Suchttherapie 2017; 18(S 01): S1-S72
DOI: 10.1055/s-0037-1604494
Plenarvorträge
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Internet- und Spielsucht: Aktuelle Perspektiven

DJ Kuss
1   International Gaming Research Unit, Nottingham Trent University, UK
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Publication Date:
08 August 2017 (online)

 
 

    Seit dem Millennium ist die Popularität der Internet- und Online-Spielnutzung bei Nutzern fast aller Altersgruppen sukzessive gestiegen. Die Internetnutzung ist zu einem nicht wegdenkbaren Bestandteil unseres alltäglichen Lebens geworden. Wissenschaftliche Studien weisen darauf hin, dass die exzessive Nutzung von Internet- und Online-Spielen zu Symptomen führen kann, die traditionell mit substanzgebundenen Süchten assoziiert werden. Diese beinhalten Stimmungsmodifikation, Salienz, Toleranzentwicklung, Entzugserscheinungen, Konflikt und Rückfall. Basierend auf der aktuellen Forschungsgrundlage entschied die American Psychiatric Association (APA) in 2013, Internet Gaming Disorder in den Anhang des aktuellen diagnostischen Manuals, des DSM-5, aufzunehmen, als Kondition, die weiterer Forschung bedarf, um in das Hauptmanual aufgenommen werden zu können. Dies deutet darauf hin, dass Internet- und insbesondere die Spielsucht zusätzlicher Erforschung bedarf, um zukünftig offiziell als psychische Störung angesehen werden zu können. Da weiterhin eine nosologische und diagnostische Ambiguität hinsichtlich Internet- und Spielsucht besteht, werden in diesem Vortrag die aktuellen Perspektiven zum Thema der Internet- und Spielsucht aufgegriffen. Nur wenn der Massenanreiz der Internet- und Spielnutzung, der individuelle Nutzungskontext, die Neurobiologie der Nutzung und der gegenwärtig genutzte diagnostische Rahmen berücksichtigt werden, werden wir dazu in der Lage sein, dieses mögliche psychische Problem vollständig verstehen zu können. Der individuelle Nutzungskontext verleiht dem Nutzungserleben Bedeutung und Wichtigkeit, und kann dementsprechend exzessive von pathologischer Nutzung demarkieren. Der kulturelle Kontext bettet den Internet- und Spielnutzer ein in eine Gemeinschaft, die bestimmte Bräuche und Ansichten teilt. Von der neurobiologischen Perspektive zeigt wissenschaftliche Forschung, dass Internet- und Spielsucht Gemeinsamkeiten mit substanzgebundenen Süchten aufweist auf molekularer, neuronaler Vernetzungs- und Verhaltensebene. Dies deutet an, dass Internet- und Spielsucht ähnlich wie substanzgebundene Süchte basierend auf einem Verständnis als psychische Erkrankung verstanden werden kann, im Einklang mit dem Vorschlag der APA.

    Es lässt sich zusammenfassen, dass die Internet- und Spielsucht von einer holistischen Perspektive betrachtet werden soll, welche sowohl ihren Kontext, als auch die Neurobiologie und Nosologie beinhaltet. Dies kann zu einem fundierten und umfassenden Verständnis der Bedeutung, des Kontexts und des Gebrauchs der Internet- und Spielnutzung führen.


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