Suchttherapie 2017; 18(S 01): S1-S72
DOI: 10.1055/s-0037-1604559
Symposien
S-15 Sucht und Migration
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Problematischer Substanzkonsum von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen – eine Befragung von Fachkräften

H Zurhold
1   Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) der Universität Hamburg
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Publication Date:
08 August 2017 (online)

 
 

    Einleitung:

    Ziel der Studie ist es, Informationen zum Substanzkonsum von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) zu gewinnen. In Deutschland unterstanden im Jahr 2016 insgesamt 69.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und junge volljährige Geflüchtete der Zuständigkeit der Jugendhilfe. Der Anteil an UMF ist in den Ländern Bayern, Hessen und Hamburg (zusammen mit NRW und Baden-Württemberg) im Bundesvergleich am höchsten.

    Methodik:

    Es handelt sich um eine explorative Querschnittstudie, die in den drei Städten Hamburg, Frankfurt und München umgesetzt wird. Da zum Konsum psychotroper Substanzen unter UMF bislang kaum Informationen existieren, wurden in allen drei Städten Fachkräfte interviewt, die für die Inobhutnahme und Koordination der Jugendhilfe zuständig sind, in Betreuungseinrichtungen mit UMF arbeiten oder in der Jugendsuchthilfe tätig sind. Für die qualitativen Interviews wurde ein Leitfaden eingesetzt.

    Ergebnisse:

    Die UMF in Betreuung waren ausnahmslos männlich und kommen aus allen Teilen Asiens und Afrika. Im Hinblick auf die Herkunft lassen sich kaum Schwerpunktländer ausmachen. In der Regel sind die Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahre alt. Aus Sicht der Fachkräfte haben nur wenige der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge einen Substanzkonsum entwickelt. Sofern Substanzen konsumiert werden, handelt es sich vor allem um Alkohol und Cannabis. Dominant sind vielmehr Belastungsstörungen der Jugendlichen, die aus der Flucht resultieren. Benötigen minderjährige Flüchtlinge eine drogenspezifische Hilfe, ist es aufgrund von Sprachbarrieren schwierig, Einrichtungen zu finden, die mit dieser Zielgruppe arbeiten. Das gilt für ambulante wie auch für stationäre Behandlungseinrichtungen.

    Schlussfolgerung:

    Die Einrichtungen der Jugendhilfe sind im Umgang mit Belastungsstörungen gut aufgestellt, da die meisten Fachkräfte Trauma-Schulungen besucht haben. Im Zusammenhang mit dem Substanzkonsum bestehen zumeist Wissenslücken. In den meisten Einrichtungen wird nicht zwischen dem Substanzkonsum an sich, einem regelmäßigen oder riskanten Konsum unterschieden. Jeglicher Konsum von psychotropen Substanzen ist für Jugendliche verboten und zieht entsprechende Sanktionen nach sich. Die Ergebnisse zeigen, dass die Fachkräfte durchaus einen Fortbildungsbedarf zum Thema psychotrope Substanzen haben, um Konsummuster besser einschätzen zu können und entsprechende Unterstützungsmaßnahmen in die Wege zu leiten. Zugleich müssen sich Suchthilfeeinrichtungen zunehmend auf dieses Klientel einstellen.


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