Diagnose
Anamnese
Aufgrund ihrer geringen Inzidenz und ihrer Lokalisation in expandierbarem Weichgewebe
wird die Diagnose eines Weichgewebesarkoms oft sehr spät oder als Zufallsbefund in
Verbindung mit einem anderen medizinischen Problem (z. B. chronisch-venöse Insuffizienz)
gestellt. Diese Tumore werden oft vom Patienten in Verbindung mit einem Trauma wahrgenommen
und deshalb selbst und vom behandelnden Arzt oft als gutartige Läsion unterschätzt.
Meist stellen sich die Patienten mit einer schmerzlosen Schwellung, seltener wegen
schmerzhafter Bewegungseinschränkung von Arm oder Bein in einer medizinischen Einrichtung
vor. Der durchschnittliche Zeitraum vom Erkennen der initialen Symptome bis zur Vorstellung
beim Arzt beträgt für alle Weichgewebesarkome 6 Monate, für Sarkome an den Extremitäten
wahrscheinlich weniger [18]. Es liegt immer ein begründeter Verdacht auf einen malignen Weichgewebetumor vor,
wenn eine Läsion bei der ersten klinischen Untersuchung größer als 5 cm ist, sich
in tiefer Lage befindet, nach 4 Wochen nicht verschwunden ist, oder Symptome, wie
Schmerzen und Parästhesien, zeigt [19].
Klinische Diagnostik
In der Diagnostik von Weichgewebesarkomen wird zunächst eine gründliche körperliche
Untersuchung durchgeführt, die sich nicht nur auf die betroffene Extremität beschränkt
sondern den ganzen Körper einschließt. Die zugehörigen Lymphknoten werden ebenfalls
untersucht, auch wenn eine lymphatische Ausbreitung bei der Mehrheit der Sarkomtypen
ungewöhnlich ist. Der allgemeine Gesundheitsstatus ist in Verbindung mit geplanten
Operationen besonders wichtig für Patienten mit akuten oder chronischen Begleiterkrankungen,
die das Ausmaß der Resektion und der rekonstruktiven Chirurgie beeinflussen können.
Radiologische Diagnostik
Eine konventionelle Röntgenaufnahme spielt in der Diagnostik von Weichgewebesarkomen
kaum eine Rolle, außer bei Knochensarkomen, wie Osteo- oder Chondrosarkomen.
Die MRT (Magnet-Resonanz-Tomografie)- und/ oder CT (Computer-Tomografie)-Untersuchung
stellen dagegen die wichtigsten bildgebenden diagnostischen Methoden für Weichgewebesarkome
dar, um eine detaillierte Ausbreitung des lokalen Herdes bzw. die Infiltration in
benachbarte Strukturen und Gefäßnervenscheiden sowie mögliche hämatogene und lymphogene
Fernmetastasen beurteilen zu können [3]. Mithilfe der Kontrastmittel-Anwendung lassen sich in der MRT vitale und nekrotische
Tumoranteile unterscheiden, was für die Auswahl der Biopsielokalisation wichtig ist.
Die CT ist der MRT überlegen, wenn der Verdacht besteht, dass der Tumor bereits benachbarte
knöcherne Strukturen infiltriert oder zerstört hat, da ein Knochen in der MRT kein
ausreichendes Signal liefert. Thorakale und abdominale CT sind die Diagnoseverfahren
der Wahl für das Staging von „high grade“ Sarkomen und dienen zur Detektion intrapulmonaler
und abdominaler Metastasen. Ein bildgebendes Staging regionaler Lymphknoten wird nur
beim Synovialsarkom, vaskulärem Sarkom, Rhabdomyosarkom sowie bei epitheloidzelligen
und Klarzell-Subtypen empfohlen, bei denen das Risiko einer Lymphknotenbeteiligung
zwischen 10% und 44% liegt [20].
Eine CT-Angiografie ist eine sinnvolle Methode, um den gesamten Gefäßstatus einer
betroffenen Extremität zu bestimmen, eine zugrunde liegende allgemeine Gefäßerkrankung
und die Gefäßversorgung des Tumors, die Gefäßinvasion und einen tumorbedingten Verschluss
zu klären. Sie kann auch wertvolle Informationen über die Durchführbarkeit mikrovaskulärer
Anastomosen und die Gegenwart geeigneter Empfängergefäße, insbesondere bei älteren
Patienten, liefern [3].
Die Kombination von morphologischer und funktioneller Information über den Tumorstoffwechsel
mit der PET-CT hat in den letzten Jahren im Therapiemanagement von Weichgewebesarkomen
an Bedeutung gewonnen.
Die PET-CT wird in ausgewählten Fällen eingesetzt, um die frühzeitige Identifizierung
von Lokalrezidiven im postoperativen Verlauf zu bestätigen. Dagegen wird diese diagnostische
Methode für das präoperative Staging nicht akzeptiert [21]
[22]
[23].
Die Ultraschalldiagnostik ist eine preiswerte, schnelle und schmerzfreie Methode,
die zum Beantworten präoperativer Fragen hilfreich sein kann. Sie hat in der Vergangenheit
zu vielen Zufallsbefunden eines Tumors geführt. Die Anwendung des Ultraschalls in
der Diagnostik von Weichgewebesarkomen erfordert jedoch gut geschulte Ärzte.
Biopsieverfahren
Die Grundlage für eine geeignete operative Therapie eines Weichgewebesarkoms bildet
die histologische Untersuchung des Tumors. Die histologisch gesicherte Diagnose wird
mithilfe von Gewebeproben gestellt, die in den meisten Fällen durch offene Inzisionsbiopsie
gewonnen werden. In der anschließenden histologischen Untersuchung wird die histopathologische
Typisierung durchgeführt und der Malignitätsgrad bestimmt (Grading).
Repräsentatives Biopsiematerial zu erhalten, ist ein kritischer Schritt, der von einem
erfahrenen Chirurgen durchgeführt werden sollte. Vor der Biopsie wird mittels MRT
die Tumorgröße bestimmt und die strategische Vorgehensweise geplant.
Die Gewebeentnahme kann entweder durch eine Nadelpunktion erfolgen oder chirurgisch
durch Inzisions- oder Exzisionsbiopsie. Die sonografisch- oder CT-gesteuerte Feinnadelbiopsie
mit einer Nadelstärke von weniger als einem Millimeter ist eine weit verbreitete sehr
sichere Methode mit einer Komplikationsrate unter 1% [24]. Die Menge des Biopsiematerials ist jedoch sehr klein, reicht häufig nur für eine
zytologische Analyse, und die diagnostische Richtigkeit hängt stark von der Erfahrung
des Pathologen ab. Bei der Stanzbiopsie mit einer Nadelstärke von mehr als einem Millimeter
wird eine größere Gewebemenge mithilfe eines Gewebezylinders entnommen.
Obwohl die Gewebeprobe immer noch zu gering ist, um die umfangreichen histologischen
Untersuchungen durchzuführen, hat die Stanzbiopsie den Vorteil, dass Gewebe aus verschiedenen
Teilen des Tumors gewonnen wird und so ein umfassenderes Bild vom Tumor entsteht [25]. Die sonografisch- oder CT-gesteuerte Stanzbiopsie führt daher in bis zu 90% der
Fälle zu einer korrekten Diagnose von Weichgewebesarkomen, eine Feinnadelbiopsie nur
in 56 – 76% der Fälle [25]
[26]
[27]. In mehreren Zentren werden Stanzbiopsien bei operativ nicht resezierbaren Weichgewebesarkomen
angewendet (z. B. retroperitoneale Läsionen), um den Gewebetyp zu bestimmen und eine
mögliche neoadjuvante Therapie einzuleiten [25].
Der allgemein akzeptierte Standard, um eine sichere präoperative histopathologische
Diagnose von Weichgewebesarkomen zu stellen, ist die Inzisionsbiopsie [28]. Bei dieser Methode werden größere Gewebeproben in Verbindung mit einem chirurgischen
Eingriff entnommen, wobei der Großteil des Tumors in situ belassen wird. Etwa 2 cm3 Gewebe reichen für eine genaue histologische Beurteilung aus. Wichtig ist die Schnittführung,
3–5 cm parallel zur Extremitätenachse, damit bei einer späteren Tumorresektion die
Narbe und die gesamte Operationshöhle entfernt werden und unnötige Probleme bezüglich
der Größe der Defektdeckung vermieden werden können. Die Inzisionsbiopsie ist eine
zuverlässige diagnostische Methode und eignet sich für tiefsitzende subkutane oder
intramuskuläre Tumoren, die größer als 3–5 cm sind.
Mit der Exzisionsbiopsie werden kleine Tumoren von weniger als 3 cm mit einem Sicherheitssaum
von 1 cm vollständig entfernt und stehen für die histologische Untersuchung zur Verfügung
[28].
Bei einem relativ neuen Biopsieverfahren, der Vakuumsaugbiopsie, wird mehr Gewebematerial
für histologische Untersuchungen gewonnen als bei anderen konventionellen Nadelbiopsien.
Dadurch ist die Vakuumsaugbiopsie in Bezug auf das Grading zuverlässiger und wird
zunehmend eingesetzt [28].
Chirurgische Therapie
Art und Zeitpunkt des chirurgischen Eingriffs werden von der multidisziplinären Tumorkonferenz
bestimmt, sobald die Ergebnisse aller diagnostischen Verfahren, der radiologischen
Bildgebung und der Histologie vorliegen. Jede Diagnose muss durch eine Referenzpathologie
überprüft werden, weil aufgrund der Seltenheit und zahlreicher Untergruppen von Weichgewebesarkomen
und nicht selten unzureichendem und nicht repräsentativem Biopsiematerial eine exakte
Diagnosestellung erschwert wird. So konnte zwischen der Erstdiagnose und nachfolgender
referenzpathologischer Untersuchung eine deutliche Diskrepanz in bis zu 70% der Fälle
festgestellt werden [29]. Von besonderer Bedeutung für die Therapieentscheidung bei malignen Tumoren ist
zudem das histologische Grading, das mit dem Metastasierungsrisiko korreliert und
so als wichtiger Prognoseparameter gilt [28].
Das vorrangige Ziel der Operation von Weichgewebesarkomen der unteren Extremität ist
das vollständige Entfernen des Tumors, da dies am ehesten eine komplette Heilung in
Aussicht stellt. Das sekundäre Ziel, ein Bein oder einen Fuß so weit wie möglich zu
erhalten, wird durch die Integration plastisch-rekonstruktiver Operationsverfahren
meistens erreicht. Für die untere Extremität sind dabei Stabilität und Belastbarkeit
wichtiger als die funktionelle Mobilität und Sensibilität. Welche operativen Methoden
zur Anwendung kommen, hängt auch von anderen Faktoren ab, wie von patientenspezifischen
Daten, z. B. Alter, Größe und Gewicht sowie vorbestehenden Begleiterkrankungen (z. B.
arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus und Venenerkrankungen), Medikamenteneinnahme,
früheren Operationen, funktionellen und ästhetischen Ansprüchen sowie von den verfügbaren
rekonstruktiven Optionen.
Tumorresektion
Die weite bzw. radikale Resektion mit ausreichendem Sicherheitsabstand ist heute das
Standardverfahren für die Resektion von Weichgewebesarkomen der Extremitäten. Tumorpositive
Resektionsränder können das Risiko für Lokalrezidive erhöhen und schließlich die Überlebensrate
vermindern [30].
Es gibt keine überzeugenden Studien über exakte onkologisch ausreichende Sicherheitsabstände,
aber viele Zentren empfehlen einen Sicherheitsabstand von 2 cm in die Tiefe und von
4–5 cm zur Seite [18]
[31]
[32]. Diese Resektionsgrenzen können in der Peripherie der unteren Extremität aus anatomischen
Gründen nicht immer eingehalten werden [3]
[33]. Einige Autoren schlagen deshalb einen Sicherheitsabstand von mindestens 1 cm vor,
wenn nicht große Nerven beteiligt sind [26]
[34]. Zudem zeigen retrospektive Studien für knappe R0-Resektionen mit Sicherheitsabständen
von über 1 mm und begleitender adjuvanter Radiatio die Effektivität des Verfahrens
mit Lokalrezidivraten um 10% [34]
[35]
[36]. Nach Recherche der Literatur empfiehlt die Gruppe um Steinau und Mitarb. für die
klinische Praxis in Verbindung mit der Radiatio einen Sicherheitsabstand von 1–2 cm
[33].
Das praktische Vorgehen bei der Tumorresektion wurde durch Enneking wesentlich beeinflusst,
der das Ausmaß der Resektion und die Resektionsgrenzen nach dem biologischen Wachstumsverhalten
der Weichgewebesarkome richtete, das durch das histopathologische Grading, die lokale
Tumorausdehnung und Metastasierung bestimmt wird [37]. Da die Weichgewebesarkome hauptsächlich in ihren Kompartimenten in longitudinaler
Ausbreitung wachsen, schlug er eine Kompartmentresektion vor, bei der alle das Kompartiment
seitlich begrenzenden Gewebe, also auch der Ursprung und der Ansatz des Kompartiments,
mit entfernt werden. Nach Enneking spielen bei der weiten Resektion sichere biologische
Grenzschichten, wie Muskelfaszien, Periost, Gelenkkapsel, Perineurium und Adventitia
eine größere Rolle als ausreichende Sicherheitsabstände zum gesunden Gewebe. Die radikale
Resektion großer Kompartimente verursacht beträchtliche Gewebedefekte und kann größere
operative Rekonstruktionen für den Patienten zur Folge haben. Diese Kompartmentresektion
wird heute noch für Hochrisiko-Sarkome favorisiert [38].
Der Chirurg sollte den Tumor während des Eingriffs weder berühren noch sehen (sog.
„No Touch-Technik“). Außer dem Tumor werden in longitudinaler Richtung 3–4 cm Weichgewebe
(Muskulatur) bzw. die Sehne oder der Ansatz des Kompartiments mit angrenzendem Knochen
mit reseziert [39].
Chirurgische Tumorverletzungen sind zu vermeiden, weil sie durch die Kontamination
des gesunden umgebenden Gewebes mit Tumorgewebe mit einer erheblichen Abnahme der
5-Jahres-Überlebensraten verbunden sind (47% vs. 87% in einer Studie; [40]). Um einen Blutverlust und eine mögliche Kontamination durch Tumorzellverschleppung
zu vermindern, ist eine Blutsperre anzulegen oder eine vorübergehende Okklusion der
großen Gefäße (iliakale und femorale Arterien) mittels Klemmen anzustreben. Weiterhin
sollten frühere Hautinzisionen bzw. Biopsiezugänge mit einem Abstand von möglichst
bis zu 4 cm weit umschnitten werden und eine inzisionsnahe Redon-Ausleitung im Wundwinkel
erfolgen. Es muss gewährleistet sein, dass die Redondrainage bei späteren Operationen
mit entfernt werden kann.
Eine regelmäßige regionale Lymphknotendissektion ist bei Weichgewebesarkomen nicht
indiziert, da nur wenige Sarkomtypen Lymphknotenmetastasen aufweisen. Die Rolle von
Sentinel-Lymphknoten in Hochrisiko-Subtypen von Weichgewebesarkomen ist bisher ungeklärt
[41]
[42].
Mithilfe präoperativer radiologischer Methoden (MR-Angiografie oder CT-Angiografie)
kann die Lage von Gefäßen und Nerven zum Tumor bestimmt und das chirurgische Vorgehen
bezüglich beteiligter und benachbarter Gefäße und Nerven geplant werden. Im Fall einer
Gefäßinfiltration oder einem tumorbedingtem Gefäßverschluss müssen die betroffenen
in den Tumor eingebundenen Gefäße reseziert werden. Um die arterielle Durchblutung
der unteren Extremität nach Tumorentfernung wiederherzustellen, müssen Hauptarterien
möglichst sofort durch Veneninterponate oder Gefäßprothesen rekonstruiert werden.
Venentransplantate für die Rekonstruktion großer Venen sollten wegen des Thromboserisikos
nur für ausgewählte Patienten verwendet werden.
Wenn tiefe volumenstarke Venen in der Nähe des Tumors reseziert werden müssen, sollten
oberflächliche größere Venen mit ihren subkutanen Abflussgebieten möglichst erhalten
werden, um die Gefahr von Lymphödemen zu minimieren. Während der Präparation gelingt
es häufig, kleine Muskel- oder Hautgefäße zu erhalten, welche die Wundheilung unterstützen
und als Anschlussstellen für Hautlappenplastiken dienen.
Die gleiche Dissektionsstrategie wird auch auf große Nervenstrukturen an der unteren
Extremität angewendet. Alle vom Tumor eingeschlossenen Nerven müssen reseziert werden.
Kleinere Nervenstrukturen sollten erhalten werden, um motorische Funktionen zu verbessern.
Maligne Weichgewebesarkome wachsen relativ häufig in der Nähe von Knochen, eine Arrosion
oder Infiltration des Knochens findet man dagegen sehr selten. Bei knochennahen Sarkomen
verbleibt das Periost als Grenzschicht am Resektat.
Eine Tumornachresektion nach auswärtiger Voroperation ist onkochirurgisch schwierig.
Da in einem solchen Fall makroskopische Tumorreste im Bereich des ursprünglichen Sarkoms
vermutet und eine iatrogene Tumorzellverteilung im eröffneten Gewebe erwartet werden
kann, ist aus onkologischer Sicht ein radikaler operativer Eingriff erforderlich [39]. Das chirurgische Vorgehen entspricht daher einer weiten gegebenenfalls kompartiment-orientierten
Resektion. Im Vorfeld sollte der histologische Tumorbefund durch einen eigenen Pathologen
bestätigt und das gesamte Behandlungskonzept in der interdisziplinären Tumorkonferenz
besprochen werden. Bei einem G2-/G3-Sarkom mit radiologisch nachgewiesenem Resttumor
ist eine Vorbehandlung sinnvoll. Bei der anschließenden operativen Revision müssen
alle durch die Vorbehandlung potenziell kontaminierten Gewebe reseziert werden. Daraus
resultiert ein größerer Gewebedefekt mit aufwendigen plastischen Rekonstruktionen
[39].
Rekonstruktionsverfahren
Ziel der Rekonstruktion ist ein größtmöglicher Funktionserhalt der Extremität und
ein ästhetisch zufriedenstellendes Ergebnis. Im Bereich der unteren Extremität ist
die Belastbarkeit wichtiger als die Mobilität und der Erhalt der Sensibilität in Bein
und Fuß weniger relevant als im Bereich der oberen Extremität. Jeder Wundverschluss
mit plastischer Defektdeckung dient dazu, große Hautdefekte nach Sarkomresektion abzudecken
und exponierte Knochenvorsprünge, Gelenke oder Amputationsstümpfe zu bedecken. Eine
suffiziente Weichteilwiederherstellung mit spannungsfreiem Wundverschluss führt zudem
zu weniger Wundheilungsstörungen nach postoperativer Radiatio.
Der Primärverschluss ist abhängig von der Tumorgröße und der Lokalisation. Am Oberschenkel
ist nach Sarkomresektion häufig ein Primärverschluss möglich, während diese Methode
zum Wundverschluss im Bereich des Knies und am Unterschenkel gewöhnlich nicht angewendet
werden kann [3]. Der Primärverschluss sollte mehrschichtig und möglichst spannungsfrei erfolgen
mit besonders sorgfältigen Subkutan- und Hautnähten ([Abb. 1]). Auf diese Weise werden die Serom- und Hämatombildung und Dehiszenzen sowie Wundheilungsstörungen
vermieden, die den Beginn einer adjuvanten Radiotherapie verzögern können.
Abb. 1 a 57-jährige Patientin mit pleomorphem Sarkom G3 rechter medialer Oberschenkel. b Nach neoadjuvanter Chemotherapie und Tumorverkleinerung erfolgt 8 Wochen post operationem
die radikale Tumornachresektion („wide exzision“). c Die Arteria und Vena femoralis mussten aufgrund der ursprünglichen Turmorausdehnung
reseziert werden. Der OP-Situs konnte primär verschlossen werden. d Intraoperativer Situs nach radikaler Tumorresektion sowie Rekonstruktion der Arteria
femoralis durch ipsilaterales Vena saphena-Interponat. e Ergebnis ein Jahr post operationem nach erfolgter. Radiatio.
Wenn ein Primärverschluss nicht infrage kommt, ist gegebenenfalls die Verlagerung
benachbarten Gewebes möglich, d. h. die spannungsfreie Abdeckung kleiner Defekte mit
fasziokutanen Lappenplastiken. Vorteile dieser Methode sind die geringe Hebemorbidität
und die geringe Belastung für den Patienten.
Eine Spalthauttransplantation wird verwendet wenn sich der Defekt auf die Oberfläche
beschränkt, ein gut perfundiertes Wundgewebe vorliegt und keine Knochen, Knorpel,
Sehnen, Nerven oder Blutgefäße freiliegen. Vorteile dieser Technik sind die geringe
Hebemorbidität und schnelle Durchführbarkeit. Jedoch ist Spalthaut vulnerabel und
strahlenempfindlich.
Zum Decken von Defekten im Oberschenkelbereich haben sich gestielte Lappenplastiken
(fasziokutane Lappen und Muskellappen mit oder ohne Hautinsel aus dem tiefen unteren
Oberbauch-Arteriensystem des unteren Abdomens oder aus dem Glutealbereich) bewährt
([Abb. 2]). Vorteile dieser Lappenplastiken sind die sichere Durchblutung über den Gefäßstiel
und die suffiziente Dicke. Allerdings können bei verschiedenen Lappenentnahmestellen
funktionelle und ästhetische Einschränkungen zurückbleiben.
Abb. 2 a, b Großer intramuskulärer Tumor im proximalen linken Oberschenkel, hoch verdächtig auf
ein Weichteilsarkom. Der Tumor liegt nah der Femoralgefäße, der Nervus femoralis kann
im MRT nicht lokalisiert werden. c Nach der Inzisionsbiospie wird die Tumorresektion inklusive der beteiligten Muskulatur
geplant. d Resektionspräparat inklusive Tumor (Ausmaße: 23×18×20 cm). e Der Nervus femoralis wurde vom Tumor ummantelt und musste nach onkologisch-chirurgischen
Prinzipien reseziert werden. f Deckung mit einem kontralateralen, gefäßgestielten muskulokutanen Rectus abdominis
Muskellappen (30×18 cm). Zusäzlich erfolgte eine motorische Ersatzoperation mit M.
semitendinosis und M. biceps femoris zur Kniestreckung. g Klinisches Ergebnis 2 Jahre post operationem.
Für Defektdeckungen am Oberschenkel, am Knie, im Poplitealbereich und am proximalen
Unterschenkel kommt häufig der M. gastrocnemius zur Anwendung, der voluminös genug
ist, um größere Defekte abzudecken ([Abb. 3]). Zudem kann der sehnige Anteil zur Rekonstruktion von Bändern und Sehnen dienen.
Der Kraftverlust für die Beugung im Sprunggelenk beläuft sich auf 20% [43], der Hebedefekt ist gering. Für Defektdeckungen am Unterschenkel und Fuß kommt u. a.
auch der Suralislappen infrage. Dieser fasziokutane Lappen gilt bei Patienten mit
guter Durchblutungssituation am Unterschenkel als relativ sicheres Verfahren. Vorteil
des Suralislappen ist die einfache Präparation, der Nachteil sind häufige venöse Abstromprobleme
[43].
Abb. 3 a 55-jährige Patientin mit undifferenziertem pleomorphem Sarkom im Bereich der rechten
Kniekehle. b Zustand nach auswärts erfolgter Inzisionsbiopsie: es erfolgt die „wide excision“.
c Die Arteria und Vena poplitea sowie der Nervus tibialis konnten nach entsprechendem
Stripping-Technik erhalten werden. d Die Defektdeckung erfolgte mittels proximal gestieltem medialem Gastrocnemiuslappen,
das Bild zeigt den gehobenen Muskellappen. e Ergebnis 3 Jahre nach Operation.
Wenn gestielte Lappenplastiken nicht ausreichen oder das zu transplantierende Gewebe
mit dem zugehörigen Gefäßstiel durch Voroperationen oder Bestrahlung geschädigt wurde,
sind freie Lappenplastiken indiziert. Bei großen Defekten kommt die Latissimus-dorsi-Lappenplastik
zur Anwendung. Alternativ wird die Anterolateral-Thigh-Lappenplastik (ALT) verwendet.
Für die untere Extremität kommen nach Weichgewebesarkom-Resektion auch häufig der
Radialis-, Paraskapular- und Grazilislappen zum Einsatz ([Tab. 5], [Abb. 4]). Eine Unterart der gestielten und freien Lappenplastiken stellen die Compound-Lappen
dar, die in einem Transplantat mehrere Gewebearten kombinieren (Composite-Lappen,
Chimärenlappen).
Abb. 4 a Zustand nach auswärtiger Exzisionsbiospie eines myxofibroiden Sarkomes des rechten
Fußrückens bei einem 47-jährigen Patienten. b Operationssitus nach radikaler Tumornachresektion. c Ein anterolateraler Oberschenkellappen (ALT) wurde zum optimalen Gleiten der exponierten
Sehnen als adipofasziokutanes Transplantat präpariert. d Funktionelles Ergebnis mit ästhetisch ansprechendem Resultat 8 Monate post operationem.
Tab. 5 Häufig verwendete freie und gestielte Lappen für die untere Extremität.
A. Freie Lappenplastiken durch Defektdeckung an der unteren Extremität
|
Latissimus-dorsi-Lappen
|
Anterolateraler Oberschenkel-Lappen
|
Radialis-Lappen
|
Paraskapular-Lappen
|
Grazilis-Lappen
|
lateraler Oberarmlappen
|
B. Gestielte Lappenplastiken durch Defektdeckung an der unteren Extremität
|
Vertikaler rectus-abdominis-myocutaner Lappen (VRAM)
|
Perforatorlappen
|
Gastrocnemius
|
Suralislappen
|
Propellerlappen
|
Mithilfe mikrochirurgischer Techniken können auch aus Radikalitätsgründen resezierte
Knochen mit und ohne Weichgewebe verpflanzt werden. Breite Anwendung finden der Skapulaknochen
in Verbindung mit einer Latissimus-dorsi-Lappenplastik und die freie mit Hautinsel,
die zur Stabilisierung der distalen Tibia transplantiert wird. Auch Kombinationstechniken,
bei denen eine vaskularisierte Fibula in ein knöchernes Allotransplantat eingebracht
wird [44], haben viel versprechende Resultate bei nach Resektion eines Weichgewebesarkoms
zusätzlich vorhandenen ausgedehnten Skelettdefekten gezeigt [45], [Abb. 5]
[6].
Abb. 5 a Zweites Rezidiv eines pleomorphen Sarkoms des linken Unterschenkels bei einer 65-jährigen
Patientin mit Osteolyse der Tibia (MRT). b, c Intraoperativer Situs mit Resektion von 16cm Tibia einschließlich Tumor und Weichteilgewebe.
d Knochenrekonstruktion mit ipsilateral gestielter Fibula und Allograft. e Osteosynthese durch winkelstabile Platte und Allograft (Technik nach Capanna R, et
al. [44]). f Defektdeckung mittels freiem ALT-Lappen. g Röntgenverlaufskontrolle 6 Monate post operationem mit zunehmender knöcherner Durchbauung.
Abb. 6 a MRT eines Jungen mit Tumor am rechten Fußrücken wenige Tage post partum. b Zustand nach Inzisionsbiopsie 3 Wochen post partum, die Histologie ergab ein kongenitales
Rhabdomyosarkom. c Intraoperativer Situs mit „wide exzision“ bis auf die knöchernen Strukturen und Resektion
aller Strecksehnen nach neoadjuvanter Chemotherapie. d Resektionsdefekt 5×7 cm nach Öffnen der Blutsperre. Es erfolgte bis zum histologischen
Status R0 eine temporäre alloplastische Weichteildeckung. e Die Defektdeckung erfolgte mit einem freien Latissimus dorsi Lappen. Die Rekonstrukion
der Strecksehnen erfolgte mittels Transplantation der oberflächlichen Zehenstrecker
der Gegenseite (aus Zitat [46]: Germann G, Waag KL, Selle B et al. Microsurgery 2006; 26: 429–431). f Ergebnis 11 Jahre nach Tumorentfernung und Latissimus dorsi Transplantation. Der
Patient verfügt über eine freie Funktion am rechten Fuß. Zu einem Tumorrezidiv kam
es nicht.
Hauptsächlich bei jungen Patienten werden nach großen Sarkomresektionen auch Nerven
transplantiert, insbesondere der N. suralis. Dabei wird die End-zu-Seit-Naht von Nerventransplantaten
an intakte Nerven zur schnelleren Reinnervation bevorzugt.
Primäre Amputationen für die Behandlung von Sarkomen der unteren Extremität sind bei
weniger als 5% aller Patienten und weniger als 15% aller Rezidive notwendig, wobei
sie ein vergleichbares Langzeitüberleben zeigen [18]
[31]
[47]. Die Indikation zur Amputation ist dann zu erwägen, wenn ein Weichgewebesarkom die
Membrana interossea der unteren Extremität durchbricht, schon eine lokoregionale Ausbreitung
zeigt oder sehr große ulzerierte Rezidivtumore aufweist.
Auch wenn chronische Begleiterkrankungen, wie chronische Veneninsuffizienz oder arteriosklerotische
Verschlusskrankheit, eine Tumorentfernung mit tumorfreien Resektionsrändern und eine
sofortige Defektrekonstruktion ausschließen, kann eine Amputation unumgänglich sein.
Eine Alternative dazu stellt eine Segmentamputation dar, bei der nach Tumorresektion
der unversehrte distale Extremitätenteil mittels Osteosynthese mit dem proximalen
Extremitätenteil verbunden wird. Bei der sog. Borggreve-Plastik wird der Unterschenkel
um 180° verdreht mit dem Oberschenkel osteosynthetisch verbunden (Umkehrplastik),
sodass sich die Ferse auf Kniehöhe befindet und dadurch die Prothesenversorgung verbessert
wird [43].
Ergebnis und Chemotherapie
Die Radiatio ist heute die wichtigste zusätzliche Behandlungsmodalität in der Therapie
von Weichgewebesarkomen. Eine präoperative (neoadjuvante) Strahlentherapie bei großen
Tumoren führt zu einer Tumorverkleinerung (Downstaging) und damit zu einer besseren
Resektabilität. Zudem reduziert sie eine potenzielle Tumoraussaat. Nachteile der präoperativen
Bestrahlung im Vergleich zur postoperativen (adjuvanten) Radiotherapie sind eine höhere
Rate von Wundheilungsstörungen, die mikrochirurgische Rekonstruktionen wegen der schlechteren
Gewebequalität beeinträchtigen.
Die prä- und postoperative Chemotherapie wird bei Patienten mit lokal fortgeschrittenen
Weichgewebesarkomen angewendet. Die Rolle beider Therapieformen wird in klinischen
Studien (EORTC, COSS, EURO-Ewing) untersucht. Durch Chemotherapien werden mikrochirurgische
Rekonstruktionsverfahren nicht negativ beeinflusst. Gegebenenfalls werden Kinder mit
moderner Chemotherapie zunächst neoadjuvant behandelt. Besonders die neoadjuvante
isolierte Extremitätenperfusion mit TNF alpha und Melphalan gilt heute als eine leistungsstarke
Möglichkeit der Tumorreduktion.
Ergebnis und Prognose
Um das Outcome von Patienten mit Weichgewebesarkomen an den Extremitäten zu optimieren,
ist es hilfreich, solche Patienten in spezialisierten Zentren nach einem multimodalen
Konzept zu behandeln. Ähnlich wie bei anderen seltenen malignen Tumoren, hat sich
gezeigt, dass die Behandlung durch erfahrene Chirurgen sowie die Einbindung des Patienten
im Rahmen seiner Erkrankung in ein Tumorboard das Ergebnis bzw. die Prognose verbessert
[48]. Primäre Resektion und Rekonstruktion sind als voneinander abhängige Komponenten
des Behandlungskonzepts gemeinsam zu planen, um die Lokalrezidivrate, das Überleben
oder die Funktion der Extremität nicht zu beeinträchtigen oder zu gefährden. Eine
Rekonstruktion im Zuge der Tumorresektion führt zu deutlich geringeren Komplikationsraten
und verkürzt die Heilung gegenüber sekundären Eingriffen [49].
Wichtige Prognosefaktoren von Weichgewebesarkomen sind neben bestimmten histopathologischen
Subtypen auch Tumortiefe, Tumorgröße, Tumorgrading, Lokalisation (proximal vs. distal),
Resektionsränder, Patientenalter und Gesundheitsstatus bei Vorstellung. Daraus ergeben
sich für diese heterogene Gruppe maligner Erkrankungen sehr unterschiedliche Prognosen.
Die aktuelle altersangepasste Todesrate für Weichgewebesarkome, die auf Daten von
2001 bis 2005 basiert, liegt bei 1,3 pro 100 000 pro Jahr [2].
Es liegen relativ wenige Untersuchungen zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität von
Patienten mit Weichgewebesarkomen der unteren Extremität vor. Eine deutsche Studie
verglich die Lebensqualität (EORTC QLQ-C30) von 124 Patienten, die von 1980–2000 entweder
extremitätenerhaltend operiert oder amputiert wurden [50]. Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 46 Monaten waren die funktionellen
Ergebnisse (MSTS-Score) nach Extremitätenerhalt tendenziell besser, während sich keine
Unterschiede in der Lebensqualität zeigten.