Hintergrund: Die prophylaktische Substitution von Gerinnungsfaktorkonzentraten bei Hämophilie-
Patienten, beginnt heutzutage bereits in der Kindheit und ist der Goldstandard in
den Industrieländern. Dieses Behandlungsregime reduziert im Vergleich zur Bedarfsbehandlung
die Häufigkeit von Blutungen und Gelenkschaden. Das Auftreten von Blutungen, insbesondere
von Gelenkblutungen, kann bei Hämophilie-Patienten auch in jungen Jahren zur Arthropathie
verschiedener Gelenke fuhren.
Ziele der Studie: Vergleich des Gelenkstatus von Kindern mit Hämophilie unter moderner Prophylaxe mit
dem gesunder Kinder. Damit lasst sich abschätzen, in wieweit die hämophile Arthropathie
trotz dieser Maßnahme weiterhin auftritt.
Methoden: Kinder mit Hämophilie, jeden Schweregrades und Behandlungsregimes, im Alter von 0
bis 17 Jahren aus dem Gerinnungszentrum in Duisburg wurden mit gesunden Kindern aus
der Umgebung verglichen. Der Gelenkstatus wurde unter Verwendung von Ultraschall,
Behandler-berichteten Outcomes (ClinRO) und Patientenberichteten Outcomes (PRO) gemessen.
Physische Struktur und Gelenkfunktion wurden mit dem ClinRO Hemophilia Joint Health Score (HJHSv2.1) gemessen. Die subjektive körperliche Funktionsfähigkeit wurde mit dem
PRO HEP-Test-Q erfasst. Für die Ultraschalluntersuchung wurde das JADE-Protokoll (Joint Tissue Examination
and Damage Exam) verwendet. Die Ultraschallbilder wurden mit einem Fujifilm Sonosite
Edge II Ultraschallgerat unter Verwendung einer 13,6 MHz-Sonde erfasst. Die Ultraschalluntersuchung
und die Auswertung der Bilder wurde bei allen Kindern von derselben Person durchgeführt,
die Erfahrung in der Ultraschalluntersuchung nach dem JADE-Protokoll hat. Die klinischen
Daten der Hämophilie-Patienten in Bezug auf Behandlungsregime, Gesamt- und Gelenkblutungsraten
in den letzten 12 Monaten und Zielgelenke wurden den Patientenakten entnommen. Die
Unterschiede im Median bzw. im Mittelwert wurden zwischen Kindern mit Hämophilie und
gesunden Kontrollen und zwischen Hämophilie-Patienten für verschiedene Subgruppen
auf Signifikanz getestet.
Ergebnisse: Sechsundvierzig Kinder mit Hämophilie (mittleres Alter 9,1 } 5 Jahre) und 59 gesunde
Kinder (mittleres Alter 8,5 } 4,7 Jahre) nahmen an der Energie-Studie teil. Die Mehrzahl
der hämophilen Kinder hatte Hämophilie A (91,3%), mit schwerer Hämophilie (60,9%)
und erhielten eine prophylaktische Behandlung (69,6%), die meisten von ihnen bekamen
Sekundarprophylaxe (53,1%). Die Hämophilie-Patienten hatten im Durchschnitt 1,57 }
1,9 Gesamtblutungen (Bereich 0–9) und 0,65 } 1,2 Gelenkblutungen (Bereich 0–6) in
den letzten 12 Monaten, einen HJHS von 2,39 } 3,8 (Bereich 0–13). 43,5% hatten ein
Zielgelenk, hauptsachlich in den Sprunggelenken. Die meisten Kinder mit Hämophilie
nahmen am Sportunterricht in der Schule teil (58,7%), die meisten 1x/Woche (72,4%).
Fast ein Viertel erhielt Physiotherapie (23,9%); nur 2 Patienten hatten eine eingeschränkte
Mobilität. Nur Kinder im Alter von ≥ 6 Jahren füllten den selbstberichteten HEP-Test-Q
aus, insgesamt 33 Hämophilie-Patienten und 45 Kontrollen. Patienten mit Prophylaxe
(p<0,015), mit einer schweren Verlaufsform (p<0,001), Gelenkbeeinträchtigungen im
HJHS ≥ 1 (p<0,022), Gelenkblutungen ≥ 1 (p<0,029), Gesamtblutungen ≥ 2 (p<.0001),
zeigten im HEP-Test-Q eine schlechtere Gesamtpunktzahl als Kinder mit Bedarfsbehandlung,
mit mittelschwerer/milder Hämophilie, ohne Beeinträchtigung im HJHS, ohne Gelenkblutungen,
weniger als 2 Gesamtblutungen. Es gab keinen Unterschied zwischen Art der Prophylaxe
und Zielgelenken. Im Vergleich zu den Kontrollen berichteten die Patienten über eine
signifikant schlechtere subjektive körperliche Leistungsfähigkeit (MP = 77,16 } 9,5
vs. MC = 86,0 } 7,1; p <0,0001), hatten einen schlechteren HJHS (p<0,0001) und zeigten
in den Ultraschalluntersuchungen einen signifikanten Unterschied (p<0,02) der Längsfuge
von Tibia und Talus. Andere Gelenke wiesen in der Ausmessung mittels Ultraschall keine
signifikanten Unterschiede auf.
Schlussfolgerung: Kinder mit Hämophilie zeigten trotz Prophylaxe immer noch eine höhere Verschlechterung
ihres Gelenkstatus im Ultraschall im Bereich des Sprunggelenkes und berichteten über
höhere Beeinträchtigungen ihrer subjektiven körperlichen Funktionsfähigkeit im Vergleich
zu gesunden Kontrollpersonen. Obwohl 96,4% der Kinder mit schwerer Hämophilie eine
regelmäßige Prophylaxe erhielten, wurden frühe Anzeichen einer Synovitis im Sprunggelenk
festgestellt. Hämophilie-Patienten sollten frühzeitig auf Arthropathie mittels Ultraschalluntersuchungen
und standardisierten ClinROs und PROs beobachtet werden.
Ausblick: Hoffnungen machen die neuen Fortentwicklungen der Prophylaxe mit langwirksamen Faktorenkonzentraten,
Faktor VIII simulierenden Antikörpern oder mittels Reduktion der Wirkung von Gerinnungsinhibitoren.
Eine dauerhafte Erhöhung der Talspiegels bzw. wirkung konnte hier zu einer Besserung
des Status der Sprunggelenke fuhren. Daher wäre unsere Studie dann mit diesen Patienten
noch einmal zu wiederholen.