Das 13. interdisziplinäre Expertentreffen „Gerinnungshemmung – up to date 2014“ in
               Berlin unter dem Vorsitz von PD Dr. Jürgen Koscielny vom Institut für Transfusionsmedizin
               der Berliner Charité behandelte u.a. die wichtige Frage, welchen Stellenwert unfraktioniertes
               Heparin (UFH) heute noch bei Hochrisikopatienten auf Intensivstationen hat und ob
               es nach jahrelanger Erfahrung mit niedermolekularen Heparinen und der Zulassung von
               neuen oralen Antikoagulantien noch zeitgemäß ist. Neben praktischen Empfehlungen wurde
               das Blutungsmanagement bei kritisch kranken Patienten ebenso angesprochen, wie kritische
               Aspekte neuerer Antikoagulantien.
          
         		
         
            „Ist UFH in der Intensivmedizin noch zeitgemäß?“ 
            		
            Welche Probleme haben wir auf der Intensivstation,  war die einleitende Frage von
               Dr. Jascha Wiechelt, Chefarzt des Otto-Fricke-Krankenhauses in Bad Schwalbach. Auf
               der Intensivstation ergibt sich vielfach vor allem das Problem der Niereninsuffizienz.
               Die Nierenwerte kritisch kranker Patienten sind mitunter stündlichen Schwankungen
               unterworfen, dazu kommen Störungen des Elektrolythaushaltes und Gerinnungsprobleme.
               Nahezu täglich stellt sich hier die Frage, wie hoch das Blutungs- und Thromboserisiko
               der Patienten ist und wie man diesen Risiken therapeutisch begegnen kann. Zur Verfügung
               stehen neben unfraktionierten Heparinen vor allem niedermolekulare Heparine. Vorteile
               der niedermolekularen Heparine (NMH) seien die bessere Steuerbarkeit, die seltenere
               Interaktion mit Thrombozyten, das geringere Osteoporoserisiko, die höhere Bioverfügbarkeit
               nach der s.c. Applikation und die Tatsache, dass ein Labormonitoring nicht zwingend
               notwendig sei. 
            		
               
               
                  (Dr. Jascha Wiechelt, Otto-Fricke-Krankenhaus in Bad Schwalbach auf dem 13. interdisziplinären
                        Expertentreffen):
 
                     „… Ich habe in meiner Klinik unfraktioniertes Heparin verboten…“
                   
             
            		
            Vielfach existiere die Meinung, dass niereninsuffiziente Patienten unfraktioniertes
               Heparin erhalten sollen. Schaut man sich allerdings die Fachinformationen an, so sieht
               man, dass UFH bei schwerer Einschränkung der Nierenfunktion kontraindiziert ist, während
               es für Enoxaparin als einzigem NMH klare Handlungsanweisungen zum Vorgehen in kritischen
               Fällen gäbe.
            		
            UFH wird heutzutage höchstens noch bei Patienten mit sehr hohem Thromboserisiko und
               zeitgleicher diffuser (z. B. gastrointestinaler) Blutung oder mitunter bei Herzklappenpatienten
               benötigt, so Wiechelt. Die möglichen Vorteile einer intravenösen Verabreichung sind
               letztlich auch mit Enoxaparin umsetzbar. Dr. Wiechelt schloss seinen Vortrag mit dem
               Statement, dass niedermolekulare Heparine sicherer als UFH seien und man auch diese
               intravenös gut anwenden könne.
            		
            Blutungsmanagement und Probleme mit NOAK
            		
            PD Dr. Jürgen Koscielny vom Institut für Transfusionsmedizin der Berliner Charité
               griff das Thema der Patienten in kritischen klinischen Situationen auf und ging in
               seinem Vortrag auf die Frage ein, wie in Akutsituationen unter der Behandlung mit
               einem der neueren oralen Antikoagulantien (NOAK), wie Rivaroxaban, Dabigatran oder
               Apixaban zu handeln sei. Die in den jeweiligen Fachinformationen angegebenen Halbwertszeiten
               der Substanzen gelten meist nur für nierengesunde Patienten und so sei die Einschätzung
               z. B. bei kritisch Nierenkranken problematisch. Es existierten zwar einige Daten,
               die versuchen, in Abhängigkeit von der Nierenfunktion Empfehlungen zu geben, zu welchem
               Zeitpunkt die NOAK-Gabe vor einer elektiven chirurgischen Intervention gestoppt werden
               soll [
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                  ], aber vielfach reichen diese nicht aus. Das individuelle Blutungsrisiko des Patienten
               unter einem NOAK durch Messung von Laborparametern richtig einzuschätzen scheitere
               z.B. daran, dass die Prothrombin-Zeit über einen weiten Bereich kein Prädiktor für
               Blutungsereignisse und die Messung des Anti-Faktor-Xa-Spiegels nur nach präparatspezifischen
               Kalibrierungen der Testsysteme möglich sei. Im Falle einer Blutung müsse man daher
               situationsabhängig handeln. Diese Maßnahmen reichen vom Zuwarten bei leichten Blutungen
               über eine Verzögerung der nächsten Einnahme des Medikaments bis zu mechanischen Interventionen
               und der Unterstützung der Hämostase durch Gabe von Blutbestandteilen bei mittelschweren
               und schweren Blutungen. Ein spezifisches Hämostasemanagement mit dem Ziel der Normalisierung
               der Gerinnung könnte bei UFH und partiell bei NMH das Protaminsulfat sein, dies wirke
               jedoch nicht bei den NOAKs. Als Ultima Ratio kämen hier nur Blutprodukte wie FFP oder
               Prokoagulatoren wie PPSB (20–40 (50) IE/kg KG), FVIIa (90–120 µg/kg KG) oder  PPSB
               (25–50 IE/kg KG/Tag (max. 200 IE/kg KG/Tag)) infrage. Ein spezifisches Antidot für
               die NOAKs gäbe es derzeit noch nicht. Zu bedenken sei hier auch die hohe Plasmaeiweißbindung
               der neuen Substanzen, sodass eine gezielte Antagonisierung nicht einfach zu erzielen
               sei. Letztlich sollte bedacht werden, wäre dieses für Notfallsituationen flächendeckend
               in Kliniken vorhanden, erscheine dies im Hinblick auf die Kosten eines solchen Antidots
               schwer vorstellbar.
            		
            
               PD Dr. med. Michael Guschmann, Berlin
               
            		
            
               Quelle: 13. Expertentreffen „Gerinnungshemmung – up to date“ am 29. November 2014
                  in Berlin. Veranstalter: Sanofi Deutschland GmbH, Frankfurt am Main.
               
            		
               
               
                  
                     Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Sanofi Deutschland GmbH,
                        Frankfurt am Main