Geburtshilfe Frauenheilkd 2019; 79(01): 100
DOI: 10.1055/s-0038-1676895
Wissenschaftliche Sitzung am 21.11.2018
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Keine Bange, wir holen eine Zange...“ medizinhistorische Anmerkungen zu einem aussterbenden Geburtsmodus

M David
1   Klinik für Gynäkologie Campus Virchow-Klinikum, Universitätsmedizin Charité Berlin
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Publication Date:
17 January 2019 (online)

 
 

    Geburtszangen gehörten zur Routineausstattung eines jeden Kreißsaales. Die Indikationen für die Anwendung eines Forceps waren in jedem geburtshilflichen Lehrbuch zu finden. In Berlin nehmen laut Perinatalerhebung in den letzten Jahren Geburten per Forceps weiter stetig ab. Die Geburtszange wird sich vermutlich bald in die Gruppe vergessener geburtshilflicher Instrumente wie Pinard-Hörrohr und Amnioskop einreihen.

    Die frühesten Beschreibungen eines forcepsähnlichen Hilfsmittels finden sich um 1.500 vor Christi. Aber bis Mitte des 16. Jahrhunderts hatten Hebammen und Geburtshelfer bei ungünstigen Geburtsverläufen letztlich nur drei Optionen:

    1. das Kind nach einer Wendung auf die Füße mittels ganzer Extraktion zu entwickeln;

    2. einen Kaiserschnitt durchzuführen, wobei dies noch bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr oft für Kind und Mutter tödlich endete;

    3. Perforation des kindlichen Schädels, um zumindest das Leben der Mutter zu retten.

    Eine 4., aus heutiger Sicht naheliegende Option gab es erst, nachdem das „Geheimnis“ der Hugenottenfamilie Chamberlen, die als Erfinder der Zange gelten, publik geworden war. Unabhängig davon hatte aber auch der flämische Chirurg und Geburtshelfer Johan Palfyn 1723 vor der Pariser Akademie der Wissenschaften ein zangenartiges Instrument vorgestellt. Im Verlaufe des 18. Jahrhunderts setzte sich dann die Geburt mittels Zange als neue Möglichkeit, in schwierigen Situationen Geburts-Hilfe zu leisten, zunehmend durch. Zudem lässt sich an der Entwicklung der Geburtszange auch die Herausbildung der verschiedenen geburtshilflichen Schulen Europas verfolgen. Insgesamt wurden in den letzten 350 Jahren mehrere hundert verschiedene geburtshilfliche Zangenmodelle konstruiert und angewendet.


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