Lernziele
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Klinik und Diagnostik des genitalen Lichen sclerosus et atrophicus
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Abgrenzung Differenzialdiagnosen
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Therapieoptionen, Prognose und Nachsorge
Einleitung
Der Lichen sclerosus et atrophicus (LSA) ist eine der am häufigsten unterdiagnostizierten
Hauterkrankungen im Anogenitalbereich. Es handelt sich hierbei um eine für die betroffene
Patientin sehr belastende Erkrankung.
Gekennzeichnet ist der LSA durch anhaltendes Jucken und Schmerzen. Der Verlauf der
Erkrankung ist nicht vorhersagbar, jedoch in aller Regel chronisch. Die Narbenbildung,
als eine der schwerwiegendsten Folgen der Erkrankung, ist meist trotz adäquater Therapie
nicht zu verhindern [1]
[2].
Definition
Der LSA ist eine entzündliche Dermatose unklarer Ätiologie, die vornehmlich im Anogenitalbereich
der Haut beider Geschlechter auftritt, aber auch am übrigen Integument auftreten kann.
Die genaue Ätiologie des LSA ist unklar. Es gibt jedoch einige Hinweise auf ein autoimmunes
Geschehen [3]. Andere Autoimmunerkrankungen, besonders autoimmune Schilddrüsenerkrankungen, treten
bei Patienten mit LSA ebenfalls vermehrt auf [4]
[5]. Es ergeben sich Hinweise auf einen Zusammenhang von LSA mit gewebsspezifischen
Antikörpern und HLA-Antigenen derKlasse II [6]
[7].
Frauen sind von Lichen sclerosus etwa 5- bis 7-mal häufiger betroffen als Männer.
Der genitale LSA zeigt die folgenden 2 Altersgipfel:
-
präpubertär
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postmenopausal
Die Mehrheit der betroffenen Patientinnen ist in der Postmenopause [8].
Die vermutete Prävalenz des LSA ([Abb. 1]) liegt zwischen 0,1 % bei jungen Mädchen und bis zu 3 % bei erwachsenen Frauen [8]
[9]. Unklar ist, ob diese Inzidenzen zurückzuführen sind auf den niedrigeren Östrogenspiegel
in diesen beiden Lebensphasen und die reduzierte Lubrikation, welche eher ein mechanisches
Trauma erlaubt.
Abb. 1 Lichen sclerosus der Leistenbeuge.
Das alleinige Auftreten eines extragenitalen LSA ist mit etwa 6 % der Patienten mit
LSA selten [8]. Extragenitale Prädilektionsstellen sind Hals, Oberkörper, das Gesäß und die Beugeseiten
der Extremitäten. An den extragenitalen Lokalisationen tritt die Erkrankung in Narben
auf als Folge eines isomorphen Reizes („Köbner-Phänomen“).
Klinik
Meist stellen sich die Patientinnen mit persistierendem Juckreiz, brennenden Schmerzen
im Anogenitalbereich, Dyspareunie, Dysurie, genitalen oder analen Blutungen in der
gynäkologischen Praxis vor. Zuweilen ist der LSA jedoch auch ein Zufallsbefund bei
komplett asymptomatischer Patientin.
Klinisch typisch für den genitalen LSA der Frau sind porzellan-weißlich-atrophe, elfenbeinfarbige
Makula oder flache Plaques, die die Vulva und den Anus ringförmig umgeben ([Abb. 2 – 9]).
Abb. 2 Elfenbeinartige atrophe Maculae der Labien
Abb. 3 Fissuren des Perineums.
Abb. 4 Kleine subkutane Einblutung an der linken Labie.
Abb. 5 Leukoplakie an der rechten Labie.
Abb. 6 Erosion und Leukoplakie bei Lichen sclerosus.
Abb. 7 Lichen sclerosus mit typischer 8-förmiger Beteiligung.
Abb. 8 Lichen sclerosus beim Kind.
Abb. 9 Lichen sclerosus beim Kind, typische weißliche, atrophe Macula in Form einer 8; Synechien
der kleinen Labien mit Begraben der Klitoris.
Das Spektrum kann von weißlich-atrophen Maculae mit pergamentartiger Fältelung bis
hin zu flächenhaften hyperkeratotischen Plaques reichen. Im weiteren Verlauf treten
Narben, Depigmentierungen und Fissuren auf.
Im Anfangsstadium sind diese weißlichen Maculae zum Teil kaum sichtbar und können
gerade bei kleinen Kindern aufgrund der noch fehlenden Sklerose mit einer Vitiligo
verwechselt werden. Weiße Plaques, Narben und ausgedehnte Erosionen sind oft Zeichen
einer bereits seit Längerem bestehenden Erkrankung.
Hier ist eine Differenzierung zwischen LSA, vulvärer intraepithelialer Neoplasie (VIN)
und Vulvakarzinom oft schwierig. Die Abgrenzung erfolgt daher meist bioptisch.
Die Erosionen und Fissuren treten bevorzugt im Bereich des Perineums und zwischen
den großen und kleinen Labien auf ([Abb. 7 – 10], [Abb. 13 – 16]).
Abb. 10 Komplett aufgebrauchte kleine Labien bei Lichen sclerosus.
Abb. 11 Beginnende Synechie der hinteren Kommissur.
Abb. 12 Perianale Beteiligung bei Lichen sclerosus.
Abb. 13 Partielle Synechie der Labien mit Leukoplakien.
Abb. 14 Verwachsung der kleinen Labien.
Abb. 15 Mediane Synechie der kleinen Labien.
Abb. 16 Schleimhauteinriss nach Untersuchung bei Synechie der vorderen Kommissur.
Ein weiteres typisches Erkennungsmerkmal des LSA ist die Narbenbildung, welche ca.
80 % der erwachsenen Frauen und ca. 30 % der Mädchen betrifft [1]. Schrumpfungen der kleinen und großen Labien sind ein häufig dokumentiertes Symptom.
Auch können Verklebungen der Labien im Falle eines schon länger bestehenden LSA mit
„Begraben“ der Klitoris gefunden werden. Narbige Analstenosen treten eher selten auf,
wobei die Analregion in ca. 30 % der Fälle mitbetroffen ist (s. [Abb. 7 – 9], [Abb. 11] und [Abb. 12]).
Aufgrund der Verklebungen kommt es zu einer Einengung des Introitus mit Dyspareunie,
die sowohl den Geschlechtsverkehr wie auch die gynäkologische Untersuchung unmöglich
machen kann. Durch die Stenosierung des Introitus kann es zu einem Ablenken des Urinstrahls
kommen, was von den betroffenen Frauen als extrem unangenehm empfunden wird.
Bei der genauen Untersuchung der Vulva unter kolposkopischer Sicht fallen oft durch
den Juckreiz bedingte Sekundäreffloreszenzen wie Kratzspuren oder eine Purpura als
Zeichen kleiner Einblutungen auf ([Abb. 4]).
Die Vagina und die Zervix sind in der Regel nicht von den pathologischen Hautveränderungen
betroffen.
Diagnostik
Meistens erfolgt die Diagnosestellung klinisch. Eine Biopsie ist nicht in allen Fällen
eines LSA notwendig, sondern sollte folgenden Fällen vorbehalten bleiben:
-
wenn die klinische Diagnose unklar ist
-
wenn die empfohlene First-Line-Therapie nach ausreichender Behandlungszeit ohne Erfolg
bleibt
-
wenn die Veränderung malignitäts- oder dysplasieverdächtig ist
Nicht jede LSA-verdächtige Läsion muss biopsiert werden.
Besonders bei Kindern sollte die Biopsie restriktiv angewandt werden, um eine Traumatisierung
der Mädchen zu verhindern.
Alle Patientinnen mit LSA-verdächtigen Symptomen sollten zumindest einmal zu Beginn
der Erkrankung einem Spezialisten (Gynäkologen in einem Dysplasiezentrum, Dermatologen)
vorgestellt werden, um eine verzögerte Diagnostik zu vermeiden.
In frühen Stadien scheint zum Teil eine Heilung möglich und vor allem sind Spätschaden
wie Narbenbildung und Stenosen des Introitus vermeidbar.
Vor jeder Therapie sollte eine ausgiebige Fotodokumentation erstellt werden, um einen
Progress oder eine Verbesserung, aber auch eine Veränderung in Richtung einer Dysplasie
oder eines Karzinoms objektiv beurteilen zu können.
In der Regel sind keine mikrobiologischen Abstriche notwendig. Ausnahme ist der Ausschluss
zusätzlicher erosiver Erkrankungen, wie Herpes simplex oder Candida, oder bei abnormalem
vaginalen Ausfluss.
Differenzialdiagnosen
Hauptdifferenzialdiagnose des LSA ist der Lichen ruber mucosae, der jedoch bei Genitalschleimhautbefall
meist auch im Mundbereich nachzuweisen ist. Hier tritt typischerweise eine netzartige
weißliche Zeichnung an der Wangenschleimhaut oder an der äußeren Genitalregion auf.
Der Lichen ruber des Integumentes ist charakterisiert durch juckende, polygonale Papeln
mit matt-glänzender Oberfläche, die bevorzugt an den Beugeseiten der Handgelenke auftreten.
Selten tritt auch eine narbige Alopezie auf.
Des Weiteren muss insbesondere bei Kindern eine Vitiligo ausgeschlossen werden. Auch
eine Psoriasis inversa, ein allergisches oder toxisches Kontaktekzem oder eine Candidose
können klinisch einen LSA imitieren.
Essenziell ist die Abgrenzung des LSA zur vulvären intraepithelialen Neoplasie und
zum Plattenepithelkarzinom der Vulva (s. [Abb. 17 – 19]). Hier ist die Biopsie unumgänglich.
Abb. 17 VIN III der hinteren Kommissur als Differenzialdiagnose des Lichen sclerosus.
Abb. 18 Vulvakarzinom an der hinteren Kommissur.
Abb. 19 Vulvakarzinom subklitoral.
Bei Verdacht auf Dysplasie oder Karzinom muss eine Biopsie erfolgen.
Prognose
Die Inzidenz des Plattenepithelkarzinoms in Zusammenhang mit dem LSA wird auf 4 – 5 %
geschätzt [8]
[12]. Hier müssen jedoch 2 verschiedene Pathomechanismen voneinander unterschieden werden:
-
Das Plattenepithelkarzinom der Vulva der jungen Frauen ist meist mit den onkogenen
Typen des HPV assoziiert.
-
Das Plattenepithelkarzinom der Vulva der älteren Frau ist oft assoziiert mit einer
chronischen Entzündung, wie sie beim Lichen sclerosus, Lichen ruber oder auch bei
der Acne inversa auftritt. Die chronische Entzündung dient hier als Tumorpromotor
und steht nur selten mit dem HPV in Zusammenhang [13]
[14].
Der LSA spielt in der Karzinogenese anscheinend sowohl die Rolle des Initiators als
auch des Promotors auf dem Weg zum Plattenepithelkarzinom. Entgegen der ursprünglichen
Meinung, dass das Plattenepithelkarzinom der Vulva auf dem Boden eines LSA immer HPV-negativ
ist, zeigen neuere Studien eine HPV-Assoziation von bis zu 30 % bei der differenzierten
VIN [15].
Auch bei der genaueren Analyse aller Vulvakarzinome fällt auf, dass etwa 60 % dieser
Karzinome auf dem Boden eines LS entstanden sind [16]
[17].
Das Risiko, ein Karzinom auf dem Boden eines Lichen sclerosus zu entwickeln, beträgt
4 – 5 %.
Bisher ist unklar, ob die Behandlung des LSA das Risiko reduzieren kann, eine maligne
Erkrankung im Anogenitalbereich zu entwickeln.
Therapie
Die topische Therapie mit hochpotenten Kortikosteroiden ist beim LSA die Therapie
der Wahl. Eine Reihe von randomisiert-kontrollierten Studien (RCT) verglich die Wirksamkeit
von potenten und hochpotenten Kortikosteroiden mit anderen Behandlungsmodalitäten.
In allen Untersuchungen zeigten sich die hochpotenten topischen Steroide am wirksamsten
in der Behandlung des genitalen LSA [18].
Hochpotente Kortikosteroide sind die First-Line-Therapie des Lichen sclerosus.
Die Heilung ist normalerweise nicht das Ziel der Behandlung des LSA; die Verbesserung
bzw. das Verschwinden der Symptome steht hier im Vordergrund (s. [Abb. 20 – 22]). Die Rate der Verbesserung der Symptome liegt nach 3 Monaten je nach Therapie bei
75 – 95 %. Das Verschwinden der Zeichen des LSA gelingt allerdings nur in 20 % der
Fälle [1].
Abb. 20 Lichen sclerosus vor Therapie.
Abb. 21 Lichen sclerosus nach Therapie.
Abb. 22 Lichen sclerosus nach erfolgreicher Therapie, persistierende elfenbeinartige Verfärbung.
Generell kann jedoch festgestellt werden, dass der Behandlungserfolg umso besser ist,
je früher der LSA behandelt wird. Ist es erst zu einer Narbenbildung gekommen, so
ist diese irreversibel.
Ziel der Behandlung ist die Symptomfreiheit.
Topische Therapie
Glukokortikoide
Es existieren keine randomisierten, kontrollierten Studien, die einen Standard festlegen,
wie oft die Anwendung der topischen Kortikosteroide der Klasse IV (1- oder 2-mal täglich)
erfolgen soll. Auch gibt es in der Literatur wenig Hinweise auf ein überlegenes Kortikosteroid.
Hochpotente topische Steroide wie Clobetasoldipropionat 0,05 % haben in mehreren Studien
ihre Sicherheit und Effektivität gezeigt [18]
[19]
[20]. Andere Studien zeigten auch bei weniger potenten Steroiden wie Mometasonfuroat
oder Triamcinolon Wirksamkeit [18].
Die Leitlinie der Britischen Gesellschaft für Dermatologie empfiehlt bei neu aufgetretenem
LSA die Applikation von Clobetasoldipropionat 0,05 % zur Nacht für 4 Wochen, dann
jede 2. Nacht für 4 Wochen und anschließend noch 2-mal wöchentlich für weitere 4 Wochen
[19]. Wenn beim Ausschleichen die Symptome erneut aufflammen, werden die Patientinnen
angehalten, die Dosierung erneut zu erhöhen, bis die Symptome sich wieder verbessern.
Eine Tube mit 30 g Clobetasoldipropionat 0,05 % sollte für 12 Wochen ausreichen [19].
Bei erneutem Auftreten der Symptome nach erfolgreicher First-Line-Therapie ist meistens
eine erneute, über wenige Tage andauernde, lokale Therapie mit dem bereits zuvor verwendeten
Kortikosteroid ausreichend.
Eine erfolgreiche Behandlung wird angezeigt durch das Verschwinden der Symptome, wie
Juckreiz und Brennen, Fissuren, Erosionen und Hyperkeratosen. Die Hautatrophie, die
Narben und die weißliche Hautverfärbung bleiben jedoch bestehen.
Auch asymptomatische Patientinnen mit Hinweisen auf einen klinisch aktiven Lichen
sclerosus sollten therapiert werden.
Etwa 60 % aller Patientinnen zeigen unter Therapie Beschwerdefreiheit [1]. Andere Patientinnen erleiden Rückfälle und sollten angehalten werden, Steroidcremes
bei Bedarf anzuwenden.
Sollte unter der Therapie nicht die erwartete Linderung der Symptome einsetzen, ist
der Ausschluss einer Dysplasie oder eines Karzinoms angezeigt.
Topische Immunmodulatoren
Bei Patientinnen mit fehlendem Ansprechen auf cortisonhaltige Cremes gibt es seit
einigen Jahren die Möglichkeit, im „Off-Label“-Gebrauch auf topische Immunmodulatoren
umzusteigen. Es stehen mittlerweile zwei topische Immunmodulatoren zur Verfügung:
Tacrolimus und Pimecrolimus. Sie gehören zur Gruppe der topischen Calcineurin-Inhibitoren
(TCI). Beide Medikamente blockieren die T-Zell-Proliferation und die Freisetzung von
proinflammatorischen Zytokinen. Zusätzlich werden hauteigene Schutzmechanismen gefördert.
Die typischen Nebeneffekte einer Glukokortikoidtherapie wie Hautatrophie oder Reduzierung
der Barrierefunktion der Haut werden nicht beobachtet [21]. Die Anzahl an ungewollten Hautreaktionen, wie Brennen und Juckreiz, ist jedoch
mit ca. 50 % deutlich höher als bei der Anwendung von cortisonhaltigen Cremes [22].
Bei 2-tägiger Anwendung über 16 Wochen kann bei 43 % eine komplette und bei 34 % eine
partielle Remission mit Tacrolimus 0,1 % erreicht werden [23]. Die besten Ergebnisse wurden nach einer Anwendungszeit von 10 – 24 Wochen beobachtet.
Ähnliche Ergebnisse konnten mit einer Anwendung von Pimecrolimus 1 % über 4 Wochen
mit anschließender schrittweiser Reduktion erreicht werden [22].
Der Langzeiteffekt von diesen TCI in Bezug auf die Entwicklung bösartiger Tumoren
ist ungewiss. Auch wenn bisher kein kausaler Zusammenhang gefunden werden konnte,
gibt es Einzelfallbeschreibungen von Patienten, welche mit diesen Medikamenten behandelt
wurden, und einer Hautkrebsentwicklung [24].
Bei fehlendem Erfolg nach der First-Line-Therapie mit Kortikosteroiden sollte eine
Therapie mit topischen Calcineurin-Inhibitoren im Rahmen eines Heilversuchs versucht
werden.
Hormone
Eine alleinige Therapie mit Östrogenen wird beim LSA nicht empfohlen. Die bei postmenopausalen
Frauen durch den Östrogenmangel auftretenden Beschwerden wie Trockenheit, Erosionen
und reduzierte Lubrikation können zwar gemeinsam mit einem LSA auftreten, sind hiervon
jedoch unabhängig.
Eine alleinige Therapie mit Östrogenen wird beim LSA nicht empfohlen.
Früher wurde auch Testosteron zur lokalen Therapie bei LSA angewandt. Remission in
einer Subgruppe wurde erreicht unter starken und inakzeptablen androgenen Nebenwirkungen
wie Vergrößerung der Klitoris, Hirsutismus, Akne vulgaris und Amenorrhö [19]. Diese Therapie wird heute nicht mehr angewandt.
Additive lokale Therapie
Rückfettende Salben und Cremes können und sollten additiv zur lokalen Therapie mit
cortisonhaltigen Cremes oder TCI angewendet werden. Eine zeitgleiche Anwendung sollte
vermieden werden, um eine Verdünnung der therapeutischen Wirkdosis zu vermeiden.
Therapieversager
Falls die Therapie mit lokaler Anwendung von Kortikosteroiden nicht gelingt, sollte
eine Non-Compliance der Patientin ausgeschlossen werden.
Viele Patientinnen sind nach der Lektüre des Beipackzettels verunsichert, da dort
oft die Anwendung des Medikaments in der Anogenitalregion als Kontraindikation aufgelistet
ist, die Häufigkeit der maximalen Anwendung auf 1-mal täglich limitiert ist oder die
Nebenwirkungen wie Hautatrophie die Patientin beunruhigen. Bei älteren Patientinnen
kann eine schlechte Sehkraft oder ein schlechtes Erreichen der zu behandelnden Region
den fehlenden Behandlungserfolg erklären.
Bei Versagen der Therapie und guter Compliance sollte die Korrektheit der Diagnose
hinterfragt und zusätzliche Veränderungen ausgeschlossen werden. So müssen eine Kontaktdermatitis,
Urininkontinenz, Herpes-simplex-Infektion, Psoriasis, ein Schleimhautpemphigoid und
besonders eine VIN oder Plattenepithelkarzinom der Vulva ausgeschlossen werden.
Kasuistik zum fallorientierten Lernen
Anamnese und Klinik
Eine 67-jährige Patientin stellt sich in der Dysplasiesprechstunde vor. Seit Jahren
klagt sie über Brennen und Jucken im äußeren Bereich der Vulva. Vom zuweisenden Kollegen
sind mehrfach Therapien mit Antibiotika und Mykotika durchgeführt worden. Hierunter
kam es jedoch immer nur zueiner kurzzeitigen Besserung.
Seit etwa 6 Monaten sind nun aber weißliche Beläge aufgetreten, weshalb die Patientin
nun in die Spezialsprechstunde geschickt wird.
Diagnostik
Bei der kolposkopischen Begutachtung zeigten sich im Bereich der Vulva mehrere bis
zu 5 mm große Leukoplakien neben kleineren Fissuren, welche insbesondere im Bereich
des Perineums zu finden sind. Die kleinen Labien sind kaum zu erkennen, da sie mit
den großen Labien verschmolzen sind. Die Klitoris ist unter den Labien verborgen und
nicht mehr zu erkennen. Bei genauerem Befragen der Patientin gibt sie an, seit einem
Jahr vermehrt Stress zu haben, da ihr Mann schwer erkrankt ist.
Es wird die Diagnose Lichen sclerosus gestellt und eine Therapie begonnen mit Clobetasoldipropionat
0,05 % über 10 Wochen, zunächst 2-mal täglich, mit anschließender wöchentlicher Reduktion
der Dosis. Begleitend erfolgt die Therapie mit einer rückfettenden Salbe. Ein Folgetermin
nach 8 Wochen wird mit der Patientin vereinbart.
Verlauf
Nach 8 Wochen stellt sich die Patientin erneut vor. Der Juckreiz ist leicht besser
geworden, die Leukoplakien sind nur zum Teil verschwunden.
Es wird an den beiden auffälligsten Stellen eine Punch-Biopsie entnommen. Histologisch
bestätigt sich die Diagnose des Lichen sclerosus.
Aufgrund des Versagens der primären Therapie mit Clobetasoldipropionat 0,05 % wird
nun eine Therapie mit Pimecrolimus begonnen. Die Therapie wird im gleichen Schema,
über 10 Wochen, wie die zuvor erfolglose Kortisontherapie durchgeführt.
In der Kontrolluntersuchung nach 8 Wochen berichtet die Patientin über ein komplettes
Verschwinden der Symptome. Auch kolposkopisch sind die Fissuren und Leukoplakien nicht
mehr nachweisbar, wenngleich die elfenbeinartige Verfärbung und die Synechien der
Labien fortbestehen.
Die Patientin wird dazu angehalten, die rückfettende Salbe auch bei Symptomfreiheit
weiter anzuwenden. Bei erneut auftretenden Beschwerden darf die Patientin Pimecrolimus
2-mal täglich für maximal 7 Tage anwenden. Sollte diese Therapie erfolglos bleiben,
wird eine Wiedervorstellung empfohlen.
Ein Kontrolltermin in einem Jahr wird aufgrund der schwierigen Einstellung des Lichen
vereinbart.
Nachsorge
Das Risiko einer malignen Entartung eines unkomplizierten LSA ist sehr gering. Wenn
ein Karzinom auftritt, ist die Entwicklung meist sehr schnell.
Zur Beurteilung des Ansprechens auf die lokale Therapie ist eine initiale Einbestellung
der Patientin zunächst in kurzen Etappen von 2 – 3 Monaten notwendig.
Ist die Patientin mit einem Kortikosteroid suffizient therapiert und eine Anwendung
ist nur sporadisch notwendig, genügt eine 1-mal jährliche Kontrolle.
Die Patientin sollte zur Selbstbeobachtung aufgefordert werden. Jede neu aufgetretene
Ulzeration oder Wucherung sollte dem niedergelassenen Gynäkologen berichtet werden.
Bei Persistenz und fehlendem Ansprechen auf die zuvor wirksame Therapie oder bei Malignitätsverdacht
sollte eine Überweisung zu einem Spezialisten erfolgen.
Eine bioptische Abklärung aller persistierenden Ulzerationen, Erosionen, Hyperkeratosen
oder unveränderten erythematösen Veränderungen sollte durchgeführt werden.
Patientinnen mit schwerem Verlauf des genitalen LSA, VIN oder Vulvakarzinom in der
Vorgeschichte sollten bei einem Spezialisten nachgesorgt werden [25].
Der Lichen sclerosus et atrophicus ist eine oft verkannte Erkrankung mit dem potenziellen
Risiko einer malignen Entartung. Deshalb ist eine genaue Diagnostik zur Vermeidung
der Diagnoseverschleppung notwendig. Bei Verdacht auf Dysplasie oder Malignität sollte
immer eine Biopsie erfolgen.
Die Standardtherapie erfolgt mit topischen Glukokortikoiden. Sollten diese nicht den
gewünschten Erfolg bringen, kann ein Therapieversuch mit topischen Calcineurin-Inhibitoren
erfolgen. Begleitend sollten rückfettende Salben verwendet werden.
Chirurgische Verfahren sind lediglich bei sehr gut selektiertem und symptomatischem
Patientenkollektiv oder bei Nachweis einer Dysplasie oder eines Karzinoms durchzuführen.