Dialyse aktuell 2015; 19(06): 297
DOI: 10.1055/s-0035-1558704
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Überleben, Symptome und Lebensqualität – Management einer chronischen Nierenerkrankung ohne Dialyse für ältere Patienten

Brown MA, Collett GK, Josland EA et al.
CKD in elderly patients managed without dialysis: survival, symptoms, and quality of life.

Clin J Am Soc Nephrol 2015;
10: 260-268
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Publication History

Publication Date:
10 August 2015 (online)

 
 

Quelle: Brown MA, Collett GK, Josland EA et al. CKD in elderly patients managed without dialysis: survival, symptoms, and quality of life. Clin J Am Soc Nephrol 2015; 10: 260–268

Thema: Mit eine der schwierigsten Entscheidung, welche Nephrologen heute treff en müssen, ist die folgende: die Festlegung darauf, ob bei Patienten, die über 70 Jahre alt sind und eine fortgeschrittene Nierenerkrankung haben, eine Dialysebehandlung hilfreich ist oder nur Nebenwirkungen produziert, ohne die Lebensqualität zu verbessern.

Die Hälfte aller Dialysepatienten in Australien ist mittlerweile über 65 Jahre alt, dies triff t auf andere westliche Industrieländer genauso zu. Weiter sind 26 % über 75 Jahre alt. Die Gesamtgruppe (> 65 Jahre) ist auch die am schnellsten wachsende Gruppe von Patienten an der Dialyse. Das Überleben von älteren Dialysepatienten ist im Regelfall schlechter als das von Krebspatienten. Eine der häufi gsten Todesursachen ist die Beendigung der Dialyse aufgrund psychosozialer oder zunehmender anderer medizinischer Gründe (Begleiterkrankungen).

Rosansky hat deshalb folgendes Statement getroff en: „Die Entscheidung, eine Dialyse zu beginnen, ist eine gemeinsame Entscheidung von Patienten und Nephrologen unter Einbindung des gesamten Umfeldes“ [ 1 ]. Um für diese Entscheidung eine bessere Grundlage zu bekommen, wurde diese Studie initiiert.

Projekt: Es wurde eine offene, prospektive Beobachtungsstudie an Patienten mit chronischer Nierenschädigung (Stadium 4 und 5) zwischen März 2009 und 2013 durchgeführt. Patienten wurden aus den folgenden Einrichtungen eines Einzelzentrums rekrutiert:

  • Patienten, welche eine Prädialyse-Ambulanz zur weiteren Planung des Vorgehens besuchten

  • Patienten, welche eine supportive Therapie durch ein renales Palliativteam erhielten

  • weitere Patienten, die weder das erste noch das zweite durchlaufen und mit einer Dialyse begonnen hatten

Die Prädialyse-Ambulanz wurde etabliert, um Patienten, die vor der Entscheidung bzgl. eines Dialysebeginns stehen, umfangreiche Schulungsmaßnahmen anbieten zu können und diese in der Entscheidung evidenzbasiert zu unterstützen. In der Einheit des renalen Palliativteams wurde auf die Symptomatik eingegangen und die palliativen Gesichtspunkte bei CKD adressiert. Es erfolgte ein Vergleich hinsichtlich Mortalität und Lebensqualität dieser 3 Gruppen.

Ergebnisse: Es wurden insgesamt 477 Patienten untersucht, 37 % waren Frauen. 122 Patienten erhielten die palliative Versorgung und 273 Patienten durchliefen die Prädialyse-Ambulanz. Von diesen erhielten im Verlauf 92 eine Dialysebehandlung (55 eine Hämodialyse und 37 eine Peritonealdialyse) im Schnitt nach 9 Monaten. Dazu wurden noch 72 weitere Dialysepatienten untersucht, die weder das eine noch das andere Angebot erhalten hatten. Es verwundert nicht, dass die Mortalitätsraten in der palliativen Einheit hoch waren (68 entsprechend 56%) und bei Durchführung der Dialyse nur 27 (entsprechend 38 %). Untersucht man aber die Lebensqualität, fand sich zwischen den beiden standardisiert betreuten Patientengruppen kein Unterschied.

Fazit:Diese Studie bestätigt andere Studien, welche u.a. in Palliativ-Journals veröffentlicht wurden, z. B. [ 1 ], [ 2 ]. Die Dialysebehandlung auch bei älteren Patienten verlängert das Leben. Die Lebensqualität ist häufig aber nicht wesentlich beeinflusst. In Einzelfällen muss jedoch entschieden werden, welche Faktoren führend sind.

Schlüsselwörter: Überleben – Symptome – Lebensqualität – ältere Patienten – chronische Nierenerkrankung

Prof. Dr. Mark Dominik Alscher, Stuttgart

Kommentar

Eine Dialysebehandlung ist ein Verfahren, welches bei entsprechender Indikation das Leben verlängert. Dies trifft auch für ältere Patienten zu. Die Lebensqualität muss jedoch ebenfalls berücksichtigt werden: Lebensverlängerung bei schlechter Lebensqualität, Immobilität und Verlust der Selbstständigkeit ist für viele Patienten nicht akzeptabel. Die Entscheidung für eine Dialyse muss deshalb in das gesamte Umfeld eingebettet werden.

Eine enge Abstimmung muss mit dem Team, aber auch insbesondere mit dem Patienten erfolgen. Dieser steht im Mittelpunkt und sollte bei der Entscheidung die tragende Rolle spielen. Die Daten dieser Studie helfen dabei, für diese Situation klare Hinweise zu bekommen. In dieser Klarheit (Lebensverlängerung durch Dialyse) wurde dies für ein nephrologisches Fachblatt bisher nicht dokumentiert. Die Lebensqualität wiederum ist ein Aspekt, der vielgestaltig ist. Letztendlich rufen all diese Daten zu einer individualisierten Entscheidung auch für die Dialyse.

Prof. Dr. Mark Dominik Alscher, Stuttgart


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  • Literatur

  • 1 Rosansky SJ. The sad truth about early initiation of dialysis in elderly patients. JAMA 2012; 307: 1919-1920
  • 2 O’Connor NR, Kumar P. Conservative management of end-stage renal disease without dialysis: a systematic review. J Palliat Med 2012; 15: 228-235

  • Literatur

  • 1 Rosansky SJ. The sad truth about early initiation of dialysis in elderly patients. JAMA 2012; 307: 1919-1920
  • 2 O’Connor NR, Kumar P. Conservative management of end-stage renal disease without dialysis: a systematic review. J Palliat Med 2012; 15: 228-235