Pneumologie 2018; 72(07): 535
DOI: 10.1055/s-0038-1660915
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Pulmo-kardiale Interaktionen: Die Höhenkrankheit des Rindes

P Reinhold
1   Institut für molekulare Pathogenese, Friedrich-Loeffler-Institut, Jena
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Publication Date:
10 July 2018 (online)

 
 

    Die Höhenkrankheit des Rindes (engl. high mountain disease) ist seit mehr als 100 Jahren bekannt und wurde ursprünglich als eine 'subakute bis chronische Herzschwäche weidender Rinder im Hochgebirge' beschrieben [1]. Die traditionelle englischsprachige Bezeichnung brisket disease leitet sich von der Körperregion ab, in der im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium klassischerweise Unterhautödeme zu finden sind (untere Halsregion, Triel =brisket).

    Klinische Symptome treten bei Rindern auf, nachdem die Tiere Wochen oder Monate zuvor zum Weiden in Höhenlagen über 2500 m verbracht wurden; die Morbidität wird mit 1 – 10% angegeben. Die zu diagnostizierende Rechtsherzinsuffizienz und die damit einhergehende Ödembildung im Körper stellen lediglich das Spätstadium der Erkrankung dar. Diesem vorgeschaltet sind eine Reihe von pathophysiologischen Veränderungen, die zunächst klinisch unauffällig bleiben.

    Der initiale (patho)physiologische Mechanismus besteht in einer ausgeprägten hypoxischen pulmonalen Vasokonstriktion (HPV) als Reaktion auf die unter den Bedingungen von Höhenluft vorherrschende alveoläre Hypoxie. Die Engstellung pulmonaler Gefäße in minderbelüfteten Lungenregionen ist zunächst ein sinnvoller physiologischer Mechanismus, der in allen Säugerlungen vorkommt, um das Ventilations-Perfusions-Verhältnis, und damit die Sauerstoff-Versorgung des Blutes, zu optimieren [2]. Unter Höhenluft jedoch entwickelt sich im pulmonalen Kreislauf eine generalisierte Vasokonstriktion, da alle belüfteten Lungenbereiche von der alveolaren Hypoxie betroffen sind.

    Die Stärke der HPV korreliert mit der tierartlich sehr unterschiedlichen Schichtdicke der Tunica muscularis in den kleinen Pulmonalarterien. Rinder (und auch Schweine) besitzen eine deutlich ausgeprägtere glatte Muskulatur in den Pulmonalgefäßen als beispielsweise Pferde, Ziegen, Schafe, Hunde oder Katzen [3]. Diese speziesspezifische Besonderheit bedingt, dass Rinder unter Höhenluft eine deutlich stärkere pulmonale Hypertension entwickeln als andere Tierarten. Verbleiben sie über längere Zeit unter diesen Bedingungen eines verminderten Sauerstoffpartialdruckes, so entwickelt sich durch strukturellen Umbau und Proliferation der Gefäßwände eine manifeste und irreversible pulmonale Hypertonie mit den entsprechenden Konsequenzen für das rechte Herz (Cor pulmonale). Letztendlich versterben betroffene Tiere an Herzversagen.

    Literatur:

    [1] Rosenberger G (Hrsg.): Krankheiten des Rindes, Parey-Verlag, 1970.

    [2] v. Euler & Liljestrand: Acta phys. Scandinav., 12 (1946) 301 – 320.

    [3] Cunningham Jg & Klein BG (Hrsg): Textbook of Veterinary Physiology, Saunders, 4th edition


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