Bis zu 60 Prozent der Behandlungskosten entstehen am Tag der Operation. Deshalb ist
es von größter Bedeutung, dass die Operationssäle durch gute Steuerung und Abläufe
optimal ausgelastet sind. Mit der Zunahme von Operationen stieg u. a. in diesem Kontext
der Anteil von Implantaten und Einmalsterilgut. Vor dem Hintergrund gesetzlicher Vorgaben
muss dieses Einmalsterilgut zum Teil zwingend dokumentiert werden (z. B. UDI) und
es sollte aufgrund ökonomischer Überlegungen auch verbrauchswertabhängig dokumentiert
werden. In Deutschland verbindet man hiermit einen Abgleich mit der InEK-Kalkulation,
welche seitens der Krankenhäuser zwar nur auf indirektem Wege langfristig beeinflusst
werden kann, deren Grenzkostensätze mit Blick auf die Vermeidung von Verlusten jedoch
unbedingt einzuhalten sind. In Ländern mit direkt verbrauchsbezogener Abrechnung (z.
B. in den Niederlanden) ist das Festhalten des Verbrauchs direkt an den Erlös gebunden
und damit obligatorisch. Unabhängig von den Beweggründen ist es für ein Operationsteam
wichtig, dass die Dokumentation mit möglichst wenig Aufwand erfolgt.
Viel Arbeitszeit für fachfremde Tätigkeiten
Viel Arbeitszeit für fachfremde Tätigkeiten
Laut einer Reihe von Studien widmen sich Mitarbeiter der Pflege immer noch einen Großteil
ihrer Arbeitszeit logistischen Aufgaben, welche insbesondere durch Annahme, Erfassung
und Inventuraufgaben entlang der Supply Chain entstehen. In diesem Kontext wurden
in den letzten Jahren Lösungen diskutiert, die von der Auslieferung beim Hersteller
bis zur Verwendung im Operationssaal effiziente, transparente und dokumentierte Prozesse
sicherstellen und idealerweise automatisiert abbilden.
Befüllen des als Drehtrommel ausgeführten RFID-Readers.(Foto: CWZ, Nijmegen, Niederlande)
Systemlösung zur Automatisierung administrativer Prozesse
Systemlösung zur Automatisierung administrativer Prozesse
Eine zukunftweisende Entwicklung, welche die genannten Anforderungen erfüllt, stellt
z. B. das System Resolution der Fa. Johnson & Johnson dar. Hierbei werden Sterilgutverpackungen
mit einem RFID-Chip nach dem Peelen (Auspacken) im OP-Saal in einen Plastiksack geworfen.
Dieser Vorgang entspricht 1:1 dem üblichen Procedere im OP, wobei ein Abscannen oder
Eintippen ausgewählter Artikelangaben entfällt. Nach OP-Ende wird der Sack, in dem
sich neben den leeren Verpackungen ein RFID-Tag mit der ID des Patienten befindet,
in einen als Drehtrommel ausgeführten Reader gelegt. Durch die Rotation der Trommel
beim Auslesevorgang ist eine Erkennung aller im Sack befindlichen Verpackungen sichergestellt
(ein wichtiger Punkt, der bei Verwendung statischer Reader problematisch ist) und
die Lesezeit beläuft sich auf nur wenige Sekunden. Abschließend wird der Sack entsorgt.
Die Integration der Lösung in die Supply Chain bis hin zur Dokumentation ermöglicht
eine medienbruchfreie Auftragsbearbeitung von der Bedarfsanforderung über Einkauf,
Wareneingang und Lagerverwaltung sowie eine elektronische Verknüpfung von verbrauchten
Produkten bzw. Materialien zu Patienten und Eingriffen. Damit wiederum können konkrete
Erlöse in der InEK-Kalkulationsmatrix adressiert und abgeglichen werden.
Typische Pain-Points in der Supply Chain der OP-Logistik.(Symbolfoto: AdobeStock /
Robert Przybysz)
Erfahrungen in 3 Ländern auf 2 Kontinenten
Erfahrungen in 3 Ländern auf 2 Kontinenten
Nach dem Rollout in Australien wurde Resolution Schritt für Schritt optimiert und
ist mittlerweile technisch ausgereift. Seit ca. zwei Jahren befindet sich das System
auch in Krankenhäusern in Italien und den Niederlanden im Einsatz. Das Tagging, also
das Aufbringen des RFID-Chips auf die Verpackung erfolgt hierbei je nach vorhandener
Infrastruktur und Differenzierung von Lagerartikeln und Durchläufern entweder im Zentrallager
und/oder im OP-Lager. Aktuell wird die Machbarkeit in Zusammenarbeit mit der Einkaufsgemeinschaft
AGKAMED geprüft. Die AGKALogistics mit dem Zentrallager der AGKAMED bietet den hier
angeschlossenen Krankenhäusern an, das Tagging zu übernehmen.
„Der Erfolg ergibt sich aus der Arbeitszeitersparnis und der Dokumentationsqualität“,
so Dr. Oliver Gründel, Geschäftsführer der AGKAMED. Er möchte „die Logistik an die
Bestellfunktion heranführen und dazu ist das System absolut ideal, da ein Ausbuchen
eines Artikels einen Nachbestellprozess auslöst“. Dies wird durch eine in den Niederlanden
erprobte Datenintegrationslösung sichergestellt, die über standardisierte Schnittstellen
Resolution mit dem Krankenhaus-ERP-System verbindet.
Qualitative Bewertung
Zu einer positiven Bewertung kommt auch das Institut für Healthcare Management (IHCM)
an der Hochschule Niederrhein in Krefeld. In einer Value Study verglichen die Wissenschaftler
die Ist-Situation (Daten und Prozesse) von 3 Maximalversorgern und 2 Krankenhäusern
der Grund- und Regelversorgung aus Deutschland mit denen zweier Kliniken in Italien
sowie einem Krankenhaus in den Niederlanden, in denen sich Resolution seit mehr als
einem Jahr im Regelbetrieb befindet. Aufgrund der vor und nach der Einführung von
Resolution geführten Statistiken bzgl. häufig vorkommender Fehler (z.B. in der Dokumentation)
und Defizite (z.B. Überlagerung von Sterilgut), die im Weiteren in mehreren hiervon
unabhängigen wissenschaftlichen Studien im Themenkomplex RFID im Gesundheitswesen
und in der Pharmazie auf Plausibiltität geprüft und bestätigt wurden, ergaben sich
diverse Nutzenpotenziale (s. Kasten).
Quantifizierbarer Nutzen
Auf Grundlage der durchgeführten Erhebungen konnten neben den qualitativen Potenzialen
Kennzahlen für eine Abschätzung des quantitativen Nutzens entwickelt und näherungsweise
berechnet werden. Hierbei wurden mit Blick auf die grundsätzlichen Unterschiede in
vielen Krankenhäusern die Variante mit und ohne Barcodeerfassung im Ist-Zustand unterschieden.
Unter Zugrundelegung von Prozessaufwand in Logistik und Dokumentation sowie bei konservativem
Einbezug von gemessenen Fehlzuständen in den Pilothäusern ist mit „Kosteneinsparungen
von rund 20000 Euro pro Jahr bei 15000 Operationen und durchschnittlich 2,5 Artikeln
je Operation zu rechnen, wobei sich die Systemlösung dann in ca. 3 Jahren amortisiert“,
so Prof. Dr. Hubert Otten, geschäftsführender Institutsleiter und verantwortlich für
den Bereich Technische Systeme, Betriebsorganisaiton und Logistik am IHCM (Abbildung
3).
Amortisationszeit bei zwei mit RFID-Chips getagten Artikeln je Operation
(Quelle: Hubert Otten)
Einrichtung eines Demonstrationszentrums
Einrichtung eines Demonstrationszentrums
Die positive Resonanz hat Johnson & Johnson veranlasst, in Norderstedt ein Demonstrationszentrum
einzurichten, das Interessierten die Lösung am praktischen Beispiel veranschaulicht
und in dem die bislang gemachten Erfahrungen mit Dr. Thomas Burger, (Senior Program
Manager) und Sebastian Dahlem (Project Manager Value Added Services) diskutiert werden
können. „Es ist überraschend, wie viel Optimierungspotential wir in detailierten Supply
Chain Prozessanalysen aufdecken und in welchem Maße Handlungsbedarfe abgeleitet werden
können“ so Sebastian Dahlem.
Nutzenpotenziale von RFID
-
schnellere und qualitätsgesicherte OP-Dokumentation
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OP-/Patienten-/Fallzuordnung
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schnellere Inventur
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beschleunigter und verbesserter (durch Bestellmengenoptimierung) Bestell- und Wareneingangsprozess
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verringerte Risiken
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Patient: generelle Erhöhung der Patientensicherheit und Chance zur Verweildauerreduzierung
und Verringerung der Komplexitätsrate im Rahmen innovativen Medizincontrollings
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Krankenhaus: Sicherstellung ausreichender fallbezogener Erlöse und Absicherung von
kostenintensiven Identifikationsfehlern
-
OP-Pflege: entspannte Arbeitsatmosphäre mit geringerem Stressfaktor und reduzierter
Fehlerwahrscheinlichkeit
Dem schließt sich Dr. Gründel von der AGKAMED an: „Die Krankenhäuser haben vor allem
ein Personalproblem im Bereich der Funktionsstellen. Hier verringern administrative
Aufgaben, die oft nicht gut organisiert, geschweige denn wie in anderen Branchen automatisiert
sind, die Zeit, die eigentlich für die Patienten zur Verfügung stehen sollte. Deshalb
ist das Thema besonders wichtig und innovativ für uns und unsere Häuser.“