Kulturelle Erfolgskontrolle für Logopädie und Ergotherapie. Eine Vergleichsstudie.
Die Bachelorarbeit
Die kulturelle Prägung eines Menschen kann sich darauf auswirken, welche Erwartungen
er an eine soziale Situation stellt und wie er sie bewertet. Das gilt auch für Therapiesituationen.
In ihrer beruflichen Praxis hatten Verena Kawaletz und Marion Czech immer wieder den
Eindruck, dass zugewanderte Menschen ihre therapeutische Leistung anders bewerten
als Klienten ohne Migrationshintergrund. Sie wollten dieser Vermutung wissenschaftlich
auf den Grund gehen und führten zwei Querschnittstudien im pädiatrischen Fachbereich
durch. Dazu baten sie die Eltern von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund, ihre
Zufriedenheit mit der ergotherapeutischen bzw. logopädischen Behandlung auf einem
Fragebogen einzuschätzen. Um ein genaues Bild zu erhalten, überprüften sie die Ergebnisse
anschließend mit einem Signifikanztest.
Ergebnisse
Die Ergebnisse der logopädischen Befragung waren nicht signifikant. Nur die ergotherapeutische
Befragung bestätigte die aufgestellte Hypothese, dass Eltern ohne Migrationshintergrund
zufriedener mit der Behandlung sind als zugewanderte. Insgesamt wurden in der Ergotherapie
30 Eltern befragt, 15 mit und 15 ohne Migrationshintergrund. Den Ergebnissen zufolge
schätzen Eltern mit Migrationshintergrund den Therapieerfolg als geringer ein und
sind weniger zufrieden mit der Behandlung und ihrem Verlauf. Sie fühlen sich weniger
verstanden und in die ergotherapeutische Behandlung einbezogen. Außerdem müssen sie
sich stärker überwinden, um ihre Kinder zur Therapie anzumelden. Diese Einschätzung
kann mit der kulturellen Prägung der Eltern zusammenhängen. Eltern mit Migrationshintergrund
schämen sich unter Umständen, wenn ihr Kind eine Therapie benötigt. Sie haben möglicherweise
andere Erwartungen als die Ergotherapeutin, wenn es um familiäre und alltagsbezogene
Abläufe geht. Ebenso könnten sie die alltagsbezogenen Tipps und Ratschläge der Ergotherapeutin
als unerwünschten Eingriff in ihre familiären Strukturen erleben.
Fazit
Um die Erwartungen von Klienten mit Migrationshintergrund besser erfüllen zu können,
müssen Therapeuten empathisch und offen mit kulturellen Unterschieden umgehen. Dazu
sollten sie …
-
> sich vorurteilsfrei mit der Kultur ihrer Klienten auseinandersetzen, um Missverständnisse
zu vermeiden,
-
> kulturell bedingte Unterschiede im Umgang mit Gesundheit, Erziehung und Bildung
reflektieren,
-
> ihre Klienten nachvollziehbar über den Sinn und Zweck der ergotherapeutischen Behandlung
aufklären,
-
> eine offene Kommunikationsweise entwickeln, um kulturelle Gemeinsamkeiten zu entdecken
und Unterschiede begreifbar zu machen,
-
> gesellschaftliche sowie familiäre Strukturen und Rollengefüge berücksichtigen, wenn
sie zum Wohle eines Kindes auf das Familiengeschehen einwirken wollen,
-
> mögliche Ehr- oder Schamgefühle beachten und Verletzungen vermeiden.
→ Kawaletz V, Czech M. Erarbeitung einer Erfolgskontrolle für eine ergotherapeutische/
logopädische Therapie im ländlichen Bereich des nördlich-mittleren Neckarraumes. Eine
Vergleichsstudie zwischen Migranten und Nichtmigranten. Bachelorarbeit an der IB-Hochschule
Berlin; 2012