Suchttherapie 2017; 18(S 01): S1-S72
DOI: 10.1055/s-0037-1604630
Symposien
S-34 Komorbidität und Risikofaktoren bei Suchterkrankungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prävalenz und Behandlung des Erwachsenen-ADHS bei Alkoholabhängigen in der stationären Entwöhnung

T Weber
1   MEDIAN Klinik Wilhelmsheim
,
C Sick
1   MEDIAN Klinik Wilhelmsheim
,
N Kaplan
1   MEDIAN Klinik Wilhelmsheim
,
A Richter
1   MEDIAN Klinik Wilhelmsheim
,
I Reinhard
2   Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
,
M Luderer
2   Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
08 August 2017 (online)

 
 

    Einleitung:

    Während die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Erwachsenenalter 2,5% der Allgemeinbevölkerung betrifft, ist sie weitaus häufiger bei Patienten mit einer Alkoholabhängigkeit, jedoch sind die Prävalenzraten aus bisherigen Studien uneinheitlich und schwanken zwischen 6 und 21%. ADHS in der Kindheit erhöht die Wahrscheinlichkeit, früher Substanzen zu konsumieren und eine Abhängigkeit zu entwickeln, erschwert die Behandlung und beeinträchtigt den Behandlungserfolg der Abhängigkeitserkrankung, jedoch ist das Erwachsenen-ADHS bei Suchtkranken unterdiagnostiziert. Ziel der Studie war die Erwachsenen-ADHS-Prävalenz bei abstinenten, alkoholabhängigen Patienten in der MEDIAN Klinik Wilhelmsheim während einer stationären Entwöhnungsbehandlung (8 – 16 Wochen) zu ermitteln.

    Methodik:

    Alle Studienpatienten erhielten ein strukturiertes, klinisches Interview zur Diagnostik einer Kindheits- und Erwachsenen-ADHS anhand der DSM-IV-Kriterien (DIVA2.0). Bei einer Verdachtsdiagnose wurden die Patienten durch zwei Psychiater abgeklärt, worauf die endgültige Diagnose in einem Beobachtungszeitraum von bis zu 5 – 8 Wochen nach Aufnahme gestellt wurde.

    Ergebnisse:

    488 von 624 (78,2%) aufgenommenen Patienten mit Alkoholabhängigkeit wurden von 1 – 10/2016 in die Studie eingeschlossen. 36 Patienten mussten nachträglich ausgeschlossen werden, da sie kein DIVA-Interview erhielten, sodass 452 Patienten ausgewertet werden konnten (92,6% aller eingeschlossenen Patienten). 20,6% der untersuchten Patienten (n = 93) wiesen eine Erwachsenen-ADHS-Diagnose auf. Diese waren signifikant jünger bei Aufnahme, beschrieben eine signifikant frühere Abhängigkeitsentwicklung für Alkohol und Nikotin, waren signifikant schwerer von Alkohol (Alcohol Dependence Scale, ADS: 18,5 vs. 12,9, p < 0,001) und signifikant häufiger zusätzlich von Tabak oder Drogen abhängig. Von 93 Patienten mit Erwachsenen-ADHS wünschten 75 Patienten eine medikamentöse Behandlung. 56 Patienten wurden mit Methylphenidat (Ritalin adult®) behandelt, worunter bei 44 Patienten eine Teil-/Vollremission der Symptomatik eintrat. 17 Patienten wurden mit Atomoxetin (Strattera®) behandelt, wobei bei 6 Patienten eine Teil-/Vollremission der ADHS-Symptomatik auftrat. 2 Patienten wurden initial mit Bupropion (Elontril®) behandelt, worunter eine Teilremission eintrat.

    Schlussfolgerung:

    Trotz des konservativen Studiendesigns mit insgesamt drei geforderten diagnostischen Interviews zur ADHS-Diagnosestellung, die über einen Zeitraum von mehreren Wochen durchgeführt wurden, zeigten sich in dieser Studie hohe Erwachsenen-ADHS-Prävalenzraten bei langzeitabstinenten, alkoholabhängigen Patienten in einer stationären Entwöhnungseinrichtung. Die medikamentöse Behandlung wurde gut angenommen und zeigte bei der Mehrzahl der behandelten Patienten eine deutliche Besserung der Symptomatik.


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