ergopraxis 2015; 8(06): 14-16
DOI: 10.1055/s-0035-1555727
wissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

“Internationale Studienergebnisse”


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Publication Date:
12 June 2015 (online)

 

Senioren – Geistig fitter und glücklicher als früher

Heutzutage sind ältere Menschen geistig deutlich leistungsfähiger als noch vor 20 Jahren. Außerdem fühlen sie sich in ihrem Leben wohler. Zu diesem Ergebnis kam ein interdisziplinäres Forschungsteam um den Psychologen Prof. Dr. Denis Gersthof von der Humboldt- Universität Berlin.

Die Forscher verglichen die Daten der Berliner Altersstudie II mit der Vorgängerstudie aus den frühen 1990er Jahren. Dabei identifizierten sie 161 „statistische Zwillingspaare“ mit gleichem Geschlecht, die sich in Alter und Bildung möglichst ähnlich waren. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer lag bei 75 Jahren. Die Forscher interessierte vor allem, wie sich die geistige Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden der Senioren über die Jahre verändert hatten. Daher verglichen sie, welche Werte die Teilnehmer in den Assessments „Digit Symbol Test“, „Philadelphia Geriatric Center Morale Scale“ und „Positive and Negative Affect Schedule“ erreicht hatten.

Laut Ergebnissen können die Senioren heutzutage durchschnittlich neun Items mehr im „Digit Symbol Test“ richtig beantworten. Umgerechnet ist ihre geistige Leistungsfähigkeit 20 Jahre „jünger“ als die der Vergleichsgruppe. Außerdem erreichen sie bessere Werte in den Assessments zum Wohlbefinden. Sie zeigen beispielsweise mehr positive und weniger negative Gefühle als die Senioren in den 1990er Jahren.

Die Forscher gehen davon aus, dass sozio- kulturelle Faktoren das Ergebnis positiv beeinflusst haben. Hierzu gehört zum Beispiel das höhere Bildungsniveau der heutigen Senioren. Sie empfehlen, diese Mechanismen in weiteren Forschungen genauer zu untersuchen.

fk

SOEP papers 2015; ISSN: 1864–6689


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Kulturelle Kompetenz – Komplexer Lernprozess erforderlich

Um kulturell kompetent handeln zu können, müssen Ergotherapeuten einen komplexen Lernprozess durchlaufen. Dieser besteht aus sechs Stufen: kulturelle Bewusstwerdung, kulturelle Vorbereitung, kulturelle Vorstellung, kulturelle Empfänglichkeit, kulturelle Bereitschaft und kulturelle Kompetenz. Zu diesem Ergebnis gelangte ein Forschungsteam um die Ergotherapeutin Dr. Wesam Darawsheh von der University of Jordan, Jordanien.

Die Forscher interviewten 13 Ergotherapeuten aus London, die in multikulturellen Settings arbeiteten. Sie nutzten die erhobenen Daten, um ein konzeptionelles Prozessmodell zu entwickeln. Den Ergebnissen zufolge bilden Ergotherapeuten ihre kulturelle Kompetenz in sechs Stufen aus, die aufeinander aufbauen. Zunächst müssen sie einen kulturellen Schock überwinden. Das heißt: Sie werden sich ihrer eigenen kulturellen Identität bewusst und nehmen Unterschiede zum Klienten deutlich wahr. Können sie dabei eine offene Haltung einnehmen und vorhandene Unterschiede wertfrei beobachten, wächst ihr kulturelles Bewusstsein. Auf der zweiten Stufe sammeln sie gezielt Erfahrungen und Wissen, um sich auf die Arbeit mit Menschen aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten vorzu bereiten. Diese Erfahrungen helfen ihnen dabei, eine Vorstellung von der Kultur einzelner Klienten zu entwickeln. Sobald sie die kulturellen Ziele und Bedürfnisse ihrer Klienten in den therapeutischen Prozess einbeziehen, erreichen sie das Stadium der kulturellen Empfänglichkeit. Darauf folgt die Stufe der kulturellen Bereitschaft: Jetzt bringen sie alle psychischen, verhaltens- und einstellungsbezogenen Voraussetzungen mit, um sich auf Klienten mit unterschiedlichsten kulturellen und ethnischen Hintergründen einzustellen. Ihre kulturelle Kompetenz ermöglicht es ihnen schließlich, ihr professionelles Handeln auf die kulturellen Bedürfnisse vielfältiger Klienten abzustimmen und deren Wahrnehmung von Krankheit, Gesundheit und Handeln in den er- gotherapeutischen Prozess einzubeziehen.

Jeder Klient ist anders, ebenso seine kulturellen Bedürfnisse. Wie Ergotherapeuten diese viel fältigen Bedürfnisse kompetent in den therapeutischen Prozess einbinden können, erarbeiten sie sich in einem komplexen Prozess.

Die Forscher schlussfolgern, dass Ergotherapeuten ihre kulturelle Kompetenz in einem komplexen Prozess entfalten. Aus ihrer Sicht sollte sich die ergotherapeutische Theorie, Lehre und Forschung stärker mit diesem Thema beschäftigen. Außerdem sehen sie einen Bedarf darin, das entwickelte Prozessmodell zu testen und den beschriebenen Prozess in verschiedenen Arbeitsfeldern zu beleuchten.

fk

OJOT 2015; doi: 10.15453/2168-6408.1147


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Demenz – Angehörige profitieren von Coping-Intervention

Das Behandlungsprogramm „Strategies for Relatives“ (START) hilft Angehörigen von Menschen mit Demenz langfristig dabei, ihre Stimmung zu verbessern und ihre Ängste zu reduzieren. Zu diesem Ergebnis kam ein Team um die Psychiaterin Prof. Gill Livingston am englischen University College London.

Die Wissenschaftler führten eine randomisierte kontrollierte Studie durch, an der 260 Angehörige von Menschen mit Demenz teilnahmen. Sie ordneten diese nach dem Zufallsprinzip zwei Gruppen zu. 173 Angehörige nahmen am START-Programm teil, 87 erhielten eine herkömmliche Kontroll-Intervention. Die START-Intervention umfasste acht Einzelsitzungen, in denen die Angehörigen gemeinsam mit einem Psychologen Coping-Strategien wie Entspannungs- und Kommunikationstechniken sowie Verhaltensmanagement entwickelten.

Um die langfristigen Auswirkungen auf die affektiven Symptome zu untersuchen, setzten die Forscher die „Hospital Anxiety and Depression Scale“ (HADS) ein. Außerdem evaluierten sie die Kosteneffektivität der Behandlung.

Laut Ergebnissen schneiden die Teilnehmer der START-Intervention nach 24 Monaten signifikant besser auf der HADS ab als die Vergleichsgruppe. Die Teilnehmer der herkömmlichen Behandlung zeigen im Schnitt ein siebenmal höheres Risiko, klinische Depressionen zu entwickeln. Außerdem erweist sich die Coping-Intervention als kosteneffektiv.

Aus Sicht der Forscher stellt das START-Programm eine wirksame und kosteneffektive Intervention dar, um die Stimmung und Ängste von betreuenden Angehörigen über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren zu verbessern. Weitere Studien sollen untersuchen, inwieweit sich die Coping-Intervention auch auf die Gesundheit der demenziell erkrankten Menschen auswirkt.

fk

Lancet Psychiatry 2014; doi: 10.1016/S2215-0366(14)00073-X


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