Im Rahmen des Kongresses für Nephrologie (6. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft
für Nephrologie) diskutierten Experten auf einem Symposium der Novartis Pharma GmbH
über das Thema Immunsuppression (IS) nach Nierentransplantation (NTx) im Langzeitverlauf.
Die Infektionskontrolle spielt dabei für den Transplantaterhalt und das Überleben
eine ebenso wichtige Rolle wie die Beachtung verschiedener Risikofaktoren und der
Komorbidität.
Die Pathogenese des Langzeit-Transplantat-Versagens beinhaltet sowohl immunologische
als auch nicht immunologische Faktoren. Einer jüngeren prospektiven Untersuchung [
1
] zufolge, konnten 4 Hauptursachen für ein spätes Transplantatversagen ermittelt werden.
Danach ist die chronisch humorale Abstoßung mit über 60 % der Hauptgrund für ein Transplantatversagen.
Weitere Gründe sind das erneute Auftreten der Grunderkrankung und die Polyoma-Virus-Nephropathie
(BK-Virus, humanes Polyomavirus 1).
Betrachtet man die Mortalitätsursachen von Patienten mit funktionierendem Transplantat,
so spielen vor allem kardiovaskuläre Ereignisse, Malignome und – besonders im höheren
Alter – Infektionen eine Rolle, erklärte Prof. Christian Hugo, Dresden. Damit üben
Infektionen sowohl einen wichtigen Einfluss auf die Mortalität und Morbidität der
Patienten als auch auf die Transplantatfunktion selbst aus. Dies spiegelt sich auch
in Zahlen wider: Denn Infektionen sind die zweithäufigste Todesursache nach NTx [
2
], [
3
], [
4
] und kommen in der Frühphase zu etwa 50 % und im Langzeitverlauf zu etwa 25 % vor
[
5
], [
6
].
Infektionskontrolle nach NTx
Die Detektion von Infektionen stellt aufgrund der Symptomarmut und eines rasch progredienten,
oft atypischen Verlaufes bei reduzierter Immunantwort eine besondere Herausforderung
in der Transplantationsmedizin dar, sagte Prof. Ingeborg A. Hauser, Frankfurt am Main.
Eine sofortige Diagnostik oder ein Monitoring und eine frühzeitige aggressive, wenn
möglich präemptive, Therapie sind für eine gute Prognose essenziell. Daneben sollten
nach Ansicht von Hauser Risikogruppen wie Diabetiker, Hepatitis-C-Patienten, Ältere
oder Patienten mit Autoimmunerkrankungen identifiziert werden. Wichtige diagnostische
Instrumente sind neben Differenzialblutbild und CRP (C-reaktives Protein) vor allem
Kulturen und Virus-PCR-Tests (PCR: Polymerase Chain Reaction). Ein früher Marker für
eine Infektion könnte laut Hauser auch der Abfall der CD4-Zellzahl bei Harnwegsinfektionen
und Sepsis sein [
7
].
Unter den Virusinfektionen stehen humane Herpes-Viren (HHV) mit an erster Stelle in
der Häufigkeit. Die CMV-Infektion (HHV5, CMV: Cytomegalovirus) tritt dabei sowohl
im ersten Jahr nach NTx als auch später im Langzeitverlauf auf, erklärte Hauser. Seronegative
Organempfänger (Rezipient: R–) bei seropositiven Spendern (Donor: D+) tragen ein besonders
hohes Risiko [
8
]. Die Folgen einer CMV-Infektion sind eine erhöhte Morbidität und Mortalität sowie
eine Reduktion des Transplantatüberlebens und der Funktionalität [
9
]. Diese organinvasive Erkrankung begünstigt zudem opportunistische Infektionen wie
BK-Virus-assoziierte Nephropathien und steht im Verdacht, ein Trigger für die humorale
Transpantatabstoßung zu sein, so Hauser weiter. Weitere Effekte wie die erhöhte Zahl
von kardiovaskulären Erkrankungen oder ein Post-Transplant-Diabetes mellitus (PTDM)
werden diskutiert [
9
]. Nach Ansicht von Hauser werden CMV-Infektionen in der Langzeitnachsorge bisher
unterschätzt.
Weniger virale Infektionen unter mTOR-Inhibition
Untersuchungen zufolge, scheinen mTOR-Inhibitoren (mTOR: mammalian Target of Rapamycin)
wie Everolimus einen positiven Einfluss auf die CMV-Infektionsraten zu haben: Die
Ursache vermutet die Rednerin in der Wirkungsweise des mTOR-Inhibitors, der die Signaltransduktion
von IL-2 (Interleukin-2) verhindert, die für die späte Virusproteinsynthese von CMV-Viren
verantwortlich ist. Denn unter mTOR-Inhibition wird der TORC1-abhängige Weg der Virusreplikation
blockiert, die Virus-Protein-Synthese bleibt aus.
Neuere Studien zeigen, dass durch die frühe Inhibition der mTOR-Kinase die CMV-Produktion
deutlich reduziert wird, so Hauser weiter. In der multizentrischen, randomisierten,
unverblindeten, kontrollierten Phase-III-Studie A2309 wurden 833 De-novo-Nierentransplantat-Empfänger
zufällig einem von 2 Everolimus-Regimen und einer Kontrollgruppe zugeordnet. Die Everolimus-Regime
unterscheiden sich in ihrer Dosis (3 mg – in Deutschland nicht zugelassen – und 1,5
mg pro Tag), und wurden mit reduziertem Ciclosporin A (CsA) kombiniert. Die Kontrollgruppe
erhielt das Standardregime von Mycophenolsäure (MPA) + Ciclosporin.
Alle Patienten erhielten eine Basiliximab-Therapie vor der Transplantation und an
Tag 4 nach der Transplantation. Steroide wurden, falls erforderlich, nach der Transplantation
gegeben. Die Studie zeigte keinen Unterschied bei bakteriellen Infektionen oder bei
Proteinurie. Allerdings wurde bei den mit Everolimus behandelten Patienten eine geringere
Häufigkeit an viralen Infektionen berichtet, hauptsächlich resultierend aus den geringeren
Berichtsraten an CMV-Infektionen (1,5 % vs. 9,2 %) und BK-Virus-Infektionen (0,7 %
vs. 4,8 %) [
10
]. Diese Daten beziehen sich auf 1,5 mg Everolimus.
Bei einem zweiten Studiendesign, der Callisto-Studie [
11
], wurden Patienten mit Delayed Graft Function (DGF) untersucht. Es zeigte sich, so
Hauser, dass in der De-novo-Everolimus-Gruppe eine geringere Anzahl von Infektionen
auftrat. Im Zusammenhang mit der BK-Virus-Nephropathie verwiesen die Experten zudem
auf die Ergebnisse der randomisierten, prospektiven DIRECT-Studie, wonach eine signifikant
höhere BK-Virurie und -Virämie unter Tacrolimus im Vergleich zu CsA-basierter Immuntherapie
auftraten [
12
].
Niedrig dosierte CsA-Regime: Erhalt der Nierenfunktion bei gleicher Wirksamkeit
Ihr Fazit: Die Studien für Everolimus (Certican®) in Kombination mit einem niedrig dosierten CsA-Regime zeigen einen Erhalt der Nierenfunktion,
ohne die Wirksamkeit zu schmälern [
13
]. Dies spiegelt sich auch in den Empfehlungen der Guidelines wider [
14
]. Neue Studien weisen auf einen zusätzlichen Nutzen von Everolimus hin, wonach der
Einsatz des mTOR-Inhibitors bei niedrig dosiertem CsA bei de novo nierentransplantierten
Patienten zu einer langfristigen Reduktion von CMV- und BK-Virus-Infektionen führt.
Mögliche Vorteile für den Einsatz von Everolimus sind laut Hauser, dass das Absetzen
der CMV-Prophylaxe (laut Fachinformation [
13
] wird eine Prophylaxe empfohlen) bei Nebenwirkungen wie Leukopenie in Erwägung gezogen
werden kann, sich CMV-getriggerte Rejektionen verhindern lassen, weniger späte CMV-Infektionen
auftreten und die BK-Virus-Nephropathie reduziert wird, was letztlich zu einem besseren
Transplantat-Langzeit-Überleben führt, so Hauser in Berlin.
Langzeit-Patienten-Management nach NTx
Neben den genannten Ursachen für einen Langzeitverlust des Nierentransplantats bestehen
empfängerspezifische Faktoren, die sich vor allem in der Komorbidität des Rezipienten
begründen, erklärte Prof. Markus van der Giet, Berlin. Infrage kommen beispielsweise
kardiovaskuläre Erkrankungen, Lipidstörungen, Diabetes oder Hypertonie sowie die Nierenfunktion
selbst. Eine aktuelle Studie konnte zeigen, dass eine Assoziation zwischen Nierenfunktion
und kardiovaskulären Ereignissen und der Gesamtmortalität besteht [
15
]. Danach hatte NTx-Patienten mit einer niedrigen glomerulären Filtrationsrate (GFR
< 45 ml/min/1,73 m2) ein besonders hohes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Das bedeutet im Umkehrschluss:
„Je besser die Nierenfunktion eines Patienten ist, desto länger lebt er“, so van der
Giet in Berlin.
Auch auf die Blutdruckeinstellung sollte nach Ansicht des Redners ein großes Augenmerk
gelegt werden, auch wenn es sich um einen länger bestehenden Hochdruck handele. Ein
weiterer Fokus ist die Beachtung eines Diabetes. Einer Studie [
16
] zufolge hat ein Patient mit einem neu aufgetretenen Diabetes mellitus (NODAT) nach
einer Tx ein schlechteres Überleben, als wenn ein Patienten vorher bereits Diabetes
hatte oder gar keinen Diabetes entwickelt. Ein intensives und wiederholtes Screening
auf Störungen des Glukosemetabolismus vor und nach Transplantation ist daher essenziell.
Hinsichtlich der Fett-Stoffwechsel-Störungen hat, trotz insgesamt geringer Datenlage,
die ALERT-Studie [
17
] gezeigt, dass die Patienten von einer Statinsenkung mit einem längeren Überleben
oder weniger kardiovaskulären Ereignissen profitieren. Dies ist ein deutlicher Hinweis
darauf, dass Lipidstörungen im Rahmen von NTx eine Rolle spielen, so der Redner.
Ein weiteres wichtiges Thema sind Malignome. Es ist bekannt, dass bei Transplantierten
häufiger Tumoren der Haut, Lymphome, aber auch Neoplasien im Bereich Speiseröhre oder
Blase auftreten können, so van der Giet. Hierbei lässt sich möglicherweise die antiproliferative
Wirkung unter einer mTOR-Inhibition nutzen. In einer Studie zeigten sich unter einem
immunsuppressiven Regime mit mTOR-Inhibitoren signifikant weniger De-novo-Malignome,
vor allem Hautkrebs [
18
]. In einer anderen Studie [
19
] profitierten Patienten mit einem nicht melanozytären Hautkrebs von einer Umstellung
auf einen mTOR-Inhibitor. Bei 2 Dritteln der Patienten wurde eine Verbesserung des
Tumorstatus beobachtet, erklärte van der Giet.
Welche Ziele sollte man verfolgen?
Sein Fazit: Neben den Langzeit-Monitoring-Empfehlungen der KDGIO-Leitlinien [
14
] für NTx empfiehlt der Experte, weitere Ziele zu verfolgen:
-
Nierenwert im Verlauf kontrollieren
-
Urinausscheidung kontrollieren
-
frühzeitige Blutdruckkontrolle (RR < 140/80 mmHg)
-
Lipidkontrolle
-
Erkennen prädiabetischer Stadien, adäquate Diabetesbehandlung
-
möglichst Entwöhnung vom Rauchen
-
Vermeiden von Virusinfektionen
-
CMV in der späten Phase nicht übersehen
-
donorspezifische Antikörper checken, da der Patient vielleicht nicht genügend immunsupprimiert
ist
-
Patienten regelmäßig zum Hautarzt schicken
-
Augenkontrolle (wegen der Linsentrübung durch Steroide)
-
regelmäßige übliche Vorsorgeuntersuchen nicht unterlassen
Bettina Baierl MPH, Berlin
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg.
Die Beitragsinhalte stammen vom Symposium „Langzeitergebnisse und Sicherheit innovativer
Immunsuppression nach Nierentransplantation“, 07.09.2014, veranstaltet von der Novartis
Pharma GmbH, Nürnberg, auf der 6. Jahrestagung der DGfN, Berlin.
Die Autorin ist freie Journalistin.