Einleitung: Bei kritisch Kranken sind die Glutaminspiegel erniedrigt, was auf einen erhöhten Bedarf
hindeutet. Studien zufolge könnte eine Glutamingabe die Infektions- und Mortalitätsrate
senken. Tao et al. haben diesen Zusammenhang untersucht.
Studien: 53 (quasi-)randomisierte klinische Studien mit 4671 Teilnehmern wurden in das Review
eingeschlossenen. Die Probanden waren kritisch krank oder unterzogen sich einer großen
Operation. Alle Studien untersuchten die Gabe von Glutamin vs. keine Supplementierung
oder Placebo. Ziel des Reviews war es u. a., den Effekt einer Glutamin-Supplementierung
auf Infektionen und Mortalität zu beurteilen.
Ergebnisse: 33 Studien enthielten Daten zu nosokomialen Infektionen. Die Ergebnisse der Metaanalyse
deuteten darauf hin, dass sich durch Glutamin die Infektionsrate reduzieren lässt
(relatives Risiko 0,79; 95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 0,71–0,87). Patienten, die
Glutamin erhielten, mussten nicht so lange stationär behandelt werden wie die Kontrollgruppen
(36 Studien, durchschnittliche Reduktion um 3,46 Tage; 95 %-KI -4,61 bis -2,32). Außerdem
mussten Patienten der Glutamingruppen im Mittel 0,69 Tage kürzer beatmet werden (14
Studien; 95 %-KI -1,37 bis -0,02). Die Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation war
jedoch um durchschnittlich 0,18 Tage länger (22 Studien; 95 %-KI 0,07 – 0,29). Daten
zur Kurzzeit-Mortalität (< 1 Monat) lieferten 36 Studien: Die kombinierte Mortalitätsrate
unterschied sich nicht statistisch signifikant zwischen den Studienarmen mit / ohne
Glutamin-Supplementierung. Das gleiche galt für die Langzeit-Mortalität (> 6 Monate;
11
Studien). Zu unerwünschten Wirkungen und Lebensqualität lassen sich keine klaren Aussagen
machen. In Sensitivitätsanalysen, die nur Studien mit geringem Biasrisiko einschlossen,
blieb der Vorteil der kürzeren stationären Behandlung durch Glutamin bestehen. Bezüglich
der anderen Endpunkte ließen sich keine statistisch signifikanten Unterschiede beobachten.
Auf Basis moderater Evidenzqualität reduziert eine Glutamingabe die Infektionsrate
und Beatmungsdauer. Die Qualität der Evidenz dafür, dass Glutamin die Dauer des Krankenhausaufenthalts
verkürzt, war gering. Auf die Mortalität und die Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation
scheint die Therapie kaum einen / keinen Effekt zu haben. Aufgrund des recht hohen
Biasrisikos und der Heterogenität der ausgewerteten Studien schränken die Autoren
die Aussagekraft ihrer Ergebnisse ein.