Anästhesist Michael Weber gehört zu den Pionieren der Honorararzt-Agenturen: 2005
gründete er in Berlin „Hire a Doctor“ vom heimischen Schreibtisch aus. Wenige Jahre
später hatte er ein professionelles Büro mit gut einem Dutzend Mitarbeitern; heute
sind es rund 20, das Unternehmen ist inzwischen in der Schweiz aktiv, vermittelt außerdem
Rettungskräfte und Krankenschwestern, bietet Leiharbeit an und hilft bei der Suche
nach festem Personal. Und das ursprüngliche Geschäft? Die Vermittlung von Interimspersonal
an Kliniken, Reha-Kliniken, Praxen oder Medizinische Versorgungszentren sei nach wie
vor gefragt, sagt Geschäftsführer Weber. Zwei Drittel aller Krankenhäuser zählten
zu den Kunden seiner Agentur – „auch wenn die meisten nicht gerne darüber reden“,
meint er. Ein Blick auf die Arbeitstage der über die Agentur vermittelten Honorarärzte
zeigt aber einen Rückgang: 2011 waren die Honorarärzte, die Hire a Doctor vermittelte,
insgesamt 50.000 Arbeitstage im Einsatz. Im Jahr 2015 waren es bis Anfang November
40.000 Arbeitstage, das ist ein Rückgang von circa fünf Prozent.
Das Deutschen Krankenhaus-Institut (DKI) stellt außerdem fest, dass der Anteil der
Kliniken, die Honorarärzte einsetzen, zurückgegangen ist: 2010 haben 71 Prozent von
ihnen Honorarärzte beschäftigt, 2012 waren es nur noch 66 Prozent. Allerdings sind
Zahlen im Honorararzt-Geschäft eine relativ undurchsichtige Angelegenheit: Die Anzahl
an Ärzten, die ausschließlich auf Honorarbasis arbeiten, wird in Deutschland nicht
erfasst. Es gibt keine valide Statistik oder offizielles Zahlenmaterial – etwa von
den Landesärztekammern. Die Angaben der Agenturen und des Bundesverbands der Honorarärzte
schwanken zwischen 1.500 und 6.000 Ärzten. Ob sie haupt- oder nebenberuflich als Honorararzt
tätig sind, wird nicht gesagt.
Für den Geschäftsführer der Personalvermittlung Stegmed, Peter Kilian, sind die Boom-Jahre
für Honorarärzte vorbei. Die Vakanzen in Krankenhäusern hätten sich massiv verringert.
Ein Grund: die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit, die zu einer Zunahme ausländischer Ärzte
in Deutschland geführt habe. Diese Ärzte besetzten hierzulande vor allem Assistenzarzt-Positionen
und würden allmählich zu Fachärzten heranreifen. So gebe es immer weniger Stellen
für Honorarärzte. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft sieht dies ähnlich. Der Bedarf,
Lücken in Krankenhäusern mit Honorarärzten zu füllen, sei nicht mehr so groß, heißt
es von DKG-Sprecher Joachim Odenbach. Grundsätzlich versuchen Krankenhäuser, das Engagieren
von Honorarärzten auf Situationen zu beschränken, in denen versorgungspolitischen
Erwägungen eine Rolle spielen.
Nicht zuletzt spielt hier auch die gesellschaftpolitische Debatte um das Thema Scheinselbständigkeit
mit hinein. Kliniken hätten wegen der intensivierten Kontrollen der Rentenversicherung
Angst, Nachzahlungen – also Sozialabgaben und Lohnsteuer – zahlen zu müssen. Deshalb
bietet jetzt auch Webers Agentur verstärkt neue Modelle an: Kurzzeitanstellung und
Arbeitnehmerüberlassung.