Herr Dr. Goepfert, was bedeutet Ihr Vergleich, dass die Zusammenarbeit im Krankenhaus
wie ein Tanz-Ensemble funktionieren müsse?
Dr. Andreas Goepfert: Die Arbeit im Krankenhaus basiert auf sehr komplizierten Prozessabläufen. Ähnlich
wie beim Tanzen stolpern alle anderen, wenn einer nicht die richtige Schrittfolge
einhält. Daher ist es so wichtig, im Vorfeld die Prozessabläufe genau abzustimmen.
Wir müssen von einer individualisierten zu einer interdisziplinären, teamorientierten
Leistungserbringung kommen. Allein im OP-Bereich arbeiten 15 verschiedene Berufsgruppen
zusammen, von der Reinigung über die Technik bis zum Chirurg. Wenn hier die Prozesse
stimmen, besteht weniger personenbezogener Klärungsbedarf und die Arbeit wird für
jeden leichter.
Welchen Impuls hat die Fusionierung für die Patientenorientierung gegeben?
Dr. Goepfert: Vor der Fusionierung waren die 4 Standorte eigenständig und regional auf ihr Versorgungsgebiet
ausgerichtet. Heute denken wir in abgestimmten Versorgungsstufen – von der ambulanten
Behandlung im MVZ oder einer Ambulanz bis zur nachstationären Versorgung. Wir können
unseren Patienten die gesamte Versorgungskette aus einer Hand anbieten. Ein Patient
kann je nach medizinischer Notwendigkeit innerhalb unseres Verbundes in ein Haus mit
höherer Versorgungsstufe verlegt werden, ohne deswegen das Gefühl haben zu müssen,
„wegüberwiesen“ worden zu sein. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich die Ärzte untereinander
kennen und IT-basierte Kommunikationsprozesse verbundsintern leichter umzusetzen sind
als zwischen unabhängigen Einrichtungen.
Haben sich die Managementstrukturen verändert?
Dr. Goepfert: Wir haben eine Matrixorganisation eingeführt. Das war nicht ganz einfach, weil jeder
zunächst versucht war, seine Insellösungen fortzuführen. Ein Verbund benötigt hingegen
aufeinander aufbauende Strukturen und Prozesse. Für zentrale Bereiche haben wir Dienstleistungszentren
eingeführt, zum Beispiel für Personal, Controlling, Patientenversorgung und Technik,
um diese effizienter steuern zu können. In Dienstleistungsverträgen ist genau festgelegt,
welche Leistung in welchem Zeitfenster erbracht werden soll und was das kosten darf.
Wir schaffen damit eine klare Struktur, die weniger hierarchisch ist als vorher. Für
die Mitarbeiter ist es zunächst allerdings schwer, sich zu orientieren. Sie müssen
grundlegend informiert werden und die neuen Prozesse verstanden haben. Bis sich die
Vorteile von zentralen Dienstleistungsbereichen und dezentraler Verantwortung in der
Patientenversorgung bemerkbar gemacht haben, hat es etwa ein Jahr gedauert. Inzwischen
arbeiten wir schneller und reibungsloser als vor der Fusionierung. Obwohl wir größer
geworden sind, hat sich unsere Leistungsfähigkeit verbessert.
Wie ist es gelungen, die verschiedenen Berufsgruppen von der Hauswirtschaft bis zum
OP-Team für mehr Serviceorientierung zu gewinnen?
Dr. Goepfert: Im Gesundheitswesen ist es nicht ganz einfach, die Beschäftigten hiervon zu überzeugen.
Sie sehen sich nicht in einer Dienstleistungsbranche. Unser Ansatz war zu zeigen,
dass Dienstleistungen ein hohes Gut sind. Es geht darum, die Leistungen am Patienten
so zu erbringen, wie man es sich für seine Angehörigen wünschen würde. Außerdem befürchteten
viele Mitarbeiter am Anfang, dass die Serviceorientierung mehr Arbeit verursachen
würde, da wir definierte Leistungen und Servicelevel erarbeitet haben, die die Tätigkeiten
überprüfbar machen. Hier war es uns wichtig einen positiven Wert von Kritik zu vermitteln,
da sie notwendig ist, um sich weiterzuentwickeln.
Welchen Service bieten Sie Patienten?
Dr. Goepfert: Wir möchten die Ansprüche unserer Patienten so erfüllen, dass sie zufrieden sind,
seien es Wartezeiten, Hotelleistungen, Speisen oder die verständliche Vermittlung
von Informationen. Bei Bedarf bieten wir zum Beispiel individuelle Gesprächszeiten
nach 18.00 Uhr an. In medizinischer Hinsicht bedeutet Service, dass wir den gesamten
Patienten sehen, nicht nur seine Hauptdiagnose. Viele haben Begleiterkrankungen und
nehmen bis zu 8 verschiedene Medikamente ein. Hier ist vollständige Information wichtig.
Dies gelingt nur, wenn die beteiligten Ärzte der verschiedenen Versorgungsstufen und
Fachgebiete gut zusammenarbeiten und die Behandlung abstimmen, was im Verbund weit
fortgeschritten ist. Die Prozesse in der Strahlentherapie haben wir so aufeinander
abgestimmt, dass sichergestellt ist, dass jeder Patient nur einen Arzt und damit nur
einen Ansprechpartner über die gesamte Behandlungszeit hat. Wir verändern auch bisherige
Stationsstrukturen. Patienten mit Baucherkrankungen werden nun gemeinsam von Internisten
und Chirurgen betreut. Ähnliches planen wir für Patienten mit Gefäßerkrankungen.
Welches sind die nächsten Schritte?
Dr. Goepfert: Unser wichtigstes Bestreben ist es, das hohe Versorgungsniveau zu halten, das wir
erreicht haben. Wir werden uns intensiv mit Personalentwicklung und der Aus- und Weiterbildung
befassen müssen und hierbei nicht nur Fachwissen, sondern auch die grundlegenden Regeln
der Serviceorientierung ansprechen: Dies sind Zuwendung und Freundlichkeit, Kompetenz
und Individualität. Unser Ziel ist die komplette Ausrichtung des Klinikbetriebs an
den Bedürfnissen der Patienten. Bei dem Paradigmenwechsel von der Funktions- zur Prozessorientierung
müssen wir die Mitarbeiter mitnehmen.
Ist Service- und Patientenorientierung teuer?
Dr. Goepfert: Ja, Serviceorientierung ist teuer, wenn sie keiner klaren Zielorientierung folgt.
Erst wenn klar definierte Ziele vorhanden sind und vor allem der Ressourceneinsatz
gut geplant ist, kann sich der Service für das Krankenhaus rechnen, weil die Patienten
zufriedener sind und uns weiterempfehlen.
Gibt es Kennziffern, anhand derer Sie den Erfolg messen?
Dr. Goepfert: Zum einen gibt es die bereits angesprochenen Servicelevel, die wir bei den Dienstleistungsverträgen
vereinbart haben. Sie sind mit Leistungs- und Zeitvorgaben verbunden. Zum anderen
gibt es die betriebswirtschaftlichen Kennziffern und die Ergebnisse der Patienten-,
Mitarbeiter- und Zuweiser-Befragungen. Ferner werten wir Daten des Meinungsmanagements
aus, das wir statt eines Beschwerdemanagements eingeführt haben, da wir auch positive
Rückmeldung erhalten.
Wie schätzen Sie die Effekte der Serviceorientierung auf die Zufriedenheit Ihrer Mitarbeiter
ein?
Dr. Goepfert: Die angespannte Situation am Anfang hat sich inzwischen gelegt. Das positive Feedback
der Patienten führt dazu, dass sich die Zufriedenheit insgesamt eher erhöht hat. Hinzu
kommt, dass wir auch Wert auf Serviceorientierung unseren eigenen Mitarbeitern gegenüber
legen, damit sie ihren Kernaufgaben nachkommen können.
Das Interview führte Dr. Adelheid Weßling, Düsseldorf.