physiopraxis 2014; 12(06): 59
DOI: 10.1055/s-0034-1384238
physiospektrum
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Wie sicher ist freie Mitarbeit?

Philipp Groteloh

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Publication Date:
18 June 2014 (online)

 
Die Rechtsfrage

» Nach dem Urteil des bayrischen Landessozialgerichtes brennt mir derzeit eine Frage unter den Nägeln: Wie sicher ist der Status der freien Mitarbeit? Was empfehlen Sie auf dieses Urteil hin den freien Mitarbeitern und was empfehlen Sie den Praxisinhabern, die mit freien Mitarbeitern zusammenarbeiten? «

Therapeutin aus Bayern

Die Antwort unseres Experten

Ausschlaggebend für die Einordnung als freier Mitarbeiter ist nicht die vertragliche Lage, sondern die Tätigkeit und deren Organisation. Als Faustregel gilt: Im sozialversicherungsrechtlichen Sinne kann jemand nur dann selbstständig tätig sein, wenn er weisungsfrei und ungebunden über Ort, Zeit sowie Art und Weise der Aufgabenerledigung bestimmen kann. Im Gegensatz dazu betrachtet man denjenigen als angestellt, der weisungsgebunden in die Organisationsabläufe des Auftragsgebers eingegliedert ist.

Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen ist es gerade im Bereich der Heilmittelerbringung äußerst schwierig, Dritte rechtssicher als freie Mitarbeiter zu beschäftigen. Der Umstand, dass zur Leistungserbringung und -abrechnung gegenüber den Kassen eine Kassenzulassung und damit auch Räumlichkeiten vorhanden sein müssen, legt nahe, dass der Mitarbeiter nicht frei über Zeit und Ort sowie Art und Weise der Leistungserbringung entscheiden kann. Daran ändert sich auch nichts, wenn er lediglich Hausbesuche erbringt und keine Therapieräume nutzt. Die Abrechnung gegenüber den Kassen und Patienten erfolgt trotzdem über den Praxisinhaber. Allein dieser tritt nach außen als Verantwortlicher in Erscheinung. Objektiv liegt daher in Heilmittelpraxen für jeden Mitarbeiter eine Eingliederung in die Praxis vor. Einziges Entscheidungskriterium ist die alleinige Abrechnungsbefugnis des Praxisinhabers nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jedoch nicht. Vielmehr muss eine Gesamtschau stattfinden, bei der die Abrechnungsbefugnis auch eine Rolle spielen kann. Wird der Mitarbeiter beispielsweise in die Terminplanung der Praxis integriert, spricht nahezu alles dafür, dass er in die Organisationsstruktur eingebunden und damit nicht selbstständig tätig, sondern angestellt ist.

Grundsätzlich ist von derartigen Beschäftigungsverhältnissen im Bereich der Heilmittelerbringung abzuraten, da erhebliche finanzielle Risiken für Praxisinhaber bestehen, die sich der freien Mitarbeit bedienen. Anders mag dies in anderen Branchen sein, etwa bei Journalisten, Architekten oder Künstlern. Sie haben eine wesentlich größere Freiheit, über Ort, Art und Zeit der Leistungserbringung zu bestimmen.

Rechtssicherheit können Praxisinhaber wie Mitarbeiter erlangen, indem sie eine Statusabfrage bei der Deutschen Rentenversicherung durchführen. Hier geben sie die Umstände der Beschäftigung an und fragen ab, ob die Tätigkeit sozialversicherungsrechtlich als selbstständig zu beurteilen ist. Stellt sich bei einer späteren Betriebsprüfung heraus, dass der Praxisinhaber freie Mitarbeiter beschäftigt, deren Status als nicht selbstständig zu beurteilen ist, muss er sich darauf einstellen, für sämtliche nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Arbeitnehmeranteile aufkommen zu müssen – im schlimmsten Fall vier Jahre rückwirkend. Auf die Mitarbeiter kann er diese rückständigen Beiträge nicht abwälzen.

Praxisinhaber sollten sich schon aus diesem Grund gut überlegen, ob sie Arbeitsleistungen über die freie Mitarbeit „einkaufen“ möchten. Die Risikobelastung bestätigt die Entscheidung des Landessozialgerichts München vom 13.2.2014 (L 5 R 1180/13 B ER). Dabei ging es um fast 50.000 Euro vom Arbeitgeber nachzuzahlende Sozialversicherungsbeiträge. Dieses Risiko kann man nur vermeiden, wenn der freie Mitarbeiter fast vollständig von der Praxis „entkoppelt“ wird.


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