Benavente-Fernández I, Lubián-López SP, Jiménez-Gómez G et al.
Low-voltage pattern and absence of sleep-wake cycles are associated with severe hemorrhage
and death in very preterm infants.
Eur J Pediatr 2015;
174: 85-90
Trotz aller technischen Fortschritte und einem deutlichen Rückgang der Mortalität
von Neugeborenen mit sehr geringem Körpergewicht bleibt die Inzidenz von neurologischen
Folgekomplikationen sowie kognitiven und motorischen Einschränkungen hoch. Der prognostische
Stellenwert des amplitudenintegrierten EEG (aEEG) in den ersten 72 h wurde kürzlich
in einer prospektiven Studie untersucht.
Die gestiegene Kenntnis von der zentralnervösen Vulnerabilität des Frühgeborenen hat
Strategien in der neonatalen Intensivmedizin deutlich verändert. Dies wurde auch ermöglicht
durch Fortschritte im Neuroimaging. Neurophysiologische Messungen mittels Video-Elektroenzephalografie
(EEG) und amplitudenintegrierter EEG (aEEG) erlauben ein Realtime-Monitoring der zerebralen
Aktivität. Bei Reifgeborenen mit hypoxisch-ischämischer Enzephalopathie hat sich das
aEEG bereits als Prognoseparameter bewährt. Bei Frühgeborenen gehört diese Technologie
noch nicht zur Routine, gewinnt aber zunehmend an Bedeutung. Das Hauptmerkmal von
EEG-Aufzeichnungen bei Frühgeborenen ist die Diskontinuität, d. h. man beobachtet
Bursts von High-Voltage-Aktivität, die sich mit Phasen von Low-Voltage-Aktivität abwechseln.
Je höher das Schwangerschaftsalter bei der Geburt ist, desto mehr verschwinden die
Low-Voltage-Intervalle auf dem Weg zu einem kontinuierlichen Muster. Mit dem aEEG
lässt sich diese Entwicklung sehr gut dokumentieren. Veränderungen im aEEG sind nicht
nur assoziiert mit der normalen Hirnreifung, sondern auch mit neurologischen Läsionen
sowie der kurz- und langfristigen neurologischen Prognose.
In einer prospektiven Beobachtungsstudie hat eine spanische Arbeitsgruppe Veränderungen
im aEEG-Monitoring in den ersten 72 Lebensstunden von Frühgeborenen mit sehr niedrigem
Körpergewicht untersucht und Korrelationen zu schweren neurologischen Schäden oder
Tod geprüft. Eingeschlossen wurden 92 Kinder mit einem Geburtsgewicht ≤ 1500 g und/oder
einem Schwangerschaftsalter ≤ 32 Wochen (im Mittel 28 Wochen). Ausgewertet wurden
die aEEG-Aufzeichnungen im Hinblick auf Kontinuität, Schlaf-Wach-Zyklen, die Lower-Margin-Amplitude
und die Bandbreite. Als schwere neurologische Läsionen wurden intraventrikuläre Hämorrhagien
und/oder Tod analysiert.
Eine schwere intraventrikuläre Hämorrhagie (Grad III oder intraparenchymatöse Hyperechogenität)
wurde sonografisch bei 15 % der Kinder festgestellt. Insgesamt verstarben 22,8 % der
Kinder, von denen mit schwerer intraventrikulärer Hämorrhagie 43 %. Von neurologischen
Läsionen und/oder Tod waren 28 % der Kinder betroffen. Eine Diskontinuität war anfangs
bei 87 % der Kinder zu beobachten und mit einer schlechten neurologischen Kurzzeitprognose
assoziiert. Wenn das Muster in den ersten 72 h kontinuierlicher wurde, war dies ein
günstiges Zeichen im Hinblick auf die neurologische Prognose.
Bei 28,6 % der Kinder mit schwerer intraventrikulärer Hämorrhagie wurde im aEEG ein
Low-Voltage-Muster gesehen. Zwischen der Low-Voltage-Aktivität und Tod bzw. neurologischen
Läsionen/Tod als kombiniertem Endpunkt ergab sich eine signifikante Korrelation. Auch
das Fehlen von Schlaf-Wach-Zyklen in den ersten 72 Lebensstunden war mit dem Versterben
assoziiert.
Frühe aEEG-Muster haben sich als prädiktiv erwiesen im Hinblick auf das neurologische
Outcome von Frühgeborenen. Mit schweren Läsionen und Tod assoziiert waren v. a. Low-Voltage-Aktivität
und das Fehlen von Schlaf-Wach-Zyklen. Die Entwicklung eines diskontinuierlichen aEEG-Musters
zu größerer Kontinuität im Verlauf von 72 h erwies sich als negativer Prädiktor für
das Auftreten einer intraventrikulären Hämorrhagie.
MB
EEG eines Frühgeborenen im PCA 27 Wochen im ruhigen Schlaf. Tracé discontinue. Delta
Brushes (grüner Pfeil), temporale steile Transienten (blauer Pfeil) (Bild: Jorch G,
Heindorf J, Kang K-S et al. Untersuchungsmethoden – Postnatal. S.117. In: Jorch G,
Hrsg. Fetoneonatale Neurologie – Erkrankungen des Nervensystems von der 20. SSW bis
zum 20. Lebensmonat. Stuttgart: Thieme 2013: 96 – 146).