Sprache · Stimme · Gehör 2015; 39(04): 196-201
DOI: 10.1055/s-0035-1555805
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prävalenz, Risikofaktoren und Diagnostik von Hörstörungen bei Frühgeborenen

Prevalence, Risk Factors and Diagnostics of Hearing Impairment in Preterm Infants
C. Franck
1   Univ. HNO-Klinik, Otto-von-Guericke Universität Magdeburg
,
W. Vorwerk
2   Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie, HNO-Klinik, Klinikum Braunschweig
4   Verein „Sachsen-Anhalt hört früher e.V.“
,
A. Köhn
3   Fehlbildungsmonitoring Sachsen-Anhalt
4   Verein „Sachsen-Anhalt hört früher e.V.“
,
A. Rißmann
3   Fehlbildungsmonitoring Sachsen-Anhalt
4   Verein „Sachsen-Anhalt hört früher e.V.“
,
U. Vorwerk
1   Univ. HNO-Klinik, Otto-von-Guericke Universität Magdeburg
4   Verein „Sachsen-Anhalt hört früher e.V.“
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Publication Date:
07 October 2015 (online)

Zusammenfassung

Einleitung: Die Frühgeburt bringt ein deutlich gesteigertes Risiko der Ausbildung einer konnatalen Hörstörung mit sich. Der postnatalen Kontrolle der Hörfunktion muss daher bei allen Frühgeborenen besondere Aufmerksamkeit zuteil werden. Die vorgestellte Arbeit untersucht, inwieweit die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich Prävalenz, Diagnostik, Therapie und in Bezug auf die Risikofaktoren von Hörstörungen bei Frühgeborenen praktische Anwendung finden.

Material und Methoden: Die Behandlungsdaten von 126 im Arbeitsbereich Phoniatrie und Pädaudiologie der HNO-Universitätsklinik Magdeburg in den Jahren 2006–2011 untersuchten und behandelten ehemaligen Frühgeborenen wurden retrospektiv ausgewertet. Die zusätzliche Analyse aller Datensätze der Screeningzentrale (n=67 640) aus diesem Zeitraum ermöglicht Rückschlüsse auf die Gesamtanzahl und Prävalenz von Hörstörungen bei Frühgeborenen in Sachsen-Anhalt.

Ergebnisse: Nahezu alle Frühgeborene erhalten, wie Reifgeborene, ein beidseitiges postnatales Hörscreening. Die Datenauswertung zeigt jedoch, dass die praktische Umsetzung im Detail oft nicht den in der G-BA-Richtlinie festgelegten Qualitätszielen entspricht. Bspw. erfolgt je nach Geburtsklinik keine regelhafte Anwendung der bei Frühgeborenen empfohlenen Screeningmethode (AABR) oder der richtliniengemäße Screening-und Therapiezeitpunkt wird nicht eingehalten.

Diskussion: Die Evaluation der praktischen Umsetzung des universellen Neugeborenenhörscreenings wurde bereits zum Zeitpunkt der Einführung des Screeningprogrammes durch den G-BA geplant. Im Rahmen dieser Untersuchung sollte der praktischen Versorgung von Risikogruppen wie Frühgeborenen besondere Beobachtung gewidmet werden, um auf Basis der erhobenen Daten das Hörscreening – sowie die anschließende Diagnostik und Therapie-weiter zu vereinheitlichen. Unabhängig von der Geburtsklinik sollte gleichermaßen die Chance auf rechtzeitige Diagnostik und damit auf frühzeitige, prognostisch günstigere Therapie einer konnatalen Hörstörung bestehen. Durch schnelle postnatale Hörgerätversorgung können die Hörbahnreifung stimuliert und so potentiell Entwicklungsprobleme hinsichtlich der Hör-und Sprachentwicklung vermieden werden.

Abstract

Introduction: The preterm birth is clearly associated with increased risk of developing congenital hearing impairment. Therefore, special attention must be paid to the postnatal control of auditory function in all preterm infants. The present work investigates if the latest scientific findings regarding prevalence, clinical diagnostics, therapy and risk factors of hearing impairment in premature infants are regularly implemented in daily practice.

Methods: At the department of phoniatrics and pediatric audiology of the University Hospital of Magdeburg, the treatment data of 126 preterm children born between 2006 and 2011 were evaluated retrospectively. The additional analysis of all records available at the screening center (n=67 640) covering this period enables drawing conclusions on the total number and prevalence of hearing impairment in preterm infants in Saxony-Anhalt.

Results: Almost all premature babies, like mature newborns, underwent postnatal hearing screening of both ears. The data analysis shows that the practical implementation often does not comply with the guideline of the G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss) in all details. For example, the recommended screening method for preterm infants (AABR) or the screening and treatment timing are not always applied in accordance with the guidelines of the G-BA.

Discussion: Assessment of the practical implementation of universal newborn hearing screening was planned at the time of the introduction of the hearing screening program by the G-BA. As a part of this investigation, the practical care of vulnerable groups such as preterm infants must be given special attention. Based on the collected data, the diagnostics and therapy should be unified. Regardless of the maternity clinic where the infants were born, there should be the same opportunity for early diagnosis and thus for prognostically better treatment of congenital hearing impairment. Rapid postnatal fitting with hearing aid can stimulate the maturation of the central auditory system and potentially help to avoid problems of hearing and speech development.