Suchttherapie 2017; 18(S 01): S1-S72
DOI: 10.1055/s-0037-1604616
Symposien
S-30 Amphetamine und Methamphetamine: Konsummuster und Risikofaktoren bei besonderen Patientengruppen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Chemsex, Syndemie-Produktion und Minderheitenstress: Aktuelle Befunde zum Drogenkonsum bei Männern, die Sex mit Männern haben

D Deimel
1   Katholische Hochschule NRW, Aachen; Deutsches Institut für Sucht- und Präventionsforschung (DISuP)
,
H Stöver
2   Frankfurt University of Applied Sciences; Institut für Suchtforschung Frankfurt am Main
,
A Dichtl
2   Frankfurt University of Applied Sciences; Institut für Suchtforschung Frankfurt am Main
,
S Hößelbarth
3   Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg
,
N Graf
2   Frankfurt University of Applied Sciences; Institut für Suchtforschung Frankfurt am Main
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
08. August 2017 (online)

 
 

    Einleitung:

    Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), sind nicht nur eine vulnerable Personengruppe für HIV-Neuinfektionen, sondern auch für psychische Erkrankungen wie affektive Störungen, Angststörungen, Suizidalität und problematischen Drogenkonsum (Drewes & Kruspe, 2016). Insbesondere der Konsum von Drogen in sexuellen Settings (Chemsex) scheint in einem Teil der MSM-Community etabliert zu sein. Dieser Konsum wird mit einem erhöhten Infektionsrisiko für HIV und anderen STI's assoziiert (Bourne et al., 2015a & 2015b). Lokale AIDS-Hilfen und Schwulenberatungsstellen verzeichnen diesbezüglich einen erhöhten Zulauf von drogenkonsumierenden MSM (Deimel, 2017).

    Methodik:

    Auf der Basis einer systematischen Literaturrecherche sowie einer in Deutschland durchgeführten qualitativen multizentrischen Untersuchung werden die Dynamiken und Hintergründe des Drogenkonsums bei MSM erläutert (Deimel et al., 2016a & 2016b). Als Erklärungsmodell dient der Ansatz der syndemischen Produktion (Singer, 2009, Singer et al. 2017, Stall, 2007) und des Minority-Stress-Modells (Meyer, 2003). Aus den Ergebnissen werden Anforderungen an die Beratungs- und Präventionsarbeit für drogenkonsumierende MSM abgeleitet.

    Ergebnisse:

    Im Kontext von Chemsex werden insbesondere Substanzen wie Amphetamine, Methamphetamin, Ketamin und GHB/GBL u.a. eingesetzt. Im Zusammenhang von Chemsex-Partys spielen mobile Geo- und Dating-Apps eine herausragende Rolle. Es lassen sich bei den Konsumenten mindestens vier Konsummotive identifizieren:

    1. Sexuelle Leistungssteigerung und intensiveres sexuelles Empfinden;

    2. Problembewältigung (Überwindung sozialer Ängste, Steigerung des Selbstbewusstseins, Überwindung von Identitätskonflikten);

    3. Partys feiern (Spaß haben, Enthemmung, Entgrenzung) sowie

    4. Sonstige Gründe (Entspannung, soziale Anerkennung etc.).

    Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen, welche in Verbindung zu der sexuellen Orientierung stehen, sind in den Biografien von drogenkonsumierenden MSM häufig zu finden. Im Rahmen der Suchtberatung und Suchttherapie von MSM sollte diese Faktoren berücksichtigt werden.

    Schlussfolgerung:

    Die Suchtberatung und Suchttherapie von MSM sollte Aspekte der Sexualität, Identitätsentwicklung und Traumabehandlung berücksichtigen und integrieren. Zudem sollten spezifische lokale Angebote in der MSM-Szene etabliert werden.


    #