Einleitung:
Das Wissen zum erblich bedingten Mammakarzinom hat sich in den letzten Jahren rasant
erweitert. Daraus resultierten eine verbesserte Vorsorge und spezifische Therapie
dieser Karzinome. Doch neben den bekannten BRCA 1 und BRCA 2 Mutationen, existieren
noch zahlreiche weitere Genmutationen, welche mit einem erhöhten Mammakarzinomrisiko
einhergehen. Gerade zu diesen eher seltenen Genmutationen fehlen in unseren Leitlinien
Empfehlungen bezüglich Therapie und Vorsorge. Ein seltenes, erbliches Krebssyndrom,
welches mit erhöhtem Mammakarzinomrisiko einhergeht, ist das Li-Fraumeni-Syndrom (LFS).
Die Prävalenz liegt bei 1 – 9/100 000, sodass dieses Syndrom zu den seltenen Erkrankungen
zählt. Eine autosomal-dominant vererbte Keimbahnmutation im Tumorsuppressorgen TP
53, in seltenen Fällen im CHEK2- Gen, verursacht diese Tumorprädisposition. Bereits
im Kindes- und jungem Erwachsenenalter kommt es gehäuft zum Auftreten von verschiedenen
Tumoren v.a. Weichteilsarkomen, Osteosarkomen, Lymphomen, Leukämie und bei weiblichen
Betroffenen zu den Mammakarzinomen. Trägerinnen der pathogenen Mutation haben im Alter
von 50 Jahren ein 80%iges Risiko an Krebs zu erkranken. Gleichaltrige Männer mit LFS
hingegen nur ein 40%iges. Dieser signifikante Unterschied erklärt sich überwiegend
durch das Auftreten von Mammakarzinomen.
Kasuistik:
Eine 63-jährige Patientin, mit molekulargenetisch gesichertem LFS, stellte sich mit
dem Wunsch einer prophylaktischen Operation zur Risikoreduzierung in unserer Klinik
vor. Nach onkologisch abgeschlossener Behandlung der Mammakarzinomerkrankungen beidseits,
befand sich die Patientin in Komplettremission und wünschte nun die prophylaktische
Mastektomie beidseits. Wie für das LFS klassisch, war die Patientin in der Eigenanamnese
an multiplen weiteren Krebserkrankungen erkrankt. Es fand sich ein Z.n. Sarkom der
Schulter, chronisch lymphatischer Leukämie und Z.n. Zervixkarzinom.
Ergebnisse:
Durch die bei LFS auftretenden, multiplen Karzinomidentitäten, gestaltete sich das
Regime der Vorsorgeuntersuchungen sehr komplex. Bildgebende Verfahren mit erhöhter
Strahlenbelastung sollten möglichst vermieden werden, da diese das Risiko für Sekundärkarzinome
erhöhen. Bei weiblichen Erwachsenen steht die Früherkennung vom Mammakarzinom im Vordergrund.
Hierzu erfolgt die halbjährliche klinische Tastuntersuchung ab einem Alter von 20
Jahren in Kombination mit einer Sonografie. Zusätzlich sollte eine jährliche Mamma-MRT-Untersuchung
erfolgen. Nach Abwägung der Strahlenbelastung und dem diagnostischen Nutzen kann eine
Mammografie durchgeführt werden. Bestrahlung als eine der entscheidenden Therapiesäulen
bei der Behandlung des Mammakarzinoms sollte bei Patienten mit nachgewiesenem LFS
vermieden werden, da sie das Risiko eines Zweittumors steigert. Ebenso verhält es
sich mit genotoxischen Chemotherapeutika. Daraus resultierend ist in der Wahl der
Therapie eine gewissenhafte Schaden-Nutzen-Abwägung erforderlich. Sowohl endokrine
als auch operative Therapie können bei Patienten mit LFS entsprechend den gültigen
Leitlinien eingesetzt werden. Zur prophylaktischen Mastektomie bei LFS gibt es derzeit
keine generelle Empfehlung, sodass dies der Einzelfallentscheidung bedarf. Da allerdings
31% der Patientinnen ein kontralaterales Mammakarzinom entwickeln, gehören Trägerinnen
mit Mutation im TP53 oder CHEK 2 Gen, genauso wie Trägerinnen der BRCA 1 und BRCA
2 Mutation, zur Hochrisikogruppe.