ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2014; 123(03): 114
DOI: 10.1055/s-0034-1371945
Fokus Mundgesundheit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ein Praxiskonzept – Erosionsprophylaxe

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Publication Date:
26 March 2014 (online)

 

    Während die Kariesprophylaxe inzwischen gut im Praxisalltag etabliert ist und die eigenen Zähne immer länger erhalten werden können, rücken andere Erkrankungen der Zahnhartsubstanz mehr und mehr in den Fokus unserer Aufmerksamkeit. Eine davon ist die Zahnerosion, deren Prävalenz in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat. Grund genug, sich genauer mit einem praktisch umsetzbaren Konzept zur Erosionsprophylaxe auseinanderzusetzen. Patricia Ried, Dentalhygienikerin und Praxistrainerin in eigener Fortbildungseinrichtung und Leiterin der Prophylaxe-Abteilung in der Zahnarztpraxis von Dr. Wolfgang Forstner in Burgau / Schwaben, beschreibt, wie ein solches Erosionsprophylaxekonzept ausgearbeitet und in das bestehende Prophylaxekonzept integriert wurde:

    Wir stellen fest, dass immer mehr unserer Patienten auf eine ausgewogene Ernährung und ihre Mundgesundheit achten. Erosionen sind den meisten von ihnen jedoch unbekannt. Trotzdem registrieren wir bei etwa jedem 3. unserer Patienten (auch immer häufiger im Milchgebiss!) Anzeichen von Erosion unterschiedlichen Schwergrades – Tendenz steigend. Das deckt sich auch mit offiziellen epidemiologischen Untersuchungen.

    Unser Konzept beginnt mit der Befundaufnahme, die so wichtig ist wie das Angurten beim Autofahren (Abb. [ 1 ]). Sobald wir Erosionen klinisch (z. B. bei einer PZR) oder auch nur Anzeichen für ein erhöhtes Erosionsrisiko feststellen, wird die Lokalisation dieser Defekte dokumentiert und eine spezielle Anamnese mit Risikoabklärung durchgeführt. Die Routineuntersuchung für solche Patienten beinhaltet in diesem Fall unbedingt die Erhebung des BEWE-Index (Basic Erosive Wear Examination), welcher die Diagnostik mit den nach Schweregrad abgestimmten Prophylaxe- und Therapievorschlägen kombiniert, die dann in der Praxis individuell ausgewählt werden können. Die BEWE-Gesamtauswertung und die Empfehlungen zum Erosionsmanagement können unter www.elearningerosion.com abgerufen werden.

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    Abb. 1 Gute Kenntnisse der Zahnmorphologie sind hilfreich, um das Verschwinden von Wachstumslinien oder das Abflachen des Zahnreliefs sicher festzustellen. Ein weiterer Anhaltspunkt kann eine stumpf oder matt erscheinende Zahnoberfläche sein.

    Das Sammeln von genauen Informationen (Ursachen und Zeitpunkte der Säureattacken) stellt in der Praxis die größte Herausforderung dar (Abb. [ 2 ]). Da die meisten Patienten sich ihres Kontakts mit Säuren gar nicht bewusst sind, verwenden wir bei der Risikoklärung ein spezielles Ernährungsprotokoll, das mindestens 4, besser 7 Tage lang geführt und dann in der 2. Sitzung gemeinsam mit dem Patienten besprochen wird.

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    Abb. 2 Patienten mit intrinsischen Ursachen der Erosion weisen oft bereits stark fortgeschrittene Zahnschäden mit Dentinbeteiligung auf den okklusalen und palatinalen / lingualen Flächen auf und klagen über schmerzempfindliche Zähne. Nicht selten wird eine Essstörung zum 1. Mal von einem Zahnarzt diagnostiziert.

    Bei der Mundhygieneinstruktion erarbeiten wir zusammen mit den Patienten eine schonende Putztechnik und demonstrieren den richtigen Putzdruck direkt in der Mundhöhle.

    Eine hochdosierte lokale Fluoridierung im Anschluss an jede PZR, genauso wie die Verwendung einer fluoridhaltigen Zahnpasta 2 × täglich und einer fluoridhaltigen Zahnspülung 1 × täglich ist generell ein Muss. Da aber für Erosionen wesentlich niedrigere pH-Werte verantwortlich sind als bei Karies, reicht Fluoridierung allein nicht aus, um die Zahn­oberflächen vor starken Säureangriffen zu schützen. Für diese Patientengruppe eignen sich besser Produkte mit speziellen antierosiven Wirkstoffkombinationen aus Zinn und Fluorid. Zahlreiche wissenschaftliche Vergleichstests der letzten Jahre haben gezeigt, dass solche Präparate herkömmlichen fluoridhaltigen Zahnpasten und Zahnspülungen deutlich überlegen sind. Als besonders wirksame Erosionsinhibitoren werden von Experten gegenwärtig Präparate mit Zinnchlorid / Aminfluorid / Natriumfluorid bezeichnet.

    Die regelmäßige Kontrolle der Erosionen im Recallintervall ist obligat. In der 3. Sitzung nach ca. 3 Monaten führen wir eine erneute Beurteilung der Erosionsschäden durch und überprüfen die Kooperationsbereitschaft des Patienten sowie seine Mundhygiene.

    Checkliste Behandlungskonzept bei Patienten mit Erosionen:
    • Spezielle Anamnese

    • Lokalisation der Erosionen, BEWE-Index

    • Ernährungsinterview mit oder ohne Ernährungsprotokoll, Ernährungsberatung

    • Interview zur aktuellen häuslichen Zahnpflege (Putzzeit, Putzhäufigkeit, Mundhygieneprodukte)

    • Bei Speichelmangel ggf. Bestimmung der Speichelfließrate und Pufferkapazität

    • Im fortgeschrittenen Stadium Herstellung von Fotos oder Dokumentationsmodellen, um eine mögliche Progression besser beurteilen zu können.

    • Festlegung des Recallintervall je nach Ausprägung der Defekte, Hauptursache, Verhaltensfaktoren, allgemeiner Gesundheit und Motivation.

    • Regelmäßige Untersuchung und Entscheidung über die Notwendigkeit einer speziellen Behandlung von erosiven Defekten durch den Zahnarzt (Komposit, Veneer, (Teil-) Kronen usw.)

    Patricia Ried (Dentalhygienikerin) arbeitet seit 2009 freiberuflich als Praxistrainerin in einer eigenen Fortbildungseinrichtung. Ihr Angebot umfasst derzeit 15 verschiedene Kurse und praxisinterne Fortbildungen für Schulungen ganzer Praxisteams vor Ort. 2011 übernahm sie dazu die Leitung der Prophylaxe-Abteilung in der Zahnarztpraxis von Dr. Wolfgang Forstner in Burgau / Schwaben. Internet: www.patriciaried.de

    Diese Rubrik ist entstanden mit freundlicher Unterstützung der
    CP GABA GmbH, Hamburg


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    Abb. 1 Gute Kenntnisse der Zahnmorphologie sind hilfreich, um das Verschwinden von Wachstumslinien oder das Abflachen des Zahnreliefs sicher festzustellen. Ein weiterer Anhaltspunkt kann eine stumpf oder matt erscheinende Zahnoberfläche sein.
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    Abb. 2 Patienten mit intrinsischen Ursachen der Erosion weisen oft bereits stark fortgeschrittene Zahnschäden mit Dentinbeteiligung auf den okklusalen und palatinalen / lingualen Flächen auf und klagen über schmerzempfindliche Zähne. Nicht selten wird eine Essstörung zum 1. Mal von einem Zahnarzt diagnostiziert.