Einleitung
Primäre Knochen- und Weichteiltumoren sowie tumorähnliche Läsionen sind seltene Erkrankungen.
Insbesondere bei malignen Entitäten ist das Zeitintervall zwischen Beginn der klinischen
Symptomatik, nach bestimmten Richtlinien durchgeführter Biopsie, adäquat komplettierter
Umfelddiagnostik und Einleitung der spezifischen systemischen und lokalen Therapiemaßnahmen
entscheidend für die Langzeitprognose.
Bei frühzeitiger Diagnose und optimalem Management sind bei primär malignen Knochentumoren
der Extremitäten auch infolge verbesserter Resektionstechniken und optimierter neoadjuvanter
und adjuvanter Systemtherapien in bis zu 90 % extremitäterhaltende Versorgungen in
kurativer Intention möglich [16]. Bei verzögertem Management, falsch durchgeführter Biopsie, intraläsionaler Resektion
ist ein hohes Lokalrezidivrisiko zu befürchten, ein unbefriedigendes funktionelles
Ergebnis zu erwarten oder aber auch in seltenen Fällen die Amputation nicht zu vermeiden.
Aufgrund der Seltenheit der Erkrankungen (Bsp.: Inzidenz des Osteosarkoms 150 Neuerkrankungen/Jahr
in Deutschland, davon über die Hälfte am distalen Femur) und der hochspeziellen Resektionstechniken
und Verfahren in der Defektrekonstruktion bestehen nur an muskuloskeletalen Zentren
mit tumororthopädischer/-chirurgischer Expertise hierzu entsprechende Erfahrungen.
Die Behandlung muss in solchen Zentren im interdisziplinären Ansatz unter Einbindung
aller am multimodalen Therapiekonzept beteiligten Fachdisziplinen (internistische
Onkologie, Radioonkologie, Pathologie etc.) geplant und durchgeführt werden.
Primäre Knochentumoren und Skelettmetastasen manifestieren sich an den langen Röhrenknochen
am häufigsten am Femur [11]. In unterschiedlichem Ausmaß befallen diese Tumoren dabei den Abschnitt des proximalen,
meta-/diaphysären oder distalen Femurs. Prädilektionsort der Osteosarkome ist in der
Mehrzahl der Fälle die distale Metaphyse (75 %), während Ewing-Sarkome und Chondrosarkome
vermehrt im proximalen Femur beobachtet werden [11]. Pathologische Frakturen infolge sekundärer Knochenmetastasen sind mit > 50 % am
Femur sehr häufig [18].
In einem interdisziplinären Behandlungskonzept wird die Therapie mit der bestmöglichen
Prognose für den Patienten geplant. Hierbei beeinflusst eine Vielzahl von Faktoren
die individuelle Therapieplanung. Tumorabhängige Faktoren sind neben Tumorbiologie
(Dignität, Grading, Response auf Chemotherapie), Tumorlokalisation (intra-/vs. extraartikulär),
Tumorgröße (Weichteilbeteiligung/paraossales Tumorsubstrat), Beteiligung neurovaskulärer
Strukturen auch das Ausbreitungsstadium (solitär vs. primär metastasiert).
Patientenspezifische Determinanten sind neben Alter und funktionellem Anspruch auch
das Vorliegen von zusätzlichen Erkrankungen. Die Planung des onkologischen Konzepts
erfolgt über ein interdisziplinäres Tumorboard anhand der o. g. Faktoren, welches
die Indikation und das Timing der Durchführung (neo)adjuvanter Therapieverfahren (Chemotherapie,
Strahlentherapie, Hyperthermie, Extremitätenperfusion) verifiziert und die Art/Radikalität
der Lokaltherapie festlegt. Das onkochirurgische Spektrum reicht von palliativen Stabilisierungen,
intraläsionalen Verfahren bei benignen Tumoren oder tumorähnlichen Läsionen mit konservativem
Regime (leave me alone lesion), über Verbundosteosynthesen bis hin zu radikalen weiten
intra- und extraartikulären Resektionen unter Einschluss meta-diaphysärer Segmente
(lokal aggressive oder Low-/High-Grade-Tumoren). Klassische Kompartimentresektionen
(was bei Tumormanifestationen im Bereich des distalen Femurs eine Entfernung des gesamten
Knochens bedeuten würde) haben bez. Prognose und Lokalrezidivrate keinen Vorteil gezeigt
[9], zeigen aber funktionell massiv schlechtere Ergebnisse.
Die anschließende Rekonstruktion des ossären Defekts des distalen Femurs erfolgt bei
der Möglichkeit zum Gelenkerhalt entweder biologisch (autologer freier oder vaskularisierter
Knochentransfer, mittels Verbundosteosynthesen oder durch Segmenttransport bzw. Distraktionsosteogenese)
oder aber bei Gelenkbeteiligung tumorendoprothetisch (distaler/totaler Femurersatz).
Bei palliativen Intentionen (disseminiertes Sarkom, multiple Karzinommetastasen, Plasmozytom
etc.) mit drohender/manifester pathologischer Fraktur werden nach ggf. intraläsionalen
Exzisionen reguläre Osteosynthesetechniken (Marknägel, winkelstabile Platten) ohne/mit
Verbundosteosynthese oder auch tumorendoprothetische Therapieverfahren eingesetzt.
Bei ausgedehnten und seltenen Befunden mit Invasion des Großteils der kniegelenknahen
Muskulatur, des Streckapparats, der Gefäße, aber ohne Beteiligung der neuralen Strukturen
kann eine Segmentresektion in Form einer Umkehrplastik erwogen werden. Bei onkologisch
suffizienter Resektion sind die funktionellen Defizite vergleichbar zu denen nach
proximaler Unterschenkelamputation und deutlich geringer als nach proximaler Oberschenkelablation
oder Hüftgelenkexartikulation.
Als Ultima Ratio bleiben bei onkologisch nicht sicher resektablen Läsionen, Infiltration
neurovaskulärer Strukturen und/oder fehlender realistischer Aussicht auf onkologisch
suffiziente Resektion (mehrfache, intraläsionale Eingriffe in der Anamnese, wiederholte
Lokalrezidive bei schlechter Response auf systemische Therapieverfahren, absehbar
funktionslose Extremität, nicht anderweitig beherrschbare Schmerzzustände etc.) die
ablativen Verfahren bestehen. Am distalen Femur ist dies heutzutage nur noch in 5–15 %
der Fälle notwendig [19], [20].
Diagnostik
Osteogene Sarkome oder Knochenmetastasen können im Allgemeinen über ein längeres Intervall
asymptomatisch verlaufen. In Abhängigkeit von der Lokalisation, der Ausdehnung eines
paraossären Weichteilanteils und/oder der Beteiligung neurovaskulärer Strukturen werden
sie unterschiedlich früh oder spät klinisch auffällig. Im Bereich des distalen Femurs
führen unklare Schwellungen mit oder ohne assoziierte Kniegelenkbeschwerden häufig
zum ersten Arztkontakt und zur primären Diagnostik. Die Patienten klagen meist vorwiegend
über dumpfe, belastungsabhängige Beschwerden. Oft ist der Nachtschmerz klinisch vordergründig.
Bagatelltraumata und sportliche Aktivitäten werden häufig als Erklärung der Beschwerden
akzeptiert und verzögern genauso wie fehlinterpretierte Irritationen neurovaskulärer
Strukturen die frühzeitige Diagnose. Pathologische Frakturen sind am distalen Femur
nicht selten das Erstsymptom eines primär malignen Knochentumors oder einer Knochenmetastase
[7]. Systemische Beschwerden (Fieber, Schüttelfrost, Gewichtsverlust, Abgeschlagenheit
und Appetitlosigkeit) treten eher selten und wenn, dann zumeist erst verzögert auf.
Radiologisch soll immer zuerst eine konventionelle Röntgenaufnahme des Femurs in 2
Ebenen erfolgen.
Nicht selten wird aufgrund unklarer Kniegelenkbeschwerden auch eine MRT-Untersuchung
initial durchgeführt. Sowohl das angrenzende Knie- als auch Hüftgelenk sollen röntgenologisch
möglichst mit abgeklärt werden. Durch die Reaktion des Knochens auf bestimmte aggressive
Tumoren, aber auch durch die individuelle Tumormatrix (Osteoidbildung) ergeben sich
im Röntgenbild oft typische, pathognomonische, radiomorphologische Erscheinungsbilder,
die Rückschlüsse auf Entität und Dignität erlauben. In Zusammenschau mit Alter und
klinischer Symptomatik erfolgt anschließend die gezielte Indikationsstellung über
Notwendigkeit, Art und Zügigkeit eines anschließenden Schnittbildverfahrens. Die CT
ermöglicht eine optimale Darstellung der Ausdehnung des Knochenprozesses, aber auch
der Tumormatrix (fibrös, kalzifizierend etc.) und wird zur Stabilitätsbeurteilung
herangezogen. In Kombination mit der Kontrastmittelanwendung (KM bei Angio-CT mit
multiplanaren Rekonstruktionen) wird zudem die Gefäßbeteiligung beurteilbar.
Goldstandard bei der erweiterten Diagnostik primär maligner Knochentumoren, vor allem
zur Beurteilung der Markraumausdehnung und Weichteilbeteiligung, bleibt die MRT des
gesamten Kompartiments.
Der Vorteil liegt in der hohen Weichteilkontrastierung und damit besseren Beurteilbarkeit
sowohl der intra- als auch extraossären Tumorausdehnung. Die eventuelle Beteiligung
neurovaskulärer Strukturen (Angio-MRT) wird, wie auch mögliche Skip-Metastasen (Läsionen
ohne Verbindung zum Primärtumor, aber im selben Kompartiment), erfasst. Weiterhin
ist die MRT essenziell zur Planung einer Biopsie, da heterogene Binnenmuster eines
Tumors ebenso wie das unterschiedliche KM-Aufnahmeverhalten sowie Nekroseareale, liquide
Formationen etc. dargestellt werden, die hinweisend auf ein höheres Grading sind.
Zudem erlauben bestimmte fettgesättigte Sequenzen Rückschlüsse auf den Fettgehalt
des Tumorgewebes, andere Sequenzen wiederum sind hinweisend für chondroide Gewebeanteile.
Wegen der o. g. Fakten sollte die MRT immer als Kompartiment-MRT primär und nach neoadjuvanter
Therapie durchgeführt werden. Über die Änderung des Binnenmusters und der Regression/Progression
der Tumorgröße können nicht selten auch Informationen über die Response auf die neoadjuvante
Polychemotherapie erhalten werden.
Die Skelettszintigrafie dient der Erfassung multipler skeletaler Läsionen wie Skelettmetastasen
oder multifokale Manifestationen primärer Knochentumoren. Die Beurteilung einer Läsion
kann bei epi-/metaphysärer Lage im Kindesalter aufgrund der physiologischen Anreicherung
der Wachstumsfuge schwierig sein.
Im Verbund mit einer Positronenemissionstomografie (PET) bzw. 18Fluor-Desoxyglukose-PET (FDG-PET) kann die CT-/MRT-Untersuchung eine optimierte Umfelddiagnostik
bieten und die metabolische Aktivität intramedullärer/paraossaler Tumorausdehnungen/fraglicher
Skip-Metastasen vor und nach Chemotherapie beurteilen.
Biopsie
Die Indikation zur Biopsie ergibt sich bei klarem Verdacht auf maligne-/benigne-aggressive
Läsionen. Typische radiomorphologisch eindeutig zuordenbare Läsionen (sog. leave me
alone lesions) benötigen keine bioptische Sicherung. Bleibt die Dignität unklar, muss
ein Zweittumor ausgeschlossen werden; sind Gewebeproben erforderlich, um den Therapieplan
anzupassen (Bsp. Rezeptorstatus bei Mammakarzinom), muss ebenfalls zwingend eine histologische
Sicherung erfolgen.
Das Timing der Biopsie besteht erst nach Abschluss aller bildgebenden Diagnostik,
da inzisionsbioptisch bedingte intratumorale Hämatome Nekrosen und damit ein höheres
Grading vortäuschen können.
Die grundsätzlichen Prinzipien zur Durchführung einer Biopsie sind unabhängig von
der Lokalisation und werden daher auch am Femur konsistent nach den folgenden onkologischen
Grundregeln durchgeführt:
-
Zugang in Schnittführung der Definitiv-OP
-
Zugang in Längsrichtung der Extremitäten
-
direkter Zugang (kürzester Weg) zum Tumor unter Berücksichtigung der später notwendigen
En-bloc-Entfernung des Biopsiekanals mit Tumorresektat
-
keine Eröffnung zusätzlicher muskulärer/artikulärer Kompartimente
-
keine Biopsie durch Muskelgruppen, die später zur Weichteilrekonstruktion (Lappendeckung)
benötigt werden
-
keine Kontamination von Gefäß-/Nervenstrukturen
-
repräsentative und mengenmäßig ausreichende Gewebsprobe (vitales Tumorgewebe)
Die offene Biopsie bleibt der Goldstandard, da danach eine sichere Diagnose mit einer
diagnostischen Rate von ca. 98 % erwartet werden kann [36]. Intraoperative Schnellschnittuntersuchungen erhöhen die diagnostische Sicherheit
und sind als Standard anzusehen, da falsch-negative Proben (Tumornekrosen, Hämatome,
ödematöses Gewebe aus der reaktiven Randzone etc.) vermieden werden können.
Daher sollte eine Biopsie bei V. a. primär maligne und/oder lokal-aggressive benigne
Tumoren zwingend an einem Zentrum für Tumororthopädie/-chirurgie durchgeführt werden.
Nach einer Studie der Musculoskeletal Tumor Society liegt die Fehlerquote bei onkochirurgischen
Eingriffen außerhalb solcher Zentren bei bis zu 30 %, während in Einrichtungen mit
entsprechender Expertise diese nur bei 9 % liegt [32]. Nach Biopsie und Klärung des onkologischen Konzepts erfolgt ggf. die onkochirurgische
Resektion. Infolge der Kontamination mit Tumorzellen muss der Biopsiekanal inklusive
Biopsienarbe am Resektat verbleibend en bloc mitreseziert werden.
Eine nicht korrekt durchgeführte Biopsie verzögert oder verfälscht die Diagnostik,
beeinflusst das anstehende Resektionsverfahren mit ggf. unnötigerweise erforderlicher
Erweiterung der Resektion und konsekutiv vergrößerten Resektionsdefekten mit schlechterem
funktionellem Ergebnis. Im ungünstigsten Fall ist der Erhalt der Extremität gefährdet
und die Gesamtprognose des Patienten wird negativ beeinflusst.
Bei Knochentumoren am distalen Femur wird die Biopsie überwiegend von lateral oder
alternativ von anteromedial durchgeführt. Anteriore Zugänge durch den Streckapparat
müssen genauso wie dorsale Biopsiezugänge in Gefäß-/Nervennähe möglichst unter den
o. g. Bedingungen vermieden werden.
Resektion
Die Behandlung bei Tumoren am distalen Femur ist vielfältig und unterscheidet sich
vordergründig von der onkologischen Intention. Das Ausmaß der Resektion ist dabei
abhängig von folgenden tumorassoziierten Faktoren:
-
vorhandene Tumorbiologie (Dignität, histopathologische Entität, Grading)
-
anatomische Lokalisation/Wachstumsmuster des Tumors (extra-/intrakompartimental, intra-/extraartikulär)
-
topografische Lagebeziehung des Tumors zu neurovaskulären bzw. muskulären Strukturen
-
Stadium der zugrunde liegenden Tumorerkrankung (solitäre Läsion vs. metastasierte)
-
Response des Tumors auf neoadjuvante Therapien
Die Planung der Operation erfolgt anhand des erforderlichen angestrebten Resektionsrands
(intraläsional, marginal, weit, radikal).
Sarkome (Low-/High-Grade-Tumoren) und solitäre Metastasen biologisch günstiger Tumorentitäten
(Bsp. Nierenzellkarzinom)
Hier müssen weite, lokale oder sogar extrakompartimentelle Resektionen durchgeführt
werden. Zeigt der Tumor bildmorphologisch keine Infiltration des Kniegelenks, kann
die Resektion intraartikulär durchgeführt werden ([Abb. 1]). Andernfalls muss eine extraartikuläre und somit extrakapsuläre Resektion unter
Mitnahme des gesamten Kniegelenks ohne Eröffnung desselben (inkl. des gesamten Bandapparats,
transpatellare Osteotomie, koronare Teilresektion der Quadrizepssehne etc.) erfolgen
([Abb. 2]). Allerdings sind direkte Invasionen von Tumoren in das Kniegelenk selten.
Abb. 1 a bis c a, b distaler Femurersatz bei einem 16-jährigen Patienten nach Resektion eines Osteosarkoms.
c Sonderanfertigung eines proximal verriegelbaren distalen Femurersatzes aufgrund längerer
Rekonstruktionsstrecke bei ausgedehnter Tumorgröße (Ewing-Sarkom) bei einer 20-jährigen
Patientin.
Abb. 2 a bis d 64-jährige Patientin: undifferenziertes pleomorphes Weichteilsarkom mit Kniegelenkinfiltration
des Recessus suprapatellaris rechts und malignem Erguss. Initial neoadjuvante CTx,
dann schlechte Response und Planung zur extraartikulären Resektion mit nachfolgendem
distalem Femurersatz. a konventionelles Röntgen, b MRT, c postoperative Röntgenkontrolle und d Röntgenbildgebung und klinisches Makrofoto des Resektats.
Ein maligner Erguss, intraartikuläres Tumorgewebe und zuvor durchgeführte intraartikuläre
Operationen sind, neben fehlerhaft durchgeführten Biopsien mit primärer Kontamination
des Gelenks sowie pathologischen Frakturen, Indizien und Gründe für eine extraartikuläre
Resektion.
Ist kein sinnvolles funktionelles Ergebnis zu erwarten, muss eine Arthrodese, Segmentresektion
(Umkehrplastik) oder gar Ablatio erwogen werden [13].
Aggressive/benigne Läsionen
Die meisten benignen Läsionen und tumorähnlichen Läsionen am Femur sind Zufallsbefunde
und bedürfen nicht in jedem Fall einer operativen Therapie. Viele der typischerweise
am Femur auftretenden gutartigen Befunde sind im radiologischen Erscheinungsbild oftmals
eindeutig und kommen nach Abschluss des Skelettwachstums komplett zum Stillstand (z. B.
nicht ossifizierendes Knochenfibrom). Eine radiologische Kontrolle oder histologische
Sicherung ist oft nicht notwendig („leave me alone lesions“) [37]. Sollte in seltenen Fällen durch ausgedehnte Befunde eine Stabilitätsgefährdung
oder aber pathologische Fraktur eintreten, ist dann entweder eine protektive Stabilisierung
oder aber eine Rekonstruktion mit entsprechender Osteosynthese indiziert.
Aktive und lokal aggressive gutartige Läsionen (z. B. Riesenzelltumoren, aneurysmatische
Knochenzysten, aggressive Osteoblastome etc.) erfordern aufgrund der erhöhten Rezidivrate
nach intraläsionaler Resektion entweder eine marginale Resektion (in seltenen Fällen
auch eine weite En-bloc-Exzision) oder aber die Kombination aus intraläsionaler Resektion
mit einem Adjuvans. Am häufigsten kommt hierbei die lokale Zementauffüllung zur Anwendung
[37]. Nur in äußerst seltenen Fällen (ausgedehnte lokale Läsionen, nicht rekonstruierbare
pathologische Frakturen mit Defekten oder wiederholte Rezidive) kann ein distaler
Femurersatz bei benignen Läsionen indiziert sein.
Palliative Indikationen/Metastasen/pathologische Frakturen
Indikationen für den distalen Femurersatz sind neben großen metastatischen Destruktionen
auch pathologische Frakturen und ausgedehnte ossäre Defekte, die sich osteosynthetisch
mit oder ohne Zement nicht mehr übungsstabil rekonstruieren lassen.
In der Palliativsituation mit Instabilität des distalen Femurs werden bei intakter
Gelenkfläche und ausreichender kondylärer/interkondylärer metaphysärer Knochensubstanz
primär Kürettagen mit anschließender Zementauffüllung mit oder ohne zusätzliche vorzugsweise
winkelstabile Plattenosteosynthesen angewendet. Ein osteolytischer Aufbrauch der gesamten
distalen Femurepi-/-metaphyse oder Beteiligung großer Gelenkflächenanteile ohne suffiziente
Möglichkeit einer Schraubenverankerung indiziert zum Erhalt der Mobilität den distalen
Femurersatz. Bei radikaler Tumorresektion sind gute klinische Ergebnisse mit Reduktion
der Komplikationsrate zu erwarten [18].
Rekonstruktion
Infolge der verbesserten (neo)adjuvanten und operativen Therapiemaßnahmen hat sich
die Gesamtüberlebensrate bei primär malignen Knochentumoren deutlich gebessert (61–92 %)
[16], wodurch die Langzeitergebnisse der endoprothetischen Rekonstruktionen und deren
spezifische Komplikationen zunehmend an Relevanz gewinnen.
Bei der Wahl der Rekonstruktion gibt es eine Vielzahl an operativen Verfahren, die
eine individualisierte Patientenversorgung erlauben. Verschiedene Formen der modularen
Tumorendoprothetik stehen diversen Formen der biologischen Rekonstruktion gegenüber.
Komplette biologische Verfahren sind Autografts (gefäßgestielte Fibula), Allografts
oder deren Kombination. Den Vorteilen biologischer Systeme mit hoher Regenerationsfähigkeit,
Belastbarkeitsadaptation, partieller Wachstumsfugenausgleich stehen die verlängerte
Einheilungszeit, längerfristige Ent- bzw. Teilbelastung und Notwendigkeit externer
Stabilisatoren (Orthesen) gegenüber. Eine Sonderform stellen Compositeallografts dar,
bei denen ein Allograft mit einer Endoprothese kombiniert wird. Alleinige osteoartikuläre
Allografts sind aufgrund hoher Komplikations- und Versagerraten obsolet geworden.
Eine zunehmende Renaissance findet vereinzelt das Verfahren der extrakorporalen Bestrahlung
des tumorbefallenen Knochens mit anschließender Replantation im Sinne eines Autografts
[39]. Insgesamt gilt es, die individuellen Gegebenheiten des Patienten und v. a. in kurativer
Intention das Erreichen eines onkologisch weiten Resektionsrands zu beachten. Daran
orientierend erfolgt die Planung der Rekonstruktion, die Beachtung der Faktoren Rekonstruktionslänge,
Gelenksituation, zu erwartende Belastungssituation im Kontext zu Begleiterkrankungen,
Notwendigkeit und Art einer adjuvanten Therapie, Prognose, Alter (Wachstumsfugen)
sowie Weichteilsituation.
Tumorendoprothetische Verfahren erlauben die Rekonstruktion epi-/meta-/diaphysärer
Knochendefekte mit der Möglichkeit eines vollständigen Gelenkersatzes. Infolge der
Verfügbarkeit modularer Implantate kann intraoperativ jede Situation individuell modifiziert
werden. Vorteil ist eine sofortige stabile Situation, die eine kurzfristige Vollbelastbarkeit
erlaubt. Die im Baukastensystem zur Verfügung stehenden modularen Systeme gewährleisten
eine stufenweise Adaptation an aktuelle Rekonstruktionslänge und Rotation und steigern
somit die intraoperative Flexibilität [40]. Durch bessere onkologische Therapieoptionen mit verbesserten Überlebenszeiten der
Patienten werden an die Tumorendoprothesen hohe Ansprüche bez. Standzeiten, Implantatversagen,
Lockerungsverhalten, Infektionsrisko und funktionellem Ergebnis gestellt.
Die Implantatverankerung erfolgt nahezu immer intramedullär. Spezielle Oberflächenstruktureigenschaften
und Beschichtungen erhöhen die Osteointegration und resp. die Langzeitstabilität und
reduzieren die Infektanfälligkeit [22]. Zementfreie Verankerungen werden vor dem Hintergrund einer ggf. notwendigen Wechseloperation
bevorzugt. Bei geplanter postoperativer Bestrahlung oder fortgeschrittenem Patientenalter
ist die zementierte Variante zu empfehlen [39].
Distaler Femurersatz
Grundvoraussetzungen für eine endoprothetische Rekonstruktion mit distalem Femurersatz
nach Tumorresektion sind die Möglichkeit der suffizienten Verankerung des Prothesenschafts
in der Meta-/Diaphyse sowie eine adäquate Weichteildeckung und Rekonstruktion einer
funktionsfähigen, kniegelenkumgreifenden Streck- und Beugemuskulatur.
Die Resektionsnotwendigkeit primärer und sekundärer muskuloligamentärer Stabilisatoren
(Kollateral-/Kreuzbänder, Lig. patellae, M. quadriceps) führt zu einer Instabilität
mit gesteigertem biomechanischem Stress für den endoprothetischen Ersatz. Für die
Rekonstruktion wird ein kinematisches Rotationsgelenk benötigt, welches neben einer
suffizienten Valgus-/Varusstabilität eine gute Flexion/Extension sowie minimale Rotation
erlaubt [13], [14], [26], [30], [40]. Bewährt haben sich dabei unterschiedliche Systeme. Eines der häufigsten für diese
Indikation verwendeten Systeme ist das MUTARS®-System (Implantcast®, Buxtehude, Deutschland),
das diese Anforderungen und Eigenschaften inkludiert und zudem durch die Möglichkeit
der Silberbeschichtung eine verbesserte Infektprophylaxe bietet [8], [14], [22], [24]. Während in der Primärendoprothetik die 10-Jahres-Standzeiten für Knie- und Hüft-TEP
um 90 % liegen, zeigen die distalen Femurrekonstruktionen ein mittelfristiges Überleben
von < 70 % [34]. Eine resultierende Funktion mit ca. 80 % der physiologischen Norm ergibt eine akzeptable
Patientenzufriedenheit [14], [26], [30]. Trotz einer im Vergleich zur Primärendoprothetik deutlich höheren Komplikationsrate
ist langfristig der Erhalt der Extremität mit suffizienter Funktion möglich, wenngleich
in der Folge Revisionseingriffe zu erwarten sind [4], [16].
Tumorendoprothesen werden auch bei nicht onkologischen Patienten verwendet. Bei höhergradigen,
knöchernen und gelenknahen Defektsituationen distaler Femurfrakturen oder nach vorangegangener
gescheiterter endoprothetischer oder osteosynthetischer Versorgung bietet der distale
Femurersatz eine suffiziente Versorgungsmöglichkeit mit modularer Adaptation an die
jeweilige individuelle Defektkonstellation des Patienten [38]. Bei akzeptablen klinischen Ergebnissen ähnelt die Komplikationsrate denen nach
onkologischen Rekonstruktionen [28]. Durch eine i. d. R. sofortige Vollbelastbarkeit können insbesondere beim älteren
Patienten längerfristige Immobilisationen und somit sekundäre Komplikationen vermindert
werden. Ähnlich wie bei der primären Knieendoprothetik hat der primäre Patellarückflächenersatz
keinen klinischen Vorteil gezeigt [10].
Chirurgische Technik: intraartikuläre Resektion und tumorendoprothetische Rekonstruktion
(zementfrei)
Nach korrekter Lagerung des Patienten in Rückenlage, optional mit Fußkeilkissen und
Seitstütze sowie Gabe einer Single-Shot-Antibiose, erfolgt der Hautschnitt über eine
lange mediale oder laterale Inzision von der Mitte des Oberschenkels über parapatellar
medial laufend bis zur Tuberositas tibiae. Die längs verlaufende Biopsienarbe wird
spindelförmig umschnitten und verbleibt am Präparat. Der mediale Zugang gewährleistet
eine gute Exposition des femoralen Gefäß-Nerven-Bündels, der Fossa poplitea, des Streckapparats
und des distalen Femurdrittels inkl. Kniegelenk. Nach Mobilisierung der Vasa femoralis
superficialis wird das Intervall zwischen M. rectus femoris und M. vastus medialis
dargestellt. Anschließend wird der M. vastus intermedius exploriert. Das Ausmaß der
Weichteiltumorausdehnung entscheidet, inwieweit Anteile der Quadrizeps- oder Adduktorenmuskulatur
reseziert und am Präparat verbleiben müssen. Der M. rectus femoris ist funktionell
zur Stabilisierung des Kniegelenks entscheidend. Nach Darstellung der Muskulatur wird
das Kniegelenk in 90 °Flexion aufgestellt und im Falle einer fehlenden Invasion des
Tumors in das Kniegelenk die Kniegelenkkapsel eröffnet und nachfolgend diese am tibialen
Ansatz komplett durchtrennt. Nach Durchtrennung der Kreuzbänder und Resektion der
Menisken werden anschließend die verbliebenen Muskelgruppen vom dorsalen Femur (Gastrocnemiusköpfe)
abgelöst. Entsprechend des präoperativ ausgemessenen Sicherheitsabstands wird nun
die Femurosteotomie durchgeführt. Nach Abgabe des Resektats zur histologischen Untersuchung
werden nach Abgabe der Schnellschnittpräparate aus den Schnitträndern (Femurmarkraum
und ggf. Weichteile) sowohl die Handschuhe als auch das Instrumentarium gewechselt.
Muss eine extraartikuläre Resektion durchgeführt werden, wird entlang der Kniegelenkkapsel
präpariert und diese mitreseziert. Hier ist die Gefäßdarstellung in der Fossa poplitea
aufgrund der anatomischen Nähe einmal mehr wichtig. Die Quadrizepssehne wird patellarseitig
präpariert und die Patella in der Koronarebene osteotomiert.
Nach Abgabe des Präparats erfolgt die Rekonstruktion. Zunächst beginnend mit der tibialen
Osteotomie (ca. 1 cm subchondral) mit anschließender Präparation des tibialen Markraums
für die tibiale Schaftkomponente mit Implantation des individuellen Prothesentyps.
Nun wird analog der femorale Markraum unter schrittweiser Aufbohrung für den jeweiligen
Prothesentyp vorbereitet. Nach Implantation der femoralen Schaftkomponente wird das
tibiale PE-Plateau eingesetzt und abschließend die Prothese konnektiert. Als Orientierungspunkt
für die Rotationseinstellung dient femoral die Linea aspera. Schon während des Aufbohrens
und Raspelns des femoralen Markraums sollte dies beachtet werden. Die Beinlänge sollte
anatomisch rekonstruiert werden. In jedem Fall ist eine zu starke Traktion auf die
neurovaskulären Strukturen zu vermeiden (cave: N. peroneus). Modulare Prothesentypen
erlauben intraoperativ eine jederzeit mögliche Feinmodulation für Rotation und Länge
unter Einbeziehung der Höhe des PE-Inlays. Anschließend erfolgt die Rekonstruktion
der Weichteile, wobei insbesondere die Rekonstruktion des Streckapparats entscheidend
für die Funktionalität ist. Sowohl Hamstrings als auch M. sartorius können unterstützend
genutzt werden. In Abhängigkeit vom Defekt ist der Transfer des medialen oder lateralen
Anteils des M. gastrocnemius möglich. Die Verwendung eines Anbindungsschlauchs wird
am distalen Femur nicht genutzt.
Wachstumsprothesen
Eine Sonderform der Rekonstruktion nach distaler Femurresektion im Wachstumsalter
sind sog. „Wachstumsprothesen“ ([Abb. 3]) mit nicht invasivem Verlängerungsmechanismus. Aufgrund des kontinuierlichen Skelettwachstums
und daraus resultierender Beinlängendifferenz im weiteren Verlauf sind Tumorresektionen
im Wachstumsalter mit deutlichen funktionellen Einschränkungen verbunden. In der Vergangenheit
waren daher mehrere Prothesenwechsel notwendig, um diese Unterschiede auszugleichen,
was zu einem unzureichenden Beinlängenausgleich mit deutlich erhöhtem Komplikationsrisiko
bei multiplen Revisionen führte. Die distale Femurepiphyse trägt im Wachstumalter
zu ca. 1 cm Längenwachstum pro Jahr bei [1]. In der Vergangenheit wurden teleskopisch verlängerte Prothesen und Kallusdistraktionen
angewendet [12]. Im Allgemeinen besteht die Indikation für Wachstumsprothesen bei Kindern mit offenen
Wachstumsfugen und einer zu erwartenden Beinlängendifferenz > 5 cm. Prinzipiell können
Beinlängendifferenzen bis zu 16 cm ausgeglichen werden [3]. Eine Versorgung von Patienten < 4–6 Jahren mit Tumorprothesen wird u. a. aufgrund
der geringen Weichteildeckung und fehlender guter funktioneller Ergebnisse als weiterhin
kritisch angesehen [17]. Hier ist dann die Durchführung einer Umkehrplastik zu erwägen. Nach anfänglich
mechanischen Konstruktionen werden heutzutage ferngesteuerte, (über elektromagnetische
Induktion) elektromotorisch betriebene Verlängerungsmechanismen angewendet. Dabei
kann eine in situ verlängerbare Prothese sowohl direkt über eine teleskopische Distraktion
ihres extramedullären Anteils zur Verlängerung beitragen oder aber mit einem verlängerbaren
Nagel kombiniert werden, der schrittweise zu einer biologischen Kallusdistraktion
und damit wirklichen Knochenverlängerung führt. Allerdings ist das Komplikationsrisiko
von Wachstumprothesen deutlich gesteigert [5], [6]. Die Revisionsraten sind insbesondere durch implantatassoziierte Komplikationen,
wie septische oder aseptische Lockerungen, bei insgesamt akzeptablem funktionellem
Ergebnis deutlich höher als bei nicht extendierbaren Endoprothesen [12]. Bei geringgradigen Beinlängendifferenzen können bei noch offener Wachstumsfuge
auf der kontralateralen Seite definitive oder temporäre Epiphyseodesen angeboten werden.
Abb. 3 a und b Implantation einer Wachstumsprothese nach Resektion eines Osteosarkoms des distalen
Femurs bei einer 9-jährigen Patientin mit integriertem elektromotorisch betriebenem
Expansionsmechanismus und subkutan implantiertem Sensor zur perkutanen Fernsteuerung
der Expansion.
Komplikationen
Tumorendoprothesen sind mit einer zügigen Mobilisation, raschen Vollbelastbarkeit,
guten Funktion und kurzen Rehabilitation assoziiert.
Allerdings zeigen sog. Megaprothesen u. a. aufgrund ihrer Größe, dem Rekonstruktionsausmaß
mit entsprechendem Weichteilverlust, der relativ langen Operationszeit, ausgedehnten
Wundflächen und nach (neo)adjuvanten Therapiemaßnahmen mit Immunsuppression infolge
der (Radio-)Chemotherapie eine relativ hohe Komplikationsrate (25–92 %) [16]. Diese ist verglichen mit der oberen Extremität aufgrund der größeren Belastung
an der unteren Extremität deutlich gesteigert. Neben dem Lokalrezidiv ist die periprothetische
Infektion die schwerwiegendste Komplikation. Weitere häufig vorkommende Risiken sind
die aseptische Lockerung, der Prothesenverschleiß im Kniegelenk und die periprothetische
Fraktur. Grimer et al. führten eine retrospektive Langzeitanalyse von Tumorendoprothesen
mit einem minimalen Follow-up von 25 Jahren durch [16]. Von 564 Patienten hatten nach Therapie eines primär malignen Knochentumors 230
überlebt. 102 dieser Patienten wurde ein distaler Femurersatz implantiert. 18 % der
Patienten benötigten keine weitere Operation. Im Durchschnitt sind im Verlauf 2,7
weitere Operationen pro Patient zu erwarten. Während das Risiko für ein Lokalrezidiv
mit der Zeit abnimmt, persistiert dieses für eine Infektion mit 1 % pro Jahr.
Periprothetische Infektion
Beim distalen Femurersatz liegt die Inzidenz der periprothetischen Infektion ([Abb. 4]) bei ca. 11 % [14], [29]. Infolge Zementierungen mit Antibiotikazusatz und Modifikation der Implantatoberfläche
(Silberbeschichtung) konnte die Infektionsrate reduziert werden [22]. Dennoch verbleibt ein konstantes Lebensrisiko von 1 % pro Jahr [16]. Am häufigsten manifestiert sich eine Infektion in den ersten 2 postoperativen Jahren
[16]. Die möglichen Therapieverfahren bei einer periprothetischen Infektion bei distalem
Femurersatz sind die Lavage mit Polyethylenwechsel bei einem Frühinfekt, der einzeitige
Prothesenwechsel, der zweizeitige Wechsel und die sekundäre Amputation. Ein implantaterhaltendes
Vorgehen ist nur bei einem sicheren Früh- oder akuten Spätinfekt sinnvoll. Bei einem
Spätinfekt ist zunächst die Explantation und zweizeitige Replantation bei klinisch
und paraklinisch sicher beherrschter Infektsituation zu bevorzugen. Intraoperativ
wird eine jeweils ausreichende Probengewinnung (≥ 5) empfohlen [23], um eine resistenzgerechte Antibiose auch nach Replantation zu ermöglichen. Am häufigsten
werden koagulasenegative Staphylokokken (48 %) und polymikrobielle Keime (26 %) nachgewiesen
[29]. In der Langzeitstudie von Grimer et al. konnten über ein zweizeitiges Vorgehen
70 % der tiefen Infekte beherrscht werden. Andernfalls droht die Amputation (30 %).
Bei der Explantation ist auf ein knochensparendes Entfernen der häufig festsitzenden
Prothese zu achten. Gegebenenfalls müssen zur Replantation Sonderprothesen, größere
Megaprothesen oder gar ein totaler Femurersatz implantiert werden. In der Primärendoprothetik
wird eine Infekteradikation bei bekannter Resistenzlage durch einen einzeitigen Wechsel
diskutiert [31]. Diesbezüglich ist die Erfolgsrate bei Megaprothesen in wenigen Studien noch sehr
unsicher (42–78 %) [27], [29]. Bei fehlender Beherrschung der Infektion ist die sekundäre Amputation zu erwägen.
Insbesondere Patienten mit adjuvanter Strahlentherapie neigen diesbezüglich zu einem
erhöhten Risiko (55,5 %) [21].
Abb. 4 a bis d a 20-jähriger Patient: distaler Femurersatz nach Resektion eines Osteosarkoms. b 15 Monate postoperativ Revision mit radikalem Débridement, Explantation des Femurersatzes
und Spacer-Implantation bei Infektion. c, d Replantation nach gesicherter Infekteradikation mit zusätzlich notwendiger Rekonstruktion
der proximalen Tibia.
Mechanische Komplikationen
Aseptische Schaftlockerungen sind aufgrund der Belastung häufig (7–11 %) [14], [25], [33], [35]. In der Regel ist nach Ausschluss eines Infekts der einzeitige Prothesenwechsel
möglich. Gegebenenfalls muss eine geringe Nachresektion im Bereich des Schafttellers
infolge des Verlusts an Knochensubstanz erfolgen. Bei einem zementfreien Wechsel ist
zur Sicherung einer Osteointegration auf einen längeren Schaft mit größerem Durchmesser
zu achten [23]. Bei älteren Patienten oder fehlender Knochensubstanz wird die Zementierung empfohlen
[23].
Brüche des Implantats ([Abb. 5]) waren in der Vergangenheit häufig (3,3–15 %), sind allerdings heutzutage selten
geworden [14], [15], [33], [35]. Gegebenenfalls müssen insbesondere bei zementfreien Verankerungen transfemorale
Osteotomien zur Bergung des Implantats durchgeführt werden.
Abb. 5 a bis d a, b 29-jährige Patientin: Implantatversagen 7 Jahre nach distalem Femurersatz bei Osteosarkom.
c, d Kompletter Wechsel mit transfemoralem Zugang, Sicherung durch Draht-Cerclagen und
Implantation eines distalen Femurersatzes mit modifiziertem Kopplungsmechanismus.
Nach Einführung von Rotating-Hinge-Gelenken ist die Verschleißrate des Kopplungsmechanismus
([Abb. 6]) deutlich geringer geworden. Insgesamt sollte bei klinischen Beschwerden und nachgewiesenem
Gelenkverschleiß ein zeitnaher Wechsel erfolgen, um eine sekundäre aseptische Schaftlockerung
zu vermeiden. Jede Wechseloperation ist allerdings mit einem signifikanten Risikofaktor
für eine periprothetische Infektion verbunden [29].
Abb. 6 a bis d 28-jähriger Patient 7 Jahre nach distalem Femurersatz bei Osteosarkom mit Schmerzen
und Instabilitätsgefühl bei Verschleiß des Kopplungsmechanismus (a, b), kompletter Wechsel mit modifiziertem Kopplungsmechanismus und intraoperativer Notwendigkeit
transtibialer Osteotomie bei fest verankerter Tibiakomponente (c, d).
Periprothetische Fraktur
Im Allgemeinen sind bei Megaprothesen keine größeren Studien oder eine vergleichbare
Klassifikation wie bei der Primärendoprothetik bekannt. In Abhängigkeit von der Frakturlokalisation,
Stabilität der Schaftverankerung und Knochenqualität erfolgt die weitere Therapie.
Nicht dislozierte Frakturen mit stabilem Implantat können ggf. konservativ therapiert
werden. Alternativ können Draht-Cerclagen zur Anwendung kommen. Eine weitere Alternative
stellen winkelstabile Plattenosteosynthesen, idealerweise minimalinvasiv-perkutan
eingeschoben, dar. Voraussetzung ist das fest integrierte Implantat und die Möglichkeit
einer ausreichenden Schraubenfixierung. Bei Lockerung der Prothese kann durch einen
Wechsel auf einen längeren Schaft und die additive Nutzung von Draht-Cerclagen die
Fraktur überbrückt und stabilisiert werden. Bei mangelnder Knochenqualität ist ggf.
eine zementierte Rekonstruktion notwendig.