Schlüsselwörter
hochauflösender Ultraschall - peripherer Nerv - Engpasssyndrome - Nerventrauma - periphere
Nervenscheidentumore - Polyneuropathie
Key words
high-resolution ultrasound - peripheral nerve - entrapment-syndrome - injuries of
the peripheral nerves - tumours of the peripheral nerve sheath - polyneuropathies
Einführung
Mehr als 2 Jahrzehnte nach der Erstbeschreibung der sonografischen Darstellung peripherer
Nerven bzw. von deren pathologischen Veränderungen im MRT haben beide Methoden eine
zunehmende Bedeutung in der klinischen Routine erlangt [1-4]. Diese Tatsache spiegelt
sich auch in der wachsenden Zahl an publizierten wissenschaftlichen Arbeiten wieder.
Als komplementäre Untersuchungen liefern sie wichtige Informationen über die Morphologie
des peripheren Nervensystems, die exakte Lokalisation von pathologischen Prozessen
und in vielen Fällen auch über die Ursache einer Nervenläsion. Beide Verfahren ersetzen
jedoch keinesfalls die genaue Anamneseerhebung und klinische Untersuchung und dienen
daher genauso wie die Elektrophysiologie hauptsächlich zur Sicherung der vermuteten
Diagnose. Kontinuierlich verbesserte Ultraschallgeräte und Linearsonden ermöglichen
nicht nur die Abbildung sehr kleiner peripherer Nerven, zervikaler Nervenwurzeln und
des Plexus brachialis, sondern auch die Anwendung des hochauflösenden Ultraschalls
im Zusammenhang mit neuen Untersuchungsverfahren. Exemplarisch hierfür soll die Darstellung
der Mikrovaskularisation (z. B. Superb Micro Vascular Imaging=SMI, Toshiba Medical
Systems), der Gewebeperfusion nach Gabe von Ultraschall-Kontrastverstärker (Contrast
Enhanced Ultrasound=CEUS) und schließlich die quantitative Steifigkeitsmessung von
Geweben mittels Scherwellenelastometrie (z. B. Virtual Touch™ Tissue Quantification,
Siemens AG) genannt werden. Besonders die letztgenannte Methode hat in Vorläuferstudien
vielversprechende Ergebnisse bei der Diagnostik von Weichteilraumforderungen und Engpasssyndromen
generiert [5,6]. Darüber hinaus eignet sich die Sonografie auch zur ultraschallgestützten
Therapie neuropathischer Schmerzen (gepulste Radiofrequenz-Ablation, Kryoablation,
periphere Nervenstimulation) und wird bereits seit längerer Zeit in der Regionalanästhesie
eingesetzt [7-12]. Diese Übersichtsarbeit versucht den aktuellen Kenntnisstand über
Methodik und Anwendungsmöglichkeiten der Nervensonografie zusammenzufassen.
Untersuchungstechnik und Normalbefunde
Untersuchungstechnik und Normalbefunde
In der Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM)
wird als technischer Mindeststandart für die Nervensonografie ein Ultraschallsystem
mit einem 10 MHz Linearschallkopf empfohlen [13]. Schon damit erreicht man gute axiale
und laterale Auflösungen von 0,2 vs. 0,6 mm [14]. Aktuelle Geräte werden meist mit
Multifrequenzlinearsonden bis 18 (22) MHz ausgeliefert, womit sich das Auflösungsvermögen,
wenn auch nicht proportional, weiter steigern lässt. Das hat allerdings zur Folge,
dass aus physikalischen Gründen die Eindringtiefe des Ultraschalls im Gewebe mit zunehmender
Sendefrequenz abnimmt [14]. Tief liegende Strukturen (> 5 cm) können deshalb nicht
mit voller Auflösung untersucht werden. Nach der Erfahrung des Autors sind Multifrequenzschallköpfe
von den Firmen häufig nur auf den obersten Frequenzbereich optimiert, sodass es sinnvoll
sein kann, sich mehrere Linearschallköpfe (z. B. 18 und 10 MHz) zuzulegen. Neben der
richtigen Sondenauswahl ist das eingesetzte Bildbearbeitungsverfahren von entscheidender
Bedeutung. Zur besseren Erkennbarkeit von Gewebegrenzen und zur Artefaktreduktion
wird ein Echtzeit-Compound-Imaging verwendet, welches unter verschiedenen Winkeln
aufgenommene Einzelscans desselben Objektes zu einem endgültigen Bild verrechnet [3,4].
Darüber hinaus bieten die unterschiedlichen Hersteller besonders bei High-End-Systemen
weitere Verfahren zur Bildverbesserung an, auf die hier im Einzelnen nicht eingegangen
wird. Eine weitere Steigerung der Abbildungsleistung lässt sich durch die Verwendung
von Wasservorlaufstrecken (alternativ viel Ultraschallgel), durch einen streng senkrechten
Insonationswinkel und durch die ständige Positionierung des elektronischen Fokus in
Höhe des Untersuchungsobjektes erreichen [3,4]. Außerdem können in den Presets (Small-Parts)
meist weitere Bildoptimierungen (z. B. dynamischer Bereich) vorgenommen werden. Das
Aufsuchen der peripheren Nerven und Nervenwurzeln erfolgt durch die Landmarkentechnik,
welche gute Kenntnisse in der sonografischen Schnittbildanatomie voraussetzt [3,4].
Einen Überblick über häufiger und weniger häufig untersuchte Nerven und deren Landmarken
zum Aufsuchen geben die [Tab. 1a] und [Tab. 1b] [15-40]. Die weiter oben genannten Werte für das axiale und laterale Auflösungsvermögen
erklären, warum sich mit derartigen Ultraschallsystemen einzelne Faszikel und das
Hüllgewebe (Peri- und Epineurium), nicht jedoch einzelne Axone oder das Endoneurium
sonografisch darstellen lassen. Folglich ähnelt im Querschnitt ein peripherer Nerv
einer Honigwabe mit hypoechogenen Faszikeln und hyperechogenem Hüllgewebe, im Längsschnitt
erinnert er eher an eine kabelartige Struktur [41,42]. Der Anteil an Hüllgewebe und
die Zahl der Faszikel nimmt mit zunehmender Differenzierung von proximal nach distal
zu [43]. Ein Beispiel zeigt [Abb. 1]. Neben den o. g. Hauptscanebenen, in denen alle krankhaften Veränderungen entweder
als Einzelimage oder Videoloop dokumentiert werden sollten, lässt sich der periphere
Nerv unter beliebigen anderen Insonationswinkeln untersuchen und auch dynamische Betrachtungen
(aktive und passive Verschiebbarkeit) sind möglich [3,4]. Darüber hinaus können im
B-Bild eine Reihe von quantitativen Messungen vorgenommen werden, wie z. B. die Bestimmung
des Nervendurchmessers und der Nervenquerschnittsfläche (Cross Sectional Area=CSA).
Letztere hat sich inzwischen allgemein als diagnostischer Standard etabliert und wird
durch Umfahren der Grenze zwischen hypoechogenen Faszikeln und hyperechogenem Hüllgewebe
bestimmt [29]. Von dieser Größe existieren eine ganze Reihe Derivate für die Diagnostik
von Engpasssyndromen und Polyneuropathien (Swelling-Ratios, inter- und intranerve
CSA – Variability), die sich in der klinischen Routine bisher nur zum Teil durchgesetzt
haben [44-47]. Die Messung der Nervenquerschnittfläche weist eine gute intra- und
interrater Reliabilität auf [27,29]. In größeren prospektiven Normwertstudien wurden
darüber hinaus einige Zusammenhänge der Nervenquerschnittsfläche mit verschiedenen
demografischen Faktoren herausgearbeitet. Es existiert eine positive Korrelation mit
dem Alter [47-51] und dem Body-Mass-Index [22,48,50,52]. Männer haben eine größere
Nervenquerschnittsfläche als Frauen [29, 47-51,53,54]. Einige Autoren berichten darüber
hinaus über eine positive Korrelation mit Körpergröße [22,52,54] und –Gewicht [47,52,54].
Noch bedeutsamer, insbesondere bei Anwendung von „Cut-Off“ Werten für die Diagnostik
von Engpasssyndromen aus asiatischen Studien auf unsere Patienten scheint die Tatsache,
dass sich die Nervenquerschnittflächen dieser Populationen unterscheiden [55]: In
Nordamerika und Europa weisen die Kontrollen am N. medianus größere physiologische
Grenzwerte auf, als in Asien ([Tab. 2]) [27,29,53,55-58]. Diverse Normwerte können den [Tab. 1a,] [b] entnommen werden. Auf weitere Untersuchungsmöglichkeiten (Farbdoppler usw.) wird
in den folgenden Unterabschnitten näher eingegangen.
Abb. 1 Normale Sonoanatomie des peripheren Nervs. Oben axiale Scans des N. medianus (Pfeilköpfe)
von der Axilla (rechts) bis zum Karpaltunnel (links). Beachte die zunehmende Anzahl
der Faszikel von proximal nach distal. Unten Längsschnitte in Höhe Karpaltunnel (links)
und am Unterarm rechts. Pfeilköpfe N. medianus.
Tab. 1a Nerven, anatomische Landmarken und Normwerte des CSA (mm2) bzw. des Anterior-Posterioren Durchmessers (mm)±Standardabweichung Kopf, Hals und
obere Extremität. (R=Range), [15-40].
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Nerv
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Landmarke
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Normwerte
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Referenzen
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N. vagus
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Vagina carotica zwischen A. carotis communis und V. jugularis interna
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?
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Le Corroller T et al. 2009
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N. accessorius
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Austritt aus dem Hinterrand des M. sternocleidomastoideus oder Eintritt in den Vorderrand
des M. trapezius
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0,76±0,12 mm
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Mirjalili SA et al. 2012
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N. phrenicus
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Auf dem Vorderrand des M. scalenus anterior, A. cervicalis ascendens
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?
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Canella C et al. 2010
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N. auricularis magnus
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Zwischen Platysma und M. sternocleidomastoideus, ventral am „Punctum nervosum“
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1,4 ± 0,30 mm
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Lieba-Samal D et al. 2014
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Nn. supraclaviculares
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Unter Hinterrand des M. sternocleidomastoideus, „Punctum nervosum“
|
?
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Herring AA et al. 2012
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Rami ventrales C5–C8
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Interscalenärer Raum (M. scalenus anterior und -medius), Lokalisation durch Anzahl
d. Tubercula der Processus transversus: C5 und C6-oberfl. Lage in der interscalenären Grube, Processus transversus mit vorderem
und hinterem Tuberkel C7-Processus transversus nur mit hinterem Tuberkel C8-keine Tuberkel, auf der ersten Rippe
|
(C5-C8) 5,66±1,02 8,98±1,65 10,43±1,86 10,76±2,02 mm2
|
Zheng M et al. 2014, Lapegue F et al. 2014, Won SJ et al. 2012
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Plexus brachialis
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Supraclaviculär lateral der A. subclavia über Pleura und erster Rippe, infraclaviculär
unter Mm. pectorales Truncus superior Truncus medius Truncus inferior
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mm2
16,70±2,88 14,01±2,70 13,75±2,57
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Zheng M et al. 2014, Lapegue F et al. 2014, Won SJ et al. 2012
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N. thoracicus longus
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Ursprung aus C5-(C7)/Truncus superior, durchbohrt den M. scalenus medius, lat. des
Plexus, 2. Zacke des M. serratus anterior
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1,6 ± 0,3 mm
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Lieba-Samal D et al. 2014
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N. suprascapularis
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Ursprung aus C5/C6/Truncus superior, Verlauf oberfl. auf M. scalenus medius, lateral
des Plexus, unter M. omohyoideus
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1,9–2,0 mm2
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Battaglia PJ et al. 2013
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N. axillaris
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(A) Arm in Eversions- und Abduktionsstellung: Hiatus axillaris lateralis neben der
A. circumflexia humeri posterior (B) Dorsaler Zugang: Neurovaskulärer Raum zwischen M. teres minor, M. deltoideus,
M. triceps und Humerusschaft:
|
?
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Gruber H et al. 2014, Rothe C et al. 2011
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N. musculocutaneus
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Durchbohrt den M. coracobrachialis, weiterer Verlauf im M. biceps und brachialis,
sens. Endast: N. cutaneus antebr. lat.
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4,2±2,0 mm2
(Coracobr.)
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Tagliafico A et al. 2013
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N. radialis
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Axilla – begleitet die A. brachialis profunda Oberarm – Canalis spiralis des Humerus Ellenbeuge – zwischen M. brachioradialis und -brachialis R. Profundus – im M. supinator über Radius R. superficialis – ab Teilung bis zum Handgelenk verfolgen
|
– 7,2±2,9 mm2
6,2±3,1 mm2
2,3±1,3 mm2
2–3 mm²
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Tagliafico A et al. 2013, Marx SC et al. 2011
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N. medianus
|
Axilla – zwischen A. axillaris und M. coracobrachialis (ventral) Oberarm – A. brachialis, ventral im Sulcus bicipitalis medialis Ellenbeuge – A. brachialis/Teilung, unter M. pronator teres Unterarm – zwischen oberfl. und tiefen Fingerflexoren Carpaltunnel – Os lunatum, Os pisiforme
|
– 8,9±1,8 mm2
5,5±2,2 mm2
5,7±1,3 mm2
8,2±2,3 mm2
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Boehm J et al. 2014, Tagliafico A et al. 2013
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N. ulnaris
|
Oberarm – auf medialem Tricepskopf Sulcus – Epicondylus medialis/Olecranon Unterarm – A. ulnaris Handgelenk – Os pisiforme
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6,3±1,7 mm2
7,6±1,2 mm2
5,2±1,3 mm2
3,1±1,0 mm2
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Boehm J et al. 2014, Tagliafico A et al. 2013
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Fingernerven (volar)
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Begleitgefäße oder Tracing vom Hauptstamm des N. ulnaris/medianus
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1,1±0,01 mm
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Kessler JM et al. 2012
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N. cutaneus antebrachii lateralis
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distale Bicepssehne/Vena cephalica (Oberarm)
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3,3 mm2
(R=1,9–5,2)
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Chiavaras MM et al. 2014
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N. cutaneus antebrachii medialis
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Begleitgefäß Vena basilica (Oberarm)
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2,5±0,4 mm
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Thallaj A. 2011
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R. dorsalis n. ulnaris
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Abgang aus dem N. ulnaris am Unterarm (neben der A. ulnaris)
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1,6 mm2
(R=1,1–2,2)
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Le Corroller T et al. 2013
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Tab. 1b Nerven, anatomische Landmarken und Normwerte des CSA (mm2) bzw. des Anterior-Posterioren Durchmessers (mm)±Standardabweichung Bauchwand und
untere Extremität. (R=Range), * Mittelwert/Standardfehler, [15-40].
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Nerv
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Landmarke
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Normwerte
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Referenz
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N. iliohypogastricus N. ilioinguinalis N. genitofemoralis
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Sonde senkrecht zum Leistenkanal sowie kranial und hinter der Spina iliaca anterior
superior – 3-eck zwischen Beckenkamm sowie M. obliquus internus abdominus und M. transversus
abdominis, Begleitgefäß A. circumflexa ilium profunda Ramus genitalis n. genitofem. im Leistenkanal
|
?
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Soneji N et al. 2013
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N. cutaneus femoralis lateralis
|
Intermuskulärer Raum zwischen M. tensor fasciae latae und M. sartorius
|
1,04±0,44 mm2
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Zhu J et al. 2012
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N. femoralis
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In Höhe Leistenband lateral der A. femoralis zwischen den Blättern der Faszia iliaca
auf dem M. iliacus
|
*15,2/2 mm2
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Tagliafico A et al. 2012
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N. obturatorius
|
– In Höhe Leistenband medial der V. femoralis/M. pectineus – vorderer Ast zwischen M. adductor longus und -brevis – hinterer Ast zwischen M. adductor brevis und -magnus – Hauptast zwischen M. pectineus und M. adductor long.
|
AP Diameter 1,4±0,6 mm 1,7±0,6 mm 2,7±1,2 mm
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Soong J et al. 2007, Simeoforidou M et al. 2013
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N. saphenus
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Distaler Oberschenkel – zwischen M. sartorius und M. vastus medialis, Begleitgefäß
A. femoralis Knie/Unterschenkel – Vena saphena magna
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*1,5/6 mm2
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Saranteas T et al. 2011, Tagliafico A et al. 2012
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N. ischiadicus
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Proximal – unter M. gluteus maximus und M. piriformis Distal – Fossa poplitea (Bifurkation in N. tibialis und fibularis)
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*41,2/15 mm2
*33,1/7 mm2
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Tagliafico A et al. 2012
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N. tibialis
|
Proximal – Fossa poplitea/Bifurkation N. ischiadicus/A. tibialis Distal – Tarsaltunnel, A. tibialis posterior
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*9,9/6 mm2
*9,6/4 mm2
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Tagliafico A et al. 2012
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N. suralis
|
Prox. – Fossa poplitea, Verlauf zwischen den Köpfen des Gastrocn. Distal – lateral Archillessehne, Vena saphena parva
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1,8±0,6 mm2
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Boehm et al. 2014
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N. peroneus communis
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Ischiadicusbifurkation, unter Caput breve des M. biceps femoris, Fibulakopf
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8,9±2,0 mm2
*13,2/14 mm2
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Boehm et al. 2014, Tagliafico A et al. 2012
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N. peronaeus superficialis
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Distaler Unterschenkel – unter der Fascia cruris zwischen M. peroneus brevis und M.
extensor digitorum longus
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?
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Chin KJ 2013
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Tab. 2 CSA am Karpaltunneleingang und geografische Herkunft [27,29,53-58].
|
Autor
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CSA N. medianus MW±SD (mm2)
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CSA N. medianus Oberer Grenzwert (mm2)
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Population
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Boehm J et al. 2014
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8,5±1,8
|
10,3
|
Europa (Deutschland, Ungarn)
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Burg EW et al. 2014
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8,3±1,9
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10,2
|
Europa (Niederlande)
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Tagliafico A et al. 2013
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8,2±2,3
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10,5
|
Europa (Italien)
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Zaidman CM et al. 2009
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9,7±1,9
|
11,6
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Nordamerika (USA)
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Burg EW et al. 2014
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7,0±1,1
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8,1
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Asien (Indien)
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Wanitwattanarumlug B et al. 2012
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6,8±0,9
|
7,7
|
Asien (Thailand)
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Kim MK et al. 2014
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7,9±1,3
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9,2
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Asien (Korea)
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Azami A et al. 2014
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8,5±0,8
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9,3
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Asien (Iran)
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CSA=Nervenquerschnittsfläche; MW=Mittelwert; SD=Standartabweichung
Anwendungsmöglichkeiten bei Engpasssyndromen
Anwendungsmöglichkeiten bei Engpasssyndromen
Die sonografische Diagnostik von Engpasssyndromen, insbesondere des weitverbreiteten
Karpaltunnelsyndroms (KTS), ist bisher am besten wissenschaftlich untersucht worden
[59]. Dabei finden sich einige Merkmale, die bei den unterschiedlichen Krankheitsbildern
gemeinsam vorkommen ([Abb. 2]). Sie sollen deshalb zuallererst besprochen werden: Die über einen längeren Zeitraum
anhaltende externe Kompression eines peripheren Nerven durch unterschiedliche Noxen
(Raumforderungen, Bänder, Knochen usf.) führt an der Kompressionsstelle zu einem Kalibersprung.
Proximal, beim KTS häufig auch distal davon, findet man ein fokales Ödem mit Zunahme
der Nervenquerschnittsfläche. Die Faszikel erscheinen hier hypoechogen aufgetrieben
oder völlig maskiert [60]. Diese fokale Schwellung kann durch Messung (CSA) und Anwendung
von „Cut-Off“ Werten zur Sicherung der Diagnose verwendet werden [61-64]. Alternativ
lassen sich auch „Ratios“ durch Bildung des Quotienten dieses „Cut-Off“-Wertes mit
der normalisierten Nervenquerschnittfläche proximal davon berechnen [44,45]. Für das
KTS wurden aus nordamerikanischen, europäischen und asiatischen Populationen zahleiche
„Cut-Off“ Werte publiziert, deren Anwendung zum Teil die Sensitivität von elektrophysiologischen
Methoden erreicht, während in Metaanalysen eine gewisse Unterlegenheit des Ultraschalles
gegenüber der Neurografie festgestellt worden ist. Einen Überblick gibt [Tab. 3] [44,61-65]. Dennoch hat die amerikanische Vereinigung für neuromuskuläre und elektrodiagnostische
Medizin (AANEM) in einem evidenzbasierten Review unter Berücksichtigung von 45 Publikationen
Ende 2012 der Sonografie den Empfehlungsgrad A für die Diagnostik des KTS ausgesprochen
[59]. Bezüglich der Korrelation des Schweregrades der Veränderungen im Ultraschall
mit den elektrophysiologischen Befunden existieren unterschiedliche Aussagen. Manche
Autoren fanden eine positive Korrelation, andere wiederrum nicht [57,58,69-72]. Interessanterweise
stellte sich auch in den zuletzt publizierten Studien über hereditäre oder erworbene,
demyelinisierende Immunneuropathien häufig keinen Zusammenhang zwischen den sonografischen
Auffälligkeiten und den klinischen sowie elektrodiagnostischen Befunden heraus [73-75].
Bis zur Aufklärung dieses Widerspruches sollte aus Sicht des Autors die Sonografie
nicht primär zur Diagnostik eines KTS eingesetzt werden. Ausnahmen bilden „stromempfindliche“
Patienten und Kinder [3,4]. Andere Untersuchungsansätze (z. B. Bestimmung der palmaren
Wölbung des Retinaculum flexorum oder die Quantifizierung der hypoechogenen Veränderungen
der Faszikel) haben sich bisher nicht durchsetzen können [76]. Das trifft auch auf
die häufig gesteigerte epi- und perineurale Vaskularisation proximal der Kompressionsstelle
zu. In einem 2014 publizierten Review bemängelten die Autoren die bisher fehlende
Standardisierung der Farboppleruntersuchung sowie das Studiendesign mancher Arbeiten.
Sie fanden eine durchschnittliche Sensitivität von 72% (Range 41–95%) sowie eine Spezifität
von 88% (Range 71–100%) [77]. Weitere interessante Ansätze sind die Quantifizierung
der verminderten Deformierbarkeit und Mobilität des N. medianus bei KTS-Patienten,
wenn die Finger gebeugt werden [78] sowie Steifigkeitsmessungen des N. medianus mittels
Scherwellenelastografie [6]. Die zuletzt genannte Methode zeigte in der angegeben
Studie eine Korrelation mit dem Schweregrad des KTS sowie eine Sensitivität und Spezifität
von 93.3 vs. 88.9% [6]. Das Kubitaltunnelsyndrom (KUTS) wurde bisher in deutlich weniger
Arbeiten untersucht und es existieren zurzeit keine evidenzbasierten Empfehlungen.
Einen Überblick gibt [Tab. 3] [45,64]. Neue, dynamische Untersuchungen zeigen in Abhängigkeit vom Grad der Beugung
im Ellenbogengelenk zwischen 90 und 120° eine Verlagerung des N. ulnaris nach ventral
(medial) sowie dessen zunehmende Abflachung im Kubitaltunnel und auch im Sulcus, wenn
dieser flach angelegt ist. Eine leichte Beugung zwischen 30 und 90° beeinflusst hingegen
die Messung der Nervenquerschnittsfläche nicht signifikant [79-80]. Bei 32% der Patienten
fand sich darüber hinaus eine Luxation des N. ulnaris über den Epicondylus medialis
bei Flexion im Ellenbogengelenk [81]. Diese Noxe führt wahrscheinlich zu einer reaktiven
Fibrose des Epineuriums, was sich sonografisch in einer Verdickung des hyperechogenen
Epineuriums äußern kann [82]. „Cut-Off“ Werte für die Diagnostik seltenerer Nervenkompressionssyndrome
sind nur beschränkt verfügbar. Es gibt derzeit nur wenige retrospektive Studien. In
[Tab. 3] finden sich Angaben für die Meralgie, für das Supinatorlogensyndrom und für die
Neuropathie des N. peroneus communis am Fibulakopf [66-68]. Bei anderen Krankheitsbildern
muss man sich an den publizierten Normwerten der Nervenquerschnittsfläche unter Berücksichtigung
der demografischen Abhängigkeiten orientieren. Neben der Verwendung des Ultraschalls
zur apparativen Diagnostik eines Engpasssyndromes liefert er 2 Zusatzinformationen,
die mit der Elektrophysiologie allein nicht gewonnen werden können [3,4]. In die erste
Kategorie fallen anatomische Varianten wie z. B. die hohe Teilung des N. medianus,
akzessorische Gefäße (A. mediana) und Muskeln oder atypisch abgehende Äste. Die amerikanische
Vereinigung für neuromuskuläre und elektrodiagnostische Medizin (AANEM) hat in o. g.
Review der Sonografie den Empfehlungsgrad B zur Detektion solcher Anomalien ausgesprochen
[59]. Sie können bei endoskopischen Operationstechniken in der Lernphase des Operateurs
ggf. Anlass für intraoperative Komplikationen (Nervenverletzungen, Blutungen) sein
[83]. Darüber hinaus fand sich in früheren Arbeiten ein höherer Anteil solcher Varianten
bei symptomatischen Patienten mit einem KTS, verglichen mit der asymptomatischen Normalbevölkerung
[84]. Neuere prospektive Studien an größeren Populationen zeigen jedoch, dass die
hohe Teilung des N. medianus mit und ohne A. mediana nicht als unabhängiger Risikofaktor
für die Entwicklung eines KTS zu betrachten ist [85,86]. Die Inzidenz einer A. mediana
betrug bei lateinamerikanischen Geflügelverarbeitern 3,7% und die eines bifiden N.
medianus 8,6% [85]. Auch verlängerte Muskelbäuche der oberflächlichen Fingerflexoren
oder akzessorische Mm. lumbricales stellen bei asymptomatischen Individuen keinen
Risikofaktor für die Entwicklung eines KTS dar (Untersuchungszeitraum 1 Jahr), während
bei symptomatischen Patienten eine Assoziation mit dem Krankheitsbild beobachtet wurde
[87]. In die zweite Kategorie fallen die genaue Aufklärung der Ursache eines Kompressionssyndroms
und die Ermittlung mehrerer Kompressionsstellen. Beides beeinflusst gegebenenfalls
das weitere therapeutische Vorgehen. Bei allen Engpasssyndromen lässt sich die Kompression
durch Bänder, Tenosynovitiden, Knochen, akzessorische Muskeln, Raumforderungen wie
Ganglienzysten sowie andere Neoplasien neuralen und nichtneuralen Ursprungs sonografisch
darstellen [87-92]. Besonders beim Kubitaltunnelsyndrom existieren manchmal mehrere
Kompressionsstellen oder eine atypisch lange Kompression bei degenerativen Veränderungen
des Sulcus/Kubitaltunnels nach vorausgegangener Ellenbogenfraktur (Ulnarisspätparese),
die sonografisch detektiert werden können [90]. Beispiele seltener Nervenkompressionssyndrome
und sekundärer Ursachen zeigt [Abb. 3]. Wenn auch keine Korrelation der präoperativ bestimmten Nervenquerschnittsfläche
mit dem Outcome nach einer KTS-Operation besteht [93], so ermöglicht die Sonografie
den Nachweis einer fokalen Reststenose nach erfolgloser chirurgischer Intervention
durch Narbengewebe oder Reste des Retinaculum flexorum [94,95]. Nach der Erfahrung
des Autors stellt der Nachweis von Reststenosen als Ursache persistierender Beschwerden
nach chirurgischer Intervention bei den anderen Kompressionssyndromen eine weitere
Anwendungsmöglichkeit der Methode dar. Die Sonografie kann außerdem zur ultraschall-gestützten
Schmerztherapie besonders bei Patienten mit Meralgie eingesetzt werden [96].
Abb. 2 Sonografische Charakteristika eines Engpasssyndroms (hier Kubitaltunnelsyndrom).
Oben axiale Scans von proximal (rechts) nach distal (links) korrelierend mit der Panoramarekonstruktion
(Mitte). Pfeilköpfe N. ulnaris. Sterne Kompression zwischen Kubitaltunnelretinakulum
und Humeroulnargelenk. Beachte die Abflachung an der Kompressionsstelle und das Ödem
proximal davon mit Verlust der normalen Echotextur sowie pathologischer Zunahme der
Nervenquerschnittsfläche. Unten: epineurale Hypervaskularisation proximal der Kompressionsstelle.
Abb. 3 Seltene Kompressionssyndrome und sekundäre Ursachen. a Kompression des N. cutaneus femoris lateralis (Pfeilkopf) zwischen Spina iliaca anterior
superior und Leistenband (Sterne). Im rechten Bildteil ist das Ödem proximal der Kompressionsstelle
gut zu erkennen. b Supinatortunnelsyndrom im longitudinalem Scan (oben) von proximal (rechts) nach distal
(links) und korrespondierenden axialen Scans (unten). Auch hier ist das fokale Ödem
des Ramus profundus n. radialis (Pfeilköpfe) proximal der Kompressionsstelle beim
Eintritt in den M. supinator (Stern) gut zu sehen. c Irritation des N. ulnaris (Pfeilkopf) durch ein Ganglion (Stern) in der Loge de Guyon.
d Verlängerte Muskelbäuche (Stern) bedrängen den N. medianus (Pfeilkopf) beim Eintritt
in den Karpaltunnel.
Tab. 3 Ausgewählte Diagnoseparamater für Engpasssyndrome, [44,45,61-68].
|
Karpaltunnelsyndrom
|
|
|
|
|
CSAHandgelenk (Cut-Off)≥8,5 mm2
|
Sensitivität 97%, Spezifität 98%
|
Iran, prospektiv
|
Mohammadi A et al. 2010
|
|
CSAHandgelenk (Cut-Off)≥10 mm2
|
Sensitivität 82%, Spezifität 87%
|
Schweiz, prospektiv
|
Ziswiler HR et al. 2005
|
|
WFRHandgelenk/Unterarm≥1,4
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Sensitivität 100%
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USA, prospektiv
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Hobbson-Web LD et al. 2008
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CSAHandgelenk (Cut-Off)≥9 mm2
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Sensitivität 87%, Spezifität 83%
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Metaanalyse
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Tai TW et al. 2012
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Kubitaltunnelsyndrom
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CSAMaxSulcus (Cut-Off)≥10 mm2
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Sensitivität 88%, Spezifität 88%
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Italien, prospektiv
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Volpe A et al. 2009
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HCRSulcus/Oberarm≥1,4
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Sensitivität 86%, Spezifität 87%
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Österreich, prospektiv
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Gruber H et al. 2009
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Peroneusneuropathie am Fibulakopf
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CSAFibulakopf (Cut-Off)≥9 mm2
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Sensitivität 90%, Spezifität 69%
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Niederlande, retrospektiv
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Visser LH et al. 2013
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Meralgie (Kompression des N. cutaneus femoris lateralis)
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CSASpina (Cut-Off)≥5 mm2
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?
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Korea, retrospektiv
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Suh DH et al. 2013
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Supinatortunnelsyndrom (Kompression des Ramus profundus n. radialis)
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AP-DurchmesserEingang≥1,5 mm
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?
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Österreich, retrospektiv
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Djurdjevic T et al. 2013
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Anwendungsmöglichkeiten bei traumatischen Nervenverletzungen
Anwendungsmöglichkeiten bei traumatischen Nervenverletzungen
Nach einer klinisch kompletten Nervenläsion nach geschlossenem Trauma stellt sich
immer die Frage, ob der natürliche Verlauf der Reinnervation unter konservativer Therapie
abgewartet werden kann, oder ob eine primäre oder sekundäre Nervenrekonstruktion zur
Wiederherstellung der Funktion unumgänglich ist. Dabei spielt der Faktor Zeit eine
wesentliche Rolle. Je mehr davon ohne erfolgreiche Reinnervation vergeht, desto größer
ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich irreversible Schäden am Muskel oder am peripheren
Nerven selbst einstellen [97-99]. Orientierend an der SUNDERLAND Klassifikation betrifft
das vor allem die Grade IV und V, die entweder eine großflächige Zerstörung des Perineuriums
oder einen kompletten Verlust der Nervenkontinuität zur Folge haben [99,100]. Durch
den irreversiblen Ersatz des Endorgans Muskel durch Bindegewebe und/oder das reiinnervationsbehindernde
Einwachsen von Bindegewebe in die Faszikel und das Nervenhüllgewebe (perineurale Fibrose)
verschlechtert sich naturgemäß die Prognose für den Patienten [97-99]. Die elektromyografische
Untersuchung gestattet zwar die Frage nach einer ablaufenden Reinnervation zu beantworten.
Hierfür müssen allerdings bis zu 3 Monate abgewartet werden [101]. Verwendet man dagegen
die Sonografie kann diese Problematik mit hoher Genauigkeit (93,2%) zu einem früheren
Zeitpunkt geklärt werden [102-104]. Eine Grad-V-Läsion ist praktisch sofort durch
die fehlende Nervenkontinuität, spätestens jedoch nach Bildung eines Neuroms am proximalen
Stumpf nachweisbar. Eine Grad-IV-Läsion lässt sich im Verlauf durch die Entstehung
eines Kontinuitätsneuroms detektieren. Solche Neurome erinnern sonografisch an eine
Kaulquappe (Stumpfneurom) oder zeigen eine spindelförmige Auftreibung des Nervs im
Längsschnitt (Kontinuitätsneurom). Sie sind meist nicht vaskularisiert sowie homogen
bis inhomogen hypoechogen [102-106]. Die [Abb. 4] illustriert 2 Beispiele. Darüber hinaus ist die Sonografie durch die Möglichkeit
der millimetergenauen Lokalisation einer Läsion sowie durch den Nachweis von Mehretagenverletzungen
der Elektrophysiologie überlegen. Dies kann z. B. für das präoperative Mapping (kutan
oder Drahtmarkierung) vorteilhaft verwendet werden [107]. Die oben gemachten Ausführungen
treffen auch auf den Plexus brachialis zu. So berichten einige Autoren über eine Sichtbarkeitsrate
der Rami ventrales C5-C7 von 100%, C8 von 92% und Th1 von 51%. Dabei konnten alle
Wurzelaus- und Abrisse detektiert werden (ausgenommen 2 Th1-Ausrisse) [20]. Nach der
Erfahrung des Autors sind Wurzelabrisse durch eine Kontinuitätsunterbrechung und Wurzelausrisse
durch eine mehr oder weniger große Meningozele im Foramen des Processus transversus
charakterisiert. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangen auch andere Autoren [108]. Selbst
bei Neugeborenen lassen sich die Nervenwurzeln C5–C8 gut darstellen [109]. All diese
Ergebnisse haben dazu geführt, dass führende Neurochirurgen Deutschlands bei geschlossenen
Traumen und fehlender klinischer Regeneration die Sonografie neben der 3-Tesla-MR-Neurografie
als primäres Untersuchungsverfahren empfehlen [97]. Dabei kann die Sonografie neben
der Neurografie auch intraoperativ und bed-side angewendet werden [110]. Ähnlich wie
bei den Engpasssyndromen bietet die Methode außerdem den Vorteil, dass sich häufig
die Ursache einer Nervenläsion (Kallus, Knochenfragmente, Osteosynthesematerial, Hämatom,
Narbengewebe usf.) ermitteln lässt [103,106,111,112].
Abb. 4 Hochgradige traumatische Nervenverletzungen (Sunderland IV–V). Oben nicht vaskularisiertes
Kontinuitätsneurom (Sterne) des N. tibialis (Pfeilköpfe) nach Pistolenschussverletzung.
Unten: Nicht vaskularisiertes Stumpfneurom (Sterne) des N. ulnaris (Pfeilköpfe) am
Oberarm nach Kontinuitätsdurchtrennung.
Anwendungsmöglichkeiten bei Raumforderungen peripherer Nerven
Anwendungsmöglichkeiten bei Raumforderungen peripherer Nerven
Benigne solitäre Nervenscheidentumore (Neurinom, Neurofibrom, Granularzelltumor, Hybridtumore)
[113] sind insgesamt selten und sonografisch unter anderem dadurch charakterisiert,
dass die verbliebenen gesunden Faszikel eines peripheren Nervenstammes oder einer
Nervenwurzel über der Tumormatrix eintreten und sie auf diese Weise auch wieder verlassen
(Spezifität: 86%, Sensitivität: 63%) [114-115]. Klinisch zeichnen sie sich durch ein
sehr langsames Wachstum über viele Jahre hinweg aus. Neurologische Ausfälle sowie
Auffälligkeiten in der Elektrodiagnostik sind selten [116,117]. Ihre Form (rundlich,
ovoid usw.) und zahlreiche andere morphologische Merkmale tragen allerdings nicht
zu einer Artdiagnose bei [118]. Die Tumormatrix der Neurinome geht häufig von einem
funktionslosen Faszikel aus, während in ein Neurofibrom mehrere Faszikel einstrahlen
können [116,117]. Sie ist bei kleinen Tumoren meist homogen-hypoechogen und kann im
gealterten Stadium regressive Veränderungen in Form einer inhomogenen Echotextur sowie
Zystenbildungen aufweisen [119]. [Abb. 5] zeigt als Beispiel ein Schwannom. Mit zunehmender Größe ist zudem die gut ausgeprägte
und hierarchisch gegliederte Gefäßarchitektur mittels Farbdoppler darstellbar [120].
Solche Raumforderungen sind meist scharf von der Umgebung abgegrenzt mit Ausnahme
des Granularzelltumors [119]. Informationen über Position und Lokalisation der gesunden
Faszikel und des Tumors sind für den Neurochirurgen präoperativ von entscheidender
Bedeutung. In einer unlängst veröffentlichten Arbeit wurde gezeigt, dass sich sonografisch
die normalen Faszikel in guter Übereinstimmung mit der MR-Traktografie darstellen
lassen [121]. Besteht der Verdacht auf einen peripheren Nervenscheidentumor sollte
dieser unter mikrochirurgischen Kautelen entfernt werden. Eine Biopsie birgt die Gefahr
der Verletzung gesunder Faszikel [116,117]. Elastografisch sind Schwannome steifer
als das umgebende Gewebe [5]. Bei der Schwannomatose, Neurofibromatose Typ I und Segmentneurofibromatose
können multiple solitäre Raumforderungen entlang der Nervenstämme und Wurzeln vorkommen
[119]. Solitäre maligne Nervenscheidentumore treten noch viel seltener auf und lassen
sich pathohistologisch in diverse Entitäten unterteilen [113]. Ein wichtiges klinisches
Malignitätskriterium stellt die rasche Größenzunahme der Raumforderung mit frühzeitig
auftretenden neurologischen Ausfällen dar [116,117]. Sonografische Charakteristika
(infiltratives Wachstum, irreguläre Tumoroberfläche, regressive Veränderungen der
Tumormatrix) weisen nur eine geringe Spezifität (38%) auf, da solche Veränderungen
auch bei benignen Raumforderungen (z. B. Neurinom) beobachtet werden können [120].
In der bislang einzigen Studie, wo die kontrastunterstützte Sonografie (CEUS) bei
diversen Weichteilraunforderungen zum Einsatz kam, berichten die Autoren über einen
positiven prädiktiven Wert (PPV) von 86% hinsichtlich der Aussage über die Malignität
eines solchen Tumors wenn Perfusionsmuster, Tumorgröße und Lokalisation berücksichtigt
werden [122]. Der generelle Einsatz dieser Methode ist aber gerade bei peripheren
Nervenscheidentumoren fragwürdig, da besonders gealterte Neurinome ein ebenfalls malignitätsverdächtiges
(inhomogenes) Perfusionsmuster aufweisen können. Ein weiterer Ansatz ergibt sich bei
größeren und gut vaskularisierten Raumforderungen in der Analyse des Gefäßmusters.
Kriterien wie eine anarchisch angelegte Gefäßarchitektur, Stenosen, Verschlüsse und
andere Auffälligkeiten sprechen im Falle von 2 positiven Kriterien mit einer Sensitivität
und Spezifität von 94 bzw. 93% für einen malignen Tumor [120]. Einzelne kasuistische
Beiträge berichten darüber hinaus über solitäre Raumforderungen im peripheren Nerven
nichtneuralen, sondern mesenchymalen Ursprungs. Beispiele für diese Raritäten sind
intraneurale Angiome und Lipome, die ebenfalls sonografisch lokalisiert werden können
[123-126]. Eine Ausnahme bildet die Gruppe von Neoplasien mit netzförmigem (plexiformen)
Wachstum ([Abb. 5]). Wesentliche Vertreter sind das plexiforme Neurofibrom und das Perineuriom [116,117].
Obwohl es sich hier meist um benigne Entitäten handelt, stellen sich nach längerem
Verlauf durch das faszikelzerstörende Wachstum meist irreversible axonale Schäden
ein. Nach der Erfahrung des Autors (bisher sonografischer Nachweis von 10 solchen
Raritäten mit histologischer Sicherung) sind sie sonografisch durch eine hypoechogene,
fusiforme Auftreibung des betroffenen Nervenabschnittes charakterisiert mit hypertroph-hypoechogenen
Faszikeln oder kompletter Maskierung der normalen Echotextur [127]. Sie erinnern damit
an ein Kontinuitätsneurom (s. o.), was sich aber durch die Anamnese sicher abgrenzen
lässt. Ähnliche sonografische Veränderungen beobachtet man bei fokalen Manifestationen
von erworbenen demyeliniserenden Immunneuropathien (MMN, MADSAM, [Abb. 6]). Differenzialdiagnostische Schwierigkeiten lassen sich nach der Erfahrung des Autors
durch die Einbeziehung der Elektrodiagnostik (Leitungsblock, abnorme temporale Dispersion
über dem betroffenen Nervenabschnitt), durch den sonografischen Nachweis eines multifokalen
Vorkommens und schließlich durch die fehlende oder kaum vorhandene KM-Aufnahme in
der 3T-MR-Neurografie (fettgesättigten T1-gewichteten Sequenzen nach sonografischer
Markeriung) vermeiden [127-129]. Darüber hinaus findet man in der einschlägigen Fachliteratur
der letzten Jahre durch die verbesserte bildgebende Diagnostik immer mehr kasuistische
Beiträge oder kleine Studien über Neoplasien nichtneuralen Ursprungs, die sonografisch
plexiformen Tumoren ähneln und sich in der MR-Neurografie zum Teil auch durch eine
Kontrastmittelaufnahme auszeichnen. Die definitive Diagnose gelingt hier meist nur
durch die Biopsie eines (funktionslosen) Faszikels [128,129]. Beispiele sind primär
intraneurale Lymphome sowie auch sekundäre extramedulläre Manifestationen eines Plasmozytoms
[130-134]. Wir selbst und andere haben Fälle eines intraneuralen Sarkoidosis-Lymphoma
Syndroms, ein Amyloidom (nicht zu verwechseln mit der systemischen Amyloidose) und
eine intraneurale Metastase eines Mamma-Karzinoms beobachtet [135-139]. Abschließend
soll noch das intraneurale Nervenscheidenganglion genannt werden, welches häufig die
benachbarten Nervenstämme des Kniegelenkes befällt (N. ischiadicus, N. peroneus, N.
tibialis), prinzipiell aber überall auftreten kann [140]. In 16% der Fälle soll es
Ursache einer nichttraumatischen Fibularisparese sein [92]. Ein solches Ganglion entwickelt
sich durch retrograden Transport von Synovia durch den sensiblen Nervenast, welcher
das benachbarte Gelenk versorgt, in den proximalen Nervenstamm. Ursächlich sind degenerative
Veränderungen. Das erklärt auch die fluktuierende Klinik, welche von den Druckverhältnissen
im Gelenk bestimmt wird. Durch steigenden Druck gelangt immer mehr Synovia unter das
Epineurium des proximalen Nervenstammes und erweitert diesen perlschnurartig. Die
Faszikel mit Perinerium sind von der hypoechogenen Synovialflüssigkeit umgeben und
werden durch diese komprimiert. Die chirurgische Therapie muss vor allem daraufhin
abzielen, die Quelle des pathologischen synovialen Transports (sensibler Gelenkast)
auszuschalten und darf nicht allein in einer Dekompression des betroffenen Nervs bestehen,
da sonst Rezidive vorprogrammiert sind [141].
Abb. 5 Solitäre und plexiforme Nervenscheidentumore. Oben Schwannom oder Neurinom (Sterne)
des N. peroneus communis (Pfeilköpfe) am Fibulakopf. Beachte den Ein- und Austritt
des peripheren Nervs sowie die solitäre, homogen-hypoechogene gut vaskularisierte
Tumormatrix. Unten plexiform wachsender Nervenscheidentumor des N. ulnaris (Pfeilköpfe)
in der Axilla mit fusiformer Auftreibung und Zerstörung der normalen Echotextur ohne
nennenswerte Vaskularisation.
Abb. 6 Fokale Variante einer Immunneuropathie. Klinisch war der Patient zunächst durch „Fallfinger“
rechts auffällig. Die Dekompression des Ramus profundus im Supinatortunnel brachte
keine Befundbesserung. Oberer Bildteil links: Ramus profundus n. radialis (Pfeilköpfe)
postoperativ im Supinatortunnel. Eine pathologische Veränderung ist nicht zu erkennen
(vergl. auch mit [Abb. 3b]). Dagegen zeigen der rechte N. radialis am Oberarm (oberer Bildteil rechts) und
in der Axilla (unterer Bildteil links) eine Zerstörung der normalen Echotextur mit
Vergrößerung der Nervenquerschnittfläche. Dies trifft auch auf den rechten N. ulnaris
in der Axilla zu (unterer Bildteil links). Beide Nerven sind größer als die A. axillaris
(Stern). Eine weitere fokale Hypertrophie zeigt der rechte N. tibialis in der Kniekehle
(unterer Bildteil rechts). Alle anderen Nerven waren sonografisch nicht betroffen.
Anwendungsmöglichkeiten bei Polyneuropathien
Anwendungsmöglichkeiten bei Polyneuropathien
In den letzten 4 Jahren ist die Zahl der Studien, welche sich mit der sonografischen
Diagnostik von Polyneuropathien beschäftigen, deutlich gestiegen. Außerdem wurden
Derivate der Nervenquerschnittsfläche eingeführt, um regionale Verteilungsmuster besser
herausarbeiten zu können. Diese haben bisher allerdings noch nicht allgemeinen Eingang
in die klinische Routine gefunden [46,47,142]. Bisher gibt es keine evidenzbasierten
Empfehlungen zu Untersuchungsprotokollen. Das Screening der Nervenwurzeln des Plexus
brachialis sowie der Nerven der oberen Extremität (Oberarm) ist besonders ergiebig
bei demyelinisierenden Polyneuropathien. Diese weisen, ob hereditär oder erworben,
die deutlichsten sonografischen Veränderungen auf [142,143]. Sie sind bei der CMT-1
besonders ausgeprägt, wobei sich diffuse Vergrößerungen der Nervenquerschnittfläche
und Faszikel auch außerhalb der anatomischen Engpässe nachweisen lassen. Die Vergrößerung
der Nervenquerschnittfläche übersteigt hier meist das Doppelte des jeweiligen Normwertes
[142,143]. Bei der HNPP hingegen finden sich diese Hypertrophien multipel und fokal
betont an (auch asymtomatischen) anatomischen Engpässen [144]. Erworbene demyeliniserende
Neuropathien (AIDP, CIDP, MMN) sind durch keine, wenige oder fokal betonte Nerven-
und Faszikelhypertrophien charakterisiert, wobei die Vergrößerung der Nervenquerschnittsfläche
im Vergleich zu den herditären Formen deutlich geringer ausfällt [142,143]. Mehrfach
wurde über die Korrelation der fokalen sonografischen Veränderungen zur Lokalisation
von elektrophysiolgisch nachweisbaren Leitungsblöcken bei CIDP berichtet [145-156].
Verwendet man 4 Screening-Messstellen an der oberen Extremität, kann aufgrund der
o. g. Merkmale eine Differenzierung zwischen CMT-1 und CIDP mit einer Sensitivität
von 90% und einer Spezifität von 94% erfolgen [142]. Eine ähnliche Methode verwendeten
KERASNOUDIS et al. zur Differenzierung zwischen AIDP und CIDP (Bochum ultrasound score
– BUS, Sensitivität/Spezifität: 80/100%) [147]. Auch bei der MADSAM sind fokale Nervenhypertrophien
an der Stelle von Leitungsblöcken und nicht mehr bestehenden Leitungsblöcken nachgewiesen
worden [148]. Ähnlich wie bei den publizierten MADSAM-Fällen fehlte in mehreren neuen
Studien über demyeliniserende Immunneuropathien der Zusammenhang zwischen dem Grad
der sonografischen Veränderungen und der Klinik und die Korrelation zu elektrophysiologischen
Auffälligkeiten war nur gering [73-75]. In einer kürzlich publizierten retrospektiven
Arbeit nahmen die sonografischen Auffälligkeiten bei 23 Patienten mit CIDP unter immunsuppressiver
Therapie mit klinischer Remission ab oder normalisierten sich vollständig [149]. Deutlich
weniger Arbeiten wurden bisher über die zahlenmäßig viel häufigere diabetische Neuropathie
publiziert. Einige Autoren fanden eine oberhalb vom Malleolus medialis signifikant
vergrößerte Nervenquerschnittsfläche des N. tibialis (Cut-Off: 19 mm2, Sensitivität/Spezifität: 69/77%), während andere an rein sensiblen Nerven (N. suralis,
N. peroneus superficialis Höhe Sprunggelenk) keine signifikanten Unterschiede zu gesunden
Kontrollen feststellen konnten [150]. Allerdings zeigten sich unter Verwendung einer
22 MHz-Sonde in einer Vorläuferstudie verdickte Faszikel des N. suralis bei Typ II
Diabetikern mit Neuropathie [151. Auch an der oberen Extremität wurde vereinzelt über
signifikant größere Nervenquerschnittsflächen bei Patienten mit diabetischer Polyneuropathie
berichtet [73]. Darüber hinaus existieren Berichte über akute und multifokale Nervenhypertrophien
am N. medianus, ulnaris und tibialis bei systemischer Vaskulitis, die sich zum Teil
nach Kortikosteroidthetrapie zurückbildeten [152-154]. Bezüglich der Polyneuropathien
anderer Genese ist die Datenlage schwach. Zusammenfassend eignet sich die Sonografie
als diagnostisches Zusatzkriterium besonders zum Nachweis von hereditären oder erworbenen
demyelinisierenden Polyneuropathien bzw. zur Abgrenzung gegenüber Mononeuropathien
durch den Nachweis von fokalen, multifokalen oder generalisierten Nervenhypertrophien
(auch) außerhalb der typischen anatomischen Engpässe. Ein Beispiel wird in [Abb. 6] gezeigt.
Verschiedenes
ALS: Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose zeigten mehr in den cervicalen Nervenwurzeln
als in den peripheren Nerven eine signifikante Verminderung der Nervenquerschnittsfläche
im Vergleich zu gesunden Kontrollen, worin sich wahrscheinlich die axonale Ausdünnung
widerspiegelt [155]. Darüber hinaus konnte durch Untersuchung der Muskulatur eine
Zunahme der Echogenität durch Denervierung und bindegewebigen Umbau nachgewiesen werden.
Außerdem lassen sich Faszikulationen auch in tief gelegenen Muskeln mit hoher Sensitivität
detektieren [156].
Spontane Nerventorsionen: Vor mehr als 20 Jahren erschienen erste Berichte über spontane (nicht traumatisch
bedingte) Nerventorsionen [157]. Die genaue Ätiologie ist bis heute nicht geklärt.
Allerdings mehren sich die Hinweise auf eine entzündliche Genese [158]. Zum einen
ist die Anamnese völlig identisch mit der eines Parsonage-Turner-Syndroms (Armplexusneuritis).
Die Patienten klagen initial über reißenden Schmerzen in Projektion auf das betroffene
Nervensegment. Darauf folgen graduell unterschiedlich ausgeprägte Paresen [159]. Zweites
fanden man in Nervenbiopsien von Patienten, die sich einer Operation unterzogen hatten
(Resektion mit Graft) CD8-positive T-Lymphozyten-Infiltrationen 158]. Einige Autoren
differenzieren die graduell unterschiedlich ausgeprägte Konstriktion von der völligen
Torsion des gesamten Nerven oder einzelner Faszikel [160]. Sie können einzeln aber
auch in Serie vorkommen [161]. Am häufigsten wurden Nerventorsionen am N. radialis
communis, N. interosseous anterior und posterior sowie seltener am N. axillaris und
N. suprascapularis beobachtet [159]. Die meisten dieser Nerven befinden sich in der
Nähe des Ellenbogengelenkes. Es wird darüber spekuliert, dass nach einer lokalen Entzündung
die Steifigkeit der Faszikel im Sinne eines Mikro-Kompartment-Syndroms zunimmt, sodass
transversal verlaufende Strukturen wie Gefäße oder Faszien fixierend oder zusammenziehen
wirken können. Wiederholte Rotationsbewegungen im Ellenbogengelenk unterstützen möglicherweise
diesen Prozess [159]. Sonografisch ist eine Torsion durch ein urglasähnliches Aussehen
des betroffenen Nervensegmentes charakterisiert mit meist hypoechogener proximaler
mehr als distaler Kongestion ohne Hypervaskularisation. [Abb. 7] zeigt ein Beispiel. In einer größeren Studie konnten durch Ultraschall alle Torsionen/Konstriktionen
detektiert werden [161,162]. Spezielle diffusionsgewichtete 3T-MRN Sequenzen sind
ebenfalls geeignet [161]. Die Erkennung dieser Entität als mögliche Komplikation eines
PARSONAGE Turner Syndroms ist wichtig, da in vielen Fällen eine chirurgische Therapie
zu einer teilweisen oder vollständigen Wiederherstellung der Nervenfunktion führen
kann. In aktuellen Studien orientierte sich diese an dem Schweregrad der Veränderungen
beginnend mit einer Derotation sowie interfaszikulären Neurolyse in leichten Stadien
bis hin zur Neurorraphie oder Segmentresektion mit Graft [158,163,164].
Abb. 7 Linker Teil: Nerventorsion des N. radialis communis am Oberarm. Beachte das sanduhrförmige
Aussehen mit hyperechogener Striktur (Stern). 43-jähriger Patient mit „unklarer“ Radialisparese
mehrere Jahre nach 2 identischen Attacken wie bei Parsonage-Tuner-Syndrom. Rechter
Teil: 31-jährige Patienten mit 5 identischen, rezidivierenden Attacken eines Parsonage-Tuner-Syndroms
am rechten Oberarm sowie progredienter Parese des N. radialis communis (Pfeilköpfe).
Klinisch V.a. hereditäre Form (SEPT-9 Gendefekt). Beachte die Einziehung im Nerven
(Stern). Mögliche Vorstufe einer Torsion?