündungszeichen (Labor): optional
|
Typ 3b
|
rezidivierende Divertikulitis ohne Komplikationen
|
Entzündungszeichen (Labor) vorhanden
Schnittbildgebung: typisch
|
Typ 3c
|
rezidivierende Divertikulitis mit Komplikationen
|
Nachweis von Stenosen, Fisteln, Konglomerat
|
Typ 4
|
Divertikelblutung
|
Nachweis der Blutungsquelle
|
Zahlreiche Klassifikationen und Modifikationen beschreiben die verschiedenen Stadien
der Divertikelerkrankung. Kritische aktuelle Übersichten finden sich bei [293]
[294].
Während die Klassifikation von Hinchey primär lediglich eine Stratifizierung der Operationsverfahren
beim Vorliegen unterschiedlicher Ausprägungen einer makroskopisch perforierten Divertikulitis
mit Abszess oder freier Perforation zum Ziel hatte und in der Folgezeit verschiedene
Modifikationen erfahren hat, muss heute das Ziel einer viszeralmedizinisch anwendbaren
Klassifikation der Divertikelkrankheit und Divertikulitis darin bestehen,
-
die unterschiedlichen Verlaufsformen der Divertikelkrankheit unabhängig von einer
Operation zu erfassen und
-
eine Stratefizierung für unterschiedliche Prognosen und Therapieformen (ambulant/stationär;
konservativ/operativ) bei der Erstdiagnose sowie rekurrierenden Verläufen zu ermöglichen.
Den genannten Zielen entsprechen in erster Linie die Klassifikation von Hinchey in
der Modifikation von Wasvary [7]
[295] sowie die Klassifikation von Hansen und Stock [8]. Erstere umfasst allerdings nur die unterschiedlichen Ausprägungen der Divertikulitis mit einer (für die ambulante Behandlungsoption relevanten) Kategorie der Mild-clinical-Divertikulitis, während die Klassifikation von Hansen und Stock (HS) die perforierten Verläufe (Mikro/Makroperforation,
Abszessgröße und -lokalisation) nicht weiter differenziert.
Vorteil der HS-Klassifikation ist die Einbeziehung des chronisch-rezidivierenden (rekurrierenden)
Verlaufs, ein möglicher Nachteil ist das Fehlen einer Klassifikation der symptomatischen
Divertikulose und milden Divertikulitis in Abgrenzung zu klinischen Formen einer unkomplizierten
Divertikulitis, da diese alle nicht perforierten Verläufe beinhalten sollte, d. h. die phlegmonöse Divertikulitis einbezieht. Insbesondere der sonografische
Befund einer echoreichen Netzkappe als Korrelat peridivertikulitischer Veränderungen
findet sich sowohl im Stadium HS I wie auch IIa (ohne dass es sich dabei um eine komplizierte
Divertikulitis handelt). Die Grenze zwischen HS I und HS IIa ist sowohl im CT wie
in der Sonografie schwer darstellbar und eine wünschenswerte Differenzierung Mikroperforation/Makroperforation
fehlt.
Kapitel 5 Konservative Behandlung, Medikamente, Ernährung, Lifestyle
Kapitel 5 Konservative Behandlung, Medikamente, Ernährung, Lifestyle
5.1 Primärprophylaxe der Divertikulitis
Regelmäßige körperliche Aktivität, Erhalt von Normalgewicht und ballaststoffreiche,
vegetarische Kost können zur Primärprophylaxe der Divertikulitis empfohlen werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 5.1
In prospektiven bevölkerungsbasierten Studien waren die regelmäßige Einnahme von Aspirin,
Paracetamol und NSAR [165]
[166], Übergewicht bzw. Adipositas [122]
[128], geringe Ballaststoffzufuhr [105]
[106]
[113] sowie geringe körperliche Aktivität [128] mit einem erhöhten Risiko einer Divertikulitis, Rauchen mit einem erhöhten Risiko
von Divertikulitiskomplikationen [111] assoziiert. Vegetarische und ballaststoffreiche Kost [105]
[107]
[113] sowie regelmäßige körperliche Aktivität [113]
[127]
[128] waren mit einem reduzierten Divertikulitisrisiko assoziiert (EL1b). Die empfohlenen
Lebensstilmaßnahmen dienen auch der primären Prävention von anderen Erkrankungen,
z. B. kardiovaskulären Erkrankungen und einigen Krebserkrankungen.
5.2 – 5.3. Therapie der akuten unkomplizierten Divertikelkrankheit/Divertikulitis
(Typ 1a/Typ 1b)
Bei akuter unkomplizierter linksseitiger Divertikulitis ohne Risikoindikatoren für
einen komplizierten Verlauf kann unter engmaschiger klinischer Kontrolle auf eine
Antibiotikatherapie verzichtet werden.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung
Eine Antibiotikatherapie einer akuten unkomplizierten linksseitigen Divertikulitis
sollte bei Patienten mit Risikoindikatoren für einen komplizierten Verlauf durchgeführt
werden.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statements 5.2 und 5.3
Risikoindikatoren für einen komplizierten Verlauf sind arterielle Hypertonie, chronische
Nierenerkrankungen, Immunsuppression, allergische Disposition (siehe Kommentar zu
Statement 2.10).
Eine randomisierte multizentrische Studie mit 623 Patienten mit CT-gesicherter unkomplizierte
linksseitiger Divertikulitis zeigte keine statistisch signifikanten Unterschiede in
der Komplikationsrate (Perforation, Notwendigkeit Resektion, Dauer Krankenhausaufenthalt)
während des Krankenhausaufenthalts sowie der Wiederaufnahme wegen Divertikulitsrezidiv
beim 1-Jahres-Follow-up in der Gruppe ohne Antibiotika im Vergleich zur Antibiotikagruppe.
Die Abszessrate war in der Gruppe ohne Antibiotika im statistischen Trend höher (1
vs. 0 %; p = 0,08). Die Studie hat einige methodische Schwächen: Die Antibiotikatherapie
(Art des Medikaments, Applikationsweg) war nicht standardisiert. Das CRP bei Aufnahme
war in der Antibiotikagruppe im statistischen Trend höher (100 vs. 90 mg%; p = 0,07).
Die Komorbiditäten wurden nicht mittels eines validierten Komorbiditätsindex erfasst
und basierten auf den Daten der chirurgischen Krankenakte. Einige Ausschlusskriterien
(z. B. Sepsis) waren unzureichend definiert [296].
Zwei retrospektive Fallkontrollstudien mit 191 und 311 Patienten fanden ebenfalls
keine Unterschiede in der Häufigkeit von Komplikationen und eines Divertikulitisrezidivs
bei Patienten mit milder Divertikulitis (nach Ambrosetti-Kriterien), welche mit und
ohne Antibiotika behandelt wurden [297]
[298].
Eine kontrollierte randomisierte Studie mit 123 Patienten zeigte keine Unterschiede
zwischen einer 4- und 7-tägigen intravenösen (Ertapenem) Antibiotikatherapie in der
Krankenhausverweildauer und der klinischen Erfolgsrate [299].
Die Empfehlung zur Antibiotikatherapie bei Risikogruppen gründet auf Expertenkonsens.
5.4 – 5.5 Therapie der komplizierten Divertikulitis (Typ 2a)
Patienten mit einer komplizierten Divertikulitis sollen stationär behandelt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Eine parenterale Flüssigkeitssubstitution sollte bei mangelhafter oraler Trinkmenge
durchgeführt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
In Abhängigkeit von der klinischen Situation kann eine orale Nahrungszufuhr erfolgen.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung
Kommentar
Die Empfehlungen 5.4 – 5.6 beruhen auf Expertenkonsens.
Bei der komplizierten Divertikulitis soll eine Antibiotikatherapie durchgeführt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu den Statement 5.4 – 5.7
Gezielte klinische Studien für diese Patientengruppe existieren nicht. Dies liegt
daran, dass die Einteilung nach Hansen und Stock vorwiegend nur im deutschsprachigen
Raum verwendet wird. In der Klassifikation nach Hinchey, welche vorwiegend in angloamerikanischen
Ländern verwendet findet, ist diese Subgruppe nicht scharf definiert (modifizierte
Hinchey-Kriterien Ia/Ib).
In den aktuellen Studien zur unkomplizierten Divertikulitis der letzten Jahre sind
sicher auch Patienten mit dem Stadium Hansen-Stock-IIa vertreten und auch in älteren
Therapiestudien der akuten Divertikulitis ist diese Patientengruppe als Untergruppe
vertreten, die in den Studien jedoch nicht gesondert ausgewertet wird. Aus diesem
Grund ist die Therapieempfehlung zur antibiotischen Therapie nicht durch gezielte
Studien für diese Patientengruppe belegt, sondern muss aus den genannten älteren Studien
[300]
[301]
[302] extrapoliert werden.
Es wird eine Antibiotikatherapie empfohlen, die das zu erwartende polymikrobielle
Erregerspektrum erfasst. Es liegen derzeit keine Daten vor, die die Überlegenheit
einer Kombinationstherapie gegenüber einer Monotherapie belegen. Bei der Applikationsart
(intravenös oder oral) gibt es ebenfalls keine Evidenz, die eindeutige Präferenzen
und Empfehlungen erlaubt. Die Auswahl und der Administrationsmodus der Antibiotikatherapie
bedürfen einer individuellen Entscheidung, die den Allgemeinzustand und das Risikoprofil
des Patienten sowie die lokale Resistenzlage berücksichtigt. In der klinischen Routine
verwendete Medikamente sind Cefuroxim oder Ciprofloxacin, jeweils mit Metronidazol,
Ampicillin/Sulbaktam, Piperacillin/Tazobaktam sowie Moxifloxacin.
Zu den genannten Medikamenten liegen Wirksamkeitsdaten aus randomisierten Studien
zur antimikrobiellen Behandlung von komplizierten intraabdominellen Infektionen (inkl.
Patienten mit Divertikulitis) vor. In diesen Studien ist das Stadium der Divertikulitis
ist oft nicht genau bezeichnet. Entsprechend sind stadienabhängige Therapieergebnisse
für Patienten mit Divertikulitis selten dokumentiert.
5.8 Rechtsseitige Divertikulitis
Eine rechtsseitige Divertikulitis sollte nach denselben Therapieprinzipien behandelt
werden wie eine linksseitige Divertikulitis.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 5.8
Zur konservativen Behandlung der rechtsseitigen Divertikulitis liegen keine RCTs,
sondern nur Fallserien aus Asien vor. In einer koreanischen Fallserie von 158 Patienten
wurden 135 Patienten (85,4 %) konservativ (Antibiotika, Nahrungskarenz) behandelt
und (14,6 %) operiert. Bei einem Median der Beobachtungszeit von 37,3 Monaten, erlitten
17,5 % ein Rezidiv. Es fanden sich keine signifikanten Unterschiede in der Rezidivrate
der konservativ und operativ behandelten Gruppen [303].
5.9 – 5.10 Chronische Divertikelkrankheit
Es wird die symptomatische, unkomplizierte Divertikelkrankheit (SUDD) von einer unkomplizierten rezidivierenden Divertikelkrankheit/Divertikulitis unterschieden. In der neuen Nomenklatur dieser Leitlinie werden sie als Typ 3a und
Typ 3b bezeichnet.
Besonders der Typ 3a ist eine bisher unzureichend charakterisierte Patientengruppe
bei der typische Symptome einer Divertikulitis persistieren, aber entzündliche Veränderungen
nicht mehr nachweisbar sind. Es gibt jedoch Daten über neuropeptiderge Veränderungen
in der Schleimhaut sowie histologische Hinweise für Entzündung und mäßig erhöhte Calprotectinwerte,
sodass möglicherweise eine geringe chronisch-persistierende Entzündung vorliegt [73].
Für beide Entitäten gibt es nur wenige prospektive, randomisierte Studien in denen
diese Patienten gezielt untersucht werden. In den vorliegenden Studien werden zumeist
beide Patientengruppen sowie Patienten mit unkomplizierter Divertikulitis ohne klare
Differenzierung untersucht.
Die symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit kann mit Mesalazin (oral) behandelt
werden.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung
Kommentar zu Statement 5.9
In einer 6-wöchigen placebokontrollierten RCT mit 117 Patienten war 3 × 1 g Mesalazin
pro Tag Placebo in der Reduktion der Bauchschmerzintensität in der Per-Protocol-Analyse,
nicht jedoch in der Intention-to-treat-Analyse überlegen. In die Studie wurden Patienten
mit (nach aktuellen Kriterien) unkomplizierter Divertikulitis und Patienten mit symptomatischer
unkomplizierter Divertikelkrankheit eingeschlossen. Eine getrennte Analyse der beiden
Gruppen erfolgte nicht [304]. Mesalazin ist in Deutschland nicht zur Therapie der symptomatischen unkomplizierten
Divertikelkrankheit zugelassen.
Ein Mitglied der Leitliniengruppe beantragte zu diesem Punkt ein Minderheitsvotum.
Mesalazin wurde in weiteren Studien bei Patienten mit unkomplizierter Divertikelkrankheit
untersucht. Ein offener Vergleich in Dosen von 800 mg und 1600 mg täglich gegen Rifaximin
400 mg/800 mg/Tag) zyklisch gegeben (10 Tage/Monat) über insgesamt 3 Monate erbrachte
in einem globalen Symptomenscore für alle Gruppen signifikante Verbesserungen [305].
Eine offene Studie mit nahezu identischem Design, allerdings mit einer Therapiedauer
von 12 Monaten, bei 268 Patienten erbrachte sehr ähnliche Ergebnisse [306].
In einer randomisierten Studie war Mesalazin 1,6 g/d (59 Patienten) Rifaximin 800 mg/d
(52 Patienten) in der Häufigkeit der anhaltenden klinischen (90 vs. 67 %) und endoskopischen
Remission (92 vs. 40 %) überlegen [307].
Die Kombination aus dem nicht resorbierbaren Antibiotikum Rifaximin mit einem Quellmittel
wurde in 4 Studien gegen das Quellmittel alleine untersucht. Die Behandlungszeit lag
zwischen 12 und 24 Monaten und bestand entweder in täglicher oder Gabe. Es zeigte
sich eine Überlegenheit der Rifaximintherapie für den Endpunkt symptomatische Besserung
[308].
Zusammenfassend sind diese Studien jedoch so heterogen (unterschiedliche Patientengruppen,
keine einheitlichen Zielkriterien, sehr komplexer Studienaufbau mit einer Vielzahl
von verschiedenen Prüfsubstanzen) sodass zum jetzigen Zeitpunkt daraus keine valide
Schlussfolgerung gezogen werden kann.
Aufgrund der Häufigkeit und Bedeutung dieses Krankheitsbilds (SUDD) ist es jedoch
unbedingt notwendig, gut geplante, prospektive placebokontrollierte Studien mit eindeutigen
Endpunkten durchzuführen.
Eine generelle Empfehlung zur konservativen Sekundärprophylaxe der rekurrierenden
Divertikelkrankheit (Ernährung, Lebensstil, körperliche Aktivität, Medikamente [Mesalazin,
Probiotika, Rifaximin]) kann aufgrund unzureichender Datenlage nicht gegeben werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung
Kommentar zu Statement 5.10
Im Vergleich zur primären Prophylaxe, gab es keine Studien, die einen Einfluss von
Ernährung, Lebensstil, Erhalt von Normalgewicht und körperliche Aktivität auf die
Sekundärprophylaxe der rekurrierenden Divertikelkrankheit (Typ 3b) zeigen.
Eine randomisierte placebokontrollierte Studie (DIVA) [309], die den Effekt von Mesalazin, Mesalazin plus Präbiotikum auf gastrointestinale
Symptome von 117 Patienten mit stattgehabter im CT dokumentierter akuter Divertikulitis
über 1 Jahr untersuchte, fand keine Reduktion der Divertikulitisrezidivrate nach 1
Jahr in den 3 Gruppen; allerdings war dies nicht der primäre Endpunkt dieser Studie.
In einer randomisierten kontrollierten Studie mit 2 × 800 mg Mesalazin vs. Placebo
fanden sich nach 24 Monaten keine Unterschiede in der Divertikulitisrate zwischen
beiden Gruppen (13 vs. 28 %) [310].
Kapitel 6 Indikationen: ambulante/stationäre Behandlung, konservative/chirurgische
Behandlung
Kapitel 6 Indikationen: ambulante/stationäre Behandlung, konservative/chirurgische
Behandlung
Prämisse: Zur Einteilung des Schweregrads der Divertikulitis wird die neue Einteilung (CDD)
zugrunde gelegt.
6.1 Voraussetzungen der ambulanten Behandlung
Bei Patienten ohne Fieber, ohne Leukozytose, ohne Abwehrspannung und ohne Stuhlverhalt
sowie ohne Hinweis auf Perforation oder komplizierte Divertikulitis (Typ 1a und 1b)
in der Bildgebung sowie einem lediglich gering erhöhten CRP, kann bei adäquater Compliance,
gewährleisteter oraler Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme und engmaschiger ärztlicher
Kontrolle eine akute Divertikulitis ambulant behandelt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.1
In einem systematischen Review mit Literaturrecherche fanden Friend & Mills 2011 4
Studien zur Frage, ob eine ambulante orale Antibiotikatherapie zur Behandlung einer
unkomplizierten Divertikulitis ausreichend ist [311]. Es handelte sich um eine randomisiert, kontrollierte Studie mit 79 Patienten, 2
prospektive Kohortenstudien (jeweils 70 Patienten) und eine retrospektive Kohortenstudie
(693 Patienten). Quintessenz dieser Studien war, dass eine ambulante Behandlung unter
folgenden Voraussetzungen möglich ist:
-
orale Aufnahme (Flüssigkeit, Medikamente etc.) möglich,
-
keine signifikanten Komorbiditäten,
-
orale Antibiotika sind verfügbar,
-
eine adäquate Schmerzkontrolle ist möglich,
-
Zugang zum adäquaten Follow-up und ggf. Unterstützung im sozialen Umfeld liegt vor
und
-
Ultraschall oder CT zeigen eine Divertikulitis ohne signifikanten Abszess.
Eine weitere prospektive Kohortenstudie ging in das systematische Review nicht ein
[312]. Von 176 Patienten einer Notfallambulanz mit im CT gesicherter unkomplizierter Divertikulitis
mussten 33 (18 %) wegen Komorbiditäten stationär aufgenommen werden. Die übrigen wurden
ambulant behandelt. Letzteres aber initial mit intravenöser Antibiose, die durch eine
Krankenschwester appliziert wurde. Darüber hinaus waren regelmäßige, engmaschige Arztvisiten
gewährleistet. In dieser Form war die ambulante Behandlung in allen Fällen erfolgreich.
In einer randomisierten, kontrollierten Studie, die 79 Patienten mit akuter, unkomplizierter
Divertikulitis einschloss, war eine orale Antibiotikatherapie einer intravenösen nicht
unterlegen (jeweils Ciprofloxacin + Metronidazol), sodass auch von dieser Seite die
Voraussetzung für eine ambulante Behandlung gegeben ist [313].
Kritisch anzumerken bleibt, dass diese Ausführungen nur für Patienten, die auch antibiotisch
behandelt wurden, gelten. Zur Behandlung der Divertikelkrankheit wird auf die Statements
5.4, 5.5 und 5.9 und die zugehörigen Kommentare verwiesen.
Voraussetzung zur ambulanten Therapie einer Divertikulitis ist der Ausschluss einer
komplizierten Divertikulitis. Hierzu bedarf es zuverlässiger, rasch und ubiquitär
zur Verfügung stehender Prädiktoren. Ein Kandidat ist das CRP. In einer Kohortenstudie
von 247 Patienten war nur das CRP im Regressionsmodell signifikant mit einer Perforation
korreliert. Die beste Treffsicherheit wurde bei einem CRP von 150 mg/l festgestellt
mit einer Sensitivität von 44 % und einer Spezifität von 81 %. Bei einem CRP < 50 mg/l
(Normwert: < 5 mg/dl) betrug der negative prädiktive Wert 0,79 und bei einem CRP > 150 mg/l
der positive prädiktive Wert 0,57 [230]. Es bleibt aber festzuhalten, dass in dieser Studie auch Perforationen bei normalem
CRP gefunden wurden. Zu beachten ist, dass sich die Entzündungsparameter i. d. R.
erst über 1 – 2 Tage als Diskriminierungsmerkmal eines komplizierten Verlaufs entwickeln,
sodass die „48 Std.-Regel“ mit klinischer Beobachtung des Patienten und Laborkontrollen
(CRP) über diesen Zeitraum erfolgen sollte. Leukozyten und Temperatur differenzieren
demgegenüber perforierende Verläufe nicht von einer nicht perforierten Divertikulitis.
Da die klinische Diagnose durch Anamnese, Untersuchungsbefund und Labor nicht mit
hinreichender Sensitivität und Spezifität zwischen unkomplizierter und komplizierter
Divertikulitis differenzieren können, sind bildgebende Verfahren (Sonografie oder
CT) vor einer Entscheidung zur ambulanten Therapie unerlässlich.
Im Umkehrschluss kann man schlussfolgern, dass alle Patienten, die die Voraussetzungen
für eine ambulante Behandlung nicht erfüllen, stationär behandelt werden sollten.
6.2 – 6.19 Konservatives versus operatives Prozedere
6.2 – 6.5 Akute unkomplizierte Divertikulitis
Eine akute unkomplizierte Divertikulitis (Typ 1a und 1b) soll primär konservativ behandelt
werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.2
Eine akute unkomplizierte Divertikulitis wird in der täglichen Routine praktisch immer
konservativ behandelt. Eine Indikation zu einem primär operativen Vorgehen besteht
nicht. Vergleichende Studien eines konservativen und operativen Vorgehens in der Akutsituation
liegen nicht vor. In verschiedenen prospektiven und retrospektiven Fallserien zeigte
die konservative Therapie der akuten unkomplizierten Divertikulitis hohe Erfolgsraten,
auch waren die Rückfallraten gering [256]
[314]
[315]
[316].
Führt eine adäquate konservative Therapie nicht zur Ausheilung der akuten unkomplizierten
Divertikulitis, sollte nach Ausschluss einer Komplikation bzw. anderer Erkrankungen
eine operative Therapie erwogen werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.3
Die überwiegende Mehrzahl an Patienten mit unkomplizierter Divertikulitis ist konservativ
behandelbar. Kommt es trotz adäquater konservativer Behandlung (Doppelantibiose intravenös,
z. B. Ciprofloxacin plus Metronidazol) zu einer Befundprogredienz oder Beschwerdepersistenz,
sollte zunächst durch erneute Schnittbilddiagnostik eine bis dahin nicht erkannte
oder neu entstandene komplizierte Divertikulitis ausgeschlossen oder nachgewiesen
werden. Bei Nachweis einer komplizierten Divertikulitis besteht dann eine OP-Indikation
(s. Statement 5.7) Patienten mit persistierenden, chronischen Beschwerden mit Entzündungszeichen
(„smoldering diverticulitis“) ohne Nachweis einer Komplikation können ebenfalls von
einer Operation profitieren [277]
[317]. Dagegen ist ein Effekt einer Operation auf Symptome bei Divertikulose ohne aktuelle
Divertikulitis nicht belegt. In diesen Fällen ist klinisch eine Abgrenzung zum Reizdarmsyndrom
auch praktisch nicht möglich.
Eine erfolgreich behandelte akute unkomplizierte Divertikulitis (Typ 1a und Typ 1b)
stellt keine Operationsindikation dar.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Negativempfehlung
Kommentar zu Statement 6.4
Das jährliche Rezidivrisiko nach erfolgreich konservativ behandelter unkomplizierter
Divertikulitis liegt in manchen Untersuchungen nur bei ca. 2 % [316]. In einer prospektiven Studie mit einem medianen Follow-up von 9,5 Jahren traten
bei 68 % der konservativ behandelten keine weiteren Komplikationen auf [314]. In einer anderen Studie aus England mussten nur 18,3 % der initial konservativ
behandelten Patienten im weiteren Verlauf von bis zu 16 Jahren operiert werden, davon
die weit überwiegende Zahl elektiv [256]. In einer Studie mit einem 7-Jahres-Follow-up von 252 konservativ behandelten Patienten,
wurden nur 10 % im weiteren Verlauf operativ behandelt [318].
In einem evidenzbasierten Review der Literatur wurde die seit über 30 Jahren gegebene
Empfehlung kritisch hinterfragt, dass nach zwei Divertikulitisschüben eine elektive
Resektion erfolgen sollte [319]. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass diese Empfehlung unangemessen und auch nicht
kosteneffektiv ist, da weder das Auskommen der Patienten noch die Mortalität und das
Auftreten von Komplikationen günstig beeinflusst werden. Insgesamt müssen 18 Patienten
elektiv operiert werden um eine Notfalloperation zu verhindern.
Nach erfolgreich behandelter akuter unkomplizierter Divertikulitis (Typ 1a und 1b)
bei Patienten mit Risikoindikatoren für Rezidive und Komplikationen (z. B. Transplantation,
Immunsuppression, chronisch-systemische Glukokortikoide; siehe [Tab. 6], [7], [8], [9]) kann eine OP-Indikation bestehen.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.5
Die Inzidenz einer akuten Divertikulitis ist bei transplantierten Patienten und bei
solchen, die chronisch Glukokortikoide einnehmen, bei präexistierender Divertikulose
hoch und hat mit 25 % eine wesentlich höhere Letalität als in der Normalbevölkerung
[144]. Die betroffene Risikogruppe hat auch ein bis 5-fach erhöhtes Risiko, eine Perforation
zu entwickeln, und spricht schlechter auf eine medikamentöse Therapie an [144]
[154]
[320]. Weitere Risikofaktoren für komplizierte Verlaufsformen der Divertikulitis sind
in retrospektiven Serien identifiziert worden. Hierzu zählen Kollagenosen und andere
Komorbidität wie z. B. Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz oder chronisch-obstruktive
Lungenerkrankung [151]
[153]
[154]. Die Datenlage ist allerdings kontrovers. In einer großen Kohortenstudie verglichen
Biondo et al. den klinischen Verlauf der Divertikelkrankheit bei 166 immunsupprimierten
Patienten und 765 Patienten ohne Beeinträchtigung des Immunsystems. Nach erfolgreicher
medikamentöser Therapie hatten die immunsupprimierten Patienten eine vergleichbare
Rezidivrate. Im Falle einer Notfalloperation war die Mortalität bei Immunsuppression
allerdings mehr als doppelt so hoch: 33,3 vs. 15,9 % (p = 0,004) [321].
Wenngleich prospektiv randomisierte Daten hierzu fehlen, kann bei Patienten mit entsprechender
Risikokonstellation unter Berücksichtigung der Komorbidität eine operativen Sanierung
nach einer erfolgreich konservativ behandelten unkomplizierten Divertikulitis erfolgen.
6.6 – 6.10 Akute komplizierte Divertikulitis
Bei Nichtansprechen einer adäquaten konservativen Therapie der komplizierten Divertikulitis
(Typ 1 a–b) sollte eine Operation mit aufgeschobener Dringlichkeit durchgeführt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.6
Ein Nichtansprechen auf eine initial konservative Therapie (intravenöse Doppelantibiose,
z. B. Ciprofloxacin plus Metronidazol, Darmentlastung) inklusive interventioneller
Abzessdrainage mit progredientem Abdominalbefund und/oder Zeichen der Sepsis sprechen
für ein Nichtbeherrschen des septischen Fokus und erfordern eine chirurgische Intervention.
Definitionen:
Notfalloperation: OP, die unverzüglich durchgeführt werden muss
Dringliche OP: OP, die innerhalb eines definierten kurzen Zeitraums (24 Std.) vollzogen werden sollte
Frühelektive OP: OP, die innerhalb von 48 Stunden vorgenommen werden sollte.
Elektive OP: OP, die definitionsgemäß mehr als 72 Stunden aufgeschoben werden kann.
Bei Patienten mit erfolgreich behandelter komplizierter Divertikulitis (Makroperforation,
Abszess) (Typ 1b) sollte die Operation im entzündungsfreien Intervall empfohlen werden.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.7
Obwohl auch die Frage nach der Indikation zur elektiven Resektion nach initialer primär
konservativer Therapie der komplizierten Sigmadivertikulitis nur unzureichend in der
Literatur mit prospektiven Daten belegt ist, so unterstützen doch die klinische Erfahrung
und diverse retrospektive Arbeiten diese geübte Praxis. Histologische Untersuchungen
von OP-Präparaten zeigen, dass im Gegensatz zur nicht mehr nachweisbaren chronische
Inflammation nach antibiotischer Behandlung bei phlegmonöser Divertikulitis, bei gedeckter
Perforation trotz antibiotischer Therapie gravierende histologische Strukturanomalien
verbleiben [211]. Klinisch konnte die Arbeitsgruppe von Ambrosetti et al. zeigen, dass Patienten
mit initial erfolgreich konservativ behandelter komplizierter Divertikulitis bei einem
medianen Follow-up von 46 Monaten im weiteren Verlauf sekundär in 47 % der Fälle Divertikulitis
bedingte Komplikationen entwickeln [255]. Kaiser et al. fanden bei Patienten mit gedeckt perforierter Divertikulitis, die
ebenfalls initial erfolgreich konservativ behandelt worden waren, eine Rezidivrate
von 41,2 % bei einem medianen Follow-up von 46,5 Monaten, unabhängig davon, ob initial
eine Abszessdrainage erfolgt war oder nicht [315]. In einer Fragebogenstudie waren die Hausärzte von 176 Patienten kontaktiert worden,
die mit der Diagnose einer komplizierten Sigmadivertikulitis nach initial konservativer
Therapie nach Hause entlassen worden waren [322]. Von 120 Patienten, die auf die Therapie angesprochen hatten, waren 10 im Verlauf
an einem Rezidiv der Sigmadivertikulitis gestorben, während 29 aus anderer Ursache
gestorben waren. Vierzig der übrigen 110 Patienten waren immer noch symptomatisch
oder waren symptomatisch zum Zeitpunkt ihres Todes aus anderer Ursache. Weitere 39
Patienten entwickelten eine schwere Komplikation nach der initialen Zuweisung, in
14 Fällen die gleiche Komplikation wie bei Erstmanifestation. Von 77 Patienten, die
mit einer Sigmaresektion behandelt worden waren, entwickelten nur 2 ein Rezidiv im
Vergleich zu 37 von 43 rein konservativ und ohne Resektion behandelten Patienten.
Von den 110 an einem Divertikulitisrezidiv gestorbenen Patienten war bei 9 keine Sigmaresektion
durchgeführt worden. Obwohl diese Arbeit wie jede fragebogenbasierte Studie einem
relevanten Bias unterliegt, so unterstützt sie doch die Daten der anderen Fallserien,
die die Strategie einer elektiven Sigmaresektion nach erfolgreicher Antibiotikatherapie
bei komplizierter Sigmadivertikulitis stützen. In einer aktuellen, großen retrospektiven
Studie mit 672 Patienten, die mit einer akuten Divertikulitis erfolgreich medikamentös
behandelt wurden, fand sich eine 5-Jahres-Rezidivrate von 36 %. Risikofaktoren für
ein kompliziertes Rezidiv (3,9 %) waren positive Familienanamnese einer Divertikulitis,
Länge des betroffenen Darmsegments > 5 cm und insbesondere ein retroperitonealer Abszess
(HR 4,5, 95 %-Konfidenzintervall 1,1 – 18,4). Nach rechtsseitiger Divertikulitis trat
in keinem Fall ein Rezidiv auf [323].
In der Literatur sind nur wenige Daten verfügbar hinsichtlich des optimalen Operationszeitpunktes
nach primär konservativer Therapie einer komplizierten Sigmadivertikulitis. Die Expertenmeinungen
und Leitlinien sind hierzu ebenfalls uneinheitlich. So wird von der American Society
of Kolon and Rectal Surgeons die elektive Resektion nach 6 – 8 Wochen empfohlen [324]. Die dänische Leitlinie legt sich nicht fest hinsichtlich einer Empfehlung des optimalen
Operationszeitpunktes [10]. Allerdings wird aus der Literatur abgeleitet, dass die elektive Operation in einem
„entzündungsfreien Intervall“ erfolgen sollte. Zitiert wird diesbezüglich eine prospektive
Untersuchung [325]. In der Arbeit waren 210 einer elektiven laparoskopischen Sigmaresektion unterzogene
Patienten untersucht worden, stratifiziert nach dem gewählten Operationszeitpunkt
(Gruppe I, frühelektive Resektion nach 5 – 8 Tagen Antibiotikatherapie, Gruppe II
OP nach 4 – 6 Wochen im angenommen „entzündungsfreien Intervall“). Die Autoren beschrieben
eine statistisch signifikant höhere Konversionsrate in der frühelektiv operierten
Gruppe I (9 von 116) im Vergleich zur Gruppe II (1 von 94; p < 0,05). Auch die Rate
der Anastomoseninsuffizienzen war höher in der Gruppe I (8 von 116) im Vergleich zur
Gruppe II (0 von 94; p < 0,05), ebenso wie die Wundinfektionen (Gruppe I 19 von 116
vs. Gruppe II 5 von 94). Obwohl diese Ergebnisse die späte Operation zu favorisieren
scheinen, müssen sie aufgrund des nicht randomisierten Studiendesigns mit entsprechendem
Bias mit Vorsicht interpretiert werden.
Gedeckte Perforation
Retroperitoneale oder parakolische Abszesse können interventionell (Sonografie, CT)
drainiert werden. Bei kleinen, nicht sicher punktierbaren Abszessen sollte unter täglicher
Kontrolle von Klinik und Entzündungswerten (CRP, Leukozyten) eine alleinige konservative
Therapie durchgeführt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung/Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.8
Bei ca. 15 % der Patienten mit akuter Divertikulitis lassen sich im CT Abszesse nachweisen
[272]
[326]. Bei größeren Abszessen (z. B. > 4 cm) bietet sich prinzipiell die Möglichkeit einer
perkutanen Abszessdrainage in Kombination mit einer Antibiotikatherapie zur Vermeidung
von Notoperationen [315]
[327]. Kleinere Abszesse (< 3 – 4 cm) können fast immer mit Antibiotika allein zur Ausheilung
gebracht werden [326]. In einer Fallkontrollstudie war eine alleinige Antibiotikatherapie bei nicht punktierbaren
Abszessen einer CT-gesteuerten Drainagetherapie plus Antibiotika nicht unterlegen
[328]. Die nicht punktierbaren Abszesse wiesen einen kleineren Durchmesser auf. Zu einem
vergleichbaren Ergebnis kamen die Autoren in einer Fallserie von 114 Patienten mit
intraabdominalen Abszessen [329]. Die Mehrzahl (54 %) wurde mit alleiniger intravenöser Antibiotikatherapie erfolgreich
behandelt. Diese Patienten wiesen mit einem mittleren Abszessdurchmesser von 4 cm
deutlich kleinere Läsionen auf als diejenigen, die CT-gesteuert drainiert wurden (mittlerer
Durchmesser 6,5 cm).
Insgesamt liegen zu diesem Therapiekonzept keine prospektiv bzw. randomisierten Daten
vor. Die Evidenz aus retrospektiven Fallserien bzw. Fallkontrollstudien sowie die
klinische Erfahrung zeigt, dass dieser Therapieansatz in der Mehrzahl der Patienten
erfolgreich ist.
Patienten mit divertikulitisbedingten Abszessen, die nicht interventionell drainierbar
sind oder deren klinischer Befund nicht innerhalb von 72 Stunden auf eine konservative
Therapie anspricht, sollten operiert werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.9
Ein Nichtansprechen auf eine initial konservative Therapie inkl. interventioneller
Abzessdrainage mit progredientem Abdominalbefund und Zeichen der Sepsis sprechen für
ein Nichtbeherrschen des septischen Fokus und erfordern eine chirurgische Intervention.
Hierzu liegen keine prospektiven bzw. vergleichenden Daten vor.
Freie Perforation
Patienten mit freier Perforation und Peritonitis bei akut komplizierter Divertikulitis
sollen unmittelbar nach Diagnosestellung operiert werden (Notfalloperation).
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.10
Akutes Abdomen mit progredientem Abdominalbefund und Zeichen der Sepsis sprechen für
einen nicht konservativ beherrschbaren septischen Fokus und erfordern eine chirurgische
Intervention. Hierzu liegen keine prospektiven bzw. vergleichenden Daten vor.
6.11 – 6.12 Chronisch-komplizierte Divertikulitis
Fisteln (verschiedene Formen)
Fisteln bei chronisch-komplizierter Divertikulitis sollten operativ behandelt werden.
Die Operation kann elektiv erfolgen.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.11
Divertikulitisbedingte Fisteln können zur Harnblase, anderen Darmsegmenten, zur Haut
oder bei hysterektomierten Patientinnen zur Vagina hin entstehen. Die Evidenz zur
Behandlung von Fisteln beruht auf Fallberichten, kleinen Fallserien und Expertenmeinung
[330]
[331]
[332]. Dabei stellen insbesondere Fisteln zum Harntrakt wegen der potenziellen Gefahr
einer Urosepsis prinzipiell eine OP-Indikation dar. Bei den anderen Fisteln kann bei
hoher Komorbidität und geringer klinischer Symptomatik auch konservativ vorgegangen
oder ggf. nur ein Deviationsstoma angelegt werden.
Stenose
Eine postdivertikulitische Stenose ist dann klinisch relevant, wenn sie zu einer behandlungsbedürftigen
Behinderung der Stuhlpassage führt. Eine klinisch relevante Stenose sollte je nach
klinischem Befund dringlich, frühelektiv oder elektiv operiert werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.12
Hierzu liegen keine prospektiven Daten vor. In retrospektiven Kohortenstudien ist
die symptomatische Stenose im Rahmen einer Divertikelkrankheit eine der häufigsten
Indikationen für eine elektive Operation [154].
6.13 Chronisch-rezidivierende Divertikulitis
Die chronisch-rezidivierende, unkomplizierte Divertikulitis (Typ 2b) sollte nur nach
sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung in Abhängigkeit vom individuellen Beschwerdebild
nach Möglichkeit im entzündungsfreien Intervall operiert werden (individualmedizinische
Entscheidung). Eine generelle elektive Intervalloperation in Abhängigkeit von der
Anzahl der vorausgegangenen entzündlichen Schübe ist nicht gerechtfertigt.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung/Negativempfehlung
Kommentar zu Statement 6.13
Auch für die Operationsindikation bei der Divertikulitis Typ 2b, der chronisch-rezidivierenden
Form, mit wiederholt auftretenden Episoden einer Divertikulitis und beschwerdefreiem
Intervall, gibt es bislang keine Daten aus prospektiven, randomisierten Studien. Eine
randomisierte Studie wird aber aktuell durchgeführt (DIRECT trial): Patienten mit
persistierenden Abdominalsymptomen nach akuter Divertikulitis oder mehr als 3 Rezidiven
in 2 Jahren werden in 2 Behandlungsgruppen mit konservativer bzw. operativer – bevorzugt
laparoskopischer – Therapie randomisiert [333]. Für die Leitlinienempfehlung stehen aktuell nur Daten niedrigeren Evidenzlevels
zur Verfügung.
Die ehemals bestehende Empfehlung zur Resektion nach dem 2. Schub [9]
[13]
[324] ist verlassen worden. Die Anzahl der Schübe allein wird heute nicht mehr als entscheidendes
Kriterium für die Indikationsstellung zur Operation angesehen [334]
[335]. Die Operationsindikation soll heute vielmehr „individuell“ erfolgen, unter Berücksichtigung
der anerkannten, bereits oben diskutierten Risikofaktoren (siehe Statement 5.5), sowie
abhängig vom Beschwerdebild des Patienten, dem Lebensalter, dem Schweregrad der Schübe
(Komplikationen!), der Lebensumstände und der Komorbidität gestellt werden. Hierzu
sollen die bei der akuten Divertikulitis genannten anamnestischen Angaben, körperlichen,
laborchemischen und bildgebenden Untersuchungsbefunde genutzt werden.
Die frühere Empfehlung zur Resektion nach dem 2. Schub basierte auf der Annahme, dass
nach zwei Schüben das Risiko für komplizierte Verläufe (vor allem mit freier Perforation
und Peritonitis) ansteigt und sich das Ansprechen auf die konservative Therapie verschlechtert.
Ziele der nach dem 2. Schub der Sigmadivertikulitis indizierten Operation waren
-
Verhinderung divertikulitisbedingter septischer Komplikation,
-
Vermeidung von Notoperationen,
-
Vermeidung einer Kolostomie,
-
Beseitigung divertikulitisbedingter Beschwerden und
-
die Reduktion von Morbidität und Letalität.
Die Empfehlung zur Resektion nach dem 2. Schub stützte sich auf über 40 Jahre alte
Daten von Parks zum Spontanverlauf der Erkrankung, Behandlungsergebnisse die also
aus einer Ära vor den modernen Antibiotika stammen [336]. Die berichtete Ansprechrate nach dem 2. Schub betrug seinerzeit 60 %, die Ansprechrate
nach dem 3. Schub < 10 %, die Rezidivrate innerhalb von 12 Monaten 50 %. Darüber hinaus
stieg das Komplikationsrisiko mit zunehmender Zahl der Schübe an.
In einer neueren deutschen Arbeit zum Spontanverlauf der Sigmadivertikulitis wurden
363 Patienten analysiert [318]. Abzüglich der 111 notfallmäßig oder elektiv operierten Patienten (31 %) waren 252
Patienten (69 %) konservativ behandelt worden. Für ein Interview im Sinne der Nachbeobachtung
standen 167 Patienten zur Verfügung. Von diesen waren 89 (53 %) asymptomatisch, 78
(47 %) symptomatisch und 1 Patient hatte eine Divertikelblutung erlitten. Bei 16 der
78 symptomatischen Patienten hatten die wieder aufgetretenen Beschwerden zu einer
erneuten Krankenhausaufnahme geführt, und bei 13 Patienten war eine Resektion durchgeführt
worden. Für ein weiteres Nachbeobachtungsinterview nach 13 Jahren standen immerhin
noch 85 Patienten zur Verfügung. Davon gaben 54 (53 %) an, asymptomatisch zu sein,
während 31 (37 %) symptomatisch waren und ein Patient eine Perforation erlitten hatte.
Von den 31 symptomatischen Patienten waren 17 erneut hospitalisiert und 12 operiert
worden.
In einer weiteren Arbeit zur konservativen Behandlung der rezidivierenden Sigmadivertikulitis
aus Großbritannien wurden 232 wegen einer Sigmadivertikulitis zugewiesene Patienten
evaluiert [256]. 38 Patienten (16,4 %) wurden operiert, wobei ein Patient starb (Letalität 2,6 %).
Von den 191 ohne Resektion entlassenen Patienten wurde im Verlauf bei 35 Patienten
(18,3 %) die Sigmaresektion erforderlich, bei 26 Patienten (13,6 %) als Elektivoperation
und bei 9 Patienten (4,7 %) als Notfalleingriff. Ein Patient starb (Mortalität 0,5 %).
Die Risikofaktoren für die Perforation wurden in einer Publikation von Ritz et al.
in einer Kohorte von 934 Patienten untersucht [337]. In dieser Arbeit wurde kein steigendes, sondern im Gegenteil ein sinkendes Perforationsrisiko
in zunehmender Anzahl der vorangegangenen Sigmadivertikulitisschübe festgestellt:
114 von 450 Patienten (25 %) hatten eine Perforation ohne vorangegangenen Schub (Primärereignis),
29 von 228 Patienten (12,7 %) mit einem vorangegangen Schub, 8 von 136 Patienten (5,9 %)
mit 2 vorangegangen Schüben, einer von 109 Patienten (0,9 %) mit 3 – 5 vorangegangen
Schüben und keiner von 5 Patienten mit mehr als 5 vorangegangenen Schüben. Zu vergleichbaren
Ergebnissen kamen retrospektive Kohortenstudien mit 271 Patienten (202 Erstmanifestation,
69 Rezidiv) sowie 150 Patienten mit mindestens einer vorangegangenen Divertikulitisepisode
[338]
[339].
In einem systematischen Review wurden 21 Studien evaluiert, die den Verlauf nach medikamentöser
bzw. operativer Therapie einer Divertikulitis berichteten [217]. Nach konservativer Behandlung eines 1. oder 2. Schubes einer Divertikulitis wurden
Operationsfrequenzen wegen Rezidiven bis zu 45 % beschrieben, in den größeren Studien
lag die Rate aber durchweg unter 11 %.
In einer Analyse einer multizentrischen Datenbank (743 Patienten), unter Berücksichtigung
der publizierten Literatur, fand sich insgesamt ein gutartiger Verlauf der Divertikelkrankheit.
Das 5-Jahre-Rezidivrisiko lag bei 25 – 35 % mit abnehmendem Risiko für schwerwiegende
Komplikationen (z. B. Perforationen), Risiko für Notoperationen im Follow-up von 2 – 14 %
und Risiko für Stoma und Tod zwischen 0 und 2,7 % [340].
Eine zunehmende Inzidenz der Divertikulitis bei Patienten unter 40 Jahren wurde beobachtet.
Initiale Daten suggerierten, dass es sich in dieser Altersgruppe um eine gefährlichere
Erkrankung handelt als bei älteren Patienten, dies wurde aber in neueren Studien nicht
bestätigt, sodass junges Alter per se kein Argument für eine operative Therapie ist
[341].
6.14 – 6.17 Divertikelblutung (endoskopisch, radiologisch, chirurgisch)
Patienten mit einer vermuteten Divertikelblutung sollten stationär aufgenommen werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.14
Diese Empfehlung folgt aktuellen Leitlinien zum Management der gastrointestinalen
Blutung [342]. Vergleichende Studiendaten (ambulant versus stationär) liegen nicht vor.
Bei endoskopisch identifizierbarer Blutungsquelle soll eine endoskopische Blutstillung
versucht werden. Ist eine endoskopische Identifikation/Therapie nicht möglich, kann
eine Angiografie mit Embolisation bei Identifikation der Blutungsstelle durchgeführt
werden. In allen anderen Fällen mit anhaltender Blutung oder bei klinisch relevantem
Blutungsrezidiv nach endoskopischer bzw. angiografischer initialer Hämostase soll
eine operative Therapie dringlich erfolgen.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung/offene Empfehlung/starke
Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.15
Grundsätzlich ist heute akzeptiert, dass beim therapeutischen Management der gastrointestinalen
Blutung zunächst die Möglichkeiten der endoskopischen Diagnostik und Therapie ausgeschöpft
werden [285]
[286]
[342]
[343]
[344], wenngleich die einzige randomisierte, kontrollierte Studie mit 100 Patienten keinen
Vorteil einer initialen Koloskopie gegenüber einem Protokoll mit Angiografie gefolgt
von einer planmäßigen Koloskopie nachweisen konnte [281].
Bei wiederholter oder anhaltender Blutung ohne endoskopisch eindeutig zu identifizierende
Quelle sollte eine Angiografie (ggf. auch CT-Angiografie) zur Lokalisationsdiagnostik
zum Zeitpunkt der vermuteten aktiven Blutung durchgeführt werden, da für ein erforderliches
chirurgisches Vorgehen die exakte Kenntnis der Lokalisation entscheidend ist.
Patienten mit einer selbstlimitierenden oder interventionell erfolgreich behandelten,
stattgehabten Divertikelblutung sollten nicht operiert werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Negativempfehlung
Kommentar zu Statement 6.16
Die Divertikelblutung ist häufig selbstlimitierend (70 – 90 %). In einer prospektiven
Studie wurden 133 Patienten mit Divertikelblutung untersucht [189]. Die Blutung sistierte spontan in 92,4 % der Fälle. Die übrigen 10 Patienten wurden
interventionell behandelt. Nach einem mittleren Follow-up von 4 Jahren lag die Rezidivblutungsrate
bei 13,8 %. Die Rezidivblutungen sistierten mit Ausnahme eines Falles (Patient gestorben)
wieder spontan.
Diese Empfehlung folgt auch den aktuellen Leitlinien zum Management der gastrointestinalen
Blutung [342].
Rezidivierende, klinisch relevante Divertikelblutungen (z. B. Hb-Abfall > 2 g/dl,
Schock) ohne Option der konservativen Risikosenkung für ein erneutes Rezidiv sollten
bei bekannter Blutungslokalisation nach individueller Nutzen-Risiko-Bewertung frühelektiv
operiert werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.17
Bei rezidivierenden klinisch relevanten Blutungen ist nach Ausschöpfung der konservativen
Therapiemöglichkeiten die Operationsindikation zu stellen. Wenngleich auch diesbez.
die Datenlage äußerst spärlich ist – insbesondere prospektive randomisierte Studien
liegen nicht vor – so können doch aus der klinischen Erfahrung, sowie aus retrospektiven
Arbeiten Faktoren herausgearbeitet werden die bei der Operationsindikation berücksichtigt
werden sollten. Diese sind:
Grundsätzlich haben Divertikelblutungen eine starke Tendenz spontan zu sistieren,
Rezidive kommen aber vor. Eine typische klinische Beobachtungsstudie mit 115 Patienten
mit transfusionspflichtiger Kolondivertikelblutung zeigt folgende Zahlen: n = 94 (82 %)
der Blutungen sistierten spontan, während n = 21 (18 %) primär notfallmäßig reseziert
wurden. Eine Rezidivblutung erlitten wiederum 19 der 94 Patienten (20 %), bei denen
es wiederum in 63 % der Fälle (n = 12) zu einem spontanen Sistieren kam, während 37 %
notfallmäßig operiert werden mussten [345]. Eine Abhängigkeit vom Transfusionbedarf als Marker für Blutungsaktivität bzw. -intensität
wurde ebenfalls in der Literatur aufgezeigt [346]. In dieser Studie mit 108 Divertikelblutungen lag die Gesamtrate des spontanen Sistierens
bei 78 %; beim Transfusionsbedarf von 1 – 2 Erythrozytenkonzentraten (EKs) pro Tag
betrug sie 100 %, bei 3 EKs 88 %, bei 4 EKs 74 %, bei 5 EKs 43 % und bei 6 EKs oder
mehr 0 %.
6.18 – 6.19 Rezidivdivertikulitis nach Sigmaresektion
Unter einer Rezidivdivertikulitis nach Sigmaresektion versteht man eine eindeutig
(Klinik, Entzündungsparameter, Bildgebung) gesicherte Divertikulitis.
Konsensusstärke: starker Konsens
Patienten mit Rezidivdivertikulitis sollten nach den gleichen Regeln behandelt werden
wie Patienten mit Divertikelkrankheit ohne vorangegangene Sigmaresektion.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.19
Divertikulitisrezidive nach Sigmaresektion werden mit einer Häufigkeit von 2,7 – 9,6 %
angegeben. In einem systematischen Review, das 21 Studien einschloss, lag die Rezidivrate
nach konservativer Therapie bei 18,6 % (4358 von 23 446 Patienten) verglichen mit
6,1 % nach Operation (22 von 359 Patienten) [217]. Wichtigster Risikofaktor für ein Rezidiv ist ein inadäquates Resektionsausmaß nach
aboral. Die Anastomose sollte im oberen Rektumdrittel liegen und es darf kein Sigmaanteil
belassen werde.
Kapitel 7 Operationsverfahren
Kapitel 7 Operationsverfahren
7.1 – 7.3 Verfahrenswahl bei der elektiven Sigmaresektion
Laparoskopische versus offene Resektion
Die laparoskopische bzw. laparoskopisch-assistierte Operation ist der offenen Resektion
vorzuziehen, sofern nicht triftige Gründe dagegen sprechen.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.1
Im Langzeitverlauf ist hinsichtlich der Ergebnisse, auch unter Berücksichtigung der
Lebensqualität, kein Unterschied zwischen laparoskopischer Operation und offener Operation
festzustellen, jedoch schneidet die laparoskopische Operation im kurzzeitigen Verlauf
hinsichtlich der lokalen Komplikationen und dabei insbesondere der Inzidenz von Wundinfektionen,
intraabdomineller Abszesse, des postoperativen Ileus und der Quote an Fasziendeshiszenzen
günstiger ab. Ebenso ist die postoperative Lebensqualität im postoperativen Verlauf
nach laparoskopischen kolorektalen Operationen besser, als nach konventionellen Eingriffen.
Die Quote allgemeiner Komplikationen und die Letalität werden durch die laparoskopische
OP-Technik nicht beeinflusst. Die laparoskopische Operation geht mit einer längeren
Operationszeit einher.
Als triftige Gründe gegen eine laparoskopische Operation können beispielsweise gelten
vor allem: mangelnde Expertise des Operateurs/Teams und der Patientenwunsch. Voroperationen
und dadurch bedingte Verwachsungen stellen keine absolute Kontraindikation zur laparoskopischen
Operation dar [347]
[348]
[349]
[350].
Total laparoskopische/laparoskopisch-assistierte versus Hand-Port-Verfahren
Total laparoskopische und laparoskopisch-assistierte sowie Hand-Port-Verfahren sind
als gleichwertig anzusehen.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 7.2
Die unterschiedlichen Verfahren sind hinsichtlich ihrer technischen Machbarkeit hinreichend
belegt. Vergleichende Untersuchungen zeigen keine nennenswerten Unterschiede, sodass
diese unterschiedlichen Spielarten der laparoskopischen Vorgehensweise als gleichwertig
anzusehen sind [351].
Stellenwert von Single-Port-, NOS- und NOTES-Techniken bei der elektiven Sigmaresektion
wegen Divertikelkrankheit
Single-Port-, NOS- und NOTES-Techniken bei der Sigmaresektion wegen Divertikelkrankheit
sind hinsichtlich ihrer technischen Machbarkeit dokumentiert. Die Bedeutung dieser
Techniken im Vergleich mit laparoskopischen Techniken ist unklar und sollte in klinischen
Studien untersucht werden.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 7.3
Vergleichende Untersuchungen auf hohem Evidenzlevel liegen nicht vor, sodass hier
eine adäquate vergleichende Beurteilung der verschiedenen Techniken nicht möglich
ist. Grundsätzlich gilt aber, dass neue Techniken in klinischen Studien erprobt werden
sollten, idealerweise im Vergleich mit herkömmlichen laparoskopischen Techniken [352]
[353]
[354]
[355]
[356]
[357]
[358]
[359]
[360].
7.4 – 7.6 Verfahrenswahl bei der perforierten Sigmadivertikulitis (frei/gedeckt)
Beginn der Operation
Bei entsprechender Expertise ist es gerechtfertigt, bei perforierter Sigmadivertikulitis
die Operation laparoskopisch zu beginnen.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.4
Entsprechende Fallserien belegen, dass auch in der Notfallversorgung die laparoskopische
Sigmaresektion bzw. laparoskopische Drainage mit guten Ergebnissen einhergehen können.
Eine entsprechende Expertise mit diesen Techniken ist jedoch vorauszusetzen [10]
[352]
[353]
[359]
[361]
[362]
[363]
[364]
[365]
[366]
[367]
[368]
[369]
[370]
[371]
[372]
[373]
[374]
[375]
[376]
[377]
[378]
[379].
Sigmaresektion mit Kontinuitätswiederherstellung versus Diskontinuitätswiederherstellung
nach Hartmann
Als Standardeingriff bei der perforierten Sigmadivertikulitis sollte als Operationsverfahren
die Sigmaresektion mit primärer Kontinuitätswiederherstellung mit Anastomose bevorzugt
werden, mit Vorschaltung eines Ileostoma.
Bei septischen und instabilen Patienten mit einer erschwerten Mobilisation der linken
Flexur kann eine Hartmann-Operation durchgeführt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung/offene Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.5
Viele nicht randomisierte vergleichende Untersuchungen zeigen, dass die Sigmaresektion
mit primärer Anastomose auch in der Notfallsituation sicher durchgeführt werden kann.
Bei der frei perforierten Sigmadivertikulitis wird die notfallmäßige Sigmaresektion
als Standard angesehen. Für die Rekonstruktion stehen prinzipiell die Diskontinuitätsresektion
nach Hartmann, mit Anlage eines endständigen Kolostoma und Blindverschluss des Rektum
(Hartmann-Stumpf) und die primäre Kontinuitätswiederherstellung mit primärer Anastomose
mit Vorschaltung einer Ileostomie, zur Verfügung. Einige nicht randomisierte, retrospektive
Vergleichsstudien haben gezeigt, dass die primäre Anastomose und Ileostomaschutz auch
in der Notfallsituation sicher durchgeführt werden kann. Jüngst sind nun auch die
Ergebnisse einer prospektiv randomisierten Studie aus der Schweiz publiziert worden [380].
Nicht randomisierte Vergleichsstudien
Eine systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse von Constantinides et al. [381] analysiert insgesamt 15 Studien Patienten [382]
[383]
[384]
[385]
[386]
[387]
[388]
[389]
[390]
[391]
[392]
[393]
[394]
[395]
[396] mit 416 einer Diskontinuitätsresektion nach Hartmann und 547 einer primären Anastomosierung
unterzogen. Diese Arbeit legt eine statistisch signifikante Überlegenheit der Sigmaresektion
mit primärer Anastomose gegenüber der Diskontinuitätsresektion nach Hartmann nahe.
In dieser systematischen Übersicht wird eine signifikant (p = 0,006) höhere Gesamtletalität
in der Hartmann-Gruppe (15,1 %) im Vergleich zur Gruppe mit primärer Anastomose (4,9 %)
aufgezeigt. Diese statistische Signifikanz des Letalitätsunterschiedes bezieht sich
in der Subgruppenanalyse insbesondere auf die Notfallresektion (15,6 vs. 7,4 %; p = 0,001).
Die Subgruppenanalyse hinsichtlich der Hinchey-Stadien zeigte den Letalitätsunterschied
zwischen Hartmann-Prozedur und primärer Anastomose statistisch signifikant für Hinchey
II (15 vs. 5,2 %; p = 0,02), während sich dieser Unterschied bei den Hinchey III/IV-Stadien
verlor (14,4 vs. 14,1 %, p = 0,71). Auch die Rate der Wundinfektionen (22,3 vs. 8,6 %;
p 0,02) und die Peritonitis und Abszessrate (8,7 vs. 3,9 %; p = 0,04) war statistisch
signifikant erhöht. Ein Unterschied hinsichtlich der tendenziell häufigeren Stomakomplikationen
(13,6 vs. 8,3 %) erreichte keine statistische Signifikanz.
Bei einem großen Teil der Patienten, bei denen eine Diskontinuitätsresektion nach
Hartmann durchgeführt worden ist, wird nie die Hartmann-Wiederanschlussoperation durchgeführt
und diese Patienten behalten somit lebenslang das Stoma. Dies wird reflektiert durch
eine retrospektive multizentrische Untersuchung aus den Niederlanden [397]: Im Zeitraum 1995 – 2005 notfallmäßig wegen perforierter Divertikulitis operierten
Patienten wurden eingeschlossen (n = 139 Hartmann-Resektion; n = 19 primäre Anastomose
+ Ileostoma). Betrachtete Ergebnisvariablen waren die Rate der Durchführung einer
Wiederanschlussoperation, respektive Ileostomarückverlagerung sowie die Morbidität
in Abhängigkeit vom primären Operationsverfahren. Die Studie zeigte eine 45 % Hartmann-Wiederanschlussrate
(n = 36) und eine Rate von 74 % Ileostomarückverlagerungen (n = 14). Es bestand hierbei
kein Unterschied in der Schwere der initialen Erkrankung. Der Zeitraum zwischen Primäroperation
und Hartmann-Wiederanschluss betrug 9,1 Monate, während der Zeitraum zur Ileostomarückverlagerung
nur durchschnittlich 3,9 Monate betrug. Die Rate früh-postoperativer Komplikationen
lag bei 35 vs. 7 %, die Rate spätpostoperativer Komplikationen bei 27 vs. 7 % und
die Letalität bei 5 vs. 0 %. Eine Kontinuitätswiederherstellung nach Hartmann-Resektion
erfolgt bei weniger als der Hälfte der Patienten und ist mit einer substanziellen
Morbidität (44 %) und Letalität (5 %) behaftet. Das Hartmann-Verfahren resultiert
häufig in einer permanenten Kolostomie.
Prospektiv randomisierten Studie
Eine prospektiv randomisierte Studie [380] berichtet über 62 Patienten aus vier Schweizer Zentren, die wegen akuter Perforation
im linken Hemikolon operiert und in die prospektiv randomisierte Studie eingeschlossen
worden sind. 30 Patienten wurden zur Hartmann-Operation und 32 Patienten zur primären
Anastomose mit Diversionsileostomie randomisiert. Weiter war im Studienprotokoll die
Wiederanschlussoperation respektive Ileostomarückverlagerung nach 3 Monaten vorgesehen.
Die Mehrzahl der Patienten in beiden Gruppen waren Hinchey III (76 vs. 75 %), weniger
Hinchey IV (24 vs. 25 %). In der Studie zeigte sich kein Unterschied hinsichtlich
der Gesamtkomplikationsrate (80 vs. 84 %, p = 0,813). Auch hinsichtlich Morbidität
(67 vs. 75 %) und Letalität (13 vs. 9 %) wurden keine signifikanten Unterschiede aufgezeigt.
Weiter zeigt auch die prospektiv randomisierte Studie eine geringe Stomarückverlagerungsrate[2] nach der Diskontinuitätsresektion nach Hartmann (57 %) im Vergleich zur primären
Anastomose mit Ileostoma (90 %; p = 0,005). Weiter war die Rate schwerer Komplikationen
höher (20 vs. 0 %), die Operationszeit (bei Berücksichtigung auch des Zweiteingriffs)
länger (183 Minuten vs. 73 Minuten, p < 0,001), ebenso der Krankenhausaufenthalt (6
vs. 9 Tage; p = 0,016) und die Krankenhauskosten (US $16 717 vs. vs. US $24 014).
Insgesamt liegen somit zum ersten Mal Level-1B-Daten vor, dass die primäre Anastomose
mit protektiver Ileostomie im Notfall ebenso sicher durchgeführt werden kann wie die
Hartmann-Operation. Hinsichtlich der sekundären Ergebnisvariablen weist die prospektiv
randomisierte Studie die Kontinuitätswiederherstellung als das überlegene Verfahren
aus.
Resektion versus laparoskopische Lavage und Drainage
Die laparoskopische Peritoneallavage und Drainage, ohne Resektion, ist als alternative
Therapiestrategie bei der perforierten Divertikulitis mit eitriger Peritonitis (CDD
Typ 2c1/Hinchey III) vorgeschlagen worden. Eine diesbezügliche Empfehlung kann bei
inadäquater Datenlage bislang nicht gegeben werden. Die bisherigen Daten sind aber
so vielversprechend, dass die individuelle Anwendung bei entsprechender Aufklärung
gerechtfertigt ist.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.6
Über die als Alternative zur notfallmäßigen Sigmaresektion vorgeschlagene Therapiestrategie
mit laparoskopischer Lavage und Drainage wird in der Literatur zunehmend und mit sehr
vielversprechenden Ergebnissen berichtet. Die Strategie geht auf die Erstbeschreibung
durch O’Sullivan et al. im Jahre 1996 zurück. Seither sind mindestens zwei prospektive
Fallserien [365]
[398], diverse retrospektive Fallserien [399]
[400]
[401]
[402]
[403]
[404]
[405]
[406]
[407]
[408]
[409]
[410] und Case Reports [411]
[412] publiziert worden. Weiter sind die Daten in mindestens drei systematischen Reviews
und Metaanalysen aufgearbeitet worden sind [413]
[414]
[415].
Prospektiv randomisierte Studien zum Vergleich der Therapiestrategie mit den Standardverfahren,
der chirurgischen Resektion mit oder ohne Kontinuitätswiederherstellung stehen bislang
aus, sind allerdings bereits initiiert und rekrutieren aktuell [379]
[416].
Ergebnisse einzelner Studien und Fallserien
Die größte bislang publizierte konsekutive, Patientenserie von Myers et al. [398] berichtet über 92 Patienten, die bei perforierter Sigmadivertikulitis mit eitriger
Peritonitis (Hinchey III) mit laparoskopischer Peritoneallavage und Drainage und Antibiotikatherapie,
aber ohne Resektion, behandelt worden sind. Die Studie zeigt eine sehr niedrige Morbidität
(3 %) und Mortalität (4 %) auf. Während einer medianen Nachbeobachtungszeit von 36
Monaten wurden nur 2 Rezidive beobachtet.
Eine jüngst publizierte retrospektive, populationsbasierte Studie aus Irland [417] berichtet über 2555 Patienten, die wegen einer Divertikulitis operiert worden waren,
von denen 427 mit der Strategie der laparoskopischen Lavage behandelt worden waren.
In dieser Gruppe der für die laparoskopische Lavage selektierten Patienten zeigten
sich dann im Vergleich zu den resezierten Patienten eine niedrigere Letalität (4,0
vs. 10,4 %; p < 0,001), niedrigere Komplikationsrate (14,1 vs. 25,0 %; p < 0,001)
und Dauer des Krankenhausaufenthaltes (10 Tage vs. 20 Tage, p < 0,001).
In einer multiinstitutionalen retrospektiven Analyse haben Karoui et al. [409] prospektiv dokumentierte Ergebnisse dreier französischer Zentren mit gematchten
retrospektiven Kontrollen publiziert: n = 35 Patienten wurden mit der laparoskopischen
Lavage und mit n = 24 mit Diskontinuitätsresektion behandelten Patienten verglichen.
Die Arbeit zeigt keinen Unterschied hinsichtlich Morbidität und Mortalität. Weiter
wird über einen signifikant verkürzten Krankenhausaufenthalt (8 versus 17 Tage) berichtet.
In weitere Folge wurden dann 25 der Patienten einer elektiven laparoskopischen Operation
unterzogen.
Ergebnisse der systematischen Reviews/Metaanalysen
Die systematische Übersicht und Metaanalyse von Toorenvliet et al. [414] berichten über n = 231 Patienten aus zwei prospektiven Kohortenstudien, neun retrospektiven
Fallserien und zwei Case Reports. Die Mehrzahl der Patienten (77 %) war wegen einer
eitrigen Peritonitis (Hinchey III) mit der laparoskopischen Lavage und Drainagestrategie
behandelt worden. Eine Kontrolle des abdominellen Fokus und der Sepsis wurde bei 95,7 %
der Patienten erzielt, bei niedriger Mortalität (1,7 %) und Morbidität (10,4 %). Auch
die Kolostomierate war mit 1,7 % sehr niedrig. Aus diesen Daten wird einerseits gefolgert,
dass die laparoskopische Lavage und Drainagestrategie vielversprechende Ergebnisse
liefert, mit hoher Effektivität, niedriger Mortalität, Morbidität und niedriger Kolostomierate.
Andererseits muss auch zur Kenntnis genommen werden, dass es keine Publikationen von
hoher methodischer Qualität zu dieser Fragestellung gibt und prospektiv randomisierte
Studien zum Vergleich der Methode mit dem aktuellen Standard, der chirurgischen Resektion
benötigt werden.
Die neuere systematische Übersicht und Metaanalyse von Afshar & Kurer [413] schließt 12 Studien ein [365]
[370]
[398]
[400]
[402]
[403]
[405]
[406]
[407]
[408]
[409]
[410] mit einer Gesamtzahl von 301 Patienten, die mit der Strategie Antibiotikatherapie
plus laparoskopische Lavage und Drainage behandelt worden sind. Berichtet wird über
eine Gesamtletalität von 0,25 % und eine mittlere Komplikationsrate von 18,9 %, eine
mittlere Konversionsrate von 4,9 % und eine Krankenhausverweildauer von im Mittel
9,3 Tagen. Eine elektive Resektion im Verlauf mit primärer Anastomose war bei 51 %
der Patienten durchgeführt worden, die in der Mehrzahl erfolgreich auf laparoskopischem
Wege durchgeführt worden war.
Laufende prospektiv randomisierte Studien
Zwei prospektiv randomisierte Studien sind zur Klärung dieser Frage initiiert worden
und rekrutieren aktuell [379]
[416].
In der skandinavischen DILALA[3]-Studie wird randomisiert zwischen laparoskopischer Lavage und der Diskontinuitätsresektion
nach Hartmann. Primäre Ergebnisvariable ist die Anzahl der Reoperationen innerhalb
von 12 Monaten. Sekundäre Endpunkte sind die Letalität, Lebensqualität, Wiederaufnahmerate,
Gesundheitsökonomische Aspekte und das permanente Stoma.
In der holländischen LADIES[4] -Studie [379] wird die laparoskopische Lavage und Drainage mit der Resektion verglichen (sog.
LOLA[5]-Arm der Studie). Im Resektionsarm der Studie (sog. DIVA[6]-Arm) wird weiter randomisiert zur Sigmaresektion mit oder ohne Kontinuitätswiederherstellung.
7.7 – 7.9 Welches Verfahren sollte bei der Divertikelblutung verwendet werden.
Bei der eindeutig lokalisierbaren Divertikelblutung sollte der entsprechende Darmabschnitt
reseziert werden. Bei Divertikelblutungen aus dem Sigma sollte eine Standardsigmaresektion
durchgeführt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statements 7.7
Es ist unbedingt anzustreben, eine Lokalisierung der Blutung zu erreichen, um gezielt
chirurgisch vorzugehen.
Die Notfallendoskopie ist hierbei die Maßnahme der ersten Wahl [281]. Ist eine Lokalisation nicht möglich, ist eine Szintigrafie oder eine Angiografie
zu erwägen. Letztere ermöglicht bei entsprechend starker Blutungsintensität (0,5 ml/min)
die exakteste Blutungslokalisation. Ein vorher durchgeführtes Spiral-CT erhöht die
Treffsicherheit der Koloskopie [418]. Wu 2010 [419] konnte in einer Metaanalyse auch für die CT-Angiografie eine hohe Spezifität (85 %)
und Sensitivität (89 %) feststellen. Breitere Verfügbarkeit, geringere Invasivität
und größere Untersucherunabhängigkeit sprechen für den Einsatz in der Primärdiagnostik
der akuten UGI-Blutung.
Gelingt eine Lokalisation der Blutungsquelle nicht, kann nicht davon ausgegangen werden,
dass die Blutung aus dem Sigma stammt.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 7.8
In einer retrospektiven Studie von Plummer et al. [420] fanden sich nach subtotaler Kolektomie als Blutungsursache eine Divertikelerkrankung
(68 %), Angiodysplasie (12 %) oder beides (12 %).
Green et al. [281] fanden bei Notfallkoloskopien wegen UGI-Blutung nur in der Hälfte der Fälle Blutungen
aus Divertikeln.
Die Divertikulose des Rechtskolons ist in der westlichen Bevölkerung seltener als
in der asiatischen und kann ebenfalls Blutungsursache sein [421]
[422]. Bei Asiaten überwiegt die Blutung aus Rechtskolondivertikeln die aus Linksseitendivertikeln
zahlenmäßig [423].
In diesen sehr seltenen Fällen einer nicht lokalisierbaren Blutung muss eine subtotale
Kolektomie mit Ileorektostomie diskutiert werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.9
Poncet et al. [189] fanden in einer prospektiven Studie eine hohe Rate spontanen Blutungsstillstands
(92 %), hohe Effektivität interventioneller Maßnahmen sowie eine geringe Anzahl von
Blutungsrezidiven (3,8 % innerhalb eines Jahres). Sie halten ein aggressives Vorgehen
nicht für gerechtfertigt. Allerdings berichten sie auch über eine 30-Tages-Mortalität
bei Erstblutung von 2,25 %.
Die Chance des Sistierens scheint von der Blutungsintensität abhängig zu sein: bei
einem Transfusionsbedarf von 6 EK/Tag ist sie 0 % [346].
Die Indikation zur Operation ergibt sich bei fortbestehender, endoskopisch oder interventionell
nicht beherrschbarer Blutung. Die Dringlichkeit wird bestimmt von der Kreislaufsituation,
der Blutungsintensität und dem vorbestehenden Risikoprofil. Das präoperative Intervall
muss zur Lokalisationsdiagnostik genutzt werden.
Liegt eine OP-Indikation vor, ist intraoperativ zunächst eine Blutung aus dem Dünndarm
auszuschließen. In unklaren Fällen sind ggf. ein oder sogar mehrere Loop-Ileostomata
anzulegen [424]
[425].
„Blinde“ Kolonsegmentresektionen haben ein hohes Risiko der persistierenden oder Rezidivblutung
und sollten nicht durchgeführt werden [424]. Bei unsicherer Lokalisation ist die subtotale Kolonresektion das Verfahren der
Wahl [426].
Die mitgeteilten Fallzahlen dieser operativen Eingriffe bei Blutung sind allerdings
klein.
Renzulli et al. [427] erzielten bei 32 Patienten durch subtotale Kolektomie eine komplette Blutungskontrolle.
Signifikante Unterschiede im Outcome im Vergleich zu segmentalen Resektionen ergaben
sich nicht, sodass die subtotale Kolektomie als effektives und sicheres Verfahren
bei nicht lokalisierter Blutung bewertet wird.
Ältere Untersuchungen berichten über höhere Mortalität (33 %) [428].
Gerade für Risikogruppen wird daher zur frühzeitigen subtotalen Kolektomie geraten
[150].
7.10 – 7.14 Ausmaß der Sigmaresektion
Der orale Absetzungsrand sollte in jedem Fall proximal chronisch oder akut entzündlich
veränderter Wandabschnitte in gesundem Darm gewählt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.10
Wenngleich die Datenlage diesbez. äußerst schwach ist, wird angenommen, dass die Sigmadivertikulitis
auf hohe Druckwerte („Hochdruckzone“) im (distalen) Sigma zurückzuführen ist. Folglich
ist die Elimination dieses Abschnitts anzustreben, da somit a priori von einer reduzierten
Rezidivwahrscheinlichkeit auszugehen ist. Nicht gesichert ist, ob in jedem Fall das
gesamte proximale Sigma reseziert werden muss.
Aus Gründen der Anastomosensicherheit muss der anastomosierte Bezirk selbst frei von
Divertikeln sein. Ist die Darmwand noch akut oder chronisch entzündlich „myostatisch“
induriert und somit nicht ausreichend dehnbar, kann eine ausreichend weite End-zu-End-Stapleranastomose
nicht hergestellt werden.
Allerdings ist ein Zusammenhang zwischen Staplerdurchmesser und Rezidiv nicht belegbar
[429].
Ob eine am oberen Absetzungsrand nachweisbare Entzündung ein Rezidiv begünstigt, bleibt
fraglich: Thaler 2003 [429] fand eine Entzündungsreaktion nur in 1 von 12 Rezidiven. Auch Bergamaschi 1998 [430] gibt bei laparoskopischer Resektion trotz kürzerer Resektate mit deutlich häufigerer
Entzündung am oralen Rand im Vergleich mit der offenen Chirurgie eine geringere Rezidivrate
an. Beide betonen die Wichtigkeit der Anastomosierung im oberen Rektum.
Ein Zusammenhang eines krankhaft veränderten Resektionsrands mit postoperativen, symptomatischen
Stenosen ist zu diskutieren. Ambrosetti 2008 [431] fand diese in 17,8 % nach laparoskopischer Sigmaresektion, ein Zusammenhang mit
vorbestehender lokaler Entzündung wurde nicht untersucht.
Bei fehlender Datenlage empfehlen die bestehenden Leitlinien die Resektion in einem
gesunden, d. h. nicht verdickten, dehnbaren Kolonabschnitt [10]
[222]
[324].
Der aborale Absetzungsrand sollte im oberen Rektum liegen, sodass eine Anastomose
vom Colon descendens mit dem Rektum resultiert.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.11
Einzelne Arbeiten belegen, dass bei Anastomose auf das Rektum die Rezidivwahrscheinlichkeit
reduziert ist.
Es gibt Hinweise auf das Vorliegen einer Hochdruckzone am rektosigmoidalen Übergang
[432]
[433]. Die Bedeutung für die Entstehung der Divertikulose des Colon sigmoideum bleibt
spekulativ.
Benn 1986 und Thaler 2003 berichten, dass durch Anastomosierung im oberen Rektum (nach
dem „Aufspreizen“ der Taenie, somit wohl unterhalb einer „Hochdruckzone“) die Rezidivhäufigkeit
der Divertikulitis vermindert wird. Durch eine kolorektale anstelle einer kolosigmoidalen
Anastomose konnte die Rezidivrate von 12,5 auf 2,8 % gesenkt werden [429]
[434]. Auf die genannten zwei Autoren stützen sich mehrere Leitlinienempfehlungen [10]
[222]
[324].
Andere Untersucher bestätigen den Zusammenhang mit der Anastomosenlokalisation nicht
[219].
Es ist die Resektion des gesamten Sigmas, mit den aktuell oder ehemals entzündlich
veränderten Darmabschnitten erforderlich, nicht jedoch aller divertikeltragender Darmabschnitte.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.13
Obwohl hierzu keine validen Daten vorliegen, ist aus der Erfahrung bekannt, dass die
Divertikel (außer bei der Rechtsdivertikulitis) fast immer nur im Bereich des Sigmas
symptomatisch werden.
98 % der Divertikulitiden entstehen im Sigma, obwohl 30 % der Patienten auch Divertikel
in oralen Kolonabschnitten haben [434]. Divertikel im Rektum gelten als Rarität [434].
Trotz erfolgreicher Sigmaresektion berichten 25 % der operierten Patienten über persistierende
oder rezidivierende Beschwerden, Divertikulitiden wurden hierbei nicht beobachtet
[218].
Andeweg 2008 [219] gibt eine Inzidenz des Divertikulitisrezidivs von 8,7 % an. Innerhalb von 15 Jahren
wird das Rezidivrisiko auf 16 % geschätzt. Die Rate der erforderlichen Reoperationen
wird mit 50 % angegeben, wobei die Entzündung proximale Divertikel betraf. An Verfahren
wurden Hemikolektomie links, Transversumteilresektion und sogar subtotale Kolektomie
vorgenommen.
Wolf 1984 [435] konnte bei 61 Patienten nach Sigmaresektion nur bei 14,7 % mittels Barium-KE eine
Zunahme proximaler Divertikel feststellen. 11,4 % entwickelten eine Rezidivdivertikulitis,
eine Reoperation war nicht erforderlich. Eine Resektion weiterer divertikeltragender
Kolonabschnitte sei nicht indiziert, da die Progression gering und das Rezidivrisiko
niedrig sei.
Bestehende Leitlinien schließen sich dieser Auffassung an [10]
[324]. Die orale Resektionsgrenze müsse jedoch in einer Region ohne Wandhypertrophie und
Entzündung liegen. Gelegentlich müsse die Absetzung deswegen „gut“ im Colon descendens
bis hin zum linken Colon transversum erfolgen [324].
Die Rechtsseitendivertikulitis stellt möglicherweise eine eigene Entität dar. Sie
betrifft vornehmlich jüngere Patienten asiatischer Herkunft [436]. Häufig kann sie konservativ behandelt werden, sofern durch Ultraschall oder CT
Komplikationen oder die akute Appendizitis ausgeschlossen werden können [437]. Fang 2003 [438] befürwortet dagegen eine aggressive Resektion (Hemikolektomie), da weniger als 40 %
auf Dauer konservativ behandelt werden konnten.
In westlichen Ländern ist die Rechtskolondivertikulitis dagegen eine seltene Differenzialdiagnose
zur Appendizitis, sodass das primär operative Vorgehen eher im Vordergrund steht.
Meist handelt es sich hier um erworbene Divertikel. Der betroffene Darmabschnitt sollte
entfernt werden (Ileocoekalresektion, Hemikolektomie rechts), limitierte Techniken
(Einstülpung/Übernähung) sind kritisch zu sehen [421]
[439].
Es soll eine spannungsfreie, gut durchblutete und dichte Anastomose hegestellt werden.
Sofern hierzu die Mobilisation der linken Flexur erforderlich ist, soll diese erfolgen.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.14
Eine Mobilisation der linken Flexur en principe ist durch die Literatur nicht hinreichend
zu begründen. Die Rahmenbedingungen für eine primäre Anastomosenheilung müssen aber
unbedingt geschaffen werden.
Viele Autoren führen die Mobilisation der linken Kolonflexur in laparoskopischer wie
offener Technik standardmäßig durch [440]
[441]. Andere machen die Notwendigkeit einer Mobilisation von der bestehenden Mobilität
des Darmes abhängig [373]. Nach Thaler [429] hat die Lösung der linken Flexur keinen Einfluss auf die Rezidivrate.
Jones 2008 [440] berichtet bei prinzipieller Mobilisation vergleichbar niedrige Komplikationsraten
bei unkomplizierter wie komplizierter Divertikulitis (laparoskopische Sigmaresektion).
Bergamaschi (1998) [430] bemängelt kürzere Resektate bei laparoskopischer OP und fordert deshalb die Flexurenmobilisation,
um oralwärts ausreichend Darm entfernen und damit die Anastomose in gesunde Abschnitte
platzieren zu können. Durch die routinemäßige Mobilisation werde dies („soft, compliant
bowel“) und auch die Anastomose im oberen Rektum erleichtert [222] (Leitlinie GB/Irland).
US-amerikanische und dänische Leitlinien geben aufgrund der unsicheren Datenlage keine
Empfehlungen [10]
[324].
7.15 Stomaprotektion
Bei Notfall – bzw. Hochrisikopatienten kann ein Schutz der Anastomose durch ein protektives
Stoma erfolgen.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.15
Die Ausschaltung der Stuhlpassage durch ein protektives Stoma reduziert das Ausmaß
der Folgen einer Anastomoseninsuffizienz, sodass dieses in entsprechenden Situationen
angelegt werden kann. Für die Sigmaresektion bei Divertikulitis liegen hierzu jedoch
keine Daten vor, hingegen ist dies für Patienten nach Rektumresektion mit Karzinom
umfassend belegt (vgl. gesamte folgende Literatur) [442]
[443]
[444]
[445].
7.16 – 7.17 Technische Aspekte der Sigmaresektion
Stapler vs. Handnaht
Stapler- und Handnahtanastomose sind bei technisch korrekter Durchführung als gleichwertig
anzusehen.
Konsensusstärke: Konsens
Kommentar zu Statement 7.16
Zur grundsätzlichen Frage, ob kolorektale Anastomosen (unabhängig von der Grunderkrankung)
sicherer mit Stapler oder mit Handnaht auszuführen sind, kommt der aktuelle Cochrane-Review
[446] ebenso wie ältere Metaanalysen zu dem Ergebnis, dass es bei 1233 Patienten aus 9
randomisierten Studien keinen Hinweis auf Unterschiede in Mortalität, gesamter und
klinischer Insuffizienzrate, Wundinfektionen und Aufenthaltsdauer gibt – unabhängig
von der Höhe der Anastomose. Einschränkend wird aber zu Recht darauf hingewiesen,
dass hierzu Studien aus der letzten Dekade fehlen und dass separate valide Studien
in Risikogruppen, z. B. bei akuter Entzündung fehlen. Auch eine aktuelle prospektive
Kohortenstudie an 616 Patienten zeigte beim Vergleich Stapler versus Handnaht weder
univariat noch multivariat einen Unterschied in der Insuffizienzrate [447].
Zentrales oder peripheres Absetzen der Gefäße
Auch wenn die Datenlage unbefriedigend ist, wird der Erhalt der Art. mesenterica inferior
empfohlen.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.17
Für eine zentrale Lymphknotendissektion mit hoher Gefäßabsetzung gibt es keinen Grund,
solange kein Malignitätsverdacht besteht. Somit kann als Argument für eine zentrale
Ligatur nur eine vereinfache Mobilisation des zuführenden Colon descendens bzw. der
Flexur angeführt werden. Dem stehen – zumind. theoretisch – mögliche Beeinträchtigungen
von Durchblutung und Innervation gegenüber, die sowohl das heruntergezogene Kolon
als auch den Rektumstumpf betreffen können. Tatsächlich wird in nicht randomisierten
Studien an onkologischen Patienten sowohl eine proximale Durchblutungsminderung als
auch eine verminderte Kontinenzfunktion durch Ligatur der Art. mes. Inferior berichtet
[448]
[449]. Die einzige prospektiv randomisierte Studie zu dieser Frage bei 163 Patienten mit
Resektion wegen Divertikulitis zeigte mehr Anastomoseninsuffizienzen bei zentraler
Ligatur [450]. Der Unterschied war signifikant sowohl für klinisch apparente (2,3 vs. 10,4 %)
als auch radiologische Leckagen (7 vs. 18,1 %). Auch wenn dies zur Grundlage einer
Empfehlung in der dänischen Leitlinie gemacht wurde [10], lässt die insgesamt erstaunlich hohe Insuffizienzrate Zweifel an der Validität
der Studie aufkommen.
Eine aktuelle prospektive Kohortenstudie hat an 616 Patienten (davon nur 86 mit Divertikulitis)
die Frage des Einflusses der Gefäßabsetzung auf die klinische Insuffizienzrate sehr
detailliert untersucht [447]. Dort war eine Ligatur der Sigmoidalarterien ebenso wie eine solche der Art rectalis
sup. ohne Einfluss. Die Ligatur der Art. colica sinistra oder der Art. mes. inf. oberhalb
des Abgangs der Art. colica sinistra gingen aber univariat und multivariat mit einer
signifikant erhöhten Leckrate einher. Dem steht eine retrospektive Studie an 130 Divertikulitispatienten
entgegen, die bei einer Gesamtinsuffizienzrate von 5,4 % keinen Einfluss der Gefäßabsetzung
finden konnte [451]