Schlüsselwörter
Frühgeborene - nekrotisierende Enterokolitis - Interleukin-8 - Gewichtszunahme - Neonate
Key words
preterm infants - necrotising enterocolitis - interleukin-8 - weight gain - neonates
Einleitung
Die nekrotisierende Enterokolitis (NEC), eine progressiv-entzündliche gastrointestinale
Erkrankung unklarer Ätiologie, ist ein Hauptgrund für die hohe Mortalität und Morbidität
bei Früh- und Neugeborenen [2]. Die Inzidenz der NEC wird auf bis zu 5% beziffert, die Mortalität liegt zwischen
20% und 62% [3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]
[9]. Die NEC manifestiert sich bei reifen Neugeborenen meistens bereits in den ersten
Lebenstagen, bei Frühgeborenen eher spät (14.–21. Lebenstag) [10]
[11]. Die frühzeitige Diagnose einer NEC ist aufgrund des foudroyanten Verlaufs wichtig,
aber aufgrund unspezifischer klinischer Symptome im Anfangsstadium schwierig [2]
[12].
Morag et al. fand bei 17 Neonaten im NEC-Stadium III einen durchschnittlichen Gewichtssprung
von 5,1% vom Tag −1 auf Tag 0 (Diagnosetag), während die Kontrollgruppe eine durchschnittliche
Gewichtszunahme von 1,2% aufwies [4]. Keines der Neugeborenen mit nachgewiesener NEC verlor in diesem Zeitraum an Gewicht.
Die Autoren zeigten sich optimistisch, den Gewichtssprung als „high risk“ Kriterium
nutzen zu können und zusammen mit weiteren etablierten klinischen Zeichen früh die
Diagnose einer NEC stellen zu können.
Interleukin-8 (IL-8) ist ein proinflammatorisches Zytokin, das hauptsächlich nach
Aktivation durch Lipopolysaccharide oder Tumornekrosefaktor-α von Monozyten sezerniert
wird [13]
[14]
[15]
[16]. Bei entsprechenden Reizfaktoren wird IL-8 von Endothelzellen und in geringeren
Mengen von T-Lymphozyten sezerniert [17]. IL-8 steigt 12–24 Stunden vor dem C-reaktiven Protein (CRP) an und wird mit hoher
Sensitivität zur Diagnostik der neonatalen bakteriellen Infektion eingesetzt [18]
[19]
[20]. Zudem spielt IL-8 eine zentrale Rolle in der Früherkennung und Einschätzung der
nekrotisierenden Enterokolitis [21]
[22].
Ein neues Kriterium zur Früherkennung einer NEC könnte der von Morag et al. [4] beschriebene Gewichtssprung in Kombination mit einem IL-8 Anstieg in Plasma einen
Tag vor der klinischen Diagnosestellung einer NEC sein. Ziel dieser Studie war es
zu untersuchen, ob in unserer Studiengruppe ebenfalls ein Gewichtssprung zum Tag der
Diagnosestellung der NEC zu beobachten ist und inwiefern eine Kombination von Gewichtssprung
und Anstieg des IL-8 Wertes prädiktiv für eine NEC ist.
Methoden
In diese retrospektive Fall-Kontroll-Studie wurden 48 Früh- und Neugeborene eingeschlossen,
die zwischen 2002 und 2009 aufgrund einer NEC im Stadium II und III nach den Kriterien
von Bell und Walsh in der Abteilung für Neonatologie der Universitätsklinik für Kinder-
und Jugendmedizin Tübingen behandelt wurden [23]
[24]. Die Diagnose NEC war durch die klinische Symptomatik, Labordiagnostik und Bildgebung
gesichert. Als Kontrollgruppe dienten 48 nach Gestationsalter, Lebensalter und Geburtsgewicht
gematchte Früh- und Neugeborene, bei welchen zum Ausschluss einer nosokomialen Infektion
Blutentnahmen erfolgt waren. Gewichtsverlauf, Flüssigkeitsbilanz und Flüssigkeitszufuhr
wurden über einen Beobachtungszeitraum 7 Tage vor und nach Diagnosestellung der NEC
dokumentiert (Tag 0 entspricht dem geäußerten Verdacht auf eine NEC). Komorbidität,
Alter, klinische, laborchemische und radiologische Auffälligkeiten wurden an Tag 0
erhoben. Die Patienten wurden täglich morgens nach gleichem Standard mit geeichten
Waagen gemessen. Die Kinetik von IL-8 und CRP wurde von Tag −3 bis +8 vor und nach
Diagnosestellung der NEC ausgewertet. Die Ernährung erfolgte nach einem standardisierten
abteilungsinternen Ernährungsregime. Der gastrale Nahrungsaufbau begann mit 20 ml/kg
Muttermilch am 1. Lebenstag und wurde bei guter Nahrungsverträglichkeit um 25 ml/kg/d
ab dem 2. Lebenstag bis zur geplanten Zielmenge von 180 ml/kg/d gesteigert. Frühgeborene
unter 1 500 g Geburtsgewicht bekamen 12 und Frühgeborene > 1 500 g bekamen 8 Mahlzeiten
pro Tag.
Statistische Auswertung: Die Dokumentation und Auswertung der Daten erfolgte mit Microsoft
Excel 2000 sowie SPPS Statistic 21. Wenn nicht anders angegeben werden die Daten als
Median mit Range (…) angegeben. Die Daten wurden mittels t-Test, dem Wilcoxon-Mann-Whitney-Test
oder dem Chi-Quadrat-Test analysiert. Eine Wahrscheinlichkeit von p<0,05 wurde als
statistisch signifikant definiert. Sensitivität, Spezifität und prädiktive Werte wurden
für IL-8, CRP, Gewichtssprung, sowie für die Kombination aus IL-8/CRP und Gewichtssprung
berechnet. Alle Schaubilder wurden mithilfe des Programms SigmaPlot scientific software
(SPSS, Chicago, IL, USA) erstellt. Die Ergebnisse wurden als Boxplots dargestellt.
Ergebnisse
48 Früh- und Neugeborene mit NEC, davon 31 im NEC Stadium II und 17 im NEC Stadium
III wurden untersucht. Als Kontrollgruppe wurden 48 Früh- und Neugeborene herangezogen
([Tab. 1]). Alle Patienten mit NEC Stadium III wurden chirurgisch und alle Patienten mit NEC
Stadium II wurden konservativ behandelt. Die Mortalität betrug 10,4% (n=5). Die häufigsten
Komorbiditäten waren ein Atemnotsyndrom (AIS), ein persistierender Ductus arteriosus
(PDA) und ein Ventrikelseptumdefekt (VSD), wobei die Zahl der Kinder mit PDA in der
Gruppe NEC Stadium II signifikant höher als in der Kontrollgruppe II war (12 (38,7%)
vs. 4 (12,9%); p=0,02) ([Tab. 1]). Klinisch fielen 46 von 48 Patienten durch ein geblähtes Abdomen auf. Weitere klassische
Symptome wie Abwehrspannung des Abdomens, Hämatochezie, Pneumatosis intestinalis,
Luft im Pfortadersystem, radiologisch stehende Darmschlingen sowie Pneumoperitoneum
konnten in beiden NEC Stadien beobachtet werden ([Tab. 2]).
Tab. 1 Anthropometrische Eigenschaften des untersuchten Patientenkollektivs. Die Daten sind
mit Median und Range angegeben.
|
Anthropometrische und klinische Daten
|
|
|
|
|
|
|
Kontrolle II (n=31)
|
NEC Stadium II (n=31)
|
p
|
Kontrolle III (n=17)
|
NEC Stadium III (n=17)
|
p
|
Geschlecht m:w (n)
|
16:15
|
16:15
|
ns
|
7:10
|
7:10
|
ns
|
Gestationsalter (d)
|
222 (180–258)
|
220 (178–274)
|
ns
|
217 (167–258)
|
214 (169–280)
|
ns
|
Geburtsgewicht (g)
|
1 750 (720–3 100)
|
1 878 (670–2926)
|
ns
|
1 240 (450–2 400)
|
1122 (390–2 230)
|
ns
|
Mehrlinge (n)
|
4 (12,9%)
|
7 (22,6%)
|
ns
|
3 (17,6%)
|
3 (17,6%)
|
ns
|
Komorbiditäten (n):
|
|
|
|
|
|
|
ANS
|
14 (45,2%)
|
14 (45,2%)
|
ns
|
9 (52,9%)
|
6 (35,3%)
|
ns
|
PDA
|
4 (12,9%)
|
12 (38,7%)
|
p=0,02
|
3 (17,6%)
|
7 (41,2%)
|
ns
|
VSD
|
2 (6,5%)
|
2 (6,5%)
|
ns
|
1 (5,9%)
|
2 (11,8%)
|
ns
|
Alter ab Geburt bis Erkrankung (d)
|
|
20 (4–52)
|
|
|
17 (2–109)
|
|
Tab. 2 Klinischen Symptome und Labor bei V.a. NEC sowie Therapie und Outcome des untersuchten
Patientenkollektivs. Die Daten sind mit Median und Range angegeben.
Klinischen Symptome bei V.a. NEC
|
Kontrollen (n=48)
|
NEC II (n=31)
|
NEC III (n=17)
|
geblähtes Abdomen (n)
|
2 (4,2%)
|
29 (93,5%)
|
17 (100%)
|
Abwehrspannung Abdomen (n)
|
0
|
10 (32,3%)
|
16 (94,1%)
|
Blutauflagerung Stuhl (n)
|
0
|
20 (64,5%)
|
9 (52,9%)
|
Pneumatosis intestinalis (n)
|
0
|
22 (70,9%)
|
14 (82,4%)
|
Luft in der Pfortader (n)
|
0
|
24 (77,4%)
|
9 (52,9%)
|
Pneumoperitoneum (n)
|
0
|
11 (35,5%)
|
11 (64,7%)
|
Gewichtsentwicklung zum Vortag
|
+0,6%
|
+0,1%
|
+4,2%
|
Gewichtssprung>5% (n)
|
2 (4,2%)
|
0 (0%)
|
6 (35,3%)
|
Labor 1 Tag vor V.a. NEC
|
Kontrollen (n=48)
|
NEC II (n=31)
|
NEC III (n=17)
|
Interleukin-8 (pg/ml)
|
38,9 (10–74)
|
326,7 (40–1447)
|
6561,4 (109–31546)
|
CRP (mg/dl)
|
0,25 (0,0–1,1)
|
1,7 (0,3–25)
|
3,75 (0,7–16)
|
Laktat
|
0,4 (0,0–1,3)
|
1,8 (0,8–3,6)
|
2,3 (1,1–10,2)
|
Therapie und Outcome
|
Kontrollen (n=48)
|
NEC II (n=31)
|
NEC III (n=17)
|
parenterale Flüssigkeit (ml/kgKG/d) vor Diagnose unter Flüssigkeitsrestriktion
|
137 (89–172)
|
129 (80–153) 74 (51–141)
|
148 (100–167) 62 (49–158)
|
chirurgische Therapie (n)
|
0
|
0 (0%)
|
17 (100%)
|
30-Tage Mortalität (n)
|
0
|
1 (3,1%)
|
4 (23,5%)
|
Gewichtsentwicklung: Im NEC Stadium II zeigte kein Kind, im Stadium III 35,3% (n=6)
und in der Kontrollgruppe 4,2% (n=2) der Kinder eine Gewichtszunahme von über 5% am
Tag vor klinischer Diagnosestellung einer NEC. Die mediane Gewichtsentwicklung von
Tag –1 auf Tag 0 betrug im NEC-Stadium II +0,1% (−5,8 bis +4,1%), im NEC-Stadium III
+4,2% (−5,2 bis + 21,2%) und in der Kontrollgruppe +0,6% (0 bis +8,3%). Die Gewichtsabweichung
von Tag −1 auf Tag 0 unterschied sich in keiner der beiden NEC Gruppen signifikant
von der Kontrollgruppe (NEC II p=0,65; NEC III p=0,29) ([Tab. 3], [Abb. 1]).
Abb. 1 Gewichtsentwicklung (Mittelwert und Standardabweichung) in Gramm (g) pro Tag (d).
Tab. 3 Gewichtsentwicklung in Gramm (g) nach Gruppen (Median und Range).
Tag
|
Kontrollgruppe (n=48)
|
NEC-Stadium II (n=31)
|
NEC-Stadium III (n=17)
|
|
TG in g
|
1)
|
p
|
TG in g
|
1)
|
p
|
TG in g
|
1)
|
p
|
−3
|
1 558,4 (540–3 100)
|
|
|
1 867 (600–3 070)
|
|
|
1 340,4 (410–3 150)
|
|
|
−2
|
1 578,8 (570–3 190)
|
1,3%
|
0,1
|
1 855,3 (585–3 120)
|
−0,7%
|
0,5
|
1 401,5 (440–3 100)
|
4,6%
|
0,1
|
−1
|
1 584,4 (570–3 160)
|
0,3%
|
0,52
|
1 918,1 (565–3 200)
|
3,4%
|
0,1
|
1 435 (410–3 080)
|
2,4%
|
0,09
|
0
|
1 594,0 (590–3 100)
|
0,6%
|
0,25
|
1 919,7 (555–3 200)
|
0,1%
|
0,65
|
1 495 (450–3 080)
|
4,2%
|
0,29
|
1
|
1 605,6 (550–3 050)
|
0,7%
|
0,18
|
1 918,4 (745–3 230)
|
4,4%
|
0,12
|
1 565 (600–3 080)
|
4,7%
|
0,08
|
2
|
1 613,6 (500–3 160)
|
0,5%
|
0,15
|
2 002,5 (740–3 280)
|
4%
|
0,32
|
1 445,4 (395–2 245)
|
−7,7%
|
0,28
|
3
|
1 636,4 (500–3 130)
|
1,4%
|
0,57
|
2 083,8 (810–3 360)
|
4%
|
0,06
|
1 478,8 (425–2 200)
|
2,3%
|
0,35
|
TG: Tagesgewicht, 1) prozentuelle Veränderung des Gewichts zum Vortag
p: statistischer p-Wert, n: Gruppenstärke, Tag 0: Tag bei Verdacht auf NEC
Die parenterale und enterale Flüssigkeitszufuhr unterschied sich zwischen den Gruppen
nicht signifikant (p=0,2).
Im Vergleich zur Kontrollgruppe (IL-8 Median 26,6 pg/ml (10–60 pg/ml)), stieg das
IL-8 bei NEC hochsignifikant an: in der Gruppe NEC II auf 854,6 pg/ml (11 pg/ml-5 890 pg/ml)
und in der Gruppe NEC III auf 9 484,3 pg/ml (184 pg/ml-25 400 pg/ml) (p<0,0001) ([Abb. 2]). Am Tag vor klinischer Diagnosestellung einer NEC betrug das IL-8-Wert im NEC Stadium
II 326,7 pg/ml (40–1 447 pg/ml) (p=0,03), NEC-Stadium III 6 561,4 pg/ml (109–31 546 pg/ml)
(p=0,01) ([Tab.2]).
Abb. 2 Vergleich der IL-8-Werte im Blutplasma der einzelnen Gruppen zum Zeitpunkt des Verdachtes
auf NEC (Tag 0) bzw. Ausschluss Infektion (*p<0,05).
Am Tag vor klinischer Diagnosestellung einer NEC betrug das CRP in der Gruppe NEC
II 3,75 mg/dl (0,3 mg/dl–25,0 mg/dl) und in der Gruppe NEC III 5,5 mg/dl (0,7 mg/dl–16,4 mg/dl)
([Tab. 2]). Die CRP-Werte waren bereits 3 Tage vor der Verdachtsäußerung einer NEC in beiden
Stadien leicht erhöht.
Sensitivität, Spezifität und prädiktive Werte: Die Sensitivität bei NEC im Stadium
III von IL-8 (100,00% (80,33–100,00) und CRP (88,24% (63,52–98,20) war besser als
im Stadium II (87,10% (70,15–96,25) bzw. 83,87% (66,26–94,49)). Die Spezifität lag
bei 93,75% (82,78–98,62) und 95,83% (85,72–99,37) ([Tab. 4]). Aufgrund des fehlenden Gewichtssprunges>5% in der Gruppe NEC II betrug die Sensitivität
hier 0,00%. Im NEC Stadium III betrug die Sensitivität 35,29% (14,30–61,65). Die Spezifität
war mit 95,83% (85,72–99,37) in beiden Gruppen hoch. Eine Kombination aus Gewichtssprung
und IL-8 oder aus Gewichtssprung und CRP erhöhte die Sensitivität nicht ([Tab. 4]).
Tab. 4 Sensitivität, Spezifität und positiv- (PPW) und negativ-prädiktiver Wert (NPW) für
die Diagnose einer NEC in Stadium II und Stadium III. Die Daten sind in % mit den
95% Konfidenzintervallen angegeben.
NEC Stadium II
|
Interleukin-8>60 pg/ml
|
C-reaktives Protein>1 mg/dl
|
Gewichtssprung>5%
|
IL-8+Gewichtssprung
|
CRP+Gewichtssprung
|
Sensitivität
|
87,10 (70,15–96,25)
|
83,87 (66,26–94,49)
|
0,00 (0,00–11,32)
|
87,10 (70,15–96,25)
|
83,87 (66,26–94,49)
|
Spezifität
|
93,75 (82,78–98,62)
|
95,83 (85,72–99,37)
|
95,83 (85,72–99,37)
|
91,67 (80,00–97,63)
|
93,75 (82,78–98,62)
|
PPW
|
90,00 (73,44–97,77)
|
92,86 (76,46–98,92)
|
0,00 (0,00–80,71)
|
87,10 (70,15–96,25)
|
89,66 (72,62–97,69)
|
NPW
|
91,84 (80,38–97,68)
|
90,20 (78,57–96,70)
|
59,74 (47,94–70,76)
|
91,67 (80,00–97,63)
|
90,00 (78,17–96,63)
|
NEC Stadium III
|
Interleukin-8>60 pg/ml
|
C-reaktives Protein>1 mg/dl
|
Gewichtssprung>5%
|
IL-8+Gewichtssprung
|
CRP+Gewichtssprung
|
Sensitivität
|
100,00 (80,33–100,00)
|
88,24 (63,52–98,20)
|
35,29 (14,30–61,65)
|
100,00 (80,33–100,00)
|
94,12 (71,24–99,02)
|
Spezifität
|
93,75 (82,78–98,62)
|
95,82 (85,72–99,37)
|
95,83 (85,72–99,37)
|
97,92 (88,89–99,65)
|
93,75 (82,78–98,62)
|
PPW
|
85,00 (62,08–96,62)
|
88,24 (63,52–98,20)
|
75,00 (35,05–96,07)
|
94,44 (72,63–99,07)
|
84,21 (60,40–96,43)
|
NPW
|
100,00 (92,05–100,00)
|
95,83 (85,72–99,37)
|
80,70 (68,08–89,94)
|
100,00 (92,38–100,00)
|
97,83 (88,43–99,64)
|
Diskussion
Ziel dieser Studie war es zu untersuchen ob der von Morag et al. beschriebene Gewichtssprung>5%
bei Neugeborenen mit NEC zum Tag der Diagnosestellung auch in unserem Patientenklientel
beschrieben werden kann und ob die Kombination eines Gewichtssprunges mit einem IL-8
Anstieg im Plasma die Diagnostik einer NEC verbessert [4].
Alle Patienten zeigten die im Rahmen der Erkrankung klassischen klinischen und laborchemischen
Zeichen einer NEC [25]. Die Mortalitätsrate von 10,4% lag in dieser Studie deutlich unter den Literaturangaben
von 20–62% [3]
[4]
[5].
Morag et al. [4] beschrieben einen signifikanten Gewichtssprung von 5,1% im NEC-Stadium III zwischen
Tag −1 und Tag 0. Der Gewichtszuwachs der Kontrollgruppe wird mit 1,2% angegeben.
Ein Gewichtssprung von Tag −1 zum Tag 0 wird als möglicher prädiktiver Faktor eine
NEC interpretiert. In der Tatsache, dass keiner der von Morag et al. [4] untersuchten Patienten zwischen Tag –1 und Tag 0 an Gewicht verlor, wird als negativ
prädiktives Zeichen gesehen.
In unserer Studie konnten wir keinen signifikanten Gewichtssprung zwischen Tag −1
und Tag 0 der Diagnosestellung einer NEC nachweisen. Patienten mit NEC nahmen vom
Tag −1 auf Tag 0 nicht signifikant an Gewicht zu, mehrere Patienten verloren sogar
Gewicht. Ein fehlender Gewichtssprung kann daher in unserem Kollektiv nicht als negativer
prädiktiver Faktor und damit als Ausschlusskriterium für eine NEC gesehen werden.
In unserem Patientenkollektiv zeigte sich nur in 35,3% der Fälle im NEC-Stadium III
und in 0% in Stadium II ein Gewichtssprung von über 5%. Somit bleibt zu überlegen,
ob der dramatische Gewichtsanstieg einzelner Patienten im NEC-Stadium III mit bis
zu 21,2% möglicherweise Aszitesbildung oder einem ausgeprägten Capillary-leak-Syndrom,
wie bereits von Sonntag et al. [26] beschrieben wurde, zuzuschreiben ist.
Morag et al. berichten in ihrer Studie vom identischen Flüssigkeitsmanagement in der
NEC- und der Kontrollgruppe, allerdings wurde keine Flüssigkeitsbilanzierung erhoben,
sodass Wassereinlagerungen nicht ausgeschlossen werden können [4]. In unserem Patientenkollektiv wurde der Nahrungsaufbau standardisiert vorgenommen,
bei V.a. NEC wurde eine sofortige Nahrungskarenz verordnet und bei nachlassender Diurese
und beginnenden Ödemen die Flüssigkeitszufuhr reduziert. Es kann spekuliert werden
ob in unserem Kollektiv die Diagnose NEC gestellt wurde, bevor es zu einem massiven
Kapillarleck mit Ödembildung kam.
Unsere Ergebnisse unterstützen weitestgehend die Studie von Edelson et al. [21], in der die IL-8 Plasmakonzentration im NEC-Stadium III durchgehend höher lagen
als im Stadium II. IL-8 wird aufgrund der hochsignifikanten Differenz zwischen den
NEC-Stadien als geeigneter Parameter angesehen eine Prognose zum Schweregrad der Erkrankung
NEC abzugeben [21]
[27]. Ein Anstieg des CRP wurde insbesondere in den Tagen 2–4 nach Diagnose beobachtet
[25]
[28]. Die jeweiligen CRP-Maximalwerte wurden in der vorliegenden Studie bereits nach
48 Stunden erreicht. Dieser Unterschied erlaubt eine Prognose zum weiteren Verlauf
der NEC und eine Abschätzung des Schweregrades der Erkrankung und wurde von Srinivasjois
et al. als prognostischer Parameter postuliert um eine konservative bzw. chirurgische
Behandlungsstrategie einzuleiten [29].
Ein möglicher weiterer Parameter zur Früherkennung gefährdeter Neonaten für eine NEC
könnte das Verhältnis aus Bauchumfang und Körpergewicht sein, welches Heimann et al.
derzeit untersuchen [30].
Sowohl das IL-8 als auch das CRP zeichneten sich durch eine sehr gute Sensitivität
und Spezifität in der Diagnose der NEC aus. Ein Gewichtssprung>5% zeigte in unserem
Patientenklientel eine gute Spezifität aber eine sehr schlechte Sensitivität im NEC-Stadium
II und im NEC-Stadium III. Eine Kombination von IL-8 oder CRP mit einem Gewichtssprung
konnte die Diagnose einer NEC in diesem Patientenklientel nicht verbessern. Im Fall
einer unspezifischen CRP-Erhöhung ohne klare klinische Symptome empfiehlt sich in
jedem Fall eine Bestimmung von IL-8, da das IL-8 im Vergleich zum CRP, sowohl zur
Diagnose als auch zur Verlaufskontrolle und Prognose besser geeignet zu sein scheint
[31].
Schlussfolgerung
In der vorliegenden Studie konnten wir keinen signifikanten Gewichtssprung am Tag
vor Diagnosestellung einer NEC beobachten. Im Stadium NEC II zeigte kein Kind einen
Gewichtssprung>5% und im Stadium NEC III lediglich 35,3%. Im Gegensatz dazu hat IL-8
in Plasma einen zuverlässigen diagnostischen und prognostischen Wert. Eine Kombination
von Gewichtssprung und IL-8 oder CRP verbesserte die Diagnostik einer NEC nicht. Wir
halten IL-8 daher in Verbindung mit dem klinischen Erscheinungsbild für einen geeigneten
Parameter bei der Früherkennung einer NEC.
Ab dem dritten Tag der Erkrankung kann die Höhe des CRP im Plasma als Parameter zur
Abschätzung der Schwere einer NEC dienen.