Einen anderen uneigennützig zu begleiten, sich mehr zuzutrauen, seine Fähigkeiten
besser zu nutzen und so seine Bedürfnisse besser zu befriedigen, bedarf einer verantwortungsvollen
Auseinandersetzung mit der Person und ihren Motivatoren. Der provokative Humoransatz
kann dabei, richtig eingesetzt, ein lösungsorientiertes Instrument zur schnellen Veränderung
sein. Vom Anwender fordert dies analytische Kompetenz, emotionale Beobachtungsgabe
im Umgang mit Menschen, Vertrauen in die eigene Intuition – und mitunter ungewöhnliche
Reaktionen. Das Gegenüber merkt zumeist intuitiv, ob Sie es gut mit ihm meinen und
sich in seinen Blickwinkel einfühlen können. Die Grundvertrauensbasis ist unabdingbare
Voraussetzung dafür, im anderen Menschen positive Kräfte herauszufordern, sodass der
provokative Humoransatz effektiv wirken kann.
Im Management von Veränderungsprojekten vereinfacht das Beherzigen dieser Spielregeln
den Prozess ungemein. Veränderungen bedeuten – im Großen wie im Kleinen – ein Loslassen
von gewohnten und daher „sicheren“ Strukturen. Fehlt der Mut hierzu, begrenzen wir
uns in unseren Entwicklungsperspektiven ungemein stark, was vielleicht sogar zu Demotivation
und einem Verlust der Arbeitsfreude führt. Je geringer die Bereitschaft zu Veränderungen
und persönlichem Einsatz ist, umso ausgeprägter werden Blockaden, die dazu führen,
jede Selbstverantwortung abzugeben. Ist diese Spirale erst einmal in Gang, wird es
immer schwieriger, eingefahrene Blickwinkel wieder zu erweitern. Es ist also dringend
nötig, der Problemlast eine dosierte Leichtigkeit entgegenzusetzen.
Die Arbeitswelt ist gespickt mit Problemen: Konflikte auf Leitungsebene, Konflikte
im Team, Konflikte zwischen Team und Leitung. Diese nicht produktiv aufzulösen lastet
dem Unternehmen massiv unnötige Kosten auf. Entsprechend sind professionelle Anstöße
von außen hilfreich, die intelligent, belebend, z.T. sogar gepfeffert sind und zu
schneller Veränderung motivieren. Im Idealfall kann schon eine einzige pointierte
Strategieklausur den Stein ins Rollen bringen. Umfangreichere Begleitungen wirken
demgegenüber nachhaltiger, wie etwa nach einer fundierten Auseinandersetzung mit dem
Zielbild des Auftraggebers, gemeinsam mit den Nutzern ein Umsetzungskonzept zu konsentieren
oder ein Veränderungsprojekt bis zum Abschluss der ersten Umsetzungsphase zu begleiten.
Gemein ist den Ansätzen, dass die vielfach vernetzten Konflikte nicht losgelöst von
konkreten Sachthemen und Rollenerwartungen sind und damit eine produktive Arbeitsebene
bieten, wie z. B. der im Folgenden dargestellte Erfahrungsbericht.
Projekterfahrung in der Umsetzung eines Veränderungsprojektes
Projekterfahrung in der Umsetzung eines Veränderungsprojektes
Der Projektauftrag betraf die administrative Zusammenlegung mehrerer Teilambulanzen
zu einer zentralen Organisation. Die Organisation sollte daraufhin bereits kurzfristig
im Baubestand ausgerichtet werden. Die neue Aufbau- und Ablauforganisation soll später
mit einer modernen Raum- und Funktionsplanung in einem Neubau verknüpft werden.
Bereits vorher wurden Projektvorhaben gestartet, die nicht zum gewünschten Erfolg
führten und insofern verbrannte Erde hinterließen. Es kristallisierte sich als weitere
Erschwernis der Ausgangslage heraus, dass das Projekt alleine durch eine Leitung vor
Ort und ein Projektcoaching im Hintergrund, aber auch der direkten Unterstützung durch
die oberste Führungsebene bewältigt werden musste.
Ein strukturiertes, phasenweises Projektvorgehen und Rückfallsperren wurden durch
ein „agiles“ wöchentliches Projektmanagement sichergestellt. Aufgabe der Projektleitung
war es zum einen, vor Ort die Ambulanzmitarbeiter der verschiedenen Fachambulanzen
zu einem Team zusammenzuführen, die Neuordnung und Erweiterungen ihrer Aufgabenzuordnungen
vorzunehmen und ein systematisches Ausfallmanagement sicherzustellen. Über diesen
Hebel sollten Effizienzpotenziale gehoben und damit sowohl die Qualität der Leistungserbringung
als auch die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Ambulanz verbessert werden. Zum anderen
waren die Klinikdirektoren der verschiedenen Fachabteilungen, die zunächst nicht den
Nutzen in der Aufgabe ihrer eigenen Teilambulanzen sahen, von der Einrichtung einer
zentralen Ambulanzstruktur zu überzeugen.
Der Weg der Veränderung
Der Durchbruch für die eigentliche Veränderung betrifft eine menschliche Erfahrung
jenseits der bloßen Ratio. Diese betrifft die innersten Bedürfnisse des Menschen bis
hin zur Erfahrung, dass alles miteinander verbunden ist. So funktioniert Lernen selten
auf dem geraden Weg zum Ziel, sondern in Schleifen [Abb. 1].
Während der Projektlaufzeit wurden Blockaden für die Erreichung des Veränderungsziels
auf allen Ebenen in den Projektmanagementtreffen reflektiert und durch die Projektleitung
vor Ort unmittelbar und wertschätzend mit den Betroffenen thematisiert. Humor, der
an den Emotionen und Bedürfnissen ansetzte, machte es auf angenehm leichte Weise möglich,
Menschen in zahlreichen Einzelgesprächen zur Veränderung zu motivieren. Wenn ein kleines
Kind nicht einen weiten Weg laufen will, dann werden Eltern erfinderisch und betreten
den „Spielegarten“, um ihr Kind Schritt für Schritt auf dem Weg zu motivieren. Wer
an dieser Stelle etwa das „Ein Hut, ein Stock, ein Regenschirm“ aus der Trickkiste
zieht, motiviert mit sofortiger Belohnung für das Kind. Und im Handumdrehen ist ein
gutes Stück des Weges zurückgelegt. Dass diese Schleifen anfangs etwas länger dauern,
wird bewusst in Kauf genommen. Die Motivation, die entsteht, überwiegt nachhaltig
den kurzfristigen Zeitaufwand. So etwa soll die Führungskraft jeden Einzelnen aus
ihrem Team an die Hand nehmen und auf dem Weg begleiten.
Motivierte Mitarbeiter und Führungskräfte wurden im Projekt aktiv für verschiedene
Projektteilziele als Promotoren eingebunden. Das Ambulanzteam hat sich wiederholt
durch schwierige Zeiten gekämpft, wobei der Zusammenhalt durch eine lockere und vertrauensvolle
Atmosphäre gestärkt werden konnte. Mut für Neues, Verlässlichkeit, Lösungsorientierung,
den Dialog auch in Konfliktsituationen zu suchen, haben sich dabei als wichtige Kernkompetenzen
des Teams herauskristallisiert.
Um die Mitarbeiter auf ihr neues Aufgabenspektrum vorzubereiten und sie in den Veränderungsprozess
einzubinden, wurden als Quick Wins zunächst eine Regelkommunikation im Team eingeführt,
regelmäßig stärkenorientierte Mitarbeitergespräche geführt, der effektiv verfügbare
Personalstand und eine stärken- und bedarfsorientierte rollierende Diensteinsatzplanung
aufgesetzt.
Eine Analyse der Ambulanzabläufe in den Teilambulanzen bezweckte, die vorhandenen
Ressourcen zu erkennen und Blockaden gegenüber effektiveren Abläufen aufzudecken.
Verschiedene Kennzahlen zur Prozesssteuerung wurden erhoben, so z. B. die Arzt-Patienten-Kontakte
und deren Dauer. In einem Organisationshandbuch wurden sukzessive die teils divergierenden
Vorstellungen der unterschiedlichen Fachambulanzen bezüglich der Prozessabläufe über
gemeinsame Soll-Prozesse vereinheitlicht und verbindlich verabschiedet. Im Handbuch
sind zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität und Effektivität hinterlegt,
wie z. B. die Entrümpelung der Papieraktenpflege, Weiterentwicklung der Service- und
Rollenorientierung im direkten Umgang mit Patienten und deren Interessensgruppen,
zugewandte Bedienung telefonischer Anfragen im Sinne eines Callcentergedankens, Optimierung
der laufenden Leistungsabrechnung und des Rechnungsabschlusses, etc. Entsprechend
der funktionalen Aufgabenorganisation wurden die Räume des Ambulanzteams mit einem
neuen Raumnutzungskonzept hinterlegt. Zusätzlich wurden Räumlichkeiten für eine zentrale
Aufnahme für elektive Patienten geschaffen. Ziel ist es, die Wartezeiten in der Aufnahme
zu minimieren. Der Prozess wird über eine Aufrufanlage, einen elektronischen Ambulanzkalender
und die gezielte Koordination mit den zentralen Auskunftsstellen, insbesondere der
Pforte, unterstützt.
Diese Sachthemen lassen sich – auch in dem hier beschriebenen Umfang – schnell bearbeiten,
wenn die Menschen sich einlassen und mit auf die Reise gehen. Dort wo Widerstände
aufkeimen, gilt es dann, sich auf das Bild des Betroffenen ganz einzulassen, es zu
erfassen, Perspektiven zu ändern, schädliche Glaubenssätze aufzudecken. All dies kann
schmerzhaft sein und braucht dementsprechend Zeit zum „Schleifendrehen“. Eine unbedingte
Haltung der Empathie ist unabdingbar, eine „zu weiche“ Kommunikation, reines Gut-Zureden
ist jedoch nicht ausreichend. Ziel ist es, gemeinsam auf den Weg zu gehen statt eine
Haltung des „jetzt macht ihr mal!“ an den Tag zu legen. Der Weg ist die Aufgabe an
sich: es gilt den Fokus zu verlagern, was hat der andere davon und mit positiver Überraschung
den Spaß und den Mut zur Veränderung hervorzulocken. Liebevolle Provokation kann den
letzten Anstoß geben – sofern sichergestellt ist, dass dies beim anderen nicht als
Zeichen der Respektlosigkeit aufgefasst wird. Ist der Wunsch beim Nutzer selbst geweckt,
das Veränderungsziel zu erreichen, dann ist der Rest schnell gemacht: Muster erkennen,
durchbrechen, verrückte Impulse einstreuen, neue Routinen eintrainieren.
Abb. 1 Der Weg der Veränderungsbegleitung.
Tab. 1 Schnelle Veränderung mit provokativem Humoransatz: Arbeiten auf 3 Ebenen.
Unmittelbare Projektergebnisse
Unmittelbare Projektergebnisse
Zentrale Erfolge der Projektarbeit umfassen die Integration aller beteiligten Klinikdirektoren
in die Projektorganisation und das Herausbilden eines gemeinsamen Qualitätsgedankens.
Die neue zentrale Ambulanz verfügt nach einer Veränderung der Aufbauorganisation über
eine wirksame Führung, die sowohl eine Einbindung der Klinikdirektoren als auch die
Führung des Ambulanzteams unter einer zentralen Leitung ermöglicht. Dies bildete die
Grundlage dafür, weitere Schritte hin zu zentralisierten Strukturen sowie zu einem
übergreifenden Termin- und Ressourcenmanagement zu gehen.
Die Behandlungszahlen sind in einigen Teilambulanzen konstant bzw. in anderen Teilambulanzen
gegenüber dem Vorjahr gestiegen und werden mit insgesamt weniger Mitarbeitern im Funktionsbereich
administrativ bewältigt. Die Abrechnungsprozesse funktionieren zeitnaher und weniger
problembehaftet als in der Vergangenheit. Die Mitarbeiter des Funktionsbereichs werden
zudem kontinuierlich und einheitlich geschult in Bezug auf Service- und Dienstleistungsorientierung.
So konnten bereits in der ersten Phase der Umstrukturierung sowohl die Servicequalität
als auch die Deckungsbeiträge der Ambulanz gesteigert werden.
Nach 9 Monaten Projektbegleitung haben sich die Erfolge weiter stabilisiert. Durch
räumlich-strukturelle, aufbau- und ablauforganisatorische Veränderungen des administrativen
Ambulanzbereichs ist eine Rückfallsperre in frühere Verhältnisse garantiert. Das Projekt
wurde abgeschlossen und in den Regelbetrieb übertragen. Bemerkenswert ist, mit welcher
Leichtigkeit und Geschwindigkeit es im Projekt gelungen ist, zentrale Ambulanzprozesse
einzuführen, umzusetzen und zu stabilisieren – und dabei ein hohes Committment und
eine hohe Verbindlichkeit der ärztlichen Leistungsträger zu erreichen. Die Wirkung
des beherzten Einsatzes des provokativen Humors auf Augenhöhe in Einzelgesprächen
und in den monatlichen Treffen des Lenkungsausschusses kann nur mehrfach unterstrichen
werden. Hier kommt der Projektleiterin die klare Rollendefinition zugute: Sie hat
die Entscheidungen des Lenkungsausschusses umzusetzen, aber keine Eigeninteressen
daran. Dadurch, dass sie Entscheidungsvorlagen und persönliche ressourcenorientierte
Lösungsvorschläge vorträgt, ohne an diese inhaltlich und emotional gebunden zu sein,
steht ihr das volle Repertoire des provokativen Humoransatzes zur Verfügung. Und der
verfehlt seine Wirkung in der Projektleitung ebenso wenig wie in der Therapie.