Einleitung
In die topische Therapie von aktinischen Keratosen wurden in den letzten Jahren Imiquimod
als Immunmodulator und Diclofenac als Apoptose-Induktor eingeführt [1]
[2]. Insbesondere für Patienten mit multiplen, großflächig konfluierenden aktinischen
Keratosen, also mit einer sogenannten Feldkanzerisierung, werden diese Therapieformen
empfohlen [3]
[4]. Besonders nach der Anwendung von Imiquimod, wie auch nach topischer Anwendung von
5-Fluorouracil, aber auch nach anderen zu Erosionen führenden Therapien wie ablativen
Lasern treten häufiger Krusten oder Erosionen auf, die üblicherweise binnen weniger
Wochen abheilen [1]
[2]. Wir berichten hier über vier Patienten mit z. T. mehrjährig anhaltenden und therapierefraktären
ausgedehnten Erosionen des Capillitiums nach topischer Anwendung von Imiquimod-Creme
(3) und/oder Diclofenac-Gel (2) wegen einer solchen Feldkanzerisierung. Ein Missverhältnis
zwischen Granulation und Reepithelisierung aufgrund des Fehlens der therapiebedingt
zerstörten kleinen Vellushaarfollikel in der androgenetischen Alopezie könnte eine
Ursache sein. Für die Auswahl des Therapieverfahrens bei flächiger Feldkanzerisierung
sollte man sich dieser Komplikation bewusst sein.
Fallbeschreibungen
Der erste Fall ist der eines jetzt 90-jährigen Mannes, bei dem es vor 2 ¾ Jahren im
Anschluss an eine topische Diclofenac (Solaraze® 3 % Gel)-Therapie wegen ausgedehnter aktinischer Keratosen auf dem weitgehend kahlen
Capillitium zu einer erosiven Wundheilungsstörung kam. Vor 1 ½ Jahren erfolgte die
stationäre Einweisung auch zum Ausschluss eines spinozellulären Karzinoms. Es fanden
sich massive, z. T. gelbliche Krusten auf einer 11 × 7 cm großen Fläche im Scheitelbereich.
Nach Abtragung der Krusten fand sich eine entsprechende ausgedehnte Erosion, z. T.
mit hypertrophen Granulationen. Im Abstrich fand sich das Wachstum von Pseudomonas aeruginosa. Nebenbefundlich bestanden eine Hyperlipidämie, arterielle Hypertonie, koronare Herzkrankheit
und Niereninsuffizienz. Wir führten mehrere Stanzbiopsien aus dem erosiven Areal durch.
Hierbei fand sich kein Hinweis auf Malignität, lediglich Hinweise auf aktinische Schädigung.
Wir behandelten systemisch mit Ciprofloxacin und lokal mit Argentum nitricum. Jetzt
wurde der Patient mit einem 13 cm durchmessenden Areal mit Erythemen, Erosionen, Hyperkeratosen,
serösen und hämorrhagischen Krusten mit unterliegendem Pus und narbigen Anteilen erneut
eingewiesen. Vier Biopsien zeigten wiederum eine mittelgradige chronische und fokal
floride Entzündung mit ausgeprägter aktinischer Elastose. In einem Biopsat fand sich
eine aktinische Keratose ohne Anhalt für Malignität. Im Abstrich fand sich wiederum
reichlich Pseudomonas aeruginosa. Wir behandelten topisch mit Triamcinolon, Triclosan und Eosin-Lösung 1 %ig.
Beim zweiten Fall handelt es sich um einen jetzt 68-jährigen Mann, der mit seit 6
Monaten bestehenden ausgedehnten Pomadenkrusten mit unterliegender putrider Erosion,
entstanden im Anschluss an eine Lokaltherapie mit Imiquimod (Aldara® 5 % Creme) wegen ausgedehnter aktinischer Keratosen im Bereich des kahlen Scheitels,
eingewiesen wurde. Nach Abtragung der Krusten fand sich eine bizarr begrenzte, 7 cm
durchmessende Erosion ([Abb. 1]). Nebenbefundlich bestanden eine makrozelluläre Anämie und eine Niereninsuffizienz.
In sechs Biopsaten fand sich jeweils eine mäßiggradig chronische bis geringgradig
floride Entzündung mit Ödem und hochgradiger aktinischer Elastose. Vellushaare waren
nicht mehr nachweisbar. Im Abstrich fand sich Wachstum von Staphylococcus aureus. Wir behandelten keratolytisch mittels Salizylsäure-Kopfkappe, anschließend mit Eosin-Lösung
1 %ig und Salbentüllverbänden.
Abb. 1 Wundfläche nach Wundtoilette bei 68-jährigem Mann, 6 Monate nach Therapie einer Feldkanzerisierung
mit Imiquimod 5 % Creme.
Der dritte Fall ist ein jetzt 69-jähriger Mann, der mit einer 6 Monate zuvor, vier
Wochen nach Beginn einer Lokaltherapie mit Imiquimod (Zyclara® 3,75 % Creme), aufgetretenen, 7 × 5 cm durchmessenden, sauberen Erosion mit zentraler
Ulzeration der kahlen Kopfhaut im Scheitelbereich erstmals eingewiesen wurde. Vorbehandelt
wurde mit Polyurethanschaumverbänden, Salben und systemischer Antibiose. Nebenbefundlich
bestanden Lymphopenie, arterieller Hypertonus und eine Niereninsuffizienz. In drei
Stanzbiopsien fand sich zentral eine hochgradig granulierende und floride ulzerierende
Entzündung mit aktinischer Elastose und zweimal eine aktinische Keratose mit hochgradiger
und florider erosiver und ulzerierender Entzündung mit ausgeprägter aktinischer Elastose
bzw. mit geringgradiger chronischer Entzündung mit herdförmiger Kalzifikation im Bereich
der Haarfollikel ohne Hinweis auf Malignität. Im Abstrich wuchs vereinzelt Serratia liquefaciens. Eine epikutane Testung der Standardreihe, der Salbengrundlagen, Arznei-, Desinfektions-
und Konservierungsstoffe zeigte sich negativ. Wir führten eine topische Behandlung
mit Octenidin-Lösung, Eosin-Lösung 1 %ig und Alginat bzw. hydrophoben Saugkompressen
durch und gaben systemisch Ciprofloxacin p. o., worunter es zu einer deutlichen Verringerung
der Wundfläche kam. Bei erneuter Vorstellung 8 Monate später, also insgesamt 1 ¼ Jahre
nach dem Auftreten, fand sich der Defekt allerdings wiederum 7 × 5 cm durchmessend
([Abb. 2]). Daraufhin führten wir eine Spalthautdeckung der Wunde in Intubationsnarkose mit
Entnahme vom Oberschenkel durch. Bei dieser Gelegenheit wurde eine erneute Stanzbiopsie
vom Capillitium entnommen. Histologisch fand sich eine mittelgradige, chronische und
fokal erosive Entzündung mit fokaler Hyperkeratose und Rarefizierung der Hautanhangsgebilde
sowie massenhaft polarisationsoptisch doppeltbrechendem Fremdmaterial mit riesenzelliger
Reaktion und aktinischer Elastose ohne Anhalt für Malignität. Im Wundabstrich ließ
sich kein Erreger nachweisen. Nach 7 Tagen fand sich das Transplantat komplett angeheilt.
Abb. 2 Wundfläche nach Wundtoilette bei 69-jährigem Mann, 15 Monate nach Therapie einer
Feldkanzerisierung mit Imiquimod 3,75 % Creme.
Der vierte Fall ist der eines jetzt 78-jährigen männlichen Patienten, bei dem vor
4 Jahren ein Malignes Melanom vom SSM-Typ, Stadium IIa der Brust operativ entfernt
wurde. Die Sentinel-Lymphknotenbiopsie fand sich negativ. Außerdem wurde zeitgleich
ein Basalzellkarzinom der Nase mehrzeitig schnittrandkontrolliert exzidiert. Nebenbefundlich
fielen multiple aktinische Keratosen des bis auf einen okzipital-temporalen Haarkranz
haarlosen Capillitiums auf. An weiteren Nebendiagnosen bestanden: Hyperurikämie, Hyperlipidämie,
Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, koronare Herzkrankheit und Niereninsuffizienz.
Anlässlich einer Nachsorgeuntersuchung 1 Jahr später sahen wir deutlich hyperkeratotische
Hautveränderungen am Capillitium unter laufender Diclofenac (Solaraze® 3 % Gel)-Therapie. Acht Monate später wurde der Patient mit einer 10 × 10 cm durchmessenden,
z. T. gelblich-schmierig belegten Erosion des Capillitiums erneut stationär eingewiesen.
Nach topisch Diclofenac war eine Therapie mit Imiquimod (Aldara® 5 % Creme) eingeleitet worden. Hierunter hatte sich 3 Monate zuvor die nicht heilende
Erosion gebildet, die unter silberhaltigen Verbänden nicht abheilte. In einer Stanzbiopsie
fand sich eine hochgradig granulierende und floride, fokal ulzerierende Entzündung
mit ausgeprägter aktinischer Elastose neben flächenhafter Einblutung ohne Hinweis
auf Malignität. Im Wundabstrich fanden sich mäßig viel Staphylococcus aureus und nach Anreicherung ß-hämolysierende Streptokokken. Wir führten dann eine Lokaltherapie
mit Octenidin-Lösung, Eosin-Lösung 1 %ig, Fusidinsäure-Gaze und Salbentüllverbänden
durch, worunter es zu einer raschen Verkleinerung des Defektes kam. Jetzt, also ca.
2 ¼ Jahre nach Auftreten der Wundheilungsstörung, wurde der Patient erneut vorstellig
mit einem ca. 7 cm durchmessenden, zentralen erosiven Restdefekt ([Abb. 3]) mit randständigen Krusten umgeben von einem reepithelialisierten, z. T. narbig
imponierenden, ca. 3 cm breiten Randsaum. Wir schlugen nunmehr eine Deckung des Restdefektes
mittels Spalthauttransplantation vor, die 6 Wochen später in Tumeszenz-Lokalanästhesie
mit Entnahme vom Oberschenkel erfolgte. Nach 7 Tagen fand sich das Transplantat komplett
angeheilt.
Abb. 3 Wundfläche nach Wundtoilette bei 78-jährigem Mann, 27 Monate nach Therapie einer
Feldkanzerisierung mit Diclofenac 3 % Gel und anschließend Imiquimod 5 % Creme.
Diskussion
In die topische Therapie von aktinischen Keratosen wurden in den letzten Jahren Imiquimod
als Immunmodulator und Diclofenac als Apoptose-Induktor eingeführt [1]
[2]. Insbesondere für Patienten mit multiplen, großflächig konfluierenden aktinischen
Keratosen, also mit einer sogenannten Feldkanzerisierung, werden diese Therapieformen
empfohlen [3]
[4]. Besonders nach der Anwendung vom Imiquimod, wie auch nach topischer Anwendung von
5-Fluorouracil, treten häufiger Krusten oder Erosionen auf, die üblicherweise binnen
weniger Wochen abheilen [5]
[6]. Erosionen nach topischer Anwendung von Diclofenac sind seltener, wurden aber besonders
bei nierentransplantierten Patienten sowie nach 90-tägiger Therapiedauer in 21 % der
Fälle beschrieben [2]
[7]
[8]. Wir berichten hier über vier Patienten mit langanhaltenden und therapierefraktären,
ausgedehnten Erosionen und flachen Ulzera nach topischer Anwendung von Imiquimod-Creme
(3) und/oder Diclofenac-Gel (2) wegen einer solchen Feldkanzerisierung. Unsere Fälle
hatten gemeinsam, dass sämtliche Patienten männlichen Geschlechtes und 68 Jahre oder
älter waren, die Wundheilungsstörung immer im Bereich des Scheitels lokalisiert war,
alle eine androgenetische Glatzenbildung im Stadium IV mit meist histologisch gesicherter
deutlicher aktinischer Elastose aufwiesen, die Defekte mindestens 7 cm durchmaßen,
die Dauer der Wundheilungsstörung mindestens 6 Monate bestand und alle Patienten unter
anderem auch an einem arteriellen Hypertonus und einer Niereninsuffizienz litten.
Die demografischen Daten, die Alopezie, der chronische Lichtschaden und die Feldkanzerisierung
stehen wahrscheinlich in einem kausalen Zusammenhang. Weitere hier nicht im Einzelnen
aufgeführte Fälle sahen wir auch nach tiefreichenden ablativen Lasertherapien. Welche
Rolle die Komorbiditäten aber für das Entstehen der Wundheilungsstörung haben, muss
einstweilen offen bleiben, aber beispielweise ist bekannt, dass Patienten u. a. mit
arterieller Hypertonie, Nierenerkrankungen oder Diabetes eine signifikant verzögerte
Wundheilung und vermehrt Infektionen nach plastischer und rekonstruktiver Chirurgie
aufweisen [9].
Wir glauben, dass es durch die Feldkanzerose-Therapie-bedingte Zerstörung der Vellushaarfollikel
in der androgenetischen Alopezie zu einem Missverhältnis aus zu schneller Granulationsgewebsbildung
und deutlich zu langsamer Epithelisierung kommt, da die Vellushaarfollikel als Ausgangspunkte
für eine multifokale Epithelisierung fehlen. Eine früh einsetzende granulationsdämpfende
Therapie (z. B. Kortikosteroide, Silbernitrat) ist daher unbedingt sinnvoll.
Die sich bei den großen Wunden stets einstellende sekundäre Besiedelung mit Erregern
dürfte ebenfalls ein pathogenetischer Faktor sein, da bakterielle Toxine und die Proteasen
der Granulozyten ebenfalls die Reepithelisierung stören oder sogar wieder aufheben
können.
Bei der Planung der Behandlung flächiger Feldkanzerosen sollte daher darauf geachtet
werden, dass ausreichend gesund erscheinendes Epithel für die Reepithelisierung zur
Verfügung steht. Gegebenenfalls kann auch ein zweizeitiges Vorgehen, beispielsweise
bei Lasertherapien, sinnvoll sein.
Bei Imiquimod und Diclofenac muss der Patient bei überschießender, erosiver Reaktion
auf die Therapie darauf hingewiesen werden, sich kurzfristig wieder vorzustellen,
damit die Therapie rechtzeitig unterbrochen werden kann.
Auf diese seltene, aber zumindest in unseren Kliniken jetzt öfter gesehene Komplikation
einer ablativen Lokaltherapie ausgedehnter aktinischer Keratosen des Capillitiums,
die eben auch durch Imiquimod und/oder Diclofenac entstehen kann, sollte bei älteren
Männern mit Glatzenbildung und internen Komorbiditäten geachtet werden. Therapeutische
Alternativen, wie die fotodynamische Therapie [10] oder schonende ablative Lasertherapie in mehreren Sitzungen sollten bei dieser Patientengruppe
erwogen werden. Granulationsdämpfung oder auch Spalthauttransplantationen können im
Einzelfall die Wundheilung beschleunigen.