Geburtshilfe Frauenheilkd 2018; 78(01): 83-92
DOI: 10.1055/s-0038-1625062
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kein Zervixkarzinom ohne HPV. Gilt dieses Dogma noch?

W Kühn
1   GGGB, Berlin
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Publication Date:
11 January 2018 (online)

 
 

    Die Lehrmeinung „Human papillomavirus is a necessary cause of invasive cervical cancer worldwide” (Walboomers et al. 1999) und die Feststellung der Autoren, dass in 99,7% aller Zervixkarzinome (ZK) HPV nachgewiesen werden kann“ fand Eingang in Lehrbücher, Publikationen, Studien und in die Konsultationsfassung der S3-Leitlinie „Prävention des Zervixkarzinoms“. Im klinischen Alltag werden Ärzte und Patientinnen nicht selten bei CIN, AIS und ZK mit negativem HPV-Testen konfrontiert.

    Bereits in den 2000-er Jahren wurden an mehren Tausend paraffinisierten Gewebeblöcken von ZK Untersuchungen auf HPV mittels üblicher HPV-Teste und PCR durchgeführt, die in 5 bis > 15% negativ ausfielen. In zytologischen Abstrichen von Frauen mit ZK konnte mit den klinisch etablierten Nachweismethoden in > 10% kein HPV nachgewiesen werden. HPV-negative Proben waren in Nachuntersuchungen mit PCR in lediglich 50% HPV-positiv. AIS und Adenokarzinome sind hierbei mit 15 – > 25% deutlich häufiger HPV-negativ als die plattenepithelialen Neoplasien, mehrere Subtypen in > 50%, u.a. endometriode, hellzellige, seröse und mesonephrische Adenokarzinome (WHO 2014). Das bei Japanern sehr häufige Adenokarzinom vom gastrischen Typ weist eine Gen-Mutation auf und hat keine HPV-Ursache.

    Für die tägliche Praxis und ein Zervixscreening mit Co-Test müssen die Erkenntnisse, dass negative HPV-Teste Präneoplasien und Karzinome, insbesondere drüsige Neoplasien nicht ausschließen, berücksichtigt werden. Die Inzidenz des ZK ist in den letzten Jahren weiter abnehmend, das Adenokarzinom nimmt hingegen bei jungen Frauen in fast allen europäischen Ländern und in Deutschland jährlich um 1 – 4% zu. In der bayrischen Jahresstatistik 2015 machte es unter allen ZK 22% aus. Mittlerweile warnen mehrere Autoren vor einer Überbewertung der HPV-Testung, in USA könnte ein alleiniges HPV-Screening zusätzlich zu den jährlichen 12500 Karzinomen zu weiteren 2500 führen (Blatt et al. 2015).

    Nicht alle HPV-negativ getesteten Präneoplasien und Zervixkarzinome sind wahre HPV-negative Tumoren, die Teste fallen aus verschiedenen Gründen nicht selten falsch negativ aus. Dennoch ist die These „Kein Zervixkarzinom ohne HPV“ längst überholt.


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