Fragestellung Die intensivmedizinische Behandlung schwerverletzter Patienten ist komplex und besonders
herausfordernd. Ein möglicher Einfluss der Fachdisziplin des ärztlichen Personals
auf die intensivmedizinische Therapie und das Outcome beim Polytrauma ist bis dato
unzureichend untersucht. In Deutschland erfolgt nichtsdestotrotz die intensivmedizinische
Betreuung polytraumatisierter Patienten überwiegend durch Anästhesisten. In der vorliegenden
Arbeit wurde der Einfluss der Fachdisziplin des behandelnden Arztes (Unfallchirurgie
vs. Anästhesie) auf die intensivmedizinische Versorgung und das Outcome beim Schwerverletzten
analysiert.
Methodik Es wurde eine retrospektive Matched-Pair-Analyse (01/2005-12/2014) aller, in unserer
Klinik primär aufgenommenen (< 6h nach Trauma) polytraumatisierten Patienten (ISS
> 15) mittels Propensity Score Matching (nearest neighbor matching im Verhältnis 1:3)
durchgeführt. Eingeschlossen wurden nur Patienten, die über 48h nach Trauma überlebten
und die während des stationären Aufenthaltes ausschließlich auf einer unfallchirurgischen
oder anästhesiologisch geführten Station intensivmedizinisch behandelt wurden. Eine
statistische Signifikanz wurde angenommen bei p < 0,05.
Ergebnisse und Schlussfolgerung Ergebnisse: Insgesamt konnten 808 Patienten identifiziert werden. Nach Durchführung
des statistischen Matching wurden insgesamt 189 Patienten mit einem Durchschnittsalter
von 43,0 ± 18,6 Jahren und einem ISS von 27,9 ± 9,6 eingeschlossen. Die Gesamtmortalität
betrug 9,5 %. Bei 134 Patienten erfolgte die intensivmedizinische Behandlung durch
Unfallchirurgen und bei 55 Patienten durch Anästhesisten. Abhängig von der Fachdisziplin
zeigten sich keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Beatmungsdauer (235,7
± 299,4 vs. 193,5 ± 300,5 Stunden, p = 0,1), der intensivmedizinischen Behandlungsdauer
(13,9 ± 15,1 vs. 11,9 ± 13,7 Tage, p = 0,4), der Substitution von Blutprodukten (EK
9,2 ± 11,8 vs. 8,6 ± 12,1,
p = 0,5; FFP 5,0 ± 8,0 vs. 5,5 ± 8,7, p = 0,9; TK 0,7 ± 1,9 vs. 0,8 ± 1,6, p = 0,3),
dem Auftreten posttraumatischer Komplikationen (ARDS, Sepsis, MODS) und der Mortalität
(8% vs. 13%, p = 0,4).
Schlussfolgerung: Bezogen auf die intensivmedizinische Therapie polytraumatisierter
Patienten zeigt sich die Behandlung auf einer ausschließlich unfallchirurgisch geführten
Intensivstation mit der Versorgung auf einer anästhesiologisch geführten Intensivstation
als gleichwertig.
Stichwörter Polytrauma, ICU