Fur eine erfolgreiche Prophylaxe braucht es neben wirksamer und sicherer Faktorkonzentrate
vor allem eine hohe Adhärenz seitens der Personen mit Hämophilie (PWH). Laut WHO kann
Adhärenz durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden, z. B. Sozioökonomie, Therapie,
Patienten, Erkrankung und Gesundheitssystem. Sechs Fokusgruppen wurden mit PWH (Erwachsene,
Jugendliche, Eltern von hämophilen Kindern), Hämophilie-Behandlern (HCP: Internisten,
Pädiater) sowie Vertretern gesetzlicher Krankenkassen (HIC: Health Insurance Company)
durchgeführt. Mithilfe semi-strukturierter Interviews wurden die Teilnehmer (TN) zu
folgenden Themen befragt: Rahmenbedingungen, Barrieren bzw. Verstärker, mögliche Interventionen,
Verständnis des Adhärenz Begriffes und Behandlungssituation. Darüber hinaus hatten
die TN die Möglichkeit, Vorschlage für Fragen für einen neu zu entwickelnden Adhärenz-Fragebogen
zu machen. Weitere 50 PWH und 25 HCP wurden gebeten, Fragen zum Thema Adhärenz schriftlich
zu formulieren. Alle Beitrage wurden mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse und
des Mindmappings geclustert und ausgewertet. Insgesamt nahmen 42 TN (13 HCP, 26 PWH,
3 HIC) an den Fokusgruppen teil; weitere 14 HCP und 6 PWH machten Vorschlage zu Adhärenz
Fragen. Insgesamt wurden 741 Beitrage ausgewertet, davon 458 von PWH, 205 von HCP
und 78 von HIC. Hieraus ergaben sich Indizien für systemisch bedingte Interessenskonflikte
zum Thema Adhärenz. Für PWH waren die wichtigsten Interessen ‚möglichst wenig Einschränkungen
im Alltag‘ (38,2%), ‚möglichst selten/schmerzfrei Spritzen‘ (15,3%), ‚Zeitersparnis‘
(13,8%) und ‚Vertrauen zu HCP‘ (12,7%); hingegen haben HCP ‚Patienten motivieren‘
(35,1%), ‚Dokumentationspflicht einhalten‘ (17,1%), ‚effektiv therapieren‘ (15,6%)
und ‚Patienten befähigen‘ (14,1%) und HIC ‚wirksame Therapie‘ (42,3%), ‚Patienten
motivieren‘ (30,8%), ‚Beitrag der Pharmaindustrie‘ (14,1%) und ‚effizienter Ressourceneinsatz‘
(11,5%) am höchsten priorisiert. Die gefundenen Interessenskonflikte kontrastieren
bisherige gesetzgeberische Kosteneinsparungs-impulse, sowie die von G-BA/IQWiG durchgeführten
Nutzenbewertungen von Arzneimitteln gemas § 35a SGB V, in denen Convenience explizit
als patienten-relevanter Zusatznutzen ausgeschlossen ist. Tatsachlich sind Convenience-
Effekte im Hinblick auf Therapie-Adhärenz für PWH sehr ausgeprägt. Eine Verstärkung
der Prophylaxe-Convenience konnte zu einem effektiveren und effizienteren Ressourceneinsatz
in der Hämophilie-Versorgung beitragen.