Einleitung
„Wer evaluiert systematisch die Qualität der angebotenen Weiterbildungsmaßnahmen in
seiner Klinik und wer führt eine strukturierte Abfrage über die Zufriedenheit der
weiterzubildenden Ärzte mit der Facharztweiterbildung durch?“
Diese Fragen aus dem KTQ (Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen)-Katalog
[1] habe ich bei einer Veranstaltung Kollegen mit Weiterbildungsermächtigung für Pneumologie
gestellt, die Antwort war ein klares „Niemand“.
Dieses eindeutig negative Statement sollte Anlass zum Nachdenken über Verbesserungen
geben. Verbesserung der Weiterbildung ist zudem eine der Hauptaufgaben der DGP-Fortbildungsakademie.
Evaluation der Weiterbildung
Evaluation der Weiterbildung
„Die Facharztweiterbildung ist in Deutschland nicht mehr als ein Abfallprodukt ärztlicher
Arbeit“. Diesen Vorwurf haben die „Jungen Internisten“ der Deutschen Gesellschaft
für Innere Medizin (DGIM) und das „Junge Forum“ des Berufsverbandes Deutscher Internisten
(BDI) erhoben [2]. Sie beziehen sich auf das Ergebnis einer Umfrage, die sie Ende 2014 durchgeführt
und an der sich knapp 1700 Ärzte in Weiterbildung beteiligt haben. Bemängelt wird
vor allem die fehlende Struktur der Weiterbildung:
-
Nur 17 % der Befragten gaben an, dass sie zu Beginn ihrer Weiterbildung wussten, wann
und in welche Bereiche sie rotieren werden, 83 % hatten keinen strukturierten Ausbildungsplan.
-
Weiterbildungsgespräche fänden in 23 % gar nicht, in 45 % nur unregelmäßig und lediglich
in 32 % wie gefordert statt. Als hilfreich empfunden werden diese Gespräche, die eigentlich
aufdecken sollen, wie die Weiterbildung tatsächlich läuft, nur von 28 %. „Sie werden
von den Vorgesetzten eher als bürokratische Belastung angesehen“, meist fänden sie
daher zwischen Tür und Angel statt und erst dann, wenn es die Unterschrift für den
Weiterbildungsabschnitt gäbe.
-
Mit dem Berufsalltag zufrieden seien lediglich 40 %. Als häufigste Gründe für Unzufriedenheit
wird schlechte Weiterbildung (14,9 %), hoher Zeitdruck (14,8 %) und hohe Arbeitsbelastung
(14,1 %) angegeben.
-
Die Qualität der Patientenversorgung bewerten 86 % als gefährdet, Hauptgründe hierfür
seien hohe Arbeitsverdichtung (33 %), zahlreiche nicht ärztliche Tätigkeiten (27 %),
unzureichende Supervision (20 %), aber auch mangelnde Fort- und Weiterbildung (17,1 %).
-
Auch der ökonomische Druck wird als zu hoch empfunden: 90 % gaben an, dass ökonomische
Erwägungen bei ärztlich-fachlichen Entscheidungen eine Rolle spielen würden [3].
Die Reaktion von Dr. Thomas Schröter, Vorstandsmitglied des BDI, auf dieses Umfrageergebnis
lautete: „Jeder der Weiterbildung macht, muss sich verpflichten, eine strukturierte
Weiterbildung zu machen“ [4].
Die Bundesärztekammer (BÄK) hat gemeinsam mit den Landesärztekammern bereits in den
Jahren 2009 und 2011 Umfragen zur Evaluation der Weiterbildung durchgeführt, in 2011
hatten sich fast 30 000 Ärzte in Weiterbildung daran beteiligt. Die Kernaussagen der
Erhebung beziehen sich auf acht Fragenkomplexe: Globalbeurteilung, Vermittlung von
Fachkompetenz, Lernkultur, Führungskultur, Kultur zur Fehlervermeidung, Entscheidungskultur,
Betriebskultur, Wissenschaftlich begründete Medizin.
Die durchschnittliche Bewertung nach Schulnoten lag damals zwischen 2,09 und 3,25
(Mittelwert 2,4), kann somit als durchschnittliche Zufriedenheit mit der Weiterbildung
interpretiert werden. Lediglich der Komplex „Wissenschaftlich begründete Medizin“
setzt sich von den anderen Ergebnissen mit einer deutlich schlechteren Note (3,25)
ab [5]
[6].
Aber auch in dieser Umfrage wurde bemängelt, dass lediglich in 58 % ein strukturierter
Weiterbildungsplan zur Kenntnis gegeben wurde, 32 % gaben an, dass gar keine – auch
keine mündlichen – Lern- und Weiterbildungsziele vereinbart worden sind. Überbordende
Bürokratie würde Patientenversorgung und Weiterbildung gleichermaßen behindern.
Lern-/Lehrmethoden
Die Zahlenangaben über die Zufriedenheit mit der Weiterbildung schwanken in den verschiedenen
Umfragen erheblich. Dennoch bleibt festzustellen: Junge Ärzte wünschen sich Änderungen
in der Weiterbildung. Das Junge Forum des BDI hat z. B. eine Checkliste „WBO-freundliches
Krankenhaus erstellt, nach der Kollegen bei ihren Vorstellungsgesprächen die ihnen
auf den Nägeln brennenden Punkte abfragen sollen [7]. Weiterbilder sollten sich diese Liste ebenfalls ansehen. Sie zeigt, was jungen
Ärzten wichtig ist.
An dem alten Vorwurf, dass die junge Generation nicht mehr leistungsbereit sei, stimmt
nur eins: Er ist alt. Aber das Lernumfeld, in dem diese Generation aufgewachsen ist,
hat sich erheblich gewandelt: Wir, die Nachkriegsgeneration, haben unser theoretisches
Wissen überwiegend noch aus Zeitschriften und Büchern in Bibliotheken bezogen oder
Experten befragt, Vorträge und Vorlesungen wurden mit Dias oder Overheadfolien gestaltet.
Die folgende sog. Generation X lernte bereits mit e-books und e-journals, die im Internet
zur Verfügung standen, es begann die Ära der Powerpoint-Präsentationen. Die jetzige
sog. Generation Y bezieht ihr Wissen überwiegend aus sozialen Medien und Netzwerken,
lernt multimedial auf unterschiedliche Weise. Die neuen Lernmethoden sind u. a. Simulationen,
virtuelles oder spielerisches Lernen, YouTube-Instruktionen. Diese Generation wünscht
sich eine strukturiertere Form der Weiterbildung sowie ein kontinuierliches Feedback,
was uns wiederum eher kränkte [8]. Diese neuen Lernmethoden muss auch die Fachgesellschaft in ihrem Fortbildungsangebot
berücksichtigen und sinnvoll traditionelle und neue technologiegestützte didaktische
Bildungskonzepte kombiniert einsetzen.
Im HERMES-Akkreditierungskatalog für Respiratory Training Centers von ERS/EBAP werden
als Lehr- und Lernmethoden gefordert [9]:
-
Unterricht am Krankenbett/auf der Station, bei Operationen oder Eingriffen, in der
Ambulanz
-
Fallbezogene Diskussion
-
Bewertung von Arztbriefen mit Darstellung der Beurteilungskriterien
-
Patientenvorstellung im interdisziplinärem Team (sog. Grand rounds: Abteilungsmeeting,
Lehrseminar)
-
Morgendlicher Visitenrundgang
-
Lernen mit Kollegen
-
Autodidaktisches Lernen
-
E-Learning
Diese und ähnliche Methoden werden auch in anderen Weiterbildungsprogrammen, z. B.
von Großbritannien [10] aufgeführt. Sie sind auch nur teilweise neu, entsprechen ansonsten dem gelebten
Alltag.
Evaluationsmethoden am Arbeitsplatz
Evaluationsmethoden am Arbeitsplatz
Aus dem Qualitätsmanagement haben wir gelernt, dass wir alle Maßnahmen im Hinblick
auf ihre Effizienz evaluieren müssen. Prüfungen – eine der ältesten Methoden von Qualitätsmanagement
– sind nun wirklich nichts Neues, aber wir sollten diese ebenfalls strukturiert durchführen
und nur zusammen mit konstruktivem Feedback. Letzteres erhöht Motivation und Anstrengung.
Wenn Evaluationen und Feedbackgespräche zur Routine werden, nimmt auch die emotionale
Anspannung in der Prüfungssituation ab. In der Schweiz sind z. B. mindestens vier
Arbeitsplatz-basierte Assessments pro Jahr vorgeschrieben [11].
International gängige Assessmentmethoden, wie sie u. a. im HERMES-Akkreditierungskatalog
angegeben werden, sind [9]:
-
Audit
-
Erörterung am Fallbeispiel
-
Direkte Beobachtung praktisch-klinischer Fertigkeiten (DOPS)
-
Mini-Clinical Evaluation Exercise (Mini-CEX = Praktische Prüfung und Feedback)
-
Beurteilung durch verschiedene Kollegen (Multi-Source Feedback)
-
Objective structured clinical examination (OSCE) = Prüfung klinischer Kompetenz anhand
unterschiedlicher Aufgaben bei standardisierten Patienten und mit festen Zeitvorgaben
-
Mündliche Prüfung
-
Andere Optionen wie z. B. Simulation standardisierter Patienten
Zwei einfach durchzuführende, international anerkannte Arbeitsplatz-basierte Assessments
sind DOPS (Directly Observed Practical Skills) und Mini-CEX (Clinical Evaluation Exercise):
Praktische ärztliche Kompetenzen werden im klinischen Alltag strukturiert beobachtet
und evaluiert [11]. Ähnliche Methoden wird jeder Weiterbilder anwenden, aber eben häufig unstrukturiert
und ohne Dokumentation. Im Fokus von DOPS stehen vor allem Interventionen wie Ultraschall,
Pleurapunktion, Drainage, Bronchoskopie, im Fokus von Mini-CEX vor allem Anamnese,
Klinische Untersuchung, Aufklärungsgespräche, Befundbesprechungen, Beratung [12]. Es erfolgt sowohl eine Selbst- als auch Fremdbeurteilung. Beurteilungskriterien
sind z. B. Aufklärung, Vorbereitung, Durchführung, Hygiene, Kommunikation. Entsprechende
Dokumentationsbögen stellt die DGP auf der Homepage zur Verfügung [13]. Dabei ist ein konstruktives Feedback wichtig: Was war gut, was kann verbessert
werden [14]? Daraus ergeben sich dann wiederum gemeinsam formulierte neue Lernziele. Aufwändiger
ist dagegen das Assessment „Multi-Source Feedback“.
Kompetenz und Performanz
Diese Begriffe klingen zunächst nach viel abstrakter Theorie. Aber die Benennung und
Beschreibung der einzelnen Lehr- und Evaluationsmethoden zwingt uns, unsere eigenen
Methoden zu überdenken und erforderlichenfalls zu verbessern. Lehren und Lernen sollten
wie andere Prozesse einer ständigen Professionalisierung bzw. einem Qualitätszyklus
unterliegen. So sollten angestrebte Lernziele das für die klinische Praxis relevante
Wissen, die praktischen Fertigkeiten und das persönliche Verhalten reflektieren. Persönliches
Verhalten (behaviour/attitudes) bedeutet dabei sowohl das Verhalten im Umgang mit
Patienten und deren Angehörigen als auch das Verhalten im interdisziplinären Team.
Dies sind die Eckpunkte für klinische Kompetenz, die für die professionelle Durchführung
von ärztlichen Aufgaben benötigt wird. Klinische Kompetenz kann nach Miller als Lernpyramide
in verschiedenen Ebenen dargestellt werden [15]: Auf Ebene eins hat man Fachwissen erworben (knows), auf Ebene zwei Handlungswissen
(knowshow), die Ebene drei bedeutet eine Prüfungssimulation (shows), Ebene vier selbstständige
Durchführung (does). Kompetenz bedeutet somit die (latente) Fähigkeit, eine bestimmte
Aufgabe ausführen zu können, Performanz bedeutet dagegen die tatsächliche Ausführung
– „man muss es nicht nur können, sondern auch zeigen“. Auch wenn dieses Modell viel
kritisiert wird, benennen die meisten Aus- und Weiterbildungsprogramme diese oder
vergleichbare Kompetenzebenen. Dies gilt auch für die im Abstimmungsprozess befindliche
Änderung der Musterweiterbildungsordnung der BÄK ebenso wie für den im Sommer 2015
beschlossenen Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM).
Weiterbilder müssen Kompetenz und Performanz ihrer Ärzte in Weiterbildung fortentwickeln.
Dabei kann man Performanz in kleine Schritte zerlegen, d. h. man kann festlegen, was
man zu welchem Zeitpunkt jungen Ärzten an selbstständiger Tätigkeit ohne Aufsicht
zutraut. Diese bezeichnet man als Entrustable Professional Activity (EPA): Entrustable professional activities represent the outcomes of training, the activities
that society and professional peers can expect fellowship graduates to be able to
perform unsupervised [16].
Das American College of Chest Physicians (ACCP) hat in 2014 einen derartigen Katalog
von EPAʼs für die Pneumologie und Intensivmedizin erarbeitet [16]. Performanz kann man in einem EPA-Bewertungsborgen erfassen, die einfachste Form
ist wiederum DOPS oder Mini-CEX.
Die Wege zur Performanz haben sich in den letzten Jahrzehnten geändert: Stand bei
unserer Weiterbildung z. B. Lernen durch Handeln (learning by doing) im Vordergrund,
so ist es heute eher Lernen am Simulator (Simulationsmodell oder Computer). Learning
by doing lassen sich heute Patienten kaum noch gefallen, wird gesellschaftlich nicht
mehr akzeptiert.
Weiterbildungsorganisation
Weiterbildungsorganisation
Ein System wie in Deutschland, bei dem Weiterbildung tatsächlich ein Nebenprodukt
der täglichen ärztlichen Arbeit ist, gibt es international selten. Dennoch sollte
man unser System nicht schlecht reden. Vorteile sind garantierte Mobilität, die Möglichkeit
der freien Facharztwahl und große Freiheit des Einzelnen. Eine Steuerung findet zumindest
bisher nicht statt. In Deutschland werden Arbeitsverträge, keine Weiterbildungsverträge
abgeschlossen. Weiterbildung ist ärztliche Tätigkeit, gehört nicht mehr zur Ausbildung.
In Frankreich dagegen ist ein Arzt in Weiterbildung eher Student mit entsprechend
schlechter Bezahlung. Ob man in anderen Ländern die Fachrichtung seiner Wahl erhält,
hängt oft nicht von Qualität, Qualifikation und Ort, sondern von Glück und Verteilungsquoten
ab. Es wird jedoch bei uns innerhalb der Weiterbildung viel dem Zufall überlassen.
Andere Systeme sind wesentlich reglementierter, ein Vorteil davon ist jedoch die bessere
Strukturierung [17]. Wir – zumindest die Nachkriegsgeneration – empfinden dies wiederum als „Verschulung“.
Man könnte aber Weiterbildungsverträge mit klarer Strukturierung neben den arbeitsrechtlichen
Beschäftigungsverträgen schließen. Ob dies bei uns schon praktiziert wird, ist mir
nicht bekannt. Ein großer Nachteil unseres Systems sind der Mangel an Zeit und fehlende
personelle Ressourcen, da keine Gegenfinanzierung erfolgt. In Großbritannien z. B.
ist die Weiterbildung sehr strukturiert und wird stark kontrolliert. Junge Ärzte werden
dort behutsam an ihre Aufgaben herangeführt, Kliniken erhalten entsprechende Budgets
und Zeit für die Weiterbildung.
Die meisten Fachärzte arbeiten nach der Weiterbildung in ambulanten Praxen. Um für
diese Tätigkeit besser vorbereitet zu sein, sollte ein Teil der Weiterbildung unbedingt
in ambulanten Lehrpraxen stattfinden. Die organisatorischen und finanziellen Bedingungen
hierfür müssen geschaffen werden.
Weiterbildungsermächtigungen
Weiterbildungsermächtigungen
Die Inhalte der Musterweiterbildungsordnung der BÄK sind von den Landesärztekammern
fast einheitlich übernommen und anerkannt. Im Gegensatz dazu sind die Kriterien, nach
denen eine Weiterbildungsbefugnis vergeben wird, sehr undifferenziert ausgestaltet.
Dies führt zu einer heterogenen Weiterbildungsqualität und damit zu einer Chancenungleichheit
für Weiterzubildende. DGIM und BDI haben in einer Stellungnahme 2012 gefordert, dass
die Kriterien zur Befugnis zur Weiterbildung um die Anforderung erweitert werden,
strukturierte Weiterbildungspläne mit Vereinbarung von Lern- und Weiterbildungszielen
als Standard zu etablieren [18]:
-
Die Entwicklung dieser Pläne soll von den Landesärztekammern geprüft werden, um eine
einheitlich gute Qualität der Weiterbildung zu garantieren.
-
Die Überprüfung und die Erteilung der Weiterbildungsbefugnisse müssten nach transparenten
Kriterien erfolgen und von den Landesärztekammern offen gelegt werden.
-
Unnötige Anforderungen der Weiterbildungsordnung und überhöhte Richtzahlen sollen
durch effizientere Strukturen der Weiterbildung und verbesserte Didaktik in den Weiterbildungsstätten
ersetzt werden.
-
Verbindlich geplante, fachübergreifende Weiterbildungen und Rotationen könnten diese
Strukturen unterstützen, einzelne Weiterbildungsstätten entlasten und die Qualität
der Weiterbildung erhöhen.
Um eine Weiterbildungsermächtigung zu erhalten, ist die Vorlage von Weiterbildungsplänen
bei den Kammern mit Angaben von Rotationen seit langer Zeit Vorschrift. Diese Pläne
werden auch von vielen Kliniken auf ihren Websites veröffentlicht. Aber sie werden
nicht überprüft, sind damit oft nur Makulatur. In anderen Ländern (z. B. Schweiz)
finden dagegen Visitationen zur Evaluation statt.
Auch unsere Facharztprüfungen sind wenig strukturiert. Für die mündliche Prüfung,
die auf der Diskussion mehrerer Patientendossiers basiert, existieren z. B. keine
vordefinierten Minimalkriterien für das Bestehen.
Struktur von Weiterbildungsplänen
Struktur von Weiterbildungsplänen
Wie sollte ein strukturierter Weiterbildungsplan nun aussehen?
Er ist ein Weiterbildungskonzept, das die Vermittlung der Lerninhalte zeitlich und
inhaltlich strukturiert dokumentiert. Er muss realistisch und nachvollziehbar das
Weiterbildungsangebot und vor allem die Ziele definieren, die ein Arzt in Weiterbildung
z. B. während eines Jahres erreichen kann [19]. Die Zahl der Weiterbildungsstellen, die in Deutschland nicht festgelegt ist, sollte
in einem ausgewogenen Verhältnis zur Menge der für die Weiterbildung verfügbaren Patienten
stehen. Auch sollte ein angemessenes Verhältnis zwischen der Anzahl weiterzubildender
Personen und der Anzahl der Weiterbilder (Tutoren) festgelegt werden [20]. Neben der Angabe von Rotationsbereichen (z. B. thorakale Onkologie, Infektiologie,
Schlaf- und Beatmungsmedizin) sollen Rotationszeiten und vor allem Lerninhalte und
Lernziele der einzelnen Bereiche angegeben werden.
Es sollte auch festgehalten werden, in welcher Zeitschiene Lerninhalte aus Funktionsbereichen
(z. B. Lungenfunktion, Bronchoskopie, thorakaler Ultraschall), in die meist keine
Rotation erfolgt, parallel zu den Lerninhalten der jeweiligen Station, vermittelt
werden.
Zum Weiterbildungsangebot gehören auch die in der Abteilung stattfindenden Konferenzen
und Veranstaltungen, sie sind Teil des Lehrprogramms.
In den publizierten Weiterbildungsplänen deutscher Kliniken werden Evaluationsmethoden
und -häufigkeiten praktisch nicht erwähnt: Wie werden die gesetzten Lernziele überprüft,
wie häufig z. B. Weiterbildungsgespräche durchgeführt und wie dokumentiert? Art und
Häufigkeit der Assessments sollten angegeben werden. Das Führen von Logbüchern ist
zwar Pflicht, aber teilweise werden sie noch immer erst am Ende der gesamten Weiterbildung
ausgefüllt. Zur Erleichterung der Dokumentation werden entsprechende elektronische
Systeme angeboten.
Unterstützung durch die Fachgesellschaft
Wie können wir als Fachgesellschaft Ihre Bemühungen für eine bessere Weiterbildung
unterstützen?
-
Verbesserung des medizindidaktischen Wissens der Weiterbilder z. B. durch Train-the-Trainer-Seminare
und andere Veranstaltungen.
Nach dem Modell von „CanMEDS“ [21], dem Weiterbildungsprogramm von Kanada, das zwischenzeitlich von vielen Ländern
übernommen worden ist, hat ein Arzt sieben Rollenfunktionen (Medizinexperte, Gelehrter,
Gesundheitsberater, Kommunikator, Verantwortungsträger, Teammitglied, Professionell
Handelnder) auszuüben, darunter die des Gelehrten oder „Lehrenden“. Aber wer hat hierin
Kompetenzen erworben, wer ist z. B. wirklich informiert über neue Lehr- und Lernmethoden
mit dem Einsatz digitaler Lerntechnologien und -medien? Wer kennt die verschiedenen
Assessmentinstrumente und wendet sie auch in der Praxis an? Den „Master of Medical
Education“ haben nur wenige Universitätskollegen erworben, die sich wiederum dem Vorwurf
ausgesetzt sehen, hauptsächlich Theoretiker zu sein. Zweifellos gibt es – jedoch eher
selten – naturbegabte Lehrer, weniger Begabte müssen sich zumindest Basiskompetenzen
erwerben in generellen Prinzipien von Aus- und Weiterbildung sowie didaktischem Wissen
[22].
Hier kann die Fachgesellschaft u. a. durch das Angebot entsprechender Seminare, Postgraduiertenkurse
oder Symposien die Lücke schließen, sodass der Weiterbilder auch ein guter„Lernbegleiter“
wird.
Bisher gibt es jedoch keine relevante Nachfrage nach derartigen Veranstaltungen, fachliche
Fortbildung in Sachen Lehre hat immer noch keinen Stellenwert. Eine Nachfrage meinerseits
bei Mitarbeitern der Kompetenzbereiche Hochschuldidaktik und eLearning des Dieter
Scheffner Fachzentrums der Charité, wie oft sie denn von medizinischen Fachgesellschaften
zu Veranstaltungen über Medizindidaktik eingeladen werden, ergab die Antwort, dass
dies wirklich nur sehr selten der Fall sei.
-
Angebot eines überregional oder regional organisierten Kursprogrammes
Die DGP kann die Weiterbildungsangebote der Kliniken mit einem strukturierten Kursprogramm
für Weiterzubildende unterstützen. Lerninhalte werden nach einem fixen Lernzielkatalog
vermittelt. Ein derartiges Programm ginge weit über die bisher angebotenen Vorbereitungs-(State
of the Art) Kurse für die Facharztprüfung hinaus. In Dreijahreszyklen könnten alle
wesentlichen Themen in mehrtägigen, z. B. zweimal jährlich stattfindenden Seminaren
abgehandelt werden. Voraussetzung wäre allerdings, dass die Klinikträger den Weiterzubildenden
den Besuch ermöglichen und die Weiterbilder dies zur Pflicht machen und sich selbst
bei diesen Veranstaltungen als Lehrende einbringen. Das würde wahrscheinlich mehr
bewirken als der sog. Crashkurs am Ende der Weiterbildungszeit zur Prüfungsvorbereitung.
Ich möchte den „State of the Art“-Kurs in keiner Weise abwerten. Die Lerninhalte sind
am HERMES-Curriculum ausgerichtet, die Bewertung durch die Teilnehmer ist gut. Den
Initiatoren, Organisatoren und Referenten sei an dieser Stelle Dank ausgesprochen.
Meines Erachtens müssen wir jedoch unsere Aktivitäten in Bezug auf Lehrveranstaltungen
erhöhen. In sechs Seminaren wäre dann auch Zeit für Simulationen, Falldiskussionen
und persönlichen Austausch an Stelle von reinen Fachvorträgen über zehn Stunden täglich.
In manchen Abteilungen werden ja durchaus entsprechende einzelne Veranstaltungen angeboten,
oft aber nur über das Thema, für das die Klinik ein gewisses Renommee besitzt. Selten
geschieht dies jedoch strukturiert mit fester Themenabfolge und manchmal auch in Konkurrenz
zueinander. Dabei spielt dann sogar der Klinik-Veranstaltungsort eine Imagerolle.
Eine Abteilung allein kann den erforderlichen Aufwand für ein strukturiertes umfassendes
Programm nicht stemmen, hier muss die Vernetzung untereinander das Konzept stützen.
Denkbar wären regionale Verbünde mit Beteiligung aller Weiterbilder. Die Fachgesellschaft,
v. a. auch die Regionalgesellschaften könnten bei der Organisation dieser regionalen
Veranstaltungen helfen, würden evtl. auch die Konkurrenzsituation entschärfen.
Nachfragen haben jedoch ergeben, dass zumindest bisher die Notwendigkeit für ein aufwendiges
Weiterbildungskursprogramm nach Lernzielkatalog nicht gesehen wird.
Für Bereiche der Weiterbildung, die in vielen Abteilungen stationär nur noch schwierig
zu erbringen sind, wie z. B. die Allergologie, haben wir eine moduläre Weiterbildung
entworfen: Hier werden die theoretischen Kenntnisse ebenfalls in einem Kurs erworben,
die in der Weiterbildungsordnung geforderten praktischen Nachweise müssen während
Hospitationen oder Rotationen in einer Praxis abgeleistet werden. Wir haben das Konzept
der Bayerischen Landesärztekammer zur Prüfung vorgelegt, warten noch auf eine Stellungnahme.
Bei derartigen Modellen darf eine Rotation in die Praxis für den weiterzubildenden
Arzt keine Nachteile, z. B. in der Vergütung, mit sich bringen.
-
Assessmentangebot: HERMES-Examen
Zur Überprüfung des theoretischen Fachwissens (von Weiterbildern und Weiterzubildenden)
hat die DGP in Kooperation mit der ERS in 2015 erstmals das HERMES-Examen angeboten.
Es reiht sich ein in die Assessmentmethoden. 90 Multiple-Choice-Fragen über die im
HERMES Core Syllabus [23] bzw. Curriculum [24] aufgeführten Lerninhalte müssen in drei Stunden beantwortet werden. Es haben 17
Kollegen, davon 11 Ärzte in Weiterbildung, teilgenommen. Eine kleine Umfrage unsererseits
hat ergeben, dass die Mehrzahl der Teilnehmer das Examen als gute Methode zur Wissensüberprüfung
einschätzte und gerne auch wieder teilnehmen würde. Wir werden das Examen auch am
Kongress in 2016 anbieten (Mittwoch, 2. März 2016), hoffen auch im Hinblick auf den
Aufwand auf eine etwas größere Teilnehmerzahl und appellieren an die Weiterbilder,
ihre Mitarbeiter zur Teilnahme an dem Test zu motivieren und durch eigene Teilnahme
mit gutem Beispiel voranzugehen.
-
Förderung der Akkreditierung als Respiratory Training Center
Zum HERMES-Programm der ERS zählen neben dem Weiterbildungscurriculum das HERMES-Examen
und die Akkreditierung von Respiratory Training Centers. Die pneumologische Abteilung
im Emil-von-Behring-Krankenhaus in Berlin (Lungenklinik Heckeshorn) wurde als erste
Klinik in Europa von der ERS/EBAP akkreditiert. Die DGP unterstützt dieses Akkreditierungsverfahren
durch Mitarbeit im Akkreditierungskomitee und wünscht sich eine rege Teilnahme.
Warum sollte man sich so einem Akkreditierungsprozess unterziehen, was kann er bewirken?
Wie bei allen Zertifikaten wird die Klinik bzw. der Weiterbilder gezwungen, seine
Prozesse – in dem Fall Weiterbildungsprozesse – zu dokumentieren, zu reflektieren
und zu verbessern, d. h., es wird der bekannte Qualitätsmanagementprozess in Gang
gesetzt. Bei der Vorbereitung der erforderlichen Unterlagen werden Mängel auffällig,
die Audits der externen Reviewer helfen beim Aufbau entsprechender Strukturen.
Voraussetzungen für eine Akkreditierung sind [9]:
-
Beschreibung eines einzelnen Training Centers oder eines Netzwerks (Verbund mehrerer
Abteilungen mit Kooperationsvertrag)
-
Strukturvoraussetzungen des Training Centers für ein Weiterbildungsprogramm
-
Klinische Expertise (gesamtes pneumologisches Spektrum, ca. 300 stationäre Patienten/Jahr/Trainee,
ca. 150 Erst- und 400 Kontroll-Untersuchungen ambulante Patienten/Jahr/Trainee, Führung
eines Logbuchs → regelmäßig abgezeichnet, Verfügbarkeit erfahrener Ansprechpartner
für jede Neuaufnahme, Verfügbarkeit fachfremder Konsile in akzeptabler Zeit)
-
Weiterbildungs-Expertise (Trainees entwickeln klinische Erfahrung durch Erwerb von
Wissen und klinischer Praxis, Kompetenz-basiertes Weiterbildungsprogramm, Anwendung
aller moderner Lehrmethoden, Anwendung geläufiger Assessmentmethoden)
-
Wissenschaftliche Expertise (Training Center muss Publikationen vorweisen, Training
Center muss Trainees Forschung ermöglichen – jeder Trainee sollte mindestens ein Poster
auf einem internationalen Kongress präsentiert haben)
-
Infrastruktur (Arbeitsräume, Ausstattung, Internet-Zugang, Zugang zu Literatur, Einhaltung
der Arbeitszeit – hierzu erfolgt Befragung der Trainees, Bereitstellung von Arztbriefen,
Röntgen-, Labor- und Patho-Befunden, Unterstützung der ärztlichen Tätigkeit durch
Assistenzpersonal, z. B. StationssekretärIn)
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Organisation Weiterbildungsprogramm (Qualifikationen der Weiterbilder – sollten ein
HERMES-Diplom erworben haben, methodische Fortbildung)
-
Anforderungen an spezifische Einrichtungen (Radiologie, Lungenfunktion, Endoskopie,
Therapeutische Interventionen wie LTOT, NIV, Intensivmedizin, Schlafmedizin, Palliativmedizin,
Raucherentwöhnungsprogramm u. a. mit Kennzahlen)
Das erhaltene Qualitätssiegel bedeutet eine Reputation für eine gute Weiterbildung
und Attraktivität für junge Ärzte (siehe Checkliste für WBO-freundliches Krankenhaus),
zieht eine höhere Außenwirkung nach sich und ist für den Träger evtl. ein Anreiz zur
Ausstattung mit ausreichend Personal, Räumlichkeiten und technischer Ausrüstung sowie
Angebot des vollen Spektrums diagnostischer und therapeutischer Techniken entsprechend
dem Weiterbildungscurriculum.
Unser nationales Weiterbildungssystem können wir nicht ändern. Durch Teilnahme möglichst
vieler Kliniken an diesem Akkreditierungsprozess könnten wir aber zeigen, dass die
Facharztweiterbildung zumindest in der Pneumologie eben nicht nur ein Nebenprodukt
täglicher ärztlicher Arbeit ist, sondern dass wir uns nachhaltig dafür einsetzen.
Im Klinikalltag steht Weiterbildung zur Zeit noch hinten an, Patientenversorgung und
Wirtschaftlichkeit der Klinik haben Priorität. Dies müssen wir ändern: Weiterbildung
dient der der Qualitätssicherung und beruflichen Personalentwicklung, verbessert Patientenversorgung
und -sicherheit. Wird dies erkannt, wird auch Weiterbildung in den Fokus des Interesses
von Klinikträgern rücken.
Wir appellieren an alle Weiterbilder, sich intensiv für eine Verbesserung der Weiterbildung
einzusetzen. Die Fachgesellschaft will Sie hierbei unterstützen. Falls Sie hierzu
selbst Vorschläge haben, schreiben Sie diese bitte an die Fortbildungsakademie der
DGP.