Pneumologie 2015; 69(05): 299-300
DOI: 10.1055/s-0034-1391933
Nachruf
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Frau Hildegard Maria Ehrenberg, genannt Hilla (1917– 2015)

G. Siemon
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Gerhard Siemon
Prüllstr. 80
93093 Donaustauf

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
13. Mai 2015 (online)

 

    Frau Hilla Ehrenberg ist im hohen Alter von 97 Jahren am 27. Februar 2015 gestorben. Physiotherapeuten und Ärzte sind dankbar für ihr Wirken auf den Gebieten der Atemwegs- und Lungenkrankheiten sowie der Herz- und Kreislauferkrankungen. Sie hat sich um die Atemphysiotherapie national und international verdient gemacht und dafür 1975 der Franz Schede Preis, 1991 die Ehrennadel des deutschen Verbandes für Physiotherapie (ZVK) und 1992 das Bundesverdienstkreuz erhalten. Als Würdigung für ihr Lebenswerk wurde vom ZVK 1997 die Hilla-Ehrenberg-Medaille für besondere Verdienste in der Physiotherapie als Stiftung ins Leben gerufen.

    Auch wenn Frau Ehrenberg als die Nestorin der deutschen Atemtherapie bzw. der Atemphysiotherapie gilt, so sollten doch ihre Publikationen über Trainingsformen in Zusammenarbeit mit Sportpädagogen und Sportmedizinern und vor allem die Erarbeitung von Techniken und Übungen auf dem Herz-Kreislaufsektor nicht unerwähnt bleiben. Von ihr erfolgte Aufbau und Leitung der Arbeitsgemeinschaften Atemtherapie und Herz-Kreislauf im ZVK. Mit diesen Arbeitsgemeinschaften wurden Fortbildungslehrgänge mit Krankengymnasten und Sporttherapeuten durchgeführt, besonders in Würzburg, aber nach der Wende auch in den neuen Bundesländern.

    Die wissenschaftliche Untermauerung der Physiotherapie, die von Frau Ehrenberg über viele Jahre angestrebt und bearbeitet wurde, ist heute eine wesentliche Argumentationshilfe bei den Fragen nach ihrem Sinn und Zweck, sei es in der Intensivmedizin, in der Behandlung akuter und chronischer bronchopulmonaler Krankheiten in Klinik, Praxis sowie in stationären oder ambulanten Rehabilitationseinrichtungen. Dieses gilt besonders unter den heutigen Problemen der Finanzierung unserer Gesundheit. Mit ein Verdienst von Frau E. war es, gezeigt zu haben, dass die Atemphysiotherapie bei exakter Indikationsstellung nicht durch Pharmaka oder sonstige Behandlungsmethoden ersetzt werden kann.

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    Hildegard Maria Ehrenberg.

    Sie war stets neugierig, voller Ideen, von einer unglaublichen Aktivität, die sich im scharfen Beobachten, konzentrierten Denken und Nachdenken, einem zielsicheren Urteil darstellte. Sie fragte: Wie wirkt was? Wie kann man es nachweisen? Welche Bedeutung hat es? Sie konnte genau beobachten, den krankengymnastischen Befund erheben, dabei die Abweichungen des Normalen erkennen und auf pathophysiologische Grundlagen zurückführen, Wege zur Korrektur des Pathologischen zu suchen oder die Adaptationsmechanismen der gestörten Funktion unterstützen und diese Erkenntnisse durch Maß und Zahl sowie durch Beurteilungen seitens der Patienten zu überprüfen. So wurden z. B. die Wirkungen der Körperlagen auf die Ventilation untersucht, der Packegriffe auf die Atemmechanik, der dosierten Lippenbremse auf den Gasaustausch. Sie verstand die normale und gestörte Atemmechanik und die Probleme der gestörten tracheobronchialen Reinigung besser als viele Ärzte; die körpereigene Stenose der dosierten Lippenbremse wurde lange vor dem Flutter gefunden. Sie wies nach, dass bei erschwerter Ausatmung infolge einer Atemwegsobstruktion nicht versucht werden soll, diese zu verstärken, sondern sich einer „gähnenden“ Einatmung zuzuwenden und damit die Atemwegswiderstände, auch in der Ausatmung zu senken. Die Messergebnisse wurden 1972 auf dem internationalen Kongress für physikalische Therapie in Barcelona vorgetragen. Dafür erhielt Frau Ehrenberg als einzige Deutsche die Goldmedaille des Kongresses.

    Viele Erfahrungen und Erkenntnisse sind in die physiotherapeutische Literatur eingegangen. Anschauliche Begriffe wurden von ihr geprägt, so die dosierte Lippenbremse. Literaturmitteilungen wurden kritisch hinterfragt. Wenn sie sich bestätigten, wurden sie in den eigenen Kenntnisstand eingearbeitet. Schaubilder, die sie entworfen hatte, tauchen in einer Vielzahl von Publikationen, auch Broschüren, Anleitungen zur Atemtherapie auf, häufig ohne Quellenangabe, so sehr sind sie zum Allgemeingut geworden. Ihre Vorträge und Publikationen zeugen von hohem Sachverstand, frei von Ideologien. Neben einer großen Zahl von Originalarbeiten und Übersichten erstellte sie mehrere Monographien.

    Ihr Lebenswerk wirkt auf vielfältige Weise nach. Physiotherapeuten, Ärzte und nicht zuletzt die Kranken bleiben ihr zu großem Dank verpflichtet.


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    Hildegard Maria Ehrenberg.