Einleitung:
Der Einfluss sozialer Ungleichheiten auf die Gesundheit und die medizinische Versorgung
ist gut belegt. Bei Rehabilitation und Erwerbsminderung deutet sich an, dass Rehabilitanden
mit niedrigem sozioökonomischem Status (SES) später in Reha-Maßnahmen ankommen und
Versicherte mit niedrigem SES ein höheres Risiko auf Erwerbsminderungsrente haben.
Ziel dieses Beitrags ist die Analyse sozialer Ungleichheiten im Zugang zur med. Rehabilitation
(LMR) und zu Erwerbsminderungsrenten (EMR) bezüglich Antragstellung und Antragszeitpunkt
in einer Risikokohorte der Deutschen Rentenversicherung Bund.
Material & Methoden:
Grundlage der Sekundärdatenanalyse ist das „Dritte Sozialmedizinische Panel für Erwerbspersonen“
[1] für die Jahre 2013 bis 2016, Einschlusskriterium u.a. Krankengeldbezug 2012. Der
SES wurde in Anlehnung an Deck und Röckelein bestimmt, der Antragszeitpunkt von LMR
und EMR wurde aus den Versichertenkonten generiert. Deskriptive Verfahren und Cox-Regressionen
(adjustiert auf Alter und Geschlecht) wurden angewandt.
Ergebnisse:
Die Stichprobe umfasst 2681 Versicherte (53,6% weiblich, 46,4% männlich), die im Mittel
47,9 Jahre alt sind. 33,2% der Stichprobe wurden dem niedrigen SES, 39,2% dem mittleren
SES und 27,6% dem hohen SES zugeordnet. Insgesamt wurden von allen Versicherten 720
LMR- und 200 EMR-Anträge gestellt. Rein deskriptiv waren in der niedrigen SES-Gruppe
(Anträge n = 272) nach einem Jahr 45,2%, nach zwei Jahren 71,0% und nach drei Jahren
86,0% der LMR-Anträge gestellt, welches im Vergleich zur hohen SES-Gruppe in den ersten
drei Jahren jeweils anteilig höher ausfiel. Das kumulierte Risiko einer LMR war für
Versicherte mit niedrigem SES 1,4-mal (p < 0,01)höher als für Versicherte mit hohem
SES. Bezüglich der EMR (Anträge n = 99) hatten in der niedrigen SES-Gruppe 42,4% nach
einem Jahr, 68,7% nach zwei Jahren und 85,8% nach drei Jahren ihren Antrag gestellt,
welches auch hier im Vergleich zur hohen SES-Gruppe anteilig höher ausfiel. Hier war
das kumulierte Risiko für Versicherte mit niedrigem SES 2,4mal (p < 0,01)höher als
bei Personen mit hohem SES.
Diskussion:
Die Versicherten der Risikokohorte mit niedrigem SES stellen signifikant häufiger
und früher LMR- und EMR-Anträge als Versicherte mit hohem SES. Limitierend ist, dass
der genaue Erkrankungszeitpunkt unbekannt ist. In künftigen Analysen sollte die Gesundheit
der Versicherten berücksichtigt werden.
Schlussfolgerung:
LMR- und EMR-Anträge werden häufiger von Versicherten mit niedrigem SES gestellt.
Offen ist, ob dies den tatsächlichen Bedarf dieser Risikogruppe abdeckt.
Literatur:
[1] Bethge M, Spanier K, Neugebauer T, Mohnberg I, Radoschewski FM. Self-Reported
Poor Work Ability–An Indicator of Need for Rehabilitation? A Cross-Sectional Study
of a Sample of German Employees. Am J Phys Med Rehabil. 2015;94:958 – 66. doi:10.1097/PHM.0000000000000281.