Einleitung
Die Lungenentzündung ist weltweit die häufigste zum Tode führende Infektionskrankheit
und verursacht 15 % aller Todesfälle bei Kindern unter 5 Jahren [1]. Auch in Deutschland zählt die Pneumonie zu den bedeutenden Volkskrankheiten mit
jährlich ca. 600 000 ambulant und ca. 100 000 stationär erworbenen Erkrankungen [2]. Ungefähr ein Drittel aller Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie wird in
Deutschland stationär behandelt, mit einer seit Einführung der antimikrobiellen Therapie
weitgehend unverändert hohen Letalität von ca. 13 – 14 % [2]. Patienten mit Pneumonie können akutes Lungenversagen, Sepsis mit Multiorganversagen
oder kardiovaskuläre Komplikationen entwickeln. Diese Komplikationen treten auch unter
antimikrobieller Therapie auf, auch wenn diese nachweislich gegen das für die Pneumonie
ursächliche Pathogen wirksam ist, und führen häufig kurz- oder mittelfristig zum Tod.
Somit stellt die Behandlung der Pneumonie weiterhin eine besondere medizinische und
sozioökonomische Herausforderung dar, die durch die steigende Rate multiresistenter
bakterieller Pneumonie-Erreger und das Auftreten viraler Erreger mit pandemischem
Potenzial erschwert wird.
Das angeborene Immunsystem ist verantwortlich für die sofortige Entzündungs- und Abwehrreaktion
auf Infektionen und Gewebeschäden. Sogenannte Mustererkennungsrezeptoren (pattern recognition receptors, PRRs) erkennen konservierte mikrobielle Moleküle (pathogen-associated molecular patterns, PAMPs) sowie endogene Moleküle, die bei Gewebeschäden freigesetzt werden (danger-associated molecular patterns, DAMPs) [3]
[4]. Die Aktivierung der PRRs induziert die Synthese proinflammatorischer Zytokine,
Interferone und Chemokine [5], die wiederum ortsständige Zellen aktivieren und Makrophagen und neutrophile Granulozyten
rekrutieren, was schließlich zur Elimination der Pathogene und infizierten Zellen
führt. Trotz antibiotischer Therapie kann es jedoch zu einer Überaktivierung des Immunsystems
kommen und zwar durch anhaltende Freisetzung der PAMPs von absterbenden Bakterien
bzw. der DAMPs von geschädigten Zellen. Infolge dessen kommt es zur Überproduktion
von Entzündungsmediatoren, unkontrollierter Rekrutierung und Aktivierung von Leukozyten,
inadäquater Aktivierung von Komplement- und Koagulationskaskaden sowie zur Störung
der alveolokapillären Barrierefunktion. Durch erhöhte Permeabilität entwickelt sich
ein proteinreiches Lungenödem, und es kommt zum akuten Lungenversagen (acute respiratory distress syndrome, ARDS) (siehe Review [6]), das eine Mortalität von 27 – 45 % aufweist [7].
Bei Patienten mit akuter respiratorischer Insuffizienz ist der Einsatz der maschinellen
Beatmung zur Aufrechterhaltung des Gasaustausches eine alternativlose, lebensrettende
Maßnahme. Weltweit wird auf Intensivstationen jeder dritte Patient maschinell beatmet
[8], wobei die Pneumonie eine der führenden Ursachen darstellt [9]
[10]
[11]
[12]
[13]
[14]. Obwohl die maschinelle Beatmung durch Verbesserung oder Aufrechterhaltung des Gasaustausches
und der Ventilation lebensrettend oder lebenserhaltend sein kann, birgt die Anwendung
der unphysiologischen Überdruckbeatmung auch Risiken und kann die pulmonale Inflammation
und Störung der Barrierefunktion verstärken [15]. Die Reduktion des Tidalvolumens („Lungenprotektive“ Beatmung) ist bis heute die
einzige Intervention, welche die Mortalität bei ARDS nachweislich senkt [16]. Auch die Applikation eines adäquaten positiven endexspiratorischen Drucks (PEEP)
verbessert den Behandlungserfolg bei ARDS-Patienten, wobei das optimale PEEP-Niveau
noch unklar ist [17]
[18]. Darüber hinaus können eine frühzeitige Bauchlagerung sowie die Gabe von Muskelrelaxanzien
zur Reduktion der Mortalität bei Patienten mit schwerem ARDS beitragen [19]
[20]
[21]
[22].
Die präklinische Forschung bemüht sich erfolgreich, pathophysiologische Zusammenhänge
zu klären, dennoch sind neuartige präventive und therapeutische Möglichkeiten zur
Behandlung von Pneumonie und akutem Lungenversagen zusätzlich zu Antibiotika bisher
klinisch nicht etabliert. Der vorliegende kurze Übersichtsartikel fasst einige ausgewählte
präklinische und frühe klinische Daten aus Studien zur Modulation der Immunantwort
und Therapie der pulmonalen Barrierestörung bei Pneumonie zusammen.
Immunmodulatorische Therapie
Kortikosteroide
In den letzten Jahrzehnten standen Kortikosteroide zur Behandlung der Pneumonie immer
wieder im Fokus klinischer Forschung, mit unterschiedlichen Ergebnissen. In einer
2012 veröffentlichten Metaanalyse von neun RCTs aus den Jahren 1952 bis 2011 mit insgesamt
1001 Patienten zeigte sich eine signifikante Reduktion der Mortalität nach adjuvanter
Kortikosteroid-Therapie von Patienten mit schwerer CAP [23]. Dieses Ergebnis basierte jedoch primär auf einer Single-Center-Studie mit nur 80 Patienten [24], wohingegen sich in den anderen Studien keine deutliche Verbesserung der Mortalität
zeigte. In der 2007 veröffentlichten retrospektiven Analyse von Garcia-Vidal und Kollegen
zeigte sich ebenfalls eine reduzierte Mortalität in Patienten mit schwerer CAP nach
adjuvanter Kortikosteroid-Therapie [25]. Auch die Ergebnisse aus einer japanischen Datenbank von beatmeten CAP-Patienten
zeigen eine reduzierte Mortalität in einer Untergruppe von CAP-Patienten mit Schock,
gekennzeichnet durch Katecholamin-Gabe [26]. Die Interpretation dieser Daten ist jedoch schwierig, da zum einen unterschiedliche
Kortikosteroid-Dosen verwendet wurden und zum anderen Informationen über zahlreiche
wichtige Parameter fehlen, einschließlich Laktat-Spiegel, Blutdruck, Flüssigkeitssubstitution
sowie antibiotische Versorgung.
Kürzlich wurde eine multizentrische randomisierte Studie aus der Schweiz publiziert.
Im Zeitraum 2009 – 2014 wurden 785 Patienten mit Prednisolon (50 mg täglich für 7
Tage) oder Placebo (1:1) adjuvant behandelt [27]. Die Behandlung mit Prednisolon führte zu einer schnelleren klinischen Stabilität
und einem kürzeren Krankenhausaufenthalt, war jedoch mit häufigerer insulinpflichtiger
Hyperglykämie assoziiert. Es liegt allerdings die Vermutung nahe, dass Krankheitssymptome
durch Prednisolon maskiert und infolge dessen Patienten früher entlassen wurden.
Ebenfalls 2015 wurde eine randomisierte kontrollierte Studie von Torres und Kollegen
publiziert, die in drei spanischen Zentren Patienten mit „proinflammatorischem Phänotyp“
der CAP einschloss, definiert durch CRP-Spiegel größer als 150 mg/L [28]. In dieser Studie waren 61 Patienten eingeschlossen, die mit 0,5 mg Methylprednisolon
pro kg Körpergewicht zweimal täglich an fünf aufeinanderfolgenden Tagen behandelt
wurden, sowie 59 Patienten der Placebogruppe. Es zeigte sich eine signifikante Reduktion
des späten Therapieversagens, hauptsächlich basierend auf einer Reduktion radiologischer
Zeichen der Pneumonie im Zeitraum 72 Stunden bis 7 Tage nach Einschluss. Dieselbe
Arbeitsgruppe hatte zuvor gezeigt, dass Therapieversagen mit Mortalität [29], dass CRP Level über 150 mg/L mit Therapieversagen [30] und dass radiologische Progression sowohl mit Therapieversagen als auch mit Mortalität
assoziiert ist [29]
[31]. Dennoch konnte in der aktuellen Studie kein Einfluss der Methylprednisolontherapie
auf den klinischen Verlauf innerhalb der ersten 72 Stunden, die Beatmungsnotwendigkeit
oder die Krankenhaus-Mortalität beobachtet werden. Auch ist unklar, ob Methylprednisolon
die Entstehung des akuten Lungenversagens reduzierte, eine weniger schädliche lokale
physiologische Inflammationsreaktion behinderte oder die Infiltrat-Auflösung unterstützte.
Bemerkenswert ist, dass die Inzidenz hyperglykämischer Entgleisungen in der Methylprednisolon-Gruppe
nicht signifikant anstieg.
Zusammenfassend könnten Kortikosteroide in der Behandlung von Pneumoniepatienten mit
schwerer pulmonaler oder systemischer Inflammation einen Vorteil bieten. Es ist naheliegend,
dass dies nur für eine kleine Gruppe von Pneumoniepatienten gilt, die im Sinne eines
„personalisierten“ Ansatzes zunächst identifiziert und für die der vermutete Vorteil
in größeren Studien nachgewiesen werden muss, bevor eine eindeutige Empfehlung ausgesprochen
werden kann.
Signaltransduktion von Pattern Recognition Receptors (Mustererkennungsrezeptoren; PRRs)
Der Fokus zahlreicher Studien lag und liegt noch immer auf der Entwicklung von Strategien,
welche die PRR-Signaltransduktion modulieren. Große Hoffnungen wurden in die Entwicklung
von Eritoran, einem synthetischen Inhibitor der Toll-like Rezeptor 4 (TLR4)-Signaltransduktion
gesetzt, da verschiedene experimentelle Studien demonstrierten, dass die Aktivierung
von TLR4 vaskuläre Permeabilität auslöst [32]
[33]
[34]
[35]
[36]. In experimentellen Tiermodellen [37] und auch in gesunden Probanden nach einer LPS-Bolusinfusion [38] zeigte sich eine Reduktion der pulmonalen Inflammation nach Eritoran-Gabe. Vielversprechende
Ergebnisse zeigte auch eine klinische Studie der Phase II an Patienten mit schwerer
Sepsis, die nach Eritoran-Gabe einen Trend zu einer geringeren Mortalität aufwiesen
[39]. Jedoch waren die Ergebnisse in einer multinationalen Studie der Phase III an Patienten
mit schwerer Sepsis enttäuschend. Hier zeigte Eritoran keinen bedeutenden Effekt auf
die 28-Tage-Mortalität oder relevante sekundäre Outcome-Parameter [40], was den therapeutischen Einsatz von TLR4-Antagonisten im Rahmen von Sepsis und
Organversagen einschließlich ARDS grundsätzlich in Frage stellt. Betrachtet man die
molekularen Zusammenhänge der PRR-Signaltransduktion, so sind diese Ergebnisse möglicherweise
dadurch erklärbar, dass eine Vielzahl von oftmals gleichzeitig auftretenden PAMPs
und DAMPS Liganden für unterschiedliche PRRs darstellen, deren Aktivierung schließlich
zur NF-κB-vermittelten Transkription inflammatorischer Gene führt. Aus diesem Grund
erscheint es sinnvoller, weiter downstream in den Inflammationskaskaden zentrale Effektoren zu modulieren, anstatt auf einen
einzelnen PRR zu fokussieren [40].
GM-CSF
Ein weiterer Ansatz, die Immunantwort zu modulieren, ist die Behandlung mit dem hämatopoetischen
Wachstumsfaktor GM-CSF (granulocyte-macrophage colony-stimulating factor). Dieser besitzt immunregulatorische Eigenschaften, abhängig von der Konzentration
und Anwesenheit anderer Zytokine, sowie dem Kontext der Immunantwort (siehe Review
[41]). Gebildet wird GM-CSF von verschiedenen Zelltypen einschließlich Epithelzellen
und Makrophagen. In einer prospektiven, randomisierten, multizentrischen Studie an
Sepsis-Patienten zeigte sich ein positiver Effekt der GM-CSF Therapie auf die Sepsis-assoziierte
Immunsuppression sowie den klinischen Verlauf [42]. In verschiedenen experimentellen Infektionsmodellen einschließlich Influenzavirus,
Klebsiella pneumoniae und Streptococcus pneumoniae verbesserte GM-CSF die pulmonale Immunabwehr und zeigte einen protektiven Effekt
hinsichtlich der Entwicklung eines Lungenschadens [43]
[44]
[45]
[46].
Die Ergebnisse klinischer Studien an Patienten mit Lungenversagen sind jedoch uneinheitlich.
In zwei randomisierten klinischen Studien der Phase II hatten Patienten mit Sepsis-induziertem
ARDS keinen Benefit nach systemischer GM-CSF Behandlung [47]
[48]. Im Gegensatz dazu zeigen kürzlich veröffentlichte Daten einer unkontrollierten
klinischen Pilot-Studie, dass die inhalative GM-CSF Behandlung von Patienten mit Pneumonie-induziertem
ARDS zur Verbesserung der pulmonalen Abwehr, der Oxygenierung und des klinischen Verlaufs
führte [49]. Weitere Studien sind notwendig und bereits in Planung, um die Eignung von GM-CSF
als vielversprechende immunmodulatorische Substanz zur inhalativen Behandlung des
Lungenschadens bei Pneumonie zu evaluieren.
Komplement-Inhibitoren
Das Komplementsystem spielt als Teil des angeborenen Immunsystems eine wichtige Rolle
bei der Abwehr von Pathogenen und inflammatorischen Reaktionen [50]. Eine inadäquate Aktivierung des Komplementsystems kann Hyperinflammation und endotheliale
Barrieredysfunktion auslösen. Eine wesentliche Rolle hierbei spielt das Komplementaktivierungsprodukt
C5a [51]
[52]
[53]. Die Inhibition von C5a erwies sich experimentell als vielversprechender Ansatz
zur Abschwächung der Immunreaktion des Wirtes. So führte die Neutralisation von C5a
in Mausmodellen des akuten Lungenschadens sowie systemischer Entzündungsreaktion zur
Reduktion der vaskulären Permeabilität in der Lunge sowie in anderen Organen [54]. Auch bei pneumogener Sepsis mit und ohne maschinelle Beatmung zeigte die Neutralisierung
von C5a mittels Spiegelmer einen protektiven Effekt auf Lungen- und extrapulmonales Organversagen [55].
Immunmodulatorische Effekte von Antibiotika
Makroliden und Fluorchinolonen werden immunmodulatorische Eigenschaften zugeschrieben.
Die immunmodulatorischen Effekte von Makroliden sind in vitro vielfach untersucht. So können Makrolide die inflammatorischen Reaktionen gegenüber
einer Vielzahl Stimuli abschwächen, die Bildung bestimmter Virulenzfaktoren (z. B.
Pneumolysin) reduzieren [56] und in die mikrobielle Kommunikation (quorum sensing) eingreifen [57].
Die Kombinationstherapie in Form einer Beta-Lactam-Makrolid-Kombination wird in deutschen
und europäischen Leitlinien für sCAP Patienten sowie in den ATS Leitlinien für hospitalisierte
CAP-Patienten empfohlen [58]
[59]
[60]. Diese Empfehlung basiert auf (1) einem potentiell synergistischen bakteriziden
Effekt, (2) der Erfassung atypischer Pathogene (hauptsächlich Legionella ssp.) und (3) einer möglichen immunmodulatorischen Wirkung. Jedoch stützt sich die Empfehlung
hauptsächlich auf retrospektive Analysen, in welchen vorrangig sCAP Patienten einen
verbesserten Behandlungserfolg unter Kombinationstherapie zeigten [61]
[62]. Erstaunlicherweise erfolgte in keiner der Studien eine Charakterisierung des inflammatorischen
Profils der Patienten.
In einer kürzlich veröffentlichten Metaanalyse wurde ein verbessertes Überleben nach
Beta-Lactam-Makrolid-Kombinationstherapie beschrieben, jedoch nur im Vergleich zur
Beta-Lactam-Monotherapie, nicht aber im Vergleich zur Therapie mit einem Fluorchinolon
oder wenn die Analysen auf die wenigen inkludierten RCT-Studien beschränkt wurden.
Darüber hinaus waren schwerkranke Intensivpatienten ausgeschlossen [63].
In einer randomisierten kontrollierten Nichtunterlegenheitsstudie aus dem Jahr 2014
an hospitalisierten Patienten mit CAP (54 % CURB > 2, PSI-Klasse V wurde ausgeschlossen)
wurde die Beta-Lactam-Monotherapie mit der Beta-Lactam-Makrolid-Kombinationstherapie
verglichen. Dabei wurde der primäre Endpunkt, die Zeit bis zur klinischen Stabilisierung
an Tag 7, seltener unter Monotherapie erreicht. Auch hier profitierten hauptsächlich
schwerkranke Patienten mit einem CURB-Score über 2 oder der PSI-Klasse IV von der
Kombinationstherapie. Erstaunlicherweise traf das auch für Patienten zu, die mit atypischen
Pathogenen infiziert waren, obwohl Makrolide auch in der Monotherapiegruppe bei positivem
Legionella-Antigen-Nachweis im Urin verabreicht wurden [64].
In einer zweiten im Jahr 2014 veröffentlichten randomisierten kontrollierten Nichtunterlegenheitsstudie
an hospitalisierten Patienten mit CAP ohne Indikation zur Intensivtherapie (vergleichbar
mit der zuvor genannten Studie) wurde die Beta-Lactam-Monotherapie mit der Beta-Lactam-Makrolid-Kombinationstherapie
sowie mit der Fluorchinolon-Monotherapie verglichen. Bezüglich des primären Endpunktes,
der 90-Tage-Mortalität, war die Beta-Lactam-Monotherapie der Kombinationstherapie
oder Monotherapie mit einem Fluorchinolon nicht unterlegen [65].
Zusammenfassend betrachtet ist ein immunmodulatorischer Effekt von Makroliden bei
der Behandlung der unkomplizierten CAP möglich, er scheint aber eine untergeordnete
Rolle zu spielen, und eindeutige klinische Evidenz zu erlangen ist schwierig. Leider
fehlen RCTs an Patienten mit schwerer CAP. Darüber hinaus wäre es sinnvoll, den inflammatorischen
Phänotyp der Patienten zu bestimmen, um zu überprüfen, ob sich die experimentellen
Beobachtungen bezüglich der Immunmodulation durch Makrolide auch auf den Menschen
übertragen lassen.
Fluorchinolone mit einem Cyclopropylrest in der N1-Position (z. B. Ciprofloxacin,
Moxiflocacin) zeigen in vitro anti-inflammatorische Effekte [66]
[67]
[68]
[69]. In eigenen experimentellen Untersuchungen an humanem Lungengewebe und in Mäusen
in vivo konnten wir jedoch nach Pneumokokkeninfektion für Moxifloxacin diese Effekte nicht
bestätigen [70]. Zudem zeigte sich klinisch die Meropenem-Moxifloxacin-Kombinationstherapie im Vergleich
zur Meropenem-Monotherapie in Patienten mit Sepsis (hauptsächlich pneumogene Sepsis)
als nicht überlegen [71]. Ein immunmodulatorischer Effekt von Fluorchinolonen in der Pneumonie ist daher
derzeit nicht belegt.
Therapie der pulmonalen Barrierestörung
Adrenomedullin
Adrenomedullin (AM) ist ein körpereigenes Peptid, das als Teil eines Vorläuferproteins
(Präpro-AM) von verschiedenen Zelltypen (z. B. Epithelzellen, Endothelzellen, glatte
Muskelzellen, Leukozyten) synthetisiert wird. Mäuse, die defizient für AM, den AM-Rezeptor
CRLR (Calcitonin Receptor-Like Receptor) oder andere Komponenten des AM-Signalweges sind, sterben frühzeitig an der Entwicklung
eines Hydrops fetalis [72]
[73]
[74]
[75]. Experimentell konnte gezeigt werden, dass die AM-Expression unter inflammatorischen
Bedingungen, z. B. bei Sepsis oder akutem Lungenversagen erhöht ist [76]
[77]
[78]. Heterozygot AM-defiziente Mäuse zeigten nach LPS-Behandlung eine verstärkte inflammatorische
Antwort sowie ausgeprägtere Organschäden [79]. Umgekehrt führte eine Behandlung mit exogenem AM in eigenen Untersuchungen der
Autoren zu einer Stabilisierung der pulmonalvaskulären Barrierefunktion in verschiedenen
experimentellen Modellen und zeigte sich protektiv gegenüber der Entwicklung eines
beatmungsassoziierten Lungenschadens (ventilator-induced lung injury, VILI) in Mäusen mit oder ohne vorbestehender Pneumonie [80]
[81]
[82]
[83]
[84].
AM hat somit in verschiedenen komplexen experimentellen Modellen eindrucksvolle Eigenschaften
demonstriert und stellt einen äußerst vielversprechenden Kandidaten für eine adjuvante
Therapie der Pneumonie dar. Die klinische Evaluation ist in Planung.
Angiopoietine
Angiopoietin 1 (Ang-1) und Ang-2 spielen eine wichtige Rolle in der Regulation von
Angiogenese, Inflammation und Gefäßpermeabilität (siehe Reviews [85]
[86]). Ang-1 wird konstitutiv exprimiert und bindet an den endothelial-exprimierten Tyrosinkinaserezeptor
Tie2, was zur Stabilisierung interzellulärer Kontakte und Zell-Matrix-Kontakte sowie
zur Rekrutierung peri-endothelialer mesenchymaler Zellen führt [87]. Ang-1 fungiert damit als konstitutiver Agonist von Tie2 und ist für den Erhalt
der vaskulären Integrität notwendig. Ang-2, ebenfalls Ligand von Tie2, agiert hingegen
als funktioneller Antagonist und führt zur Destabilisierung der endothelialen Schranke,
Inflammation und Hyperpermeabilität [88]
[89].
In verschiedenen Studien wurde Ang-2 eine Rolle als potenzieller Marker für die Schwere
der Erkrankung zugeschrieben. So konnten Parikh und Kollegen 2006 bereits zeigen,
dass die Ang-2-Spiegel im Blut bei septischen Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen
erhöht sind [90]. Zudem wurde eine Korrelation zwischen dem Ang-2-Gehalt und der Mortalität beim
nicht-infektiös bedingten, nicht aber beim infektiös bedingten akuten Lungenschaden
demonstriert [91]. Auch in der Pathogenese der Sepsis scheint Ang-2 eine Rolle zu spielen. So konnten
David und Kollegen zeigen, dass heterozygote Mäuse mit nur einem funktionsfähigen
Ang-2 Allel geringere Lungen- und Organschäden sowie eine geringere Mortalität in
verschiedenen Sepsis-Modellen aufwiesen [92]. Analog dazu führte die Behandlung von Mäusen mit Antikörpern gegen Ang-2 zur Reduktion
von Permeabilität und Mortalität nach LPS-Injektion [93].
Im Gegensatz zu Ang-2 zeigte Ang-1 in zahlreichen präklinischen Studien einen protektiven
anti-inflammatorischen Effekt. Die Behandlung mit Ang-1 oder transgene Überexpression
von Ang-1 führte in experimentellen Modellen des akuten Lungenschadens zu einer Reduktion
der Expression von Zytokinen und Adhäsionsmolekülen, PMN-Infiltration und Permeabilität
in der Lunge [94]
[95]
[96]
[97]. Darüber hinaus wurden in zahlreichen Studien die Barriere-stabilisierenden Effekte
von Ang-1 eindrucksvoll demonstriert [94]
[95]
[96]
[98]
[99]
[100].
Vielversprechend ist die Entwicklung von Vasculotide, einem kurzen synthetischen Tie2
Rezeptor-Agonisten, der die Bindung von Ang-1 und Ang-2 inhibiert [101]. Das therapeutische Potenzial von Vasculotide konnte bereits in murinen Modellen
der Endotoxämie, der abdominalen Sepsis und jüngst auch der Influenza-Pneumonie demonstriert
werden. Hier zeigte sich nach Applikation von Vasculotide eine verbesserte Barrierefunktion
sowie reduzierte Mortalität [102]
[103]
[104].
Stammzellbasierte Therapie
Stammzellen können durch ihr Potenzial zur Selbsterneuerung und Differenzierung in
eine Vielzahl unterschiedlicher Zelltypen zur Regeneration geschädigter Gewebe und
Organe beitragen [105]. Im Modell des LPS-induzierten Lungenschadens konnte gezeigt werden, dass sich Stammzellen
nach Transplantation ins Lungengewebe integrieren, mit Nachbarzellen interagieren
und so die endotheliale und epitheliale Regeneration unterstützen. Es ist anzunehmen,
dass die transplantierten Zellen dabei von Chemokinen im geschädigten Gewebe angelockt
wurden, da im gesunden Lungengewebe exogene Stammzellen nicht detektierbar waren [106]. Neben der direkten Zellintegration können Stammzellen auch die Immunantwort modulieren.
Bemerkenswerterweise werden überschießende inflammatorische Reaktionen reduziert,
während gleichzeitig die Fähigkeit des Wirtes, Pathogene zu bekämpfen, aufrechterhalten
wird [105]. Für die beschriebenen positiven Effekte scheinen hauptsächlich parakrine Mediatoren
der Stammzellen sowie von Stammzellen sezernierte Mitochondrien-enthaltende Mikrovesikel
verantwortlich zu sein [107]
[108].
Eine Untergruppe hämatopoetischer Stammzellen bilden endotheliale Progenitorzellen
(endothelial progenitor cells, EPCs), die ausschließlich in Endothelzellen differenzieren können. EPCs können aus
verschiedenen Quellen isoliert werden, z. B. aus zirkulierenden mononukleären Zellen,
Knochenmark oder Nabelschnurblut. In ARDS-Patienten konnte eine erhöhte Anzahl zirkulierender
EPCs nachgewiesen werden, die mit einem verbesserten Überleben der Patienten assoziiert
war [109]. Jedoch zeigte sich eine eingeschränkte Funktionalität (reduzierte Proliferation,
Adhäsion, Migration, angiogene Eigenschaft) endogener EPCs in septischen Individuen
[110]
[111].
Um die positiven Effekte der EPCs zu erhalten, wurden experimentell zwei Strategien
verfolgt. Die erste Strategie basiert auf der Transplantation von EPCs, die aus gesunden
Spendern isoliert wurden. Die EPC-Transplantation in Tiermodellen des akuten Lungenversagens
führte, wahrscheinlich durch Reendothelialisierung des geschädigten pulmonalen Gefäßsystems,
zur Reduktion der Bildung von Ödem und hyalinen Membranen [106]
[112]. Zur Verbesserung der Funktionalität der EPCs wurde im zweiten Ansatz die autologe
EPC-Transplantation mit der Applikation des Chemokins SDF-1α kombiniert [113]. Im murinen Modell der polymikrobiellen Sepsis führte die Kombination von exogenen
EPCs und SDF-1α zur Verbesserung der pulmonalen Gefäßintegrität und des Überlebens
[113]. Die Transplantation von EPCs als präventive oder therapeutische Strategie bei ARDS
erscheint sehr vielversprechend, weitere präklinische Untersuchungen von Effektivität
und Wirkungsmechanismus sind jedoch notwendig. Derzeit werden humane, allogene mesenchymale
Stammzellen aus dem Knochenmark als adjuvante Therapie zur Behandlung von ARDS in
einer klinischen Studie der Phase I (NCT01775774) sowie in einer multizentrischen
Phase-II-Studie (NCT02097641) analysiert.
Angesichts der seit Jahrzehnten unveränderten, inakzeptabel hohen Letalität der Pneumonie
ist die Identifikation zentraler Pathogenitätsmechanismen und die erfolgreiche Translation
neuer Therapiestrategien in die Klinik von besonderer Bedeutung. Die pathophysiologische
Relevanz von Hyperinflammation und Barrieredysfunktion bei Pneumonie-assoziiertem
ARDS ist lange bekannt, und neuartige Strategien, welche die pathophysiologischen
Mechanismen modulieren, wurden bereits erfolgreich in präklinischen proof-of-concept Modellen getestet. Allerdings war keine dieser Strategien bisher klinisch erfolgreich.
Um die Effizienz der Translation von präklinischen Forschungsergebnissen in die Klinik
zu erhöhen, sollten einige Aspekte beachtet werden [114]. Erstens sollten zur adäquaten Abbildung des Pneumoniepatienten verschiedene präklinische
Modelle von hinreichender Komplexität kombiniert werden, die an die jeweilige klinische
Situation angepasst sind. Zweitens sollte man sich vor Augen führen, dass die rasche
Wiederherstellung der endothelialen Barrierefunktion im Stadium der fortgeschrittenen
Endothelschädigung ein fast utopisches Ziel darstellt. Aus diesem Grund sollten Pneumoniepatienten
möglichst bereits bei der Diagnosestellung in Risikogruppen für eine ARDS-Entwicklung
eingeteilt werden, und die Behandlung sollte dann nötigenfalls ohne zeitliche Verzögerung
„präventiv“ erfolgen. Und drittens sollten Daten von klinischen Studien, patientenbezogenen
Omics-Analysen, präklinischen Studien u. a. in einem systemmedizinischen Ansatz integriert
werden, um mathematische Modelle zu generieren. Diese Modelle können unser Verständnis
der Krankheitsvorgänge verbessern, neue therapeutische Ansätze identifizieren und
Patientenpopulationen erkennen, die von spezifischen Strategien profitieren können.
Mittelfristig können sie zudem zur individuellen Risikostratifizierung beitragen.
CAPSyS, ein durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Netzwerk
mit dem Fokus auf die „Systemmedizin der Pneumonie“, hat die Arbeit mit eben diesem
Ziel im Jahr 2014 aufgenommen.